(2/7) Offenbarung

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"Rosa, bringen Sie mir doch bitte ein neues Feuerzeug." Magnus schob das alte an die Tischkante.
"Sì, Signor Weber. Sie sind hier schon fertig? Hat es geschmeckt?" Die Angestellte wies auf die Teller und den halbleeren Korb mit den Brötchen.
"Ja, ich denke, wir sind fertig. Wir müssen gleich los, es wird sonst zu spät. Aber danke, das war sehr gut ... das konnte ich gebrauchen." Demonstrativ klopfte er sich auf den Bauch.

Lachend begann Rosa den Tisch abzuräumen. "Ja, unser Frühstücksbuffet ist bekannt in diesem Viertel." Sie setzte den Brötchenkorb für einen Moment wieder auf dem Tisch ab und beugte sich zu ihm herüber. Diskret nickte sie zum Fenster hinaus. "Wir haben Ärger mit Signor Bertini drüben. Er ist der Chef vom Palazzo." Sie senkte die Stimme, während ihr Blick über die Gäste in dem halb besetzten Frühstücksraum schweifte. "Er hat mehr Betten als wir. Aber seine Gäste kommen zum Frühstücken zu uns herüber." Vertraulich zwinkerte sie Magnus zu. "Die Tische sind immer voll während der Hauptsaison. Wir sind sogar froh, dass es jetzt wieder weniger wird." Mit einem verschmitzten Lächeln richtete sie sich wieder auf. Ihre Wangen leuchteten rosig und machten ihrem Namen alle Ehre, als sie ihm zunickte. "Feuerzeug. Kommt gleich. Ich denke dran!" Sie lächelte noch einmal, dann verschwand sie mit dem Geschirr.

Nicoló lehnte sich in seinem Korbsessel zurück und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. "Du rauchst? Hätte ich nicht gedacht. Du bist nicht der Typ dafür."

Magnus blickte verwirrt auf. "Ich? Nein! Ich rauche nicht."

Die hochgezogenen Augenbrauen des Arztes machten deutlich, wie irritierend seine Antwort wirken musste - immerhin war er gerade in Begriff, sein altes Feuerzeug durch ein neues zu ersetzen.

"Du rauchst also ... nicht mehr?"

"Nein, ich rauche überhaupt nicht", versicherte Magnus. "Garnicht, auch nicht früher. Ich habe noch nie geraucht."

Beide schwiegen wieder. Die Notwendigkeit einer Erklärung stand in der Luft. Durch die Lautsprecher, die sich in den Ecken des Raumes hinter künstlichen Pflanzen verbargen, erklang leise "O Sole Mio". Die Instrumentalmusik verbreitete ein sonniges Ambiente; die perlenden Töne von Mandoline und Akkordeon hätten Magnus in einen wohlig entspannten Zustand versetzt, wenn der Arzt nicht ausgerechnet dieses Thema angesprochen hätte. Er schien auf einer Erklärung zu beharren, sein erwartungsvoller Blick verriet Neugierde.

Seufzend griff Magnus nach dem alten Feuerzeug und besah es. „Ich hatte da in meiner Kindheit ein Ding mit Feuer", begann er zögernd. "Ich ... hatte Träume. Und panische Angst davor, dass plötzlich Feuer ausbrach. Das wurde später so schlimm, dass ich einige Stunden bei einem Therapeuten brauchte." Unsicher blickte er zu Nicoló hinüber; die Aufmerksamkeit, mit der der Mediziner zuhörte, ermutigte ihn fortzufahren. "Meine Mutter hatte mich hingeschickt, weil ich es Weihnachten immer nur bei meinem Großvater aushielt. Der machte nichts mit Kerzen, er stand nicht auf diese ganzen Weihnachtsdinge, weißt du. Er hatte Kaninchen und Hühner und spielte Schach und Skat mit mir, so verbrachten wir die Festtage zusammen, nur wir zwei. Ich bestand jahrelang darauf, die Weihnachtstage bei ihm zu verbringen und meine Mutter fand das furchtbar, sie stand mit ihrem Vater auf dem Kriegsfuß. Auch Silvester war ich bei ihm. Sein Haus lag abgeschieden, da gab es keine Knallerei. Mein Großvater verstand meine Panik. Er war als junger Mann im Krieg gewesen."

"Ein Unfall mit Feuer? Ein Trauma? Was war der Auslöser?"

Magnus zuckte die Schultern. "Nichts, wovon ich wüsste. Keine Ahnung, wie es angefangen hat, es war auf einmal da. Auch meine Eltern haben mir nie etwas erzählt, was diese Sache erklären könnte." Er spielte mit dem Henkel seiner halbleeren Kaffeetasse. "Ich kann mich an kein Ereignis erinnern, absolut nicht. Nur die Träume waren auf einmal da. Sie kamen in Wellen ... kamen und verschwanden wieder. Später blieben sie. Es hat sich ohne Grund ergeben, einfach so." Er zögerte. "Ich ... ich mochte einfach kein Feuer, es ..." Er suchte nach Worten. "Es war mir unheimlich. Ich verstand es nicht. Es war völlig anders als alles, was ich sonst kannte."

Nicoló lehnte sich nach vorn und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. "Ja. Feuer ist anders. Weißt du, warum?" Mit seinen nächsten Worten traf er ins Schwarze. "Weil man es nicht fassen, nicht kontrollieren kann. Feuer wird als unberechenbar und nicht kalkulierbar erlebt. Es ist kein Material. Es kann sich ausbreiten, es kann überall sein und man kann es nicht festhalten, nicht einsperren, nicht anbinden."

Instinktiv griff Magnus nach seinem leeren Feuerzeug. Das schwergängige Rädchen gab raue, mechanische Geräusche von sich, als er es mit dem Daumen zu drehen begann. Tschack, tschack machte es. Er lauschte dem vertrauten Klang. Sein Daumen begann zu schmerzen. Tschack. Er musste an die dunkle Gasse denken, sah den Feuerschein, der auf den feuchten Steinen flackerte, den Schatten Valerios vor der Hauswand. Mehrmals ließ er die silberfarbige Kappe auf- und zuschnappen. Als Nicoló ihn nicht aus den Augen ließ, besann er sich der Wirkung, die diese nervöse Angewohnheit auf sein Gegenüber haben musste und legte das Feuerzeug wieder neben sich ab. Sorgfältig achtete er darauf, dass es mit der Tischkante abschloss.

"Ja ... das ist es", gab er schließlich zu. „Kontrolle. Mein Verhaltenstherapeut hatte damals ganze Arbeit an mir geleistet. Er hat mich Schritt für Schritt an das Thema heran geführt. Bis ich eine Kerze anzünden und es aushalten konnte, dass sie im Raum brannte, bis sie verbraucht war und von selbst erlosch. Ich konnte Feuer in seinem Kamin machen, sein Feuerzeug bedienen, auf einem Gasherd Teewasser kochen. Dann bekam ich ein eigenes Feuerzeug und nutzte es, bis es leer war. Eines seiner Feuerzeuge hatte er mir zum Abschied geschenkt, ein sehr gutes. Dieses eine, mit dem ich den allerersten Erfolg gehabt hatte."
Warum erzählte er ihm das alles? Vielleicht war es die Art, wie der Arzt zuhörte. "Das Thema gehört nicht gerade zu meinen ruhmreichsten", gestand er. "Es klingt vielleicht albern, aber ... wenn ich ein Feuerzeug bei mir habe, habe ich das Gefühl, das Feuer zu beherrschen."

„Anstatt dass es dich beherrscht", ergänzte Nicoló. „Ich verstehe." Er sah auf seine Uhr, stand auf und streckte Rücken und Schultern. „Komm, lass uns aufbrechen. Ich möchte meine Hausbesuche vor Mittag erledigen. Ich könnte wieder in der Praxis sein, bis du mit den Röntgenbildern vorbei kommst. Wenn ich mich unterwegs nicht unnötig aufhalte, musst du dort nicht auch noch warten."

Magnus war mehr als einverstanden, dass sein Thema ein so jähes Ende fand; er empfand es bereits als peinlich genug, dass er überhaupt davon erzählt hatte. Ächzend erhob er sich und rückte seinen Stuhl an den Tisch zurück. Trotz des Schmerzmittels fühlte sich sein Rücken an, als hätte ihn ein Trecker überfahren. Wenn es nach ihm ging, er wäre lieber gleich ins Bett gekrochen - er konnte nur hoffen, dass sich alles einigermaßen schnell erledigen ließ. "Ist deine Praxis denn besetzt, wenn ich dort ankomme? Ich meine, falls ich früher da bin?" Ihm entging nicht, dass Nicoló ihn mitleidig musterte.

„Ja, Sibilla ist da. Aber ich denke, du wirst länger brauchen als ich." Er lächelte ihm aufmunternd zu. "Ich werde mich beeilen. Meine Praxis liegt in derselben Straße, sie ist einfach zu finden. N. Pellegrini. Steht draußen auf dem Schild. Du kannst es nicht übersehen."

Rosa kam an den Tisch zurück, sie brachte das neue Feuerzeug. Magnus begutachtete es kurz, dann bedankte er sich und steckte es in seine Hosentasche. Bevor Nicolo seine Brieftasche ziehen konnte, erklärte er, er würde das Frühstück für beide übernehmen, Rosa solle es seiner Rechnung hinzufügen.
Als sie durch die Glastür ins helle Sonnenlicht traten, hatte er ein eigenartiges Gefühl im Bauch.

Ende Teil 15


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