(5/7) Konfrontation

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„Habt ihr eure Sachen? Die Unterkleider, eure Hauben, die Schleier? Die Kreuze?"
Die Mädchen standen vor Maria in einer Reihe. Ihre Kleidung hielten sie in einem ordentlichen Stapel gefaltet vor der Brust. Vier Augenpaare waren aufmerksam auf die Nonne gerichtet. Niemand wagte irgendwo anders hin zu sehen als auf ihr rotwangiges Gesicht, denn fünf Schritte hinter ihr stand Orazia. Sie fixierte die Mädchen, als wartete sie nur darauf, dass eine von ihnen etwas tat, wofür sie gerügt oder bestraft werden musste. Und es war wohl keine unter ihnen, die nicht für möglich hielt, dass bereits ein hörbares Atmen oder ein Blinzeln zu ihrem Tod führen konnte, solange diese furchtbare Frau im Raum war.

Maria wollte ihre Neulinge so schnell wie möglich aus dem Bannkreis und Adlerblick der Pförtnerin befreit wissen. Sie machte es darum kurz und gebärdete sich hart und streng, um Orazia zufrieden zu stellen und keine weiteren Einmischungen von ihrer Seite zu provozieren.

"Eure Kreuze lasst ihr morgen früh bei der Prim segnen. Vergesst sie also nicht." Sie bemühte sich eine strenge Miene aufzusetzen. "Die Prim ist um sechs, nach Sonnenaufgang. Ihr seid ordentlich angezogen und pünktlich. Am Morgen wird eine Schwester kommen und euch mit dem Kopfgebinde und dem Schleier helfen. Ihr geht geschlossen zur Prim. Versammelt euch nicht an der Vordertür, sondern hinter der Kapelle, ich führe euch dann hinein. Niemand geht selbst und allein, niemand spricht oder lacht, ihr zupft nicht an eurer Kleidung herum und ihr achtet auf meine Anweisungen."

Sie sprach in knappen Worten und mit einer Strenge, die sie sich für solche Augenblicke antrainiert hatte. Die Mädchen taten ihr leid. Wenn sie erst länger hier waren, durften sie bemerken, dass alle freundlich zu ihnen waren und dass sie sich nur vor der Pförtnerin und vor Bonifatia Agostina in Acht nehmen mussten.

„Habt ihr das verstanden?", fragte sie und sah jeder einzeln in die Augen. Die Mädchen wagten nicht zu nicken. „Wenn wir nun hinaus gehen, bleibt ihr hinter mir und schaut nicht in der Gegend herum. Merkt euch die Wege, damit ihr euch bald auf dem Klostergelände zurecht findet! Ich bringe euch jetzt zu euren Unterkünften. Dort legt ihr eure Sachen ab und dann zeige ich euch die Kapelle, damit ihr morgen früh dorthin findet. Danach werdet ihr zu Abend essen."

Die jungen Novizinnen hatten den Blick wieder gesenkt, aber Maria entging nicht, wie sich bei dem Wort Abendessen ein Hauch von Zuversicht auf die Gesichter stahl.

Die Blicke der Pförtnerin in ihrem Rücken ärgerten die Nonne maßlos. Dass sie sich das bieten lassen musste! Orazia hatte die Äbtissin auf ihrer Seite, mit beiden war nicht zu spaßen. Bonifatia Agostina war seit Jahrzehnten eng vertraut mit ihr, die beiden Frauen waren sich in allen grundlegenden Dingen stets einig. Dies gab Orazia mehr Macht und Handhabe als es für das Kloster und seine Bewohner gut war ... sie hatte Handlungsspielraum, weit über das Schwalbentor hinaus.

Man munkelte, Orazia bediene heimlich mehr Ämter, als alle wussten - und einige davon sollten sehr fragwürdig sein. Und sie sollte der Äbtissin manches Reden und Tun zugetragen haben, von dem diese besser nichts hätte erfahren dürfen. In der Vergangenheit hatte es deshalb für manche Schwester aus nichtigen Gründen Schwierigkeiten gegeben. Über Schwester Amorosa, die alle gemocht hatten und auf deren Freundlichkeit und Güte stets Verlass gewesen war, war im letzten Jahr im Konvent ein Ausschluss gesprochen worden und sie hatte das Kloster verlassen müssen. Die Gründe waren fadenscheinig gewesen, sie schienen kaum ausreichend für eine solche Strafe. Hinter der Hand sprach man davon, dass Orazia hier mit falschen Behauptungen die Sache beeinflusst haben sollte – Behauptungen, die niemals offen auf den Tisch gekommen waren, so dass eine Gegenwehr und Richtigstellung unmöglich gewesen war. Dies verstieß gegen jede Regel, denn Anklagen und Beschuldigungen mussten im Konvent öffentlich vorgetragen werden und jede stimmberechtigte Nonne des Klosters hatte das Recht, an der Abstimmung über eventuelle Vergehen und deren Bestrafung teilzunehmen. Über Schwester Amorosa war im Verborgenen gerichtet worden und niemand hatte erfahren, worum es tatsächlich ging, geschweige eine Stimme für oder gegen sie erheben dürfen. Alle waren vorsichtig mit Orazia, kaum jemand wagte sie zu kritisieren oder ihre Ansichten und Einmischungen in Frage zu stellen.

Maria wusste, sie musste sich beeilen. Wenn sie hier nun noch mehr Zeit vertrödelte, gab sie der Pförtnerin nur noch weitere Gelegenheit, auf schädliche Weise gegen die armen Mädchen zu agieren. Besonders die Rothaarige, die zweitälteste der Vier, machte ihr Sorgen. Sie schien eigensinnig und nicht so angepasst wie die anderen. Oder sie war mutiger, aber das kam für sie auf dasselbe hinaus. Auch wenn Caterina jetzt genauso eingeschüchtert vor ihr stand wie die anderen: Sie hatte weitaus mehr Grund zu Angst und Sorge als ihre Mitschwestern, da sie es fertig gebracht hatte, gleich am Tag ihrer Ankunft die scharfe Aufmerksamkeit des Höllenhundes, wie man Orazia hier heimlich nannte, ungut auf sich zu ziehen. Genau genommen blickte sie dafür, dass sie vor Minuten in den unmittelbaren Fokus der Pförtnerin geraten war, jetzt gerade viel zu selbstbewusst unter ihrer Haube hervor.

Als sie schließlich alle vier ohne weitere Störungen aus dem Gebäude heraus hatte und sie im Gänsemarsch zum Wirtschaftshaus hinüber führte, atmete sie erleichtert auf. Hinter dem zweistöckigen Gebäude ging es einige hundert Meter an der Bergseite entlang bis zum äußersten Teil des Klostergeländes. Sie ließ die Mädchen über die Mauer schauen; sie schienen von den bewaldeten Bergkuppen beeindruckt, die die Stadt auf dieser Seite majestätisch überragten. Lass sie nur, dachte sie, und eine Welle mütterlicher Zuneigung für ihre erschöpften und verunsicherten Neulinge wärmte ihr das Herz.

Es wurde Abend. Der Nebel zog sich über den Bäumen, die an den Hängen standen, bereits dichter zusammen. Er kam vom Berg herunter und würde bald über die Stadt fließen und sie zudecken. Dort, wo die Mädchen herkamen, lagen die Berge zumeist weiter entfernt. Dieses Naturschauspiel, das Assisi zu bieten hatte, musste alle vier sehr beeindrucken. Sie ließ sie ruhig ein wenig staunen und übersah großzügig, als die jüngste, Scalea, den Arm ausstreckte und zum Monte Subasio hinüber zeigte. Evelina, die vorhin die Zöpfe der Mädchen eingesammelt hatte, legte ihre Hand auf Scaleas Arm und gab ihr zu verstehen, dass sie besser nicht in der Gegend herum zeigen sollte. Maria lächelte nur, und weiter ging es; sie führte die Gruppe Richtung Novizenhaus, das dort hinten am äußeren Ende der niedrigen Mauer lag und hinter dessen Dach gerade die Abendsonne versinken wollte.

Sie dachte daran, den Mädchen gleich erst einmal einige tröstliche und freundliche Worte zukommen zu lassen, damit sie diesen aufregenden Tag beruhigt beenden konnten, als sie plötzlich einen Schatten neben sich auftauchen sah. Orazias harter und herrischer Tonfall riss sie aus ihrer friedlichen Stimmung. Ihr Arm wurde gepackt, was sie bei aller Toleranz überaus unpassend fand.

„Halt, Maria. Halte an."

Die Nonne blieb stehen und die Mädchen liefen ihr auf die Hacken. „Was gibt es denn noch", fragte sie ungehalten. Sie hatte genug von der Wichtigtuerei der Pförtnerin. „Ist etwas nicht in Ordnung, Orazia?"

„Ich habe eine Anordnung zu übermitteln." Offenbar wollte sie nicht damit heraus rücken, worum es ging. Ihr Blick war provozierend und kalt.

Maria wusste, es war der Pförtnerin eine Genugtuung, sich nach dem Inhalt dessen, was sie übermitteln sollte, umständlich fragen zu lassen. Sie hatte kein Verständnis für solche Allüren, aber ihre Schützlinge waren müde und konnten nach den Aufregungen dieses Tages nun ein wenig Ruhe und etwas zu essen gebrauchen. Um die Sache abzukürzen, tat sie Orazia also den Gefallen und fragte: „Und um welche Art Anordnung geht es, wenn ich fragen darf?"

Die Pförtnerin richtete sich auf und ließ ihren Blick über die Mädchen schweifen. Dann sagte sie mit frostiger Stimme: „Caterina Appiani. Tritt vor."

Caterina war müde. Und sie hatte Angst. Angst, die das große, hungrige Loch in ihrem Magen drückend füllte, so dass ihr davon übel wurde. Was diese schreckliche Frau von ihr wollte, sie wusste es nicht. Zögernd trat sie aus der Reihe. Als die Pförtnerin sich vor ihr aufstellte, versenkte sie ihren Blick in dem Kleiderstapel auf ihrem Arm.

Orazia hob ihr mit eisernen Fingern das Kinn an und Caterina ließ es geschehen. Ihre Augen jedoch hielt sie geschlossen. Die untergehende Sonne blendete sie. Und sie hoffte wie ein kleines Kind, dass diese fremde Welt nicht real werden konnte, wenn sie sich allem einfach stur verweigerte.

„Die Augen auf, störrisches Mädchen. Du siehst mich an, wenn ich mit dir rede."

Es dauerte einen Moment, dann hob sie den Blick: langsam, am braunen Gewand der Pförtnerin hinauf, über das Schwarz ihres Schleiers hinweg bis in ihr verbissenes Gesicht hinein... und von da aus noch ein Stückchen weiter, weil der Griff an ihrem Kinn sich verstärkte - auch wenn es ihr schwer fiel, in die feindselig zusammengekniffenen Augen der Älteren zu schauen, zuzulassen, dass diese Augen sie berührten.

Die Sonne, die hinter Orazia stand, gab den Augen des Mädchens etwas Unnatürliches. Um das intensiv leuchtende Blau der Iris zog sich ein dunkler Ring – und um die schwarze, vom Licht nun winzig klein zusammengezogene Pupille lag ein breiter Kranz von gelblichem Grün, der das Blau in ein strahlendes Türkis verwandelte. Die geschwungenen Wimpern waren dicht und beinahe schwarz, was ungewöhnlich für ein Mädchen mit einer so milchfarbigen und sommersprossigen Haut war – vielleicht lag es an den kräftigen, rostroten Haaren und Augenbrauen, die einen eher dunkleren Typ verrieten. Sie war nicht eines dieser blassfarbigen Mädchen mit hellen, wasserblauen Augen und weißlichen Wimpern und Augenbrauen. Alles in diesem Gesicht schien vor Kraft und Energie zu sprühen: Die blauen Augen mit den gelbgrünen Blitzen darin, die Haare, die tiefrot wie die Wälder im Herbst waren, selbst die üppigen Lippen mit ihrem blassen Rosenholzton hatten etwas Vibrierendes, Lebendiges und Frisches.

„Guter Gott." Orazias Finger ließen von selbst das hübsche Kinn los. Sie trat einen Schritt zurück und starrte auf dieses ausdrucksvolle Gesicht.

„Guter Gott", sagte sie noch einmal. „Wie sollen wir dieses Mädchen unter den Schleier bekommen? Sie ist nicht geeignet."

„Nun, nun", meldete sich Maria zu Wort. „Wie kannst du so etwas sagen? Nun lass ihr doch Zeit, Orazia, sie ist ja gerade erst angekommen."

Die Pförtnerin schnaufte böse. „Zeit!", stieß sie aus und durchbohrte Caterina mit ihrem Blick. „Zeit, Maria? Meinst du denn, dass sich dieses Gesicht verändert, dass es zurück tritt und sich anpasst, wenn wir ihm ... Zeit geben? Ich denke, sie braucht etwas anderes."

Caterina zuckte heftig zusammen, als Orazia sie an beiden Schultern packte und sie mit einem kräftigen Ruck zu Maria herum drehte. "Hier hast du deinen Schützling, da, nimm sie und lerne daraus, Maria! Es gibt Menschen, die sind bereits seit ihrer Geburt an das Schlechte verloren. Sie wird uns keine Freude machen, dieses gottlose Geschöpf, du wirst sehen." Sie stieß sie grob in den Rücken und schubste sie Maria entgegen. Diese fing sie mit beiden Händen auf und legte schützend einen Arm um das Mädchen, das zu zittern begonnen hatte.

Caterina war den Tränen nahe. Nur jetzt nicht weinen, dachte sie, nicht weinen... was in aller Welt war ihr vorhin nur eingefallen, dieses Lied zu singen? Diese Frau, die Maria Orazia nannte, war so dumm, dass sie die englische Sprache für Magie und ein altes Lied für Zauberwerk hielt! Wie auch immer, offenbar hatte sie damit eine ungute Aufmerksamkeit auf sich gezogen... Sie hatte nicht provozieren wollen, es war einfach so aus ihr heraus gekommen! Sie hatte nicht gut überlegt, ihre Gedanken waren wie eingefroren gewesen und nur ihr Bauch hatte in diesem Moment noch funktioniert – und der hatte gesagt: Sing! Sing um die Freiheit und das Glück! Sing von der Unmöglichkeit, die versucht werden muss, von der Chance, die nur ein Hauch ist und dennoch ergriffen werden muss, weil sonst alles vorbei ist. Ihre Lippen zitterten, sie konnte nicht einmal eine Entschuldigung stammeln, versuchen, es irgendwie wieder gut zu machen, es weg zu nehmen.

Maria tobte innerlich vor Wut. Mit aller Selbstbeherrschung, zu der sie fähig war, fragte sie: „Die Anordnung, Orazia. Worum geht es? Nun sag es schon! Wir haben keine Zeit für Ratespiele." Vor den Mädchen wagte sie sich mit diesem Ton weit hinaus, das war ihr sehr bewusst. Aber sie war böse auf Orazia, dass diese sich offenbar darin gefiel, Angst und Schrecken unter den neuen Mädchen zu verbreiten. Maria wollte ihnen ein Signal geben, ihnen vermitteln, dass es Grenzen gab, Autorität hin oder her. Und dass man mutig und aufrecht sein musste, gegen Ungerechtigkeit und Machtgebaren anzugehen, wenn es so unangemessen war wie dies hier.

Mit triumphierender Miene erklärte die Pförtnerin: „Unsere Äbtissin hat von mir soeben einen ersten Bericht über die neuen Novizinnen erhalten. Insbesondere habe ich ihr von dem eigenartigen Benehmen unserer Caterina Appiani erzählt. Nichts Großes, wir hatten kaum Zeit für ein ausführliches Gespräch, das wir aber morgen nachholen werden. Eines ist aber bereits jetzt festgelegt: Caterina wird ihr Novizinnenjahr mit dem Schweigen beginnen. Um ihrem losen Mundwerk Bescheidenheit beizubringen, bevor es sie in ihr Unglück stürzt. Sie wird nicht sprechen." Sie machte eine Pause, ihre Mundwinkel verzogen sich leicht nach oben. „Und nicht singen", setzte sie ihre Rede fort. "Drei Monate lang. Die Äbtissin behält sich vor, nach einem Gutachten, das sie mir übertragen wird, ihr Schweigen auf ein halbes Jahr zu verlängern, wenn es dem Mädchen gut tut."

Wer dachte sich so etwas aus? Maria war stumm vor Entsetzen. Hatte Orazia wirklich mit Bonifatia Agostina gesprochen? In dieser kurzen Zeit? „Drei Monate", rief sie aus. „Und vom ersten Tag an? Das werde ich nicht unterstützen! Sie muss Freunde finden, sich austauschen, laut beten dürfen, gerade zu Beginn. Und sie muss doch singen können! Wir lassen Novizinnen nicht gleich zu Beginn die Bürde des Schweigens tragen – und wenn sie schweigen, dann dürfen sie... ja, sie sollen sogar singen, jeden Tag! Sie müssen! Das Singen dient Gottes Lob und Preis, auch während der Schweigezeit. Es ist nicht zu verbieten."

Die Pförtnerin sah geringschätzig auf das verzweifelte Mädchen herab, das haltlos in Tränen ausgebrochen war. Caterina umklammerte ihren Kleiderstapel und hatte keine Hand frei, sich die Tränen weg zu wischen. So tropften sie nun auf ihren weißen Novizenschleier, der zusammengefaltet obenauf lag. Die salzigen Tränen hatten ihre Augen noch mehr zum Leuchten gebracht und sie funkelte die Pförtnerin böse an. Wer ihr ihre Stimme nehmen wollte, wer ihr das Singen verbieten wollte, war ihr Feind. Und da dies nun ihr Schicksal sein sollte, hatte sie nichts mehr zu verlieren. Eine unbändige Wut stieg in ihr auf.

Orazia ertrug den Blick des Mädchens nicht mehr. „Hexe", sagte sie halblaut und einen Moment schien es, als wollte Caterina sich auf sie stürzen.

„Orazia! Ich warne dich. Ich werde dich bei der Äbtissin..."

„Was", fiel ihr Orazia ins Wort. „Was wirst du, Maria? Diese Anordnung kommt von der Äbtissin, frage sie!" Sie lachte laut. „Ich bin ihre Vertraute! Wenn ich ihr zu etwas rate, nimmt sie es ernst. Und im Fall dieses... Mädchens hier..." Sie schubste Caterina gegen die Schulter, sie verlor das Gleichgewicht und ihre Kleidung fiel ihr aus den Händen. Die anderen Mädchen hatten stumm dagestanden und wagten sich auch jetzt nicht zu rühren oder ihr zu helfen.

„Heb das auf." Orazia hatte drohend und sehr leise gesprochen.

„Kind, komm hoch.... warte eben, ich helfe dir...", stotterte Maria. Ihr entglitt diese Situation.

„Nein", herrschte Orazia sie an und hielt ihr den ausgestreckten Arm vor den Körper, so dass sie nicht zu Caterina hinüber gelangte. „Du mischst dich nicht ein. Sie wird das allein machen. Je eher sie sich daran gewöhnt, desto besser."

Caterina erhob sich vom Boden. Die Sachen, die sie aufgehoben hatte, ließ sie wieder in den Staub fallen. Sie wandte den Blick nicht von der Pförtnerin ab. Sie trat einen Schritt auf sie zu, dann noch einen. Orazia war still geworden, ihr Mund stand offen, das blasse Gesicht spiegelte auf einmal Angst. Der Triumpf war aus ihren Augen verschwunden.
Die Augen des Mädchens fixierten sie; das blasse Gesicht verriet keine Emotion, da war kein Hass, keine Angst, keine Wut, nichts – nur diese hohe Konzentration. Und dann kamen Worte, leise und deutlich, aber für Orazia waren sie fremd, ein Rätsel. Sie fürchtete sie wie die Hölle.

„I will not obey."

Den Blick geweitet, die Fäuste unter den langen Ärmeln geballt, sah Caterina der Pförtnerin fest in die Augen. „I will not obey", wiederholte sie langsam und deutlich und betonte jede Silbe.

„Hörst du das, Maria! Sie verflucht mich! Ich hatte es dir gesagt, dieses Mädchen ist gefährlich! Mach, dass sie still ist, sie soll schweigen! Maria!"
Die letzten Worte hatte Orazia beinahe geschrien. Die Panik, die sich in ihrem Gesicht, in ihren Augen zeigte, schien Caterina nicht zu beeindrucken. Selbst als sie sah, wie die Pförtnerin den Arm hob und ausholte, sprach sie noch einmal, diesmal laut und klar:

„I will not obey."

Einen Lidschlag, bevor Orazias Hand auf die Wange des Mädchens niederfahren konnte, durchschlug ein barbarischer Schrei die Luft. Langgezogen und kraftvoll war er, und es lag etwas in seinen tiefen Vibrationen, das wild und frei war, es rührte das Herz an. Das Echo wurde von den Bergen vielfach zurück geworfen und es folgte ein zweiter Schrei, ebenso laut und wild und markerschütternd. Das Echo verhallte. Ein großer Vogelschwarm stob aus dem Dunkel der Bäume auf, löste sich vom Hang des Monte Subasio und verdunkelte den Himmel über diesem Teil der Stadt. Dann war alles still, Nichts regte sich, kein Vogel sang mehr. Der Nebel war in Fetzen gerissen und aufgewühlt, dort, wo die Vögel ihn durchflogen hatten.

Caterinas Augen waren dunkel und groß. Noch immer starrte sie die Pförtnerin an, deren Blick verwundert und erschrocken über den Monte Subasio schweifte, suchend, ungläubig. Orazia schaute zu Maria herüber, dann wieder auf den Berg, dann zum Himmel hinauf, unter dem sich Wolken sammelten.

Die Hand immer noch in der Luft, zum Schlag ausholend, wagte sie schließlich einen Blick in das Gesicht der jungen Frau. Caterina lächelte. Orazia ließ langsam ihren Arm sinken. Sie warf Maria einen verstörten Blick zu, aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. Dann bekreuzigte sie sich, drehte sie sich um und lief mit eiligen Schritten davon.

Ende 39. Kapitel



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