Mujan

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„Was machen wir nur mit ihr?", fragt Luno verzweifelt. „Sie hat Hunger, das arme Ding."

Ich klopfe mir die Hände ab, mit denen ich eben den letzten Stein auf das provisorische Grab gelegt habe. „Wir werden im nächsten Dorf um Hilfe fragen. Wie geht es ihr überhaupt?"

„Sie ist eine ganz tapfere, kleine Mujan", meint Luno. „Ich habe sie gesäubert und frisch gewickelt. Sie scheint gesund zu sein, sie bewegt alle Glieder normal und sieht mich auch direkt an. Hören kann sie auch, denn sie ist jedes Mal zusammengezuckt, wenn dir ein Stein wieder runtergekollert ist. Und sie hat ein bisschen gelacht, als Tänzerin sie abgeschnuppert hat. Aber sobald etwas ihr Gesicht berührt, dreht sie den Kopf und versucht zu saugen."

„Das hört sich doch gut an. Wir müssen ihr Milch beschaffen und vielleicht einige Windeln und etwas Kleidung. Was ist eine Mujan?"

„Ach", Luno lächelt etwas. „Mujan ist eine Heldin unserer Sagen. Sie ist nach der Geburt ausgesetzt worden, hat dann geschrien, bis eine Geiß gekommen ist, um zu sehen, wer da diesen Lärm macht. Und dann hat sie die Geiß beim Euter gepackt und nicht mehr losgelassen. Die Geiß musste sie die nächsten Monate mit sich herumschleppen und säugen, bis Mujan stark genug war, selbst zu laufen und Früchte zu sammeln."

Ich fahre vorsichtig mit einen Finger über die zarten Händchen. Sofort greift das Baby zu und umklammert meine Finger mit solcher Kraft, dass ich ihn nur mit Gewalt lösen könnte. Unwillkürlich lache ich auf. „Du hast recht, sie ist eine Heldin. Nennen wir sie Mujan, das passt."

„Wir brauchen eine Ziege", grübelt Luno.

„Zumindest vorerst", stimme ich zu. „Aber wir können schlecht eine Ziege hinter uns herzerren, zumal die Dörfler sie selbst brauchen, wenn sie denn eine haben. Aber ich habe gehört, dass bei Frauen, die kein Kind geboren haben, die Milch trotzdem fließt, wenn ein Baby lange genug saugt."

Luno blickt etwas skeptisch auf Mujan und dann auf ihre Brüste. „Ich weiß nicht so recht ..."

„Ich werde es versuchen", beschließe ich. „Am besten basteln wir ihr eine Tragschlaufe, über die ich meine Bluse ziehen kann. Dann habe ich sie direkt auf meiner Haut und wenn ich das Brustband an einer Brust herunterziehe, kann sie wenigstens nuckeln."

Luno nickt. „Ja, das wird sie beruhigen, bis wir ihr Milch geben können. Mama hat das mit Rendael auch so gemacht. Er war eigentlich schon von ihrer Brust weg, aber wenn er sich wehgetan hat oder sehr viel erlebt hatte, wollte er wieder nuckeln. Er war zwei und ein halbes Jahr, als er damit aufgehört hat. Mama meinte damals, bei mir sei das auch so gewesen."

„Na, dann weiß ich ja, was ich die nächsten zwei Jahre vor mir habe."

Luno lacht über meine Bemerkung und hilft mir dann, ein bequemes Nest für Mujan zu bauen.

„Ich denke, etwa drei Monate", resümiert die Hebamme, die wir im nächsten Dorf gefunden haben. „Und ihr habt recht, sie ist gesund und kräftig. Wenn die Trümmer noch geraucht haben, ist es wohl vor kaum einem Tag geschehen. Sie ist sehr hungrig, aber noch nicht geschwächt."

Ihre Tochter kommt jetzt mit einer Kanne herein. „Ich habe die Ziege gemolken, Mama."

„Sehr gut, mein Schatz", lobt die Mutter, greift nach einer Tonflasche und füllt die noch warme Ziegenmilch ein. Dann stülpt sie ein sauberes Stück Leinen darüber, welchem sie mit geschickt gesetzten Nähten eine nippelähnliche Form verpasst hat.

„Versuch's mal damit", sie reicht mir die Flasche.

Mujan begreift sofort, als ich ihr das Leinen an die Lippen halte; sie packt mit dem winzigen Mündchen zu und saugt heftig. Ihr Gesichtchen strahlt förmlich auf, als die ersten Tropfen über ihre Zunge fließen.

„Ich kann euch die Flasche und Ziegenmilch für einige Tage mitgeben", meint die Hebamme. „Aber es wäre gut, wenn ihr sie auch an euch nuckeln lasst. Yen, du hast recht damit, dass der Milchfluss durch das Saugen eines Babys angeregt wird. Aber das alleine reicht oft nicht aus."

„Muss ich noch etwas tun?", frage ich.

„Ja. Aber lass mich erst deine Brust sehen."

Ich übergebe Flasche und Mujan an Luno weiter und ziehe Bluse und Brustband aus. Die Hebamme betastet meine Brüste und betrachtet die linke sehr genau. „Da hast du sie bereits saugen lassen, nicht wahr?"

Ich nicke. "Die letzten fünf Stunden ist sie immer wieder drangegangen, obwohl nichts zu holen was."

„Du hast nährfreudige Brüste, ich spüre schon die ersten Reaktionen. Luno, halte die Flasche etwas höher – nein, nicht von ihrem Mund weg. Ich meine, du sollst sie etwas steiler halten. Ja, so ungefähr.

Ich glaube, es wäre wirklich gut, wenn von euch beiden Yen das Füttern übernimmt. Ihre Brüste sind gut und sie hat weniger Vorbehalte. Dir, Luno, merkt man an, dass dir die Sache etwas suspekt ist."

Luno wird rot und nickt dann betreten.

„Dafür musst du dich nicht schämen", tröstet die Hebamme. „Es gibt Frauen, die auch nach dem dritten Kind noch Probleme mit der Vorstellung haben, das Kind an ihrer Brust saugen zu lassen. Yen hat diese Schwierigkeiten nicht und auch das lässt die Milch besser fließen. Der Körper gehorcht oftmals den Wünschen des Herzens."

„Ich hoffe, dass meiner das tut", sage ich spontan. „Ich möchte wirklich, dass Mujan überlebt."

„Ihr könntet sie eigentlich auch einer stillenden Mutter in die Obhut geben", schlägt die Hebamme vor.

„Nein!" Schon die Vorstellung, das Baby herzugeben, das ich aus dem Schutt gegraben habe, erschreckt mich. „Das will ich nicht!"

„Das wäre auch sinnlos", merkt Luno an. "Ihr habt hier nicht einmal genug, um euch selbst zu ernähren, da können wir euch nicht noch eine weitere Last aufbürden."

Die Hebamme lächelt verschmitzt. „Ihr habt das Baby bereits liebgewonnen", stellt sie fest. „Das ist gut."

Ich habe mich wieder angezogen und strecke Luno die Hände entgegen. „Du kannst sie wieder hergeben."

Luno blickt einen Moment bedauernd auf Mulan, dann bekomme ich Flasche und Baby zurück. „Ich glaube, Füttern ist nichts für mich", gesteht die Albe. „Aber ich halte sie gerne. Jetzt fühlen sich meine Arme leer an."

Ich höre ein leises Kichern vom Schrank her, an dem die Hebamme steht und eine Schale mit den Inhalt einiger Tontöpfe füllt. „Ihr beide verhaltet euch wie frischgebackene Eltern. Und auch die Kleine scheint euch zu vertrauen. Das ist ein gutes Zeichen; ihr seht euch bereits als Familie. Ich bin zuversichtlich, dass es dem Kind gut gehen wird bei euch."

„Eine ziemlich gemischte Familie", meint Luno trocken. Mujan ist natürlich eine kleine Jötin, somit haben wir alle drei Rassen beieinander.

„Das sind oft die besten", entgegnet die Hebamme und kommt mit der Schale zu uns. „Habt ihr ein leeres Behältnis dafür?"

Wir lugen in die Schale, die verschiedene Körner enthält. „Was ist das?", will Luno wissen.

„Die Samen von Kümmel, Anis, Bockshornklee und Fenchel", erklärt dieHebamme. „Und Blätter von Himbeeren und Brennnesseln. Dreimal am Tag müsst ihr etwas von der Mischung zerstoßen und sie als Tee aufbrühen. Dann fließt die Milch besser."

„In Ordnung." Luno geht zu den Pferden hinaus und kommt bald mit einem Beutelchen zurück, wie sie die Obsthändler für empfindliche Früchte nutzen. „Ich habe die Pflaumen und die Aprikosen zusammengeschüttet", erklärt sie mir. „Meinst du, das gibt Krieg zwischen ihnen?"

„Besser Krieg im Obstbeutel als unter Leuten", gebe ich zurück.

„Ja, Leute sollten niemals Krieg führen", seufzt die Hebamme.

„Aber wir wollen doch auch einen, Mama", erinnert die Tochter sie.

„Schweig davon!", zischt die Hebamme erschrocken. „Das ist doch noch gar nicht soweit!" Dann erst geht ihr auf, dass sie sich ebenso sehr verplappert hat wie ihre Tochter. Unsicher blickt sie uns an.

Ich lächle sie beruhigend an. „Ich hab mir das schon gedacht. Ihr plant eine Revolte? Mach dir keine Sorgen, wir sind da ganz auf eurer Seite."

Die Hebamme nickt. „Im Osten ist Bürgerkrieg, die Jöten dort wollen ein eigenes Reich und verlangen, dass wir uns anschließen. Aber wir glauben nicht daran, dass es möglich ist, ein zweites Reich zu gründen, solange König Wolemar lebt. Er wird immer wieder versuchen, das Land zurückzubekommen. Und nach seinem Tod werden es seine Söhne tun. Ein neues Ostreich würde nur endlosen Krieg mit sich führen und niemandem nützen."

„Ihr denkt also eher an einen Aufstand und die Absetzung der Königsfamilie", folgert Luno.

„Ja", gibt die Hebamme zu. „Aber dazu müssen große Teile des Militärs auf unserer Seite sein. Und vor allem müssen wir jemand haben, den wir dann zum König erheben können und den alle akzeptieren."

„Ihr seid euch eurer Probleme bewusst", lobe ich sie. „Das gefällt mir. Ein überstürzter Aufstand wird kaum Erfolg haben."

„Am liebsten wäre es mir ja, wenn das ganze Volk aufstünde und die Absetzung des Königs fordern würde", murmelt die Hebamme. „Dann könnte man das friedlich beenden. Aber ich glaube nicht daran, dass so etwas möglich sein wird."

„Warum nicht?", gebe ich zurück. „Ich habe schon seltsamere Wunder erlebt. Wie erst vor einem halben Tag, als ich ein lebendes Baby in einer heruntergebrannten Hütte gefunden habe. Hört nie auf, an Wunder zu glauben, denn dann kann alles geschehen."

„Du meinst das ernst, oder?" will Luno wissen, als ich das Nachtlager aufschlage. Da wir ohnehin erst nach Einbruch der Dunkelheit das Dorf erreicht haben, hat die Hebamme uns angeboten, in ihrem Behandlungszimmer zu übernachten. Mit drei Zimmern, nämlich Küche, Schlafraum und Besuchsraum ist ihre Hütte ungewöhnlich groß für eine Dorfkate. Dabei würde die komplette Hütte in mein Schlafzimmer daheim passen.

„Was meine ich ernst?"

„Dass es Wunder gibt." Luno prustet leicht an Mujans Hals und das Baby giggelt fröhlich und patscht ihr ins Gesicht. Mit diesem Spiel haben die beiden sich schon bei jeder Rast amüsiert und offenbar haben sie immer noch nicht genug davon.

„Natürlich. Wir haben doch auch schon einige erlebt."

„Welche denn?"

„Zum Beispiel, dass du nicht zu Boden gestürzt bist, als du aus dem Fenster geklettert bist. Und dass mich die Jöten an der Raststätte nicht zu fassen bekommen haben. Dass Mujan überlebt hat und dass wir rechtzeitig an der Brandstelle angekommen sind. Dass ausgerechnet im nächsten Dorf eine Hebamme wohnt, die uns weiterhelfen kann."

„Äh – ja. Aber die meisten Wunder, da haben wir doch selbst mitgewirkt. Wir hätten Mujan nicht gefunden, wenn du die Überreste nicht nach Leichen durchsucht hättest. Und die Hebamme haben wir entdeckt, weil wir uns erkundigt haben. Und du hast mich ja auch aufgefangen und deine Pferde so dressiert, dass sie dir helfen konnten."

„Und trotzdem hätten mich diese Kerle erwischt, wenn ich nicht eine schüchterne, weltfremde Gefährtin hätte, die verflixt gut mit Pfeilpistolen umgehen kann", ergänze ich. „Luno, erwartest du von einem Wunder, dass der Himmel sich öffnet, Trompeten erschallen und alles in goldenes Licht getaucht ist?"

Luno wird etwas rot und lacht dann. „Äh – ja, ich glaube, du hast recht. Du nicht?"

„Ich glaube, für Wunder muss man auch selbst etwas beitragen. Dann darf man auf sie hoffen."

„Das ist ein schöner Gedanke." Luno bettet Mujan, die jetzt eingeschlafen ist, vorsichtig so hin, dass sie nicht von der Unterlage rollen kann. „Dann kann man die Wunder ja auch in die Richtung lenken, die man braucht." Sie setzt sich auf und gönnt mir einen Kulleraugenblick, wie ich ihn nur von den kleinen Mädchen kenne, die mir Blumen überreichen, wenn ich mich in einer unserer Städte sehen lasse. „Meinst du, wir beide können ein Wunder bewirken für diese armen Leute hier?"

„Wir werden es jedenfalls versuchen", verspreche ich und Lunos Augen werden noch größer.

„Wirklich? Versprochen? Ganz sicher?"

Diese kastanienbraunen Augen sind unwiderstehlich. „Luno, du bist echt süß", seufze ich, beuge mich zu ihr und küsse sie.

Zu meiner Überraschung hält Luno still, öffnet nach einem Schreckmoment sogar die Lippen für mich. Trotzdem dehne ich den Kuss besser nicht zu lange aus, um meine unschuldige Gefährtin nicht zu sehr zu schocken.

Als ich mich von der Albe löse, schaut sie mich fragend und irgendwie verträumt an. „Dürfen Frauen das?"

„Was?"

„Andere Frauen küssen."

„Wer soll ihnen das verbieten?", entgegne ich leicht verärgert. Ich habe mir noch nie etwas verbieten lassen mit dem Argument, dass Frauen das nicht dürfen. Entweder ist es beiden Geschlechtern erlaubt oder keinem, das war immer meine Devise und meine Brüder haben mich darin auch stets unterstützt.

„Na, wenn wir das dürfen ..." Jetzt ist es Luno, die mein Gesicht in ihre Hände nimmt und mich küsst. Sehr gründlich, sehr ausgiebig und so lange, bis Mujan quengelt, weil sie unsere Wärme vermisst.

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