Kapitel 94.

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Noctana hatte schon oft Menschen rennen gesehen.
Im Sportunterricht hatten sie jedes Jahr sprinten müssen, wurden mit Tabellen verglichen und sanken schließlich keuchend auf das kurze Gras.

Aber nie war jemand so schnell gerannt wie James und Ophelia in diesen paar Sekunden.

Wyatt hing am Rand des Daches, dort, wo das Feuer noch nicht loderte, und er lebte.

Ophelia griff nach seiner linken Hand, James nach der rechten. Wyatt rutschte ruckartig etwas weiter nach unten, als er seinen eigenen Griff vom Dach löste.

„Wyatt.", zischte James aus zusammengebissenen Zähnen. „Kannst du -"

„Nein.", sagte Wyatt panisch. Das Feuer brachte ihn zum schwitzen, und dieser Schweiß brannte in seinen trockenen Augen. „Nein! Ich kann nicht -"

„Hör mir zu, hör mir zu!", unterbrach James ihn. „Wyatt ... wir ziehen dich auf drei ... dann ... dann musst du irgendwie mithelfen. Okay? Okay?!"

Der Schweiß in Wyatts  Augen verwandelte sich in salzige Tränen, die ihm die Sicht endgültig zerstörten. Ophelia und James wurden zu verschwommenen Schemen, hinter ihnen eine orangefarbene, flackernde Wand.

Wyatt blinzelte.

„Drei, zwei, eins.", zählte James zu schnell und zog dann an dem Arm, den er hielt, Ophelia tat es ihm gleich. Wyatt kniff die Augen schmerzverzerrt zusammen, als er unsanft über das Dach gezogen wurde. Der Ruck schoss durch seinen ganzen Körper, zog ihn nur noch weiter nach hinten.

Seine Hand löst sich aus der von James.

Ophelia allein konnte sein Gewicht unmöglich halten, er zog sie mit an den Dachrand, rutschte selbst noch weiter in die Tiefe.
James sprang vorwärts, hielt Ophelia fest, und Wyatt rutschte nicht weiter hinunter. Vorerst.
Wyatt sah sein eigenes Spiegelbild in Ophelias hellgrauen Augen, fand sich selbst in den türkisfarbenen Sprenkeln.
Ophelias Gesicht war vor Verzweiflung verkniffen, er hörte ihren schnellen Atem so laut wie seinen eigenen.

Unter ihm wartete die schwarze Dunkelheit.
Dort oben war die Hölle.

Lass los.

Ophelia hielt ihn so fest mit beiden Händen am Handgelenk umklammert, dass sie den Blutfluss zu seiner Hand abschnürte.
Wyatt konnte sie genauso wenig loslassen wie die Stimmen in seinem Kopf.

Lena hätte losgelassen.

Lena hätte sich fallen gelassen.

Lena -

„Aber Lena ist tot!", schrie Wyatt und wandte zum ersten Mal den Kopf, wandte sich kurz ab von Ophelia und James. 

Der Boden war nicht unglaublich weit entfernt.
Ein paar Meter.
Nur ein paar Meter ... und doch konnte er das Gras nicht erkennen, konnte nicht einmal die Hauswand richtig von der Umgebung abgrenzen.

„Aber du lebst noch! Wyatt, du lebst noch!", schrie Ophelia. Ihr Griff wurde lockerer, sie konnte ihn nicht mehr lange so halten. „Hör nicht auf! Hör. Nicht. Auf. Zu. LEBEN!"

Wyatt sah nicht vieles in diesem Moment.

Er sah das Feuer.
Er sah James, er sah Ophelia.
Und er sah Lena.

Lass los.

„Ich kann nicht.", flüsterte er, während ihm Tränen wie Wasserfälle über das Gesicht rannen.

„Doch! Wyatt, du -"

„Nein. Ophelia ... ihr müsst hier weg! Ihr müsst vom Dach verschwinden, bevor das Feuer überall ist und ihr erstickt oder verbrennt!"

„Wyatt -"

„Nein! Ihr müsst hier weg!"

Wieder rutschte Wyatt etwas weiter herunter, er wusste nicht, wer dieses mal laut aufschrie.
Er atmete einmal flach, dann sah er fest zu Ophelia, sah in ihre Augen, in denen die Tränen warteten und zugleich noch diese furchtbare Hoffnung steckte, die jeden Schmerz umso schlimmer machte.

Der einsetzende Regen brachte das Feuer immer wieder zum Aufbäumen, das ihnen wiederum jegliche saubere Luft nahm und sie zum husten brachte.

„Ophelia.
Lass mich los.", sagte Wyatt ruhig.

„Wyatt, du hast ... wir haben gesagt, wir sterben nicht!"

„Ja ... es sei denn, wir haben einen guten Grund.
Also hör mir zu, bitte:
Entweder ich sterbe, oder ich ziehe dich mit mir herunter. Ich muss den Tod nehmen, Ophelia. Nimm du das Leben. Bitte!"

Ophelia senkte den Kopf, als sie Wyatt wieder ansah flossen ihr Tränen über die Wangen: „Wyatt ... wir ... grüß Lena von uns, okay?"

Wyatt lächelte, nickte leicht und formte mit den Lippen seine Bitte stumm ein weiteres Mal.

Lass los.

Ophelia zitterte so stark, als würde sie erfrieren. Sie wollte ja loslassen.
Sie wollte loslassen, jetzt. Aber sie konnte nicht.

Sie konnte einfach nicht.

Wie könnte sie Wyatt jemals einfach so loslassen? Wie könnte sie ihn einfach fallen lassen, ihn den Klauen des Todes schenken?

Plötzlich spürte sie, wie James seine eigenen Hände über ihre legte. Ophelia schloss die Augen, während James ihre versteinerten Finger ganz langsam, nur ganz leicht öffnete.

Und dann war alles vorbei.
Das Gewicht, das sie versucht hatten zu halten, verschwand.

Wyatt fiel, ohne zu schreien.
Sie hörten seinen Aufprall kaum, sahen ihn nicht einmal, als sie über die Dachkante nach unten sahen. 

Dort unten blinkten Lichter in hellem rot und blau, hier oben tobte noch das gelegte Feuer, das mittlerweile wohl alle Karten verschlungen haben musste - erkennen konnten sie die Schablonen jedenfalls nicht mehr.

„Ophelia ... wir müssen vom Dach.", sagte James heiser. Ophelia nickte wie in Trance und richtete sich langsam auf. Ihre Muskeln waren alle verspannt, aber sie spürte sie kaum.
Sie suchte nach etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte, suchte nach dem Schmerz, der sie ablenken würde, ablenken von dem Loch, das ihr Denken lähmte.

Doch kein Schmerz war stärker als die Verwandlung der Hoffnung, dass sie Wyatt retten könnten, in den Schmerz, in seinen viel zu stillen Tod.


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