(9/2) Alleingang

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Peppina, die bei Camilla gesessen hatte, sprang auf. "Was ist da draußen los", fragte sie verwundert und kam zum Fenster herüber.

Camilla warf einen weiteren Blick hinaus, suchte mit den Augen die Dächer ab, sah die graue Wolke, die sich hinter den Gebäuden hervor wälzte. "Die Novizenschule", rief die Musikmeisterin. Im Untergrund ihrer markanten Stimme lag ein Beben, das Valerio nicht entging. "Es sieht aus, als sei das Dach eingestürzt!"

Einige der anderen Schwestern rückten nun eilig ihre Hocker von den Tischen weg und wandten sich zu den Fenstern. Sie stießen die Fensterläden weit auf und drängten sich, um hinaus sehen zu können. Die rundliche Schwester Susanna hielt erschrocken beide Hände vor den Mund. Dann wies sie zögernd mit dem Finger hinaus. "Da hinten... seht ihr das? Ist das Staub, oder... Rauch?"

Valerio stand da, in der einen Hand die Suppenschüssel, in der anderen seine Laute, und starrte fassungslos zu den Fernstern hinüber - und auf die grauen Wolken, die hinter den Dächern des Kapitelhauses und der Kapelle aufstiegen.

"Das ist kein Staub... Seht doch! Da sind Flammen! Es brennt!", rief Peppina und schaute erschrocken zu Camilla hinüber. "Wo sind die Novizinnen? Haben sie jetzt Unterricht? Sind sie...?"

Alle redeten nun durcheinander, bis Camilla die Arme hob und zweimal laut in die Hände klatschte. "Vasca, Giulietta! Lauft zur Äbtissin, sagt ihr Bescheid! Und dann kommt zur Schule! Und Marzia, du holst die Männer vom Feld. Wir brauchen jeden einzelnen hier! Sie sollen die Leitern von den Erntewagen mitbringen! Adolfa, Du gehst mit Marzia. Beeilt euch! Nehmt das Himmelstor, dann könnt ihr im Vorbeilaufen auch gleich die Nonnen von der Obstwiese herschicken."

"Aber wo sind die Novizinnen?", wiederholte sich der Ruf, während die vier Nonnen die Gewänder rafften und eilig zur Tür hinaus liefen.

"Einige helfen bei der Ernte am Hang", erklärte Donata, "alle anderen müssten eben mit Maria gegessen haben. In der Unterkunft." Ihr Gesicht wirkte auf einmal sehr klein und farblos, als sie leise anfügte: "Gott möge ihnen beistehen, wenn sie schon wieder in der Schule sind."

Orazia meldete sich zu Wort. "Nun, es ist das Dach, das eingestürzt ist. Und wir wissen nicht, zu welchen Teilen. Es war baufällig. Und die Hitze wird den Brand verursacht haben. Dass es brennt, muss aber nicht heißen, dass die  untere Ebene mit den Schulräumen betroffen ist."

Die Nonnen begannen zu murmeln. Orazias Augen wurden schmal. Missbilligend zog sie den Mund zusammen, über ihrer Oberlippe bildete sich eine Reihe tiefer Falten. Die kleinen Augen gingen abschätzend zwischen den aufgebrachten Schwestern hin und her. Als sie weiter sprach, drang ihre Stimme eisig und scharf über ihre Köpfe hinweg - Es schien, als wollte sie den Tonfall der Äbtissin imitieren.

"Die Novizinnen werden unversehrt sein", erklärte sie mit unbewegter Miene. "Sie haben den Schaden über ihren Köpfen womöglich nur durch den Lärm bemerkt, den das Gebälk und die Dachpfannen beim Herunterkommen verursacht haben."

Bei ihren nächsten Worten verzog sich Orazias Gesicht plötzlich zu einer weinerlichen Grimasse. Man wusste nicht, ob man ihr die zur Schau gestellte Bewegtheit abnehmen wollte. "Ich mache mir mehr Sorgen um die Bücher im zweiten Stock als um die Novizinnen", deklarierte sie. "Immerhin haben Menschen Arme und Beine, um sich selbst zu helfen. Maria wird alle sicher hinaus geführt haben. Bücher dagegen... all dieses wertvolle Wissen... Die Früchte unseres Geistes, die Material gewordenen Eingebungen der Heiligen Apostel! Durch sie spricht Gott zu uns!" Sie hob die Hände wie zu einer Art inbrünstigem Gebet. Diese fromme Geste wurde von ihrer kalkulierenden Miene, die zugleich von ihrem Gesicht ablesbar war, auf bizarre Weise Lügen gestraft.

Die Nonnen schwiegen betroffen. Aber auch wenn Orazias Worte grob klangen - hatte die Pförtnerin vielleicht Recht, und es war eher mit Schaden an Material und Gütern zu rechnen als mit einer ernsthaften Gefahr für die Novizinnen? Zu gern wollten sie dies glauben!

Schwester Santa war die erste, die Orazia widersprach. Es war offensichtlich, dass es ihr nicht leicht fiel, ihren Ton zu zügeln. "Ein Dach ist eingestürzt, Orazia. Und es brennt. Man kann nicht sagen, wo das Feuer tatsächlich seinen Anfang genommen hat, wieviel Rauch im Gebäude ist und wie lange es dort womöglich schon schwelte. Es braucht kein großes Feuer, damit Menschen sterben, der Rauch ist tödlich. Und die Gebäude sind mehr als dreihundert Jahre alt! Wie willst du wissen, was ein herunter stürzendes Dach an den unteren Ebenen anrichtet! Du bist kein Baumeister - und du kannst genau so wenig wie wir wissen, was tatsächlich geschehen ist."

"Santa hat Recht," tönte Rebeccas volle Stimme durch den Raum. "Alles Mögliche kann passiert sein - und es kann weiter einstürzen... Es ist gefährlich! Wir müssen hin und sehen, ob wir helfen können. Leutet die Notglocke, damit wir Hilfe von den Franziskanern erhalten!"

Ja, die Notglocke!", rief Sandrina. "Und ich werde ihnen entgegen laufen... Wenn die Novizinnen in der Schule sind, kann es Verletzte geben, wir brauchen ihre Heilkundigen und mehr Helfer..."

Rebecca nickte. "Auch einen Steinmetz oder Zimmermann sollten wir holen... am hinteren Teil der Kapelle des heiligen Franziskus gibt es Reparaturarbeiten. Vielleicht können die Franziskaner jemanden mitbringen, er kann den Schaden und die Schwachstellen einschätzen. Das wird hilfreich sein, wenn jemand ins Gebäude hinein muss. Ich möchte nicht erleben, dass alles schließlich noch über den Helfern zusammenstürzt..."

Camilla bedachte Orazia mit einem schnellen Blick. Dann breitete sie energisch die Arme aus und schob die Nonnen vom Fenster weg. "Nun kommt, wir verlieren Zeit. Du, Sandrina, läufst zum Kloster hinüber, Veronica und Fiore, ihr läutet die Notglocke. Wenn die Leute den Rauch sehen und die Glocke hören, erhalten wir sicher auch Hilfe aus der Stadt. Der Dachstuhl muss wohl abbrennen... aber wenn das Feuer auf die unteren Räume übergreift oder sogar von dort kommt, müssen wir löschen.  Wenn Helfer aus der Stadt kommen, sagt ihnen, sie sollen ihre Eimer holen. Vielleicht reichen unsere zwei Brunnen nicht, dann müssen sie lange Ketten bilden... Wir könnten viele Leute gebrauchen, wenn es ans Löschen geht! Nehmt den Hinterausgang, es gibt Seile und Tragetücher hinten im Anbau. Die solltet ihr mitnehmen, für alle Fälle. Vergesst die Tragestangen nicht, sie stehen hinten an der Wand... Donata, hast du einen Schlüssel?"

Die Verwalterin hielt stumm den Schlüsselbund hoch, der an einem Lederriemen an ihrem Gürtel baumelte. Sie nickte.

Camillas Stimme hallte durch den Raum. "Nun steht hier nicht herum! Raus mit euch, lauft! Seht, was ihr tun könnt! Aber bringt euch nicht in Gefahr, achtet aufeinander und bleibt in Gruppen zusammen." Ihr Blick schweifte über die ängstlichen Gesichter der Nonnen. "Seht zu, dass ihr da seid, bevor die ersten Helfer eintreffen, damit ihr einen Überblick habt und nicht gleich alles in Chaos versinkt."

Sie hob die Stimme über die Unruhe der Nonnen hinweg. "Haltet Ausschau nach Maria! Sie wird die Novizinnen bei sich haben und kann wahrscheinlich etwas darüber sagen, was passiert ist und wie es im Gebäude aussieht. Organisiert euch in Gruppen, ganz gleich, was es zu tun gibt. Wenn ihr Maria und die Novizinnen nirgends sehen könnt, merkt Euch dies: Niemand geht ins Gebäude, bevor ihr nicht Kenntnis habt, ob überhaupt jemand dort drinnen ist. Wartet auf die Männer, eure Gewänder würden Feuer fangen."

Valerios und Annas Blick trafen einander in dem Moment, als er zu ihr hinüber sah. Die Heilerin schien dasselbe zu denken wie er. Valerio setzte sich in Bewegung. Im Vorbeilaufen ließ er Suppenschüssel und Laute grob auf den Tisch fallen. Der disharmonische Klang, den das Instrument von sich gab, als eine Saite zerriß und peitschend auf die anderen hinab schlug, schmerzte ihn noch, als er bereits an der Tür war. Er nahm den vorderen Ausgang. Anna folgte ihrem Lehrling, so schnell ihre alten Beine sie trugen.

Draußen lief Valerio in eine Novizin hinein. Bevor sie von dem Aufprall zu Boden geworfen werden konnte, packte er sie an beiden Armen und stellte sie auf die Beine zurück. Sie war blass, ihr Gesicht war verdreckt. Die Hände hielt sie noch schützend erhoben, sie zitterten, als sie mit hoher, atemloser Stimme immer wieder gegen seine Brust rief: "Hilfe!... Hilfe...! Schnell!"

Valerio erkannte das Mädchen wieder. Sie war eine der neuen Novizinnen. Sie hatte im Empfangsraum die Zöpfe auf das Fenstersims gelegt. "Ich habe dich", redete Valerio beruhigend auf sie ein. "Ich habe dich, alles ist gut... Wir kommen schon. Wie ist dein Name?" Er hielt sie von sich weg.

"E.. velina." Sie zitterte jetzt am ganzen Körper.

Einen Moment lang starrte Valerio auf das Blut, das auf ihrem schmutzigen Handrücken trocknete. Er packte ihr Handgelenk und besah die Hand. Es schien nicht ihr Blut zu sein... Hinter ihm tauchte nun auch Anna in der Tür auf.

"Bist du in Ordnung, Evelina?", fragte Valerio.

Sie hielt das Gesicht weiter gegen seine Brust gerichtet. Sie wirkte abwesend, sah nicht zu ihm auf. "Hilfe... Helft uns...", flüsterte sie immer wieder mit ihrer dünnen Stimme.

Valerio beugte sich zu ihr hinunter, nahm ihren Kopf in beide Hände und sah ihr ins Gesicht. In dem Moment, als er ihren Kopf umfasste, verstummte sie, den Blick starr auf seine Augen gerichtet. Es war, als würde sie jetzt erst erkennen, dass da jemand mit ihr sprach. "Evelina... Sag mir, wo wart ihr zuletzt?" Sie antwortete nicht. Oder sie hatte seine Frage nicht verstanden...

"Evelina..., hörst du mich?" Valerio musste sich beherrschen, nicht laut zu werden. Sie hatten keine Zeit! "Warst du in der Schule?" fragte er und sah sie eindringlich an. "Bitte! Es ist wichtig!"

Sie nickte. Krampfhaft verzog sich ihr Gesicht zu einem stummen Weinen.

"Ist noch jemand dort drinnen? Wie viele seid ihr? "

Evelina begann zu schluchzen. "Wir sind... ich bin... rausgeklettert. Ich weiß nicht, was mit den anderen ist... Ich weiß es nicht!"

Valerio legte seinen Arm um das Mädchen und zog sie an seine Seite. Mit der freien Hand wischte er sich die Nase. Dann nickte er still, wie um sich selbst zu bestätigen, was ihre Worte womöglich bedeuteten... Als ein Beben durch ihren schmalen Körper ging, drückte er hilflos seine Lippen auf ihren staubbedeckten Schleier. Das helle Tuch war ihr auf dem Kopf verrutscht, aber er mochte sie nicht davon befreien, weil er sie jetzt nicht auch noch wegen ihrer fehlenden Haare beschämen wollte... sie erschien ihm verstört genug. Er blinzelte. Sein Herz krampfte sich zusammen. Sie mussten handeln. Er warf einen Blick über die Schulter zu der alten Nonne.

"Anna." Valerios Stimme klang tief und rau. "Anna, hör zu. Ich kann nicht mit dir kommen. Nimm Evelina mit. Sie wird dir helfen, die nötigen Dinge einzupacken. Bringt alles zur Schule hinüber. Sprich mit ihr, es geht ihr gleich besser..." Sein Blick ging hinunter auf Evelinas nebelblasses Gesicht. "...Aber wenn du in der Krankenstube andere Hilfe finden kannst, die mitgehen kann, dann lass sie dort. Jemand soll bei ihr bleiben. Sie muss nicht wieder..."

Anna protestierte. "Du kommst nicht mit?" Sie packte seinen Unterarm. "Du musst! Valerio! Wie soll ich alles allein schleppen? Wir brauchen doch..."

"Lass mich, Anna", unterbrach Valerio die alte Heilschwester. "Ich... kann nicht." Seine Hand drückte kurz Evelinas kindliche Schulter, dann ließ er sie los und entfernte sich einige Schritte. Sein weiter Blick war bereits fest auf den Rauch geheftet, der hinter den Gebäuden aufstieg.

"Du hast Evelina", sagte er, ohne sich zu Anna und dem Mädchen zurück zu wenden. "Und suche dir noch andere Begleitung. Ihr nehmt einen Karren aus dem Küchenschuppen... Vergesst das Wasser nicht! Und Tücher... so viele ihr mitnehmen könnt."

Einen Augenblick schien es, als sei ihm noch etwas eingefallen, doch er murmelte nur wie zu sich selbst: "Beeilt euch. Macht schnell." Dann rannte er los.

 "Sie waren ganz still!", rief Evelina hinter im her. "Sie haben sich nicht bewegt!"

Valerio hatte es gehört. Er verdrängte die Bilder, die Evelinas Worte in seiner Vorstellung heraufbeschworen. Den Stein, der in seinem Magen zu einem Felsbrocken heran wuchs, konnte er nicht ignorieren. Er bog in die Gasse zwischen Kapitelhaus und Kapelle ein und startete seinen Anlauf auf die hohe Mauer des Ziergartens, der den vorderen Bereich des Klostergeländes vom Novizentrakt trennte.

Der Aufprall auf die Mauer erschütterte Valerio weitaus mehr als sonst, der Stein in ihm drückte und verursachte ihm Übelkeit. Angst war nun nicht dienlich... Sie würde ihm nur im Weg sein. Energisch umklammerte er die obere Kante der Mauer und zog sich hoch. Ein Blick nach vorne und über den Garten hinweg zeigte ihm, dass das Schulgebäude zumindest auf dieser Seite unversehrt war. Das Dach war hier noch zu zwei Dritteln intakt. Nur auf der rechten Seite, an der Ecke zur angrenzenden Unterkunft, klaffte ein großes Loch, die Dachpfannen waren weg gefallen und schwelende schwarze Balken ragten quer in den leeren Raum hinein. Hier stieg dicker Rauch auf, Flammen züngelten um die Balken.

Als Valerio nach einem gewagten Sprung auf der anderen Seite zwischen den Büschen landete und zu einem Sprint durch die Länge des Gartens ansetzte, ließ ihn ein ohrenbetäubendes Rumpeln und Grollen beinahe nach vorn stürzen. Mit den Händen konnte er sich gerade noch am Boden abstützen. Langsam richtete er sich wieder auf. Hinter der Mauer, die zehn Meter vor ihm den Garten zur Novizenschule hin begrenzte, stieg eine gewaltige aschegraue Rauchwolke auf. Das Schulgebäude, das eben noch über die Gartenmauer hinaus ragte, war verschwunden.

Während sich die Staubwolke im aufkommenden Wind erhob und über das Gelände verteilte, erklangen die ersten Töne der Notglocke über der Stadt.

Ende Teil 67

Weil auch in diesem Roman - wie überall auf Wattpad - die allermeisten LeserInnen leider nur einseitig konsumierend unterwegs sind, möchte ich mich an dieser Stelle ganz besonders bei den LeserInnen bedanken, die sich autorenfreundlich verhalten und während des Lesens nicht nur an ihre eigenen Bedürfnisse denken.

Ihr Lieben, mein Dank gilt Eurer freundlichen und persönlichen Wertschätzung und Aufmerksamkeit für die Geschichte, weil sie mich weiterschreiben lässt, Euren anerkennenden Worten, weil sie mir und der Geschichte guttun, Eurer Begeisterung und Anteilnahme für die Charaktere - die ich umso lebendiger werden lasse, je mehr ich spüre, dass sie von Euch geliebt werden. Ihr sollt wissen, wie wichtig dieses sichtbare Feedback für meine Arbeit an dieser Story ist! Dies ist keine schlichte Geschichte und ich habe mir damit einiges vorgenommen. Hier brauche ich Euch als "reflektierende Spiegel" daher ganz besonders.

Ihr zeigt mir immer wieder aufs Neue, dass diese Geschichte offenbar lesenswert ist, dass Euer Herz an Valerio, Magnus, den anderen Charakteren, den Settings und der Story hängt, und: Dass Ihr dies alles bis zum Ende erleben wollt und ich also weiterschreiben muss.

Lieben Dank für Eure Sterne als eine Wertschätzung und Anerkennung, die ihr nicht vergesst, und für Eure nachdenklichen, bestärkenden, anerkennenden und humorvollen Kommentare zu den Kapiteln. Ohne Euch wären viele Autoren längst nicht mehr hier. :-)


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