(8/8) Vertrauen

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Er hatte nicht darüber nachgedacht, wie es sein würde, wenn sie so nebeneinander in ihren Zubern saßen. Die Möglichkeit, dass Valerio und er, wenn auch versetzt, einander gegenüber sitzen könnten, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Nun aber erschien ihm die durch Wände und Wasser begrenzte Nähe so vertraut, dass er ganz sicher war: Auf diese Weise hatten sie hier sehr oft ihre Zeit miteinander verbracht.

Wie viele persönliche Gespräche hatte es zwischen ihnen gegeben? Es begann ihm unangenehm zu werden, dass er sich an die Inhalte kaum erinnerte. Wenn er nun, da er wieder hier war, so viele Fragen stellte, konnte er nie sicher sein, ob er mit einigen nicht Themen traf, die sie längst erörtert hatten. Valerio nahm das offenbar hin, aber er wollte ihm nicht unnötig Mühe machen. Schon allein deshalb kämpfte er um seine Erinnerung. Und natürlich auch zu seiner eigenen Orientierung.

Noch immer sagte niemand ein Wort. Valerio schien das Wasser zu genießen. Er hatte die Augen geschlossen und den Kopf gegen die tuchbedeckte Kante zurück gelehnt. Der Schein des vielflammigen Leuchters brachte die Konturen seines markanten Gesichts auf faszinierende Weise hervor. Er konnte nicht anders - er schätzte den Umstand, dass sie hier nun endlich einmal für längere Zeit und dazu sehr nahe voreinander saßen und er ihn jetzt auch noch ohne Einschränkung betrachten konnte. Er wagte einen langen und ausgiebigen Blick auf sein Gesicht und war sich zugleich sehr bewusst, dass es Valerio kaum entgehen konnte. Aber er schien ihn gewähren zu lassen. Und der Gedanke daran erinnerte ihn irgendwie an die Szene mit ihm, Valerio und dieser Frau.

Er ließ seinen Blick über die edlen Züge gleiten, dann den überstreckten Hals entlang und bis auf Valerios Brust hinunter. Das verblichene Motiv auf der Haut, das knapp aus dem Wasser ragte, ließ ihn innehalten. Er ging davon aus, dass Valerio sich nicht gedankenlos irgendwelche Bilder und Symbole in die Haut gravieren ließ. Es musste eine Bedeutung haben.

Valerios Stimme war tief und leise, als er sprach. Die Augen hielt er weiterhin geschlossen. "Die Distel. Das alte Wahrzeichen der Schottischen Highlands. Und das Herz... ist ein Herz."

Magnus schwieg. Er betrachtete Valerios hinreißend geschwungene Lippen, die Mundwinkel mit den Grübchen dahinter, die sich auch jetzt, in der Entspannung, als feine, längliche Schatten zeigten. Er sah den tieferen Schatten zwischen Unterlippe und Kinn, den Kehlkopf, der eben beim Sprechen hervor getreten war.

Er wusste nicht recht, was er auf seine Worte sagen oder fragen konnte. Caterina war Schottin gewesen. Er befürchtete hier eine zu unmittelbare Verbindung, deren emotionale Anteile er vorsichtshalber nicht berühren wollte. Dennoch wollte er mehr wissen, seine Neugierde war geweckt. Valerio schuldete ihm die Fortsetzung der Geschichte. Er hatte ihm diese bereits zugesagt.

"Vertraust du mir?" Weich und schläfrig vibrierte Valerios Stimme über dem Wasser, und noch immer öffnete er die Augen nicht.

Die Frage kam überraschend, sie riss ihn aus seinen stillen Betrachtungen. Ob er ihm vertraute! Valerio fragte das in einem so persönlichen und entspannten Tonfall, dazu mit geschlossenen Augen... er konnte gar nicht sagen, wie sehr ihn dies nun einmal mehr rückwärts in sämtliche Barrieren hinein stolpern ließ, die er zu seinem Schutz aufgebaut hatte.

Himmel! Valerio wusste, dass er beobachtet, angestarrt wurde, dass er sich sehr private Gedanken über ihn machte! Und er ließ ihn schauen und denken und fühlen und schmachten und verzichtete selbst auf jede Kontrolle, jede Grenzziehung oder Abwehr, indem er einfach die Augen schloss. Das war Vertrauen! Er bewunderte Valerio grenzenlos. Er war nicht einfach souverän und stark durch die Nutzung seiner Macht und Möglichkeiten, sondern durch seine Fähigkeit zu vertrauen!
Ein Schauer überlief ihn, selbst unterhalb der Wasseroberfläche. Mit den Handflächen rieb er über seine Oberschenkel, dann über die Unterarme, um die Gänsehaut los zu werden. "Vertrauen... warum sollte ich nicht", fragte er vorsichtig zurück.

Valerio lachte leise und noch immer hielt er die Augen geschlossen. "Nun... du weißt, dass du jede Kontrolle über die materielle Seite deiner Existenz abgibst, wenn ich dein Bewusstsein an meiner Geschichte teilhaben lasse. Heute lässt du deinen Körper vollkommen unbekleidet zurück." Die senkrechte Falte über seiner Nasenwurzel vertiefte sich plötzlich, und der markante Bogen der rechten Braue zeigte eine aufmerksame Schärfe. "...Eine Frage?"

Magnus schluckte. "Ja, eine Frage. Bin ich tatsächlich aus meinem Körper... heraus gegangen? Könnte ich aus eigener Kraft, allein durch meinen Willen zurück kehren?"

"Das Wollen könnte ein Problem sein."

"Warum das?"

"Du würdest nicht wollen. Du würdest nicht auf die Idee kommen. Weil du vergisst, dass du hier bist, wenn dein Bewusstsein reist." Er öffnete die Augen und sah ihm unmittelbar ins Gesicht. "Oder erinnerst du dich, während der Szene im Kräutergarten daran gedacht zu haben, wie du zugleich vor meinem Kamin im Sessel lagst? Oder als du Maria zu ihrem Gespräch mit Bonifatia Agostina begleitet hast?"

"Nein...", erwiderte Magnus nachdenklich. "Ich hatte davon nichts mehr gewusst. Aber ich bin allein zurück gekommen! Die Szene hat sich von selbst aufgelöst, als sie zuende war. Ich habe zurück gefunden."

"Nicht von selbst. Und sie war nicht zuende."

"Aber warum bin ich dann zurück...?"

Valerio unterbrach ihn. "Weil du zu kalt wurdest. Du hattest zu viel Energie verloren. Es wurde Zeit, es ging dir nicht mehr gut. Ich habe es beendet und dich zurück geholt."

Bei diesen Worten wurde Magnus schlagartig klar, dass Valerio, während er in der Vergangenheit bei seinem jungen Ich und Teil der Szenerie war, zugleich auch seinen Körper aufmerksam im Blick behalten haben musste. Er selbst aber schien mit seiner Wahrnehmung nur entweder vollständig hier oder dort sein zu können. Die Frage, ob er ihm in diesem Zusammenhang vertraute, erhielt nun eine besondere Brisanz, denn diesmal würde er hier in diesem Wasser sein, nackt und...

Schon wieder musste er an die Frau denken. Valerios Selbstsicherheit und Kontrolle zu beobachten - und auf der anderen Seite ihr absolutes Vertrauen in sein Tun - würde er selbst auch so vertrauen? Könnte er jede Kontrolle in Valerios Hände geben, sich ihm derart überlassen? Nun, er hatte es bereits getan, als er Valerios Geschichte zum ersten Mal nach Assisi gefolgt war. Aber es war pure Naivität und Unwissenheit gewesen, über die näheren Zusammenhänge hatte er doch gar nichts gewusst! Würde er es wieder tun können, auch wenn ihm diesmal klar war, dass er sich Valerio vollkommen auslieferte? Und dass er von dort, wo er war, nicht eingreifen konnte, ja, nicht einmal bemerken würde, wenn etwas... mit ihm geschah?

Ein herzhaftes Lachen riss ihn aus seinen Gedanken. Valerio legte den Kopf zurück, fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht, seine bebende Brust verursachte Wellen.

"Vertraust du mir", fragte er noch einmal und schien sichtlich bemüht, sich zusammen zu reißen. "Oh Magnus! So schwer ist das in deiner Welt? Ihr lasst euer Material niemals aus den Augen, nicht wahr?"

"Wir hängen von unseren Körpern ab" verteidigte Magnus seine Unsicherheit. "Wenn ihnen etwas geschieht, können wir sterben!" Er lernte bereits, dieses unsägliche Wort Kontrolle möglichst nicht zu verwenden. Obwohl es genau das war, was er meinte, er wollte Kontrolle. Er brauchte seine Sicherheit.

Valerio zog die Beine an, stieß sich von der Rückwand seines Zubers ab und tauchte unter. Als er wieder hoch kam, setzte er sich auf, fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und warf die nassen Haare zurück. Magnus starrte ihn an - exakt so hatte Valerio ausgesehen, als er völlig durchnässt vom Dach der Novizenschule herunter gekommen war! Auch jetzt wellten sich seine Haare über den Schultern.

"Du wirst sterben, ja. Vielleicht", sagte er. "Aber nicht hier und jetzt. Nicht, solange ich in deiner Nähe bin."

Diese einfachen Worte, ausgesprochen ohne großartige Gesten und völlig ausserhalb jeder dramatischen Situation, taten ihre seltsame Wirkung. Magnus zuckte zusammen. Er war vollkommen überrascht, er war berührt - er hatte keine Ahnung, was er auf solche Worte sagen, wie er reagieren sollte.

"Vertraust du mir?" Valerio fragte zum dritten Mal. Sein Blick war unergründlich. Als Magnus stumm blieb, fuhr er fort: "Oder was ist mit dir? Hältst du dich selbst für vertrauenswürdig? Würdest du mir raten, dir zu vertrauen - mit gutem Gefühl?"

Magnus nickte. "Ja. Ja, klar! Selbstverständlich kannst du mir vertrauen."

"Deine Hand", sagte Valerio plötzlich und streckte ihm seine offene Handfläche hin. Das würde kein Handschlag werden, so viel sah Magnus - auch wenn er keine Ahnung hatte, was er damit bezwecken wollte.

Zögernd kam er seiner Aufforderung nach. Nasse Hände berührten einander. Valerio griff fest zu, hielt Magnus' Hand einen, zwei Momente lang zwischen seinen Händen. Er wandte das Gesicht ab und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sagte er: "Ja. Ich würde dir vertrauen." Seine Stimme klang sicher und fest.

Magnus lächelte erleichtert. Beinahe hatte er das Gefühl, eine Prüfung bestanden zu haben.

"Ich würde dir vertrauen", wiederholte Valerio und entließ Magnus' Hand aus seinem Griff. "Wenn du derjenige wärst, der mich auf die Reise schickt und mir seine Welt zeigt, und wenn mein Körper in deiner Obhut bleiben würde... Du würdest mein Gesicht berühren, während ich weg bin. Du würdest deine Finger auf meine Lippen legen, mit der Hand über meine Brust streichen, über meine Haare. Und du würdest es richtig und gut finden, dass ich nichts davon erfahre und dass niemand mich warnt. Und obwohl wir beide wissen, dass du dies tun würdest, sage ich, dass ich dir vertraue." Sein dunkler Blick wurde weit, Feuerschein tanzte darin.

Magnus war still. Er wusste, Valerio hatte Recht. Ja, er würde dieses Gesicht berühren, diese Lippen! Und wenn es so wäre, dass Valerio keine Chance hatte, dahinter zu kommen, dann würde er es wieder und wieder tun. Bei jeder Gelegenheit. Das war die Wahrheit über seine eigene Vertrauenswürdigkeit. Er fühlte sich jämmerlich.

Er wusste, Valerio beobachtete ihn jetzt. Und weil er wahrscheinlich auch seine Gedanken las und Magnus zu feige war, jetzt etwas zu sagen, das mutig war und überzeugend, schickte er hilflos seine Erbärmlichkeit und Scham zu ihm hinüber, um sie ihm zu zeigen. Ein mickriges Angebot angesichts seiner Unaufrichtigkeit.

"Das kannst du lassen." Valerio schüttelte den Kopf. In seinen Worten schwang unterdrückte Wut. "Wann und wie willst du das lernen? Was glaubst du denn, wieviel Zeit du hast? Biete mir nicht deine Kleinheit und Unsicherheit an, diesen unnützen Ballast, ich will sie nicht! Was soll ich damit? Es ist für nichts gut." Er warf Magnus, der sich in sein Wasser zurück geduckt hatte, einen enttäuschten Blick zu.

"Es tut mir leid", murmelte Magnus betroffen, doch Valerio schnitt ihm hart das Wort ab.

"Stopp", sagte er und hob die Hände. "Hör auf. Wenn es dir Leid verursachen würde, würdest du es ändern. Du leidest daran nicht genug. Du erschaffst nur Leid. Du willst es nicht ändern, denn es nützt deinen kleinen Interessen. Es verschafft dir Alibis, Ausreden. Entschuldigungen."

"Entschuldigungen? Wofür?"

"Für die nicht gelebte Courage. Für die nicht angebotene Verlässlichkeit, angefangen vor dir selbst. Für die Feigheit, der du erlaubst, sich an deine Liebe zu heften. Für all das nicht gelebte Leben in dir." Valerio schnaufte verächtlich. "Ein Wunder, dass du dich überhaupt um dein Leben sorgst. Du lebst ja gar nicht."

Magnus wollte etwas sagen, aber Valerio ließ ihn nicht zu Wort kommen. "Glaubst du wirklich, mich verunsichert eine Berührung - durch einen Menschen, der mir zugeneigt ist? Und nur, weil ich sie nicht kontrollieren kann? Was ich nicht kontrollieren kann, lege ich in deine Hände. Sind sie meines Vertrauens würdig, was würdest du sagen?"
Er stützte sich jetzt auf den Rand des Zubers, beugte sich zu ihm hinüber. Der Samt seiner Stimme verband sich mit den dunklen Schatten des Raumes, als er sehr leise weiter sprach. "Tun wir doch nicht so, als würdest du nicht berührt werden wollen. Du hast nur Angst, es zu verpassen. Aber was du in Wirklichkeit fürchtest wie die Nacht in dir, ist die Berührung deiner Seele."

Sein Blick bohrte sich in Magnus' Gesicht, zwang ihm seine Worte auf und ließ ihn nicht ausweichen. "Was kannst du mir schon tun! Ich bin sicherer in Händen, die sich für mich begeistern, als in den Händen von Leuten, denen ich nichts bedeute. Dasselbe gilt für dich, Magnus! Du würdest mir nichts antun, indem du mich berührst! Aber du richtest gewaltigen Schaden an, indem du meine aufrichtigen Zeichen ignorierst und mich als vertrauensunwürdig hinstellst, während du selbst dich mir aber empfehlen würdest - und dies bei dem gigantischen Lügengerüst, das du mit dir trägst."

Valerio schwieg einige Sekunden, dann schüttelte er den Kopf. "Nein", sagte er, "von mir hättest du solche Dinge nicht zu erwarten, ich muss dich enttäuschen." Er lehnte sich wieder ins Wasser zurück. "Ich denke zurzeit eher über einen kräftigen Faustschlag nach."

Magnus erstarrte. Er musste so erschüttert wirken, dass Valerio laut auflachte.

"Ich empfehle mich dir als - sagen wir - ausreichend vertrauenswürdig. Mit kleinen Abweichungen vielleicht." Er unterdrückte ein Lächeln. "Es ist zu verführerisch. Das Menschliche in mir drängt hier und da zum Ausdruck, das verstehst du." Plötzlich wurde er wieder ernst; seine Augen hatten einen undefinierbaren Glanz. "Also, Behelfswanderer. Lust auf eine Fortsetzung der Geschichte?"

Ende Teil 64




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