(2/9) Knochen

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"Brüche ...? Ich habe Knochenbrüche? Aber hätte ich das nicht bemerken müssen?"

Nicoló lachte. "Ja, diese hättest du mit Sicherheit bemerkt. Insbesondere den zweifachen hier, am Knöchel! Du wärst gar nicht auf eigenen Beinen hierher gekommen, sondern ich hätte dich in die Klinik bringen müssen. Aber ich meine ja keine neuen Brüche. Du hast Glück gehabt, da ist nichts gebrochen. Ich rede von den alten. Wie lange sind die her?"

"Die ... alten Brüche?" Unbehaglich rutschte Magnus auf seinem Stuhl hin und her. Der Schweiß unter seinem T-Shirt begann zu laufen.

Der Arzt rückte die Röntgenbilder zurecht. Er warf einen Blick über die Schulter. "Komm doch mal her und sieh es dir an. Sie sind ganz wunderbar zu erkennen, besonders auf diesen beiden Bildern hier."

Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in seinen Eingeweiden aus, als er zögernd aufstand. In der Praxis hatte er lange auf Nicolós Rückkehr warten müssen, daher fehlte ihm jede Orientierung, wie spät es inzwischen war – wahrscheinlich war schon Mittag durch. Das dumpfe Gefühl in seinem Magen musste Hunger sein. Das Schwanken in seinem Kopf war ebenfalls stärker geworden; es machte ihm zu schaffen, während er unsicher einen Fuß vor den anderen setzte. Zögernd trat er in das Licht des großen Schirms. Es war, als tauchte er in diesem Moment in eine Geschichte ein, die zur neuen Realität wurde. Die alte, die einzige, die er bisher gekannt und an die er geglaubt hatte, trat stumm zurück und verschwand aus seinem Blickfeld, als er sich die feinen Linien auf den Knochen zeigen ließ.

"Hier. Siehst du?" Nicoló tippte mit einem Kugelschreiber auf die Bilder. Seine Stimme wirkte seltsam dumpf, wie durch Watte gesprochen. "Das sind deine alten Brüche. Die zwei hier unten, gleich über dem Fuß ... kannst du das sehen? Sie sind gut verheilt, das muss man sagen! Hast du sie seit dieser Zeit überhaupt schon einmal auf einem Röntgenbild gesehen? Wahrscheinlich nicht, oder? Dann hast du hier jetzt die Gelegenheit." Er schob die Aufnahmen des Knöchels beiseite und heftete eine weitere auf die Leuchtfläche. "Und hier, die Clavicula, das ist das Schlüsselbein. Erkennst du die gebogene Linie auf der Mitte des Knochens? Es wundert mich, dass man das damals ohne Operation hinbekommen hat. Ich habe bei dir keine Narben gesehen. Gute Arbeit, wirklich! Sehr ungewöhnlich." Er warf Magnus, der mit offenem Mund auf die Röntgenbilder starrte, einen Seitenblick zu.

Was war das, was sah er da? In seinen Ohren sauste es. Verheilte Brüche ... das Schlüsselbein ... Die Worte schwirrten ziellos in seinem Kopf herum. Sie fanden nichts, woran sie andocken konnten, keinen logischen Punkt, kein Ereignis, keinen Bezug, keine Wahrheit, nichts.

"Du musst gewaltiges Glück gehabt haben. Oder einen fantastischen Arzt. Bei dem könnte ich etwas lernen."
Nicolós Schwärmerei klang bizarr in seinen Ohren. Es passte nicht. Nichts passte, es war einfach falsch. Magnus konnte ihm nicht sagen, dass das alles vollkommen falsch und unsinnig war, dass es keinen Unfall, keine Knochenbrüche, keine Behandlungen und keinen phantastischen Arzt gegeben hatte, niemals. Auf den Bildern waren deutlich drei verheilte Brüche zu sehen: zwei über dem Knöchel und einer am Schlüsselbein. Und an keinen der drei erinnerte er sich.

Die Bilder waren nicht seine, sie mussten in der Radiologie vertauscht worden sein. Aber Emilia hatte Ruhe und Zeit gehabt und sie wirkte nicht unkonzentriert, ganz im Gegenteil! Er hatte sie als sehr aufmerksam und souverän empfunden; sie wusste, was sie tat und nichts entging ihrem Blick. Und sie war mit ihm allein in der Praxis gewesen. Er hatte sie durch eine Glasscheibe hindurch beobachten können, wie sie seine Röntgenbilder fertig gemacht und sie in den großen braunen Umschlag gesteckt hatte. Es war sehr unwahrscheinlich, dass auf diesen Bildern nicht seine Knochen, sondern die von jemand anders zu sehen waren. Er hatte einen trockenen Mund, seine Kopfschmerzen setzten so plötzlich ein, als habe man ihm mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen. Er taumelte und kämpfte dagegen an, sich übergeben zu müssen.

Nicoló packte ihn am Oberarm. "Holla! Na, ich denke, für heute hast du genug. Deine Gehirnerschütterung macht mir die größten Sorgen, das werde ich einen oder zwei Tage beobachten, mein Freund. Also - mit deinen Knochen ist alles in Ordnung, das sind nur Stauchungen und Prellungen. Ein paar Blutergüsse, das heilt schnell. Auch das Handgelenk sieht sehr gut aus."
Er brachte Magnus zum Stuhl zurück und füllte an dem Waschbecken, das sich in einer Ecke des Raumes befand, ein Glas mit Wasser. "Hier, trink. Und dann ab ins Hotel mit dir. Morgen früh werde ich bei dir vorbei schauen, muss sowieso in die Richtung. Wenn es dir dann nicht bedeutend besser geht, werde ich dich in die Klinik bringen. Und du liegst bis dahin und trinkst genug, hast du mich verstanden?"

Magnus wollte etwas entgegnen, aber Nicoló kam ihm zuvor. "Ja, ich weiß, das passt dir nicht. Aber wenn du dich nun ruhig verhältst, ersparst du dir vielleicht die Klinik. Ich bringe dich nur deshalb nicht schon jetzt dort hin, weil ich den Stationsarzt kenne." Er verzog das Gesicht. "Ein gruseliger Typ, den würdest du nicht mögen. Und die Schwestern und Pfleger sind den ganzen Tag unter Druck, das ist kein guter Platz, um sich zu erholen. Würde mir auch nicht passen, insbesondere, wenn ich bei Angelo meine Privatsphäre haben könnte. Und meinen eigenen Balkon und Rosas Frühstück." Er nahm die Röntgenbilder von dem grellweißen Untergrund weg und knipste das Licht aus. "Aber es wäre vernünftig" betonter er. "Du willst ja schließlich bald reisefähig sein und dir nicht noch irgendwelche Komplikationen mit nach Hause nehmen. Also - höre auf mich, dann bekommen wir das vielleicht auch so hin! Ich sehe morgen, wie es dir geht."

Magnus nickte nur, er sagte nichts mehr. Es gab nichts, was er noch denken oder fragen konnte. Dieser Arzt lernte ihn gerade erst kennen, er wusste nichts von seinem Leben. Wenn er ihm jetzt sagte, dass er nichts von irgendwelchen Knochenbrüchen wusste, die er sich angeblich irgendwann zugezogen haben sollte, dann würde er entweder von ihm denken, er sei geistig nicht ganz auf der Höhe, oder ... Er brach den Gedanken ab. Nein! Er konnte Nicoló nicht einfach fragen, wie alt diese Brüche wohl sein mochten. Niemand sollte es besser wissen als er selbst! Wenn sie aus seiner Kindheit stammten, dann musste sich das doch irgendwie an der Art der Verwachsung zeigen! Jedenfalls stellte er es sich so vor an Knochen, die nach der Verheilung eines Bruchs noch enormen Wachstumsschüben ausgesetzt waren. Hätte Nicoló es erwähnt, wenn die Brüche aus seiner Kindheit stammten? War denn die Tatsache, dass er nicht konkret gesagt hatte, dies seien Unfälle in der Kindheit gewesen, als Beleg zu nehmen, dass die Brüche also in den letzten zehn bis zwölf Jahren entstanden sein mussten? Oder dass sie sogar neueren Datums waren? So etwas müsste er doch wissen!
Mit Mühe konnte er sich vorstellen, dass es in seinen Kindertagen irgendein Ereignis gegeben hatte, an das er sich nicht mehr erinnerte und das seine Eltern ihm verschwiegen hatten. Es war zumindest möglich. Aber wenn diese Brüche nicht aus der Kindheit stammten, dann wusste er absolut nicht, wie sie entstanden und wann sie versorgt worden waren! Er konnte Nicoló hier unmöglich um Hilfe bitten, ein solches Rätsel zu klären, er machte sich vollkommen lächerlich. Die Stimme des Arztes weckte ihn aus seinen Grübeleien.

"Hör mir zu, Magnus, das ist wichtig. Also, wenn sich irgendetwas vor morgen früh verändert, dann rufst du mich sofort an, hörst du?" Nicoló sah ihn scharf an. "Kein falsches Heldentum! Du hast nur dieses eine Gehirn. Und wenn das anschwillt und gegen die Schale drückt ... damit ist nicht zu spaßen. Du rufst mich sofort an, wenn du dich schlechter fühlst oder sich die Dinge verändern. Haben wir uns verstanden?"

"Ja, klar", antwortete Magnus mechanisch. Plötzlich fiel ihm etwas ein. „Ich habe mein Handy verloren. Ich muss mir ein neues besorgen, aber ich kann ausgerechnet jetzt nicht in der Stadt herumlauf ..."

"Kein Problem, ich kann aushelfen." Nicoló ging zu seinem Schreibtisch hinüber, auf dem sich Dokumente und andere Dinge türmten, zog die Schublade auf und nahm ein Handy heraus. "Hier, mein altes. Ist nicht mehr das neueste Modell, aber du kannst es haben. Ich hatte es aufbewahrt. Es geht noch, aber die Kamera ist im Eimer. Manchmal spinnt es etwas, wenn man Anrufe bekommt. Dann warte, bis der Anrufer den zweiten Versuch macht, beim zweiten Mal klappt es meistens und du kannst das Gespräch annehmen. Wenn du selbst anrufst, funktioniert es immer noch problemlos. Du kannst auf meine Karte telefonieren, bis du ein neues hast. Ich denke, für die paar Tage wird es gehen ... Und hier, ein Ladekabel, nimm das mit." Er reichte ihm ein zusammengerolltes Kabel, dann begann er auf dem Display zu tippen. "Einen Moment", murmelte er, "ich speichere Dir eben noch meine neue Nummer ein ... So! Nun ist es erst einmal deines. Gib es mir wieder, wenn du es nicht mehr brauchst. Und ignoriere das Gespeicherte, die Nachrichten, Adressen und so weiter. Ich habe darin noch nicht aufgeräumt."

Er drückte ihm das Gerät in die Hand. Auch wenn es nur eine improvisierte Lösung war, fühlte Magnus sich wieder komplett. Er war nun wieder wesentlich sicherer und unabhängiger, das hatte ihm gefehlt.
"Genial, vielen Dank! Wirklich, sehr nett, das nehme ich gerne an. Aber ich werde dir die verbrauchten Beträge zurück zahlen." Er steckte das Handy in seine Brusttasche. "Ich muss gleich erst einmal in Frankfurt anrufen, mein Chef denkt sicher, ich sei von Aliens entführt worden." Er lächelte schräg. Der Vergleich hinkte, und doch entsprach er ungefähr dem, was er bei alldem fühlte.

"Halte das, wie du willst, mir ist es egal. Aber siehst du", tröstete Nicoló ihn, während sie in den Flur hinaus traten, „alles kommt wieder ins Lot! Es gibt immer Wege und Möglichkeiten, also kein Grund zur Panik. Jetzt hast du zumindest schon einmal ein Handy. Und weißt, dass nichts Schlimmeres passiert ist! Das heilt schnell, du wirst sehen." Freundschaftlich schlug er ihm auf die Schulter. "Dann ab mit dir, ich fahre dich." Er lachte. "Damit du sicher an Land kommst und dir beim nächsten Sturz nicht auch noch das Steißbein brichst."

Magnus humpelte stumm neben ihm her. Als sie am Eingangsbereich vorbei kamen, grüßte er die zierliche und stille Sibilla zum Abschied mit einem Nicken, da sie telefonierte. Sie hob die Finger der linken Hand von der Tischplatte und lächelte ihm zu, dann widmete sie sich wieder ihrem Gesprächspartner. Das Quietschen der Tür, als sie hinter ihnen ins Schloss fiel, verursachte ihm Gänsehaut. Über der Gasse hatte sich der Himmel dunkel zugezogen.

Ende Teil 17

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