۞ 10. кαρiτєℓ - ∂єr ℓєнrℓiทg ∂єs sєriєทмσєr∂єrs

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"Oh!"

"Sehr schön!"

"Jetzt bin ich beruhigt."

Das Dorf murmelte zuversichtlich vor sich hin. Alle standen um die Leiche herum, welche mitten auf dem Marktplatz lag. Der junge Mann konnte nur schwer identifiziert werden, da sein rot-braunes Fell teilweise aus ihm wucherte. Eigentlich war es schon fast ein Wunder, dass er es noch bis hier hin geschafft hatte und nicht kurz zuvor bei seinem Kampf mit dem anderen Wolf getötet worden war.

Über seiner kleinen und frischen Blutlache schwebte seidig seine verbliebene Holorole.

╭────────╯•╰────────╮
CHARLY
Rolle: W e r w o l f
Tod: B i e s t j ä g e r
╰────────╮•╭────────╯

Evelyn war schon etwas früher als andere hier gewesen, um sich die Leiche genauer anzusehen und bei ihren Überlegungen ungestört zu sein. Ihr Kerngedanke dabei war, wie viele Werwölfe nach diesem Tod wohl noch ürbig war. Würde ihnen der Beobachter mitteilen, falls es keine Werwölfe mehr gab und sie dementsprechend nur noch nach dem Serienmörder, den Verliebten und dem Greis Ausschau halten mussten?

Andererseits war keinenfalls garantiert, dass sie zu dieser Zeit noch leben würde. Es war sowieso erstaunlich, dass sie es noch tat. Wer weiß, wie oft die Werwölfe sie schon in Visier genommen hatten. Selbst der Gefängiswärter hätte sie getötet. Dabei war sie tatsächlich nur eine einfache Dorfbewohnerin.

Diese Kuriosität ließ sie leicht lächeln.

"Wer lächelt denn da beim Anblick einer grauenvoll zugesetzten Leiche", raunte ihr jemand ins Ohr.

Evelyn bekam vor Schreck eine Gänsehaut, doch bewegen tat sie sich nicht. Sie schaute weiterhin nach vorn.

"Er war ein Werwolf. Unser Feind. Oder zumindest mein Feind", sagte sie kühl. Der kleine Seitenhieb schien Aidan nicht zu stören. Arrogant wie eh und je schlenderte er mit den Händen in den Nacken gelegt an Evelyn vorbei und beäugte die Leiche ebenfalls.

Dass er so spät kam, verwunderte Evelyn ein wenig. Schließlich war er am vorigen Morgen auch früh am Tatort erschienen und hatte sich informiert. Vielleicht war er auch schon eine Weile hier und Evelyn bemerkte ihn erst jetzt. Dagegen sprach jedoch, dass Aidan die große Show ganz sicher liebte, das hatte sie bisher schon über ihn in Erfahrung gebracht.

Wenig später auf dem Markplatz interessierte sie ein anderer Gedanke jedoch mehr, und zwar wen die Lynchung heute treffen würde.

"Die Angeklagten bitte auf das Podest!", rief Franklin. Mittlerweile hatte sich alles schon gut selbstständig eingefädelt, die Bürger wussten, wann auf dem Marktplatz und zu den Diskussionen zu erscheinen und wo der eigene Platz war. Und trotzdem half der Bürgermeister doch noch einmal nach. Er fühlte sich wahrscheinlich verflichtet, dies zu tun.

Darius, Henry und Gulli traten auf die Anhöhe. Verwunderlicherweise war keiner der drei so aufgeregt, wie andere Angeklagte an anderen Tagen. Alle standen ruhig und mit klarem Blick wartend auf dem Podest.

Gerade, als alle sich gesammelt hatten und eigentlich das Ergebnis auftauchen sollte, wurde die Stille durchbrochen. "Heute gibt es eine besondere Art der Lynchung!", rief der Beobachter enthusiastisch.

"Was soll das sein?", fragte der Bürgermeister in Richtung der schwarzen Wolfsstatur. Seine Miene war grimmig, was ihm in diesem Moment nicht zu verübeln war.

"Das Opfer des heutigen Tages wird durch eine Explosion sterben", sagte er voller Vorfreude, "Ganz, wie es zu seiner Rolle passt." Er schien verschmitzt.

Evelyn schaute mit als einziges zu den drei Angeklagten und bemerkte Darius veränderte Gesichtszüge. Er wusste, dass er sterben würde.

Das musste ein furchtbares Gefühl sein. Seinen Tod schon zeitiger angekündigt zu bekommen, die Zeit bis zum ultimativen Schlag quälend lang abzuwarten und es dann auch noch durch eine so dreiste Art und Weise mitgeteilt zu bekommen, wie der Beobachter es tat, lastete bestimmt schwer.

Evelyn konnte sich das ganze alledings nur wage vorstellen, da sie dieses Gefühl selbst noch nie erlebt hatte.

"Ähm, gibt es denn wirklich eine Rolle, die etwas mit Explosionen zu tun hat?", fragte der Bürgermeister zögerlich.

Der Beobachter lachte geheimnissvoll. "Indirekt, mein lieber Franklin, indirekt."

Der Bürgermeister wandte sich irritiert dem Volk zu. Jeden Moment würde sowieso ans Licht kommen, was damit gemeint war.

Vor den drei Angeklagten erschienen folglich die Stimmgaben. Und dieses Mal war sich das Dorf furchbar uneinig. Henry durfte schnell von der Bühne gehen, doch zwischen Gulli und Darius schien es knapp zu werden. Letzendlich landeten die Zahlen 15 zu 17.

Gulli durfte gehen, Darius musste bleiben.

In seinen letzten, lebenden Sekunden sah er in die Ferne. Niemand wusste, was er in diesem letzten, kostbaren Moment wohl denken mochte. Doch schon nach wenigen Sekunden war dieses stille Denken beendet, da er einen furchbaren Schrei ausstieß. Eine Explosion erfüllte das Podest, genau von dem Punkt ausgehend, wo Darius zuvor gestanden hatte. War die Bombe etwa in ihm explodiert?!

Rot und gelb mischten sich zu einem riesigen Ballen, der ein schönes Farbspiel ergeben hätte, wenn die Umstände anders gewesen wären.

Die Farben verblasten und auf dem Podest lag ein kleiner Haufen schwarzes Etwas. Die Dorfbewohner starrten es an, während Evelyn einen Bogen um diese extravagante Leiche machte und den Weg zurück nach Hause einschlug.

╭────────╯•╰────────╮
DARIUS
Rolle: B i e s t j ä g e r
Tod: L y n c h u n g
╰────────╮•╭────────╯

Sie grübelte wieder einmal über ein paar Hinweise nach, bis sie sich schließlich zurück ins Bett legte und sich ihre Decke über den Kopf zog. Mit offenen Augen starrte sie die dunkle Innenseite an. Würde der Tod auch so dunkel werden?

Mit großen Augen drehte sie sich auf die andere Seite, doch die Schwärze war allumfassend. Sie schlug die Decke zurück und starrte auf sie hinab. Diese Schwärze erinnerte sie an ihn. Ja, er war auch in diese Schwärze gegangen und hatte sie zurück gelassen. Für immer. Nun war er weg, höchswahrscheinlich sogar tot. Ihr Vater würde nicht zurückkehren.

Als kleines Mädchen war so eine Tatsache natürlich schwer zu verkraften. Dass ein geliebter Mensch auf einmal verschwand und nicht wieder zurück kommen würde, konnte ein Kind einfach nicht begreifen. Es war nicht logisch, denn irgendwo musste man doch hingehen.

Im Vergleich zu anderen Kindern verstand Evelyn diese Tatsache sogar noch besser. Sie wusste, was der Tod war, ein ewiges Verschwinden der Seele. Doch das, was sie nicht verstand, war, warum es genau ihr Vater sein musste. Schließlich gab es viele Menschen im Dorf. Jeder hätte verschwinden können. Und doch war es nur er, der ging. Ohne ein Wort des Abschiedes.

Evelyn bemerkte nicht, wie sie einschlief. Ein paar Stunden später wurde sie jäh von einem Schütteln ihrer Schulter aufgeweckt. Sie öffnete müde ihre Augen und erblickte Pixie.

"Wir sind spät dran! Komm jetzt", meinte sie.

Evelyn fühlte sich auch nach diesem Schlaf sehr leer, doch dieses Gefühl war schon eine Weile bei ihr. Natürlich würde es auch nach einem kleinen Schläfchen nicht vergehen.

Gemeinsam rannten die beiden zum Ratshaus. Mary war auch heute nicht bei ihrer Mutter.
Vor der Tafel blieben sie kurz stehen und lasen sich die Namen durch. Evelyn speicherte sie so gut es ging beim ersten Lesen in ihrem Gedächtnis.

╭────────╯•╰────────╮
HENRY

+ 2 Stimmen Drohbrief
Charly
James
Lucas

GULLI
+ 2 Stimmen Bürgermeister
Chap
Cherry
Darius
Ella
Evelyn
Fairy
Luke
Mia
Pitsch
Pixie
Rosie
Silly
Wild Look

DARIUS
Aidan
Alex
Carter
Ed
Elera
Ethan
George
Gordon
Gulli
Hunter
Lorian
Mallow
Marco
Mary
Olivia
Talis
William
╰────────╮•╭────────╯

Als sie durch die große Holztür in den Raum traten, waren viele bereits schon dabei, sich auszutauschen. Auch Franklin vermochte es nicht, sie still zu halten.

"Da sind ja die letzten", stöhnte er. "Endlich."

Evelyn und Pixie nahmen Platz. Mary saß bereits da und schaute mit hellen Kinderaugen den Älteren zu. Sie war tatsächlich die jüngste im Dorf. Keine Gleichaltrigen, mit denen sie hätte spielen können. Auch vor dem Spiel gab es niemanden für sie. War sie ihr ganzes Leben allein gewesen? Evelyn legte die Stirn in Falten, konnte jedoch nicht länger diese Gedanken verfolgen. Er entglitt einfach ihrem Gedächtnis und wurde durch das Verlangen ersetzt, sich nun der Diskussion zu widmen.

Es war seltsam, doch den Grund hätten wahrscheinlich nur Außenstehende begriffen.

"Wir beginnen nun mit den Anklagen!", rief Franklin und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das Dorf wurde kurze Zeit ruhiger.

╭────────╯•╰────────╮
ANKLAGEN
Carter - Drohbrief
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Als die Holorole in der Mitte auftauchte, sahen sich einige nach dem genannten Carter um, doch dieser sah nur mürrisch drein.

Als niemand etwas sagen wollte, begann Pitsch. "Wir haben einen Werwolf weniger!", sagte er froh.

"Ja", meinte Elera lächelnd, "Das ist toll."

"Da fällt mir ein, dass der Trunkenbold seine Rolle in der vorletzten Nacht erhalten hat", rief Gulli, "Könnte er theoretisch auch eine Wolfsrolle erhalten haben?"

"Das ist sicher möglich", meinte Evelyn ruhig. "Wir sollten uns aber auf einen Fakt konzentrieren, der uns heute etwas nützen wird." Ihre Augen waren sehr klar und sie wusste genau, was sie sagen wollte. Denn ihr war etwas aufgefallen.

"Charly war ein Werwolf, das haben wir heute alle gesehen", fing sie an, "Und er hat letzte Nacht für Henry gestimmt. Ein Werwolf würde wahrscheinlich nicht für einen Werwolf stimmen, weshalb wir Henry soweit von der Verdächtigenliste nehmen können."

Der Großteil der Dorfbewohner nickte.

"Wir wissen doch aber nicht, was in dem Kopf eines Werwolfes vorgeht", meinte Lorian von der anderen Seite. Heute schien er zwar so gewitzt wie eh und je, aber sein breites Grinsen war ein anderes. Es ließ herzengute Freude zu, auch wenn er es so gut es gehen mochte zu verstecken versuchte.

"Diese Viecher könnten locker auch für sich selbst stimmen!", rief Hunter.

Ella räusperte sich kurz, ehe sie, so wie viele andere während des Redens, aufstand. "Auf Evelyns Meinung können wir vertrauen. Da bin ich mir sehr sicher."

"Der Seher hat gesprochen", meinte Hunter in gespielter Erfurcht und ließ sich nieder. Ella hatte nie wirklich behauptet, Seher zu sein, doch irgendwie bestand das Dorf trotzdem darauf.

"Meine Güte, wie kannst du überhaupt noch leben?", blaffte ein Junge namens Ethan. "Wenn du wirklich Seher sein solltest, und ja, du hattest schon einmal Recht, aber wieso haben dich die Wölfe bitte noch nicht getötet?" Er fauchte seine Sätze.

Viele Menschen kamen mit dem Spiel so einiger Maßen klar und zügelten ihren Ton, doch natürlich gab es auch Dörfler, die ihrem Temperament freien Lauf gaben. Nichtsdestotrotz war Carter der mit dem speziellsten Tonfall, dagegen kam nun wirklich niemand an.

"Ella, bist du vielleicht der dunkle Seher?", meinte Evelyn kühl. Sie blickte direkt in ihre Augen, um nicht die kleinste Regung zu verpassen. So eine direkte Frage konnte Wunder wirken.

Doch in diesem Moment wirkte sie keine.

"Nein", meinte sie ernst, "Ich bin nicht böse!"

"Ach komm", meinte Hunter genervt, "So etwas würde jeder behaupten. Beweise es doch oder sprich Argumente aus!"

Ella zögerte. Es war ihr erstes Zögern heute und man sah, dass sie keine Antwort wusste.

"Ich klage Ella an, mit der Begründung, dass sie der dunkle Seher ist!", rief Hunter nun, "Es scheint sich ja niemand sonst zu trauen."

Einige gequälte und sich uneinige Blicke waren im Raum erkennbar. Das Dorf wusste nicht Recht, ob sie diese Anklage befürworten sollten.

"Dann werde ich Ethan anklagen", meinte Pitsch, "Du hast dich absolut erregt verhalten und das lässt auf eine negative Charakteränderung schließen."

Ethan machte große Augen. Er holte tief Luft. "Ich habe einfach nur Angst", meinte er und biss die Zähne zusammen.

Pitsch nickte, ehe er sich setzte. Auch er war zum Reden aufgestanden.

"Ich möchte ganz, wirklich nur ganz nebenbei anmerken, dass der weiße Wolf diese Nacht keinen Wolf umgebracht hat." Aidan saß entspannt auf seinem Platz und lehnte sich zurück.

"Was willst du damit sagen?", rief Gulli mit seiner rauen, alten Stimme und hob misstrauisch eine Augenbraue.

"Nun", meinte Aidan und setzte sich etwas gerader hin, "Wir sollten in erster Linie Evelyn danken. Sie sagte, dass der Weiße unsere beste Möglichkeit sei, Werwölfe zu töten." Sein Blick schwenkte über die Tribünen und blieb schließlich bei ebendieser Person hängen. "Nun ist ihm sein Appetit wohl vergangen."

Evelyn und Aidan blickten sich funkelnd an. Über alle Menschen hinweg existierte nur dieser eine Augenkontakt. Jeder der beiden versuchte, etwas aus den Augen des anderen zu deuten, irgendeine Regung zu erkennen, irgendeinen Trumph in der Hand halten zu können. Doch letzendlich blickten beide in die listigen Augen des anderen und erkannten nur Charakterzüge, die sie auch selbst besaßen.

Denn eigentlich waren sie sich ziemlich ähnlich.

"Vielleicht wollte er auch genau dieses Misstrauen schüren", meinte Evelyn und zog die Stirn in Falten.

Aidan blickte sie mit einem undefinierbaren Blick an.

"Ich bin mir sehr sicher, dass Sie Evelyn trauen können", meinte Franklin von unten und räusperte sich. "Aidan dagegen weniger."

"Woher haben Sie das?", wollte Hunter herausfordernd wissen.

"Ich habe meine Quellen", erwiderte dieser und schaute im Geheimen zu Evelyn. Diese zog einen Moment eine ihrer Augenbrauen nach oben, ehe sich ihre Augen weiteten. Als sie Fairy in ihrem Haus vorgefunden hatte, hatte sie Franklin doch ein eiskaltes Gerücht aufgetischt, um Aidans Andeutungen ihretwegen zu nichte zu machen. Doch das Franklin die Gerüchte immer noch glaubte und sie sogar so öffentlich benutzte, verblüffte sie. Damit hatte sie tatsächlich nicht gerechnet.

Aidan beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Klare, kluge Augen überlegten sich den nächsten Schachzug.

"Das sagen damit schon zwei. Und einer davon ist unser Bürgermeister, dessen Rolle wir alle sicher kennen", meinte Evelyn ruhig und bedacht, "Von daher könnt ihr mir trauen. Der weiße Wolf hat vielleicht auch nur aus Lust nicht gefressen, die genauen Hintergründe können wir auch gar nicht wissen."

Aidan brannte sicher eine Erwiderung auf der Zunge, doch sagen tat er nichts. Evelyn hatte sich eigentlich schon darauf vorbereitet, doch da Franklin nun die Diskussion beendete, blieb ihr keine Zeit mehr.

Sie schüttelte den Kopf. Was hätte sie dann getan? In etwa provoziert? Sie sah verwirrt zu Boden, wusste die Antwort selbst nicht und stand auf. Mittlerweile waren die heutigen Anklagen auch in der Mitte erschienen:

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ANKLAGEN
Carter - Drohbrief
Ella - Hunter [Beschuldigung Dunkler Seher]
Ethan - Pitsch [Negative Charakteränderung)
╰────────╮•╭────────╯

Evelyn ging nach Hause und beschloß, im Innenhof eine Aktivität zu suchen. Letzendlich saß sie wie früher auf der Bank und sah Mary beim Spielen zu. Jedenfalls stellte sie sich Mary vor, denn eigentlich war sie schon seit dem Beginn des Spieles nicht mehr zum Spielen in den Innenhof gekommen.

∴━━━✿━━━∴

Es war Abend und Evelyn saß noch immer auf der Bank. Mittlerweile hatte sie sich etwas zu Essen und einen leuchtenden Lampion in den Innenhof geholt. Sie wollte sich gerade eben erheben und die Abstimmung aufrufen, als ihr der Gedanke eines kleinen Abendspaziergangs kam.

Also stand sie auf, zog sich ihre taillenlange Jacke an und öffnete die Tür. Ein lauer Abendwind strich an ihrem Gesicht vorbei. Sie spazierte die breite Straße entlang und beobachtete, wie sich der Himmel immer röter färbte. Es war ein warmes und freundliches Rot, nur leider stand es in einem solchen Gegenteil zu der Lage, die im Dorf gerade herrschte.

Die Nacht brach langsam herein und färbte die umliegende Landschaft dunkel. Evelyn drehte gerade den Bogen zurück zu ihrem Haus, als sie nebensächlich in eine Gasse blickte. Sie war dunkel und steinig, doch der Mann, der keine 3 Meter weit weg an einer Wand lehnte, starrte ihr mitten ins Gesicht. Er besaß einen braunen Vollbart mit einem wachsamen Gesicht und eine große Statur.

Evelyn kniff die Augen zusammen. Sie war nicht die Art Mensch, welcher sich vor so etwas gefürchtet hätte, doch ein gewisses Misstrauen brachte sie jedem entgegen. Sie hob den Kopf und betrachtete ihn ebenso wie er sie.

"Ein angenehmer Abend, nicht?", fragte der Mann und lächelte.

Evelyn sah ihn weiterhin an. "Ja", sagte sie nur.

"Es freut mich übrigends, dass ich nicht extra bei dir Zuhause klingeln muss."

Sie hob eine Braune. "Wieso das?"

"Ich habe eine Aufgabe für dich", sagte er schmunzelnd, "Du wirst sie sicher mögen."

"Ich werde sie mögen? Was ist das für eine Aufgabe?", fragte sie interessiert.

"Nun, das wirst du sehen. Geh zu Ed und werde sein Lehrling. Er weiß Bescheid." Der Mann lächelte. Evelyn konnte seinen Namen nicht in ihrem Gedächtnis finden und aus irgendeinem Grund wusste sie, dass sie sich sein Gesicht nicht merken würde. Es war vom Spiel genau so eingeleitet.

"Ich danke dem Lehrmeister für diese Gelegenheit", meinte sie und musste lächeln. Der Lehrmeister nickte und ging an ihr vorbei auf die Straße. Evelyn folgte ihm zu dieser, bog jedoch rechts ab, währenddessen der Mann nach links ging.

Evelyn machte sich auch sogleich auf den Weg zu einem Mann namens Ed. Es war dunkel geworden, doch hier und da brannte Licht in einem Haus. Auf dem Weg fragte sie sich, welche Rolle er wohl haben würde. Die Chancen lagen relativ hoch, dass er gut sein würde, doch wer wusste schon, was der Lehrmeister für sie ausgesucht hatte.

Sie machte halt an einer alten Holztür und hob die Hand zu Klopfen an. Ihre Faust berührte minimal das Holz der Tür, da diese gerade von innen geöffnet wurde. Ein Mann im mittleren Alter stand vor ihr. Er hatte kurze Bartstoppeln, braunes, wuseliges Haar und kalte, müde Augen. Er hielt zwei Messer in einer Hand und hatte sie wohl gerade in seinen Gürtel stecken wollen.

Evelyn wollte zurückweichen und auf die Straße hinaus stolpern, doch der Mann packte sie mit blitzschnellen Handbewegungen an der Jacke, zog sie hinein und schlug die Tür zu. Drinnen wurde sie auf einen Tisch gedrückt, eines der Messer am Hals. Ihre Hände wurden in weiter Ferne zu diesem Messer an ihren Rücken gepresst. Der Mann hatte starke Arme, handelte unglaublich gezielt und präzise und hatte dazu noch eine kalte, raue Stimme.

"Bist du der Lehrling?", fauchte er.

"Ja", meinte Evelyn mit erstickter Stimme. Der Druck vom Tisch auf ihre Brust lies sie kaum atmen.

"Ich brauche keinen Schüler", sagte er kalt.

"Ich lerne gut", krächzte sie, "Und werde mit Stolz ihr Nachfolger."

Der Mann hob kaum merklich eine Augenbraue. In seinen Augen hatte sich eine Kleinigkeit verändert. Er lies sie los, sodass sie vom Tisch auf den Boden rutschte und dort nach Luft schnappte. Der Mann betrachtete Evelyn. Sie hatte genau das gesagt, was er auch in der Nacht zuvor als einzigstes logisches Argument empfunden hatte, als der Lehrmeister ihm einen Besuch abstattete. Doch sie stand kurz vor dem Tod. Gedanken drehen sich kurz vor dem Tod doch um ganz andere Dinge, als logische Möglichkeiten, der Situation zu entkommen.

Der Mann musterte sie äußerlich immer noch kritisch wie minderer Abfall, doch dieser Einfallsreichtum war ihm nicht entgangen.

"Du hast schnell reagiert", meinte er ohne Emotionen in der Stimme mitschwimmen zu lassen.

Evelyn blickte nun auf. Sie hatte sich gefangen und besaß einen klaren Blick.

"Komm mit", meinte er und öffnete die Tür. Ein Windstoß fegte hinein. Evelyn saß immer noch auf dem Boden. Der Mann drehte sich nicht um und schritt hinaus, sodass sie ihm wohl oder übel selbst hinterher gehen musste. Sie griff zum Tisch und stütze sich auf. Ihr Gesicht hatte einen kritischen Ausdruck angenommen. Was war er?

Mit wachsamen Augen schloss sie die Tür hinter sich. Sie blickte sich um. Weit und breit war keine Seele mehr zu sehen. Sie wollte einen Schritt zum Haus zurückweichen, doch irgendetwas berühte ihren Gürtel. Ihr blieb nicht einmal mehr die Zeit, nachzusehen, was dieses Gefühl verursacht hatte, da sie in die Höhe gehoben wurde. Ihre Beine schwebten seidig in die Höhe und entfernten sich vom Boden, als plötzlich ein Häuserdach auftauchte. Evelyn wurde etwas höher als das Häuserdach abgelassen, sodass sie leicht und mit wehendem Haar auf dem Dach landete. Jetzt sah sie auch den Haken an ihrem Gürtel.

Vor ihr in der Nacht stand der Mann mit dem Rücken zu ihr. Sein Umhang wehte genauso wie ihre eigene Kleidung.

"Das war der Ab- und Aufseilmechanismus", sagte er knapp, "Und setz deine Kapuze auf."

Evelyn tat, was er sagte und setzte vorsichtig ihre Kapuze auf. Danach erlaubte sie sich die Frage, die sie nun schon länger verfolgte.
"Ed, was sind Sie eigentlich?" Sie besaß eine Vermutung und doch wollte sie es noch einmal von ihm persönlich hören.

Ed drehte sich mit einem mal um und blickte ihr mit seinem vom Mondschein beschienenen Gesicht mitten in die Augen. Jetzt sah man auch das Messer, mit dem seine Hand spielte. "Serienmörder."

Evelyn blickte ihn nur an. Das war der einzige logische Schluss. Natürlich. Das war ihre Vermutung gewesen. Sie hatte tatsächlich keinerlei Gefühle, keine Furcht, keine Angst und keine Überraschung.
Sie selbst war nur minimal irritiert, wie wenig ihr die Erkenntnis über ihre zukünftige Rolle eigentlich zusetzte.

"Du scheinst dich nicht zu fürchten", sagte der Mörder analysierend.

Evelyn nickte nicht, sondern sah ihn weiter an. Ihre Augen leuchteten sogar in dieser dunklen Nacht so hell wie die eines Raubtieres.

"Komm", sagte er knapp und sprang geschwind auf das nächste Dach. Von dort lief er weiter, warf seinen Haken an einen Schornstein und konnte Dank dieser Zugkraft auch weitere Abstände überqueren, da er das Seil ihn höher und schneller zog.

Evelyn nahm das Seil, welches immer noch an ihrem Gürtel befestigt war und zog den daran hängenden Haken in ihre Hand. Sie begann ebenfalls zu rennen und sprang ihm über die Dächer hinterher. Während des Sprünge erblickte sie unter sich eine tiefe Gasse, welche angstergend hätte sein können, doch letzendlich verschwand diese geschwind wieder und die Ziegel des nächsten Daches tauchten unter ihren Füßen auf.

Der Haken war leicht zu bedienen. Sie begriff schnell, wie sie ihn werfen sollte, um optimal zum nächsten Dach zu gelangen. Sie lernte im Flug ihre Füße so zu halten, um windschnittiger und schneller zu sein. Und sie ließ steht's ihre Umgebung nicht aus den Augen.

Wenn man diese zwei Gestalten der Nacht von außen betrachtet hätte, sah es fast schon zauberhaft aus, wie sie mit wehender Kleidung durch die Luft schwirrten. Mit gewisser Eleganz bewegte sich sowohl Ed als auch Evelyn fort.

Fast hätte man vergessen, welche mörderische Persönlichkeit sich dahinter verbarg.

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