(2/4) Donnerstag

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"Nein, bitte ... nicht so!" Magnus wich dem Bemühen seines Helfers aus, ihn unter der Achsel zu packen. "Moment ... langsam ..." Er stellte den gesunden Fuß auf, stützte sich auf die Schulter des stämmigen Mannes und ließ sich von ihm hochziehen.

"Kommen Sie! Hier vorne, setzen Sie sich ... vorsichtig!" Der Hotelier führte ihn zu dem Ledersofa hinüber, das in der Nähe stand. Er zog besorgt die Stirn in Falten. "Aber was ist denn nur passiert, Signor Weber?"
Ja, was war passiert? Beim Aussteigen aus der Gondel hatte ihn der Schwindel übermannt und er war ins Wasser gefallen. Aber alles andere ... das konnte er niemals erzählen! Man würde es ihm nicht glauben. Nach allem, was er erlebt hatte, erschien ihm der Mann, der ihn irritiert betrachtete, so normalweltlich, dass er wusste: Er würde ihm nichts von dem abnehmen, was er zu berichten hätte.

"Gleich kommt eine Arzt, dauert nicht lange. Sie können aber ein bisschen hinlegen so lange ..." Der Blick des Italieners ging zu dem Zimmermädchen hinüber. Sie sprach schnell, gestikulierte mit der freien Hand und nickte mit dem Kopf immer wieder in Magnus' Richtung. Schließlich legte sie auf.
"Presto, Rosa, wir brauchen eine Decke. Und eine Handtuch! Und hol die Koffer, es ist Signor Weber! Er ist ganz nass. Er muss etwas anziehen."
Die Angestellte machte ein erstauntes Gesicht, dann nickte sie eifrig und verschwand durch die Tür, die sich in der Wand hinter dem Tresen befand.

Magnus wollte nicht liegen. Er fühlte sich bereits albern und hilflos genug. Sein Kopf schmerzte wieder, der Knöchel ebenfalls. Vorsichtig betastete er sein linkes Handgelenk, das ringsum blaurot verfärbt war. An den Rändern ging die Farbe in ein grünliches Gelb über. Jetzt, wo er sich endlich wieder in einem beleuchteten Raum befand, konnte er zumindest einen Teil seiner Blessuren betrachten. Er wollte sich vorbeugen, das Hosenbein hochziehen und einen Blick auf seinen Knöchel werfen, als ihm plötzlich wieder übel wurde. Der Boden der Halle bewegte sich in schwindelerregenden Wellen.
"Ich glaube, mein Kopf hat etwas abbekommen", murmelte er und sah zu dem Hotelmenschen auf, der immer noch ein wenig unbeholfen vor ihm stand und ihn beobachtete. Es war offensichtlich, dass er sich unwohl fühlte. Immer wieder blickte er sich nach dem Tresen um, hinter dem Rosa verschwunden war.
"Sie kommt gleich wieder" beteuerte er nervös, als bräuchte vor allem er selbst diesen Hinweis zur Beruhigung seiner Nerven. Ratlos kratzte er sich am Kopf. "Ich ... kann ich etwas für Sie tun? Sie haben grandi dolori - große Schmerzen?" Um sicher zu gehen, dass er verstanden wurde, legte er die Hand über seine Brust und verzog das Gesicht.

"Es geht, halb so wild", versicherte Magnus, dann schwiegen sie wieder. Er war nicht sicher, ob es sinnvoll war, von den tatsächlichen Begebenheiten zu erzählen. Wie erklärte man Dinge, die einem selbst so suspekt waren, dass man für das meiste gar keine Worte hatte? Und wie leicht konnte das falsch verstanden werden! Er musste nachdenken. Wenn er nur einen klaren Kopf hätte! Um Zeit zu gewinnen und die peinliche Situation für beide zu erleichtern, fragte er: "Wie war noch Ihr Name? Ich erinnere mich nicht ..."

Der Ältere schien froh zu sein, dass eine Unterhaltung in Gang kam. "Mi chiamo Angelo." Er tippte sich auf die Brust und lächelte verschmitzt unter seinem breiten Schnauzer. "Sie können nicht erinnern, Signor Weber, weil ich erst an dem Tag aus dem Urlaub zurück war, als Sie zuletzt hier waren, mit Ihrer ... Begleitung. Der bella Signora. An dem Morgen, wissen Sie, als die Signora abfuhr." Er legte die Hand über sein Herz und verdrehte seine braunen Augen. "So eine schöne Kleid! Bellissima!"

Giulia ... Magnus blinzelte verwirrt. Seine letzten Eindrücke von ihr waren durch die neuesten Geschehnisse weit in den Hintergrund getreten. Dass sie nun plötzlich erwähnt wurde, kam ihm seltsam vor; er war sich nicht mehr sicher, ob er sie überhaupt persönlich gekannt oder man ihm nur von ihr erzählt hatte. Wie fern und verschwommen sich seine Erinnerung anfühlte ... ein unsicheres Lächeln war darum alles, was er als Antwort auf die Schwärmerei des Hoteliers zustande brachte.

Als Rosa schnaufend um den Tresen herum kam und er in dem Koffer, den sie hinter sich her zog, seinen eigenen erkannte, wunderte er sich noch mehr. Über Angelos Zuruf, sie solle seine Sachen holen, hatte er gar nicht nachgedacht. Irritiert blickte er zwischen beiden hin und her; Fragen schwirrten durch seinen Kopf, aber sie ließen sich nicht greifen. Er sah zu, wie Rosa das Gepäckstück auf das freie Sofa der Sitzgruppe wuchtete. Sie warf die Decke daneben und reichte ihm das mitgebrachte Handtuch. Endlich wagte er die Frage zu stellen, die sich seit Minuten durch den Nebel seines Bewusstseins drängte.

"Welcher ... Tag ist heute? Welches Datum?" Er hatte Angst vor der Antwort.

Angelos Blick schoss unsicher zu Rosa hinüber; schließlich räusperte sie sich und sah Magnus aus ernsten Kulleraugen an. "Es ist ... Donnerstag", sagte sie zögernd. "Donnerstag, der dritte September."

Ein Taumel erfasste ihn und er musste sich auf der Sitzfläche der Couch abstützen. Seine Handflächen waren plötzlich nass. Er schluckte. Fieberhaft begann er zu rechnen. Giulia war am neunundzwanzigsten August nach Deutschland zurück geflogen. Und er war noch in derselben Nacht nach ihrem Aufbruch in Valerios Haus gewesen. Der August hatte einunddreißig Tage. Und heute sollte der dritte September sein! Wenn man sich hier jetzt keinen Scherz mit ihm erlaubte, waren also vier Tage und fünf Nächte vergangen, seit er das Hotel zu einem Abendspaziergang verlassen hatte. Wie betäubt starrte er durch die Glastür des Ausgangs. Draußen begann der Himmel sich orange zu färben. Die Sonne ging auf. Vier komplette Tage. Vier Tage und eine Nacht.

Rosa zögerte. "... Signor Weber? Signor Weber! Wir hatten nichts mehr von Ihnen gehört und Sie hatten Ihr Zimmer nicht geräumt. Da haben wir Ihre Sachen zusammen gepackt und sie hinten aufbewahrt. Falls Sie zurück kommen. Wir wussten ja nicht ..." Ihr Lächeln wirkte mitfühlend und schuldbewusst zugleich. "Aber nun sind Sie ja wieder da! Wir hätten am kommenden Montag die Sachen an Ihre Adresse in Deutschland geschickt. Zusammen mit der Zimmerrechnung." Sie hatte in gutem Deutsch gesprochen - ohne den charmanten Mix aus Italienisch, deutschen Brocken und starken Gesten, den Angelo verwendete. Während sie redete, saß Magnus stumm da, starrte abwechselnd auf das flammende Farbenspiel des anbrechenden Tages und auf ihr von der Morgensonne orange überhauchtes Gesicht. Ihre Worte rauschten über ihn hinweg. Als sie fertig war, nickte er langsam, dann schüttelte er den Kopf, fassungslos über die irrsinnige Situation, in der er sich  befand. Das war ja noch unglaublicher als die Szenen im Haus dieses ...Verrückten! Das Ganze war ... ein nicht endender Alptraum.

"Aber jetzt", sagte Angelo in väterlichem Tonfall, "Sie ziehen erstmal die nasse Sache aus. Es ist früh am Morgen, die Halle ist noch leer. Sie haben hier Ruhe. Ich möchte Sie nicht in eine freie Zimmer bringen, Sie können uns auf dem Weg ... perdere i sensi, wie sagt man in Germania?" Er drehte den Zeigefinger ausdrucksvoll vor seinen Brillengläsern im Kreis herum. "Ah, io so! Besinnungslos werden heißt das! Sie haben da nämlich etwas an die Kopf bekommen." Er wies auf Magnus' Stirn. "Sie machen jetzt fermarsi. Das heißt eine Pause. Die Arzt muss das ansehen, bevor wir Sie irgendwo anders bringen. Vorher ist nicht gut, besser wir warten."

Rosa nickte bekräftigend. "Das Frühstücksbuffet öffnet erst in zwei Stunden", ergänzte sie, "hier ist jetzt noch niemand. Trocknen Sie nun erst einmal Ihre Haare und ziehen Sie sich um. Warten Sie ..." Sie trat zum Koffer und öffnete ihn. Gleich obenauf lag sein Bademantel sorgsam zusammen gefaltet.

"Ah, sì ... das hier ist gut." Sie legte den Bademantel neben ihm auf dem Sofa ab. Obendrauf packte sie seine Sporthose. "Brauchen Sie noch etwas anderes aus dem Koffer?" Sein mechanisches Kopfschütteln und der abwesende Blick schienen sie zu besorgen. "Der Arzt müsste gleich hier sein", lächelte sie schließlich und bemühte sich hörbar um eine optimistische Haltung. „Danach können Sie sich etwas anderes anziehen. Keine Sorge, das wird schon. Wenn Sie beim Ausziehen Hilfe brauchen, kann Signor Monti hier ..." Angelo nickte bekräftigend. "Und nehmen Sie sich die Decke", fuhr sie in ihrer mütterlichen Art fort. "Ich bringe Ihnen einen Kaffee. Und etwas zum Kühlen für Ihren Kopf." Sie warf ihrem Chef einen wissenden Blick zu und verschwand mit zügigen Schritten Richtung Küche.

Das Rauschen in seinem Kopf hatte sich zu stechenden Schmerzen gesteigert. "Es tut mir so leid, ich ...", begann er hilflos und schwieg gleich wieder. Er musste irgendetwas sagen. Eine schlüssige Erklärung musste her. Oh, vor allem er selbst brauchte eine Erklärung!

"Ist gut. Alles gut, keine Problem."

Angelo versuchte ihn zu beschwichtigen, ihm das Gefühl zu geben, diese Sache sei etwas, das ihnen allen einmal passierte. Aber so etwas passierte niemandem! Was dachten sie wirklich von ihm? Er musste die Nerven bewahren, denn nun galt es erst einmal, die Dinge hier vor Ort wieder ins Lot zu bringen! Er hatte kein Zimmer mehr, das hatte er verstanden. Eine Rechnung war offen. Er wurde in diesem Hotel für unseriös gehalten, weil er einfach so verschwunden war, sich nicht mehr gemeldet hatte und Tage später in diesem Zustand zurück gekommen war. Auch, wenn man sich jetzt gerade freundlich um ihn bemühte: Er hatte sich nicht korrekt verhalten und er ging davon aus, dass man ihm das übel nahm.
Ein weiteres Problem: Der Arzt würde ihn gleich womöglich in die Klinik einweisen. Und in Frankfurt wartete man auf ihn, er hätte sich vor drei Tagen bereits zurück melden müssen! Dazu war sein Handy weg. Sicher, er konnte hier überall telefonieren. Aber er hatte keinen Zugriff mehr auf sämtliche wichtigen Nummern, Termine und Nachrichten, er konnte unterwegs nicht kommunizieren und war für niemanden erreichbar. Eine Katastrophe! Bestimmt hatte Harald mehrfach versucht, ihn zu fassen zu bekommen!

Er musste sehr verzweifelt aussehen, es wurde ihm bewusst, als Angelo ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legte. Mit einem Seufzer ließ er sich neben Magnus auf die freie Sofahälfte fallen. Er nahm seine Brille ab, putzte sie an seinem gestreiften Hemd und seufzte wieder. "Wann ist das passiert?" Er sah Magnus nicht an, wahrscheinlich dachte er an irgendeine peinliche Situation, eine Schlägerei nach einem Bordellbesuch, einen Alkoholexzess.

Ja, das war es ... das war die zündende Idee! Besser, man hielt ihn für jemanden, der sich aus Liebeskummer haltlos betrunken hatte und irgendwo versackt war, als dass man seine Blessuren mit einer kriminellen Handlung, einem Verbrechen in Verbindung brachte und daher diverse Aussagen und schriftliche Zeugenberichte, Orts- und Täterbeschreibungen von ihm forderte ... und dazu noch verlangte, dass er sie zu der Gondel führte, den Weg durch den Kanal rekonstruierte und sich in den nächsten Tagen für irgendwelche Identifikationen engelgesichtiger Irrer bereit hielt!

Er konnte hier nicht bleiben, er musste sofort nach Hause. Nein, kein Krankenhaus. Und keine Polizei, entschied er. Er konnte sich hier untersuchen lassen, ja, das war in Ordnung. Schließlich wollte er nicht auf einem gebrochenen Knöchel zum Flughafen humpeln und somit noch mehr Schaden anrichten. Vielleicht brauchte er einen Gips. Aber dann ging es erst einmal nach Hause. Wenn es etwas gab, das weitere Behandlung erforderte, dann konnte er sich darum kümmern, wenn er wieder in Frankfurt war. Er musste organisieren, dass man ihn vom Flughafen abholte.

Ende Teil 12


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