63 - Aleyna - Wünsche

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Eine ganze Weile schweige ich einfach nur, um zu verarbeiten, was Nate da gerade gesagt hat. Der Junge auf dem Video war gar nicht Ray? Wie kann das möglich sein? Er wurde doch auch entführt, wegen ihm sind Miguel und seine Männer überhaupt gekommen! Wie kann es dann sein, dass das gar nicht Ray war? Wo ist er dann, wenn nicht in so einem Raum? Ich fange an, leicht meinen Kopf zu schütteln, und schliesse kurz die Augen.

„Das kann nicht sein", murmle ich, und öffne die Augen wieder. Nate streicht mit seinem Daumen leicht über meinen Handrücken, während er bedrückt vor sich hin auf die Bettdecke starrt. „Ich wurde mit Ray sozusagen erpresst, und ich bin mir sicher, dass er es war, und nicht irgendjemand anderes." Nate seufzt, und schielt leicht zu mir. „Hast du sein Gesicht gesehen?" Ich überlege kurz, erinnere mich nur ungerne an diese schrecklichen Minuten, ja vielleicht sogar Stunden zurück, und schüttle dann schlussendlich den Kopf. „Nein", murmle ich, und fahre mir mit der freien Hand durch die Haare. „Dann war er es auch nicht."

Nate klingt so dermaßen entschlossen, dass ich beschließe, ihm zu glauben. Wenn jemand Ray erkennen sollte, dann wohl er, nicht? Er ist sein Bruder, er ist mit ihm aufgewachsen. Er hat ihn vor seinem Vater beschützt, und immer versucht, das Beste aus seinem Leben machen zu können. Dafür zu sorgen, dass Ray trotz allem glücklich sein kann. Ich glaube, wenn Nate sagt, dass Ray das nicht war, dann hat er Recht, so schwer es mir auch fällt, das zu glauben.

„Aber was würden sie denn damit bezwecken wollen?", denke ich laut, und Nate zuckt mit den Schultern, ehe er leicht gähnt. Anscheinend ist er schon eine ganze Weile wach. „Ich weiss es nicht genau, Al. Wahrscheinlich sind Miguel und seine Leute davon ausgegangen, dass ich mich sowieso für Ray entscheiden würde, und wollten die Situation ausnutzen. Sie hätten dann dich, Ray und die Kette. Somit hätten wir kein Druckmittel mehr. Jedoch ist diese Rechnung nicht ganz aufgegangen."

Ich nicke langsam, da das wirklich das einzige ist, was wirklich Sinn zu ergeben scheint. „Was ist eigentlich aus Javier geworden?", frage ich Nate verwirrt, da er mir noch gar nichts darüber erzählt hat. Ist er tot? „Er und sein Bruder sind jetzt sozusagen unsere Geiseln", eröffnet mir Nate, und mir fallen fast die Augen raus. „Was? Wieso das denn? Was wollt ihr mit denen denn noch anfangen?"

Nate schmunzelt leicht, und dreht seinen Kopf so zu mir, dass er mich anschauen kann. „Wir haben kurz bevor ich Javier seine wohlverdiente Kugel verabreichen wollte erfahren, dass ihr entführt worden seid. Da haben wir ihn kurzerhand als Geisel genommen, und seinen Bruder ebenfalls. Dieser war eigentlich zuerst als Druckmittel gegen Javier gedacht, jetzt sind er und sein Bruder beide Druckmittel gegen Miguel geworden. Außerdem können wir Javier oder seinen Bruder so vielleicht noch etwas aushorchen."

Erneut nicke ich langsam, da mir das langsam etwas zu viel an Informationen wird. Die letzten Tage waren hart, und die Erschöpfung zeigt sich deutlich. Immerhin sind diese unerträglichen Schmerzen etwas weniger geworden, was wohl auch nur daran liegt, dass ich eine hohe Dosis an Schmerzmitteln bekomme. Mein Kopf ist dank dem leicht benebelt, doch immerhin kann ich so nicht allzu sehr in meinen Gedanken herumwühlen.

Vielleicht ist das für die nächsten Tage auch besser so, denn die Erinnerungen werden noch früh genug zurückkehren. Es wäre schön, wenn da vielleicht alles geklärt sein könnte, damit ich abschließen kann. Obwohl, werde ich wirklich jemals mit alldem abschließen können?

„Du hast Besuch", reißt Nate's raue Stimme mich aus meinen Gedanken, und ich schaue zur Türe. Als dort meine Mutter steht, fallen mir erneut fast die Augen aus dem Kopf. In den letzten Monaten habe ich sie nur selten gesehen, und es überrascht mich, dass sie so schnell herkommen konnte. Meine Mutter mustert mich besorgt und erleichtert zugleich, da sie wohl – wie immer – mit dem Schlimmsten gerechnet hat. „Hallo Aleyna", haucht sie, und ich schlucke. „Mom", murmle ich, und fange an, zu lächeln.

„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du so schnell hier bist", erkläre ich meine Überraschung, und meine Mutter lächelt ebenfalls leicht. „Du bist immer noch meine Tochter, Aleyna. Für dich würde ich überallhin fliegen, wenn es sein müsste." Ich lächle noch etwas breiter, und deute dann auf den Stuhl neben mir. Nate räuspert sich leicht, und reicht meiner Mutter die Hand, sobald sie Platz genommen hat. „Guten Tag, ich bin Nate Scott. Ein guter Freund von Aleyna." Meine Mutter schüttelt Nate's Hand kurz, und stellt sich ebenfalls vor.

„Ethan hat schon von dir berichtet", sagt sie leise, und Nate hebt eine Augenbraue. „Gutes oder eher nicht?" Meine Mutter lacht leise, und zuckt dann mit den Schultern. „Beides, schätze ich mal. Ich glaube, ich habe nichts Anderes erwartet. Es gibt wohl einige Dinge, über die ich euch langsam aufklären sollte." Jetzt hat meine Mutter meine volle Aufmerksamkeit, und so langsam wird mir bewusst, dass sie sehr wohl über Dads eigentlichen Beruf informiert war.

„Ich glaube, es wäre wirklich Zeit dafür." Ethan betritt den Raum ebenfalls, und lehnt sich gegen eine Wand, die nicht von allen möglichen Kabeln und Kästchen übersäht ist.

Meine Mutter nickt meinem Bruder zu, und seufzt dann. „Es war sein Leben", fängt sie an, und lächelt leicht. „Er hat all seine Leidenschaft in diese Tätigkeiten gesteckt. Er wollte die Welt der Dealer verbessern, dafür sorgen, dass weniger Blut fließt. Nächtelang war er unterwegs oder hinter seinem Laptop am Recherchieren, um mehr über die Leute zu erfahren, die ebenfalls in diesem Milieu tätig waren oder immer noch sind. Leute wie Javier. Er war damals schon ein Problem, hat die Absichten meines Mannes immer belächelt, und ist auf ihnen rumgetrampelt, als wären sie nichts. Ich kann nicht sagen, ob Jonathan für dieses Leben geschaffen war oder nicht, denn es gibt beide Seiten an ihm. Die Seite, die perfekt in das Bild der Dealer passt, und die Seite, die überhaupt nicht damit vereinbar ist. Er war ein guter Krimineller."

Meine Mutter reibt sich kurz über die Augen, und ich sehe ihr an, wie schwer es ihr fällt, über Dad zu sprechen. Sie hat seinen Verlust nie richtig verarbeiten können, obwohl sie nach Außen immer so rübergekommen ist. Sie ist wie ich. Wir können es nicht verarbeiten. Zu viel Schmerz ist mit seinem Tod verbunden, um es einfach loszulassen.

„Er wollte nie wirklich, dass du sein Werk weiterführst, Ethan. Er hat sich für seine Kinder nicht ein solches Leben gewünscht, sondern ein normales, mit Glück gefülltes Leben. Er wollte die Sachen abschließen, an denen er dran war, bevor er sterben würde. Es sah ja auch ganz danach aus, als hätte er noch mehr als genug Zeit dafür." Kurz schüttelt Mom den Kopf, und ich greife nach ihrer Hand, um sie kurz zu drücken.

„Lorenzo Salvatore hat uns mit den Geschäften geholfen, als er... weg war. Er ist am nächsten Tag nach dem Unfall in den erstbesten Flieger gestiegen, um mir unter die Arme zu greifen. Psychisch und physisch. Er war Jonathans bester Freund. Doch ein Geschäft konnte nie richtig abgeschlossen werden, und zwar mit Javiers Vater. Er wurde einfach erschossen. Dass Javier irgendwann alte Geschichten wieder aufgreifen würde, war zu erwarten, und hier sind wir nun."

Ich schlucke, und atme einige Male tief durch. Ich habe schon lange nicht mehr laut über meinen Vater gesprochen, geschweige denn jemanden über ihn sprechen gehört. Er war aus irgendwelchen Gründen immer eine Art Tabu-Thema, keiner der Familie hat nach seinem Tod noch großartig viele Worte über ihn verloren.

Jeder ist auf seine eigene Art und Weise damit umgegangen, und es war abzusehen, dass unser Familienbild niemals mehr so sein würde, wie es mal war.

Nicht nur, weil jemand fehlte, sondern weil es sich so anfühlte, als wäre der Familie Black alle Kraft geraubt worden. Alles Glück, jegliche Freude. Nur der Zusammenhalt blieb uns noch, und an den haben wir uns mit allem was wir hatten geklammert. Ich weiss nicht, ob es anders hätte ausgehen sollen, oder ob das hier das Leben ist, welches für uns bestimmt wurde.

Alles hat damit angefangen, dass Mom unser Haus verkaufen musste, da sie als alleinverdienende Mutter nicht mehr genug Geld hatte. Unsere Großmutter hat uns aufgenommen, und wurde für Ethan und mich schnell zu einer zweiten Mutter. Doch wie würde es jetzt sein, wenn Mom das Haus nicht hätte verkaufen müssen? Wie würden unsere Beziehungen jetzt sein, und wo würden wir in unseren Leben stehen? Hätte ich Nate oder seine Freunde überhaupt kennengelernt?

„Aleyna?"

Nate wedelt mit seiner Hand leicht vor meinem Gesicht rum, und ich erwache aus meinen Gedanken. Besorgt schauen mich zwei blaue Augen an, und ich schlucke trocken. „Alles okay?" Ich nicke nur, und zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen. „Ja, alles gut, Nate. Es ist nur... nicht so gewohnt, über ihn zu sprechen." Nate nickt verstehend, und drückt meine Hand leicht. Ich lächle erneut schwach, diesmal jedoch ist es ein echtes Lächeln.

„Worum geht es in diesem Geschäft?", fragt Ethan unsere Mutter, welche sich mittlerweile wieder etwas gefangen hat. „Jonathan hat Daten gesammelt. Daten über die Mafia und deren Geschäfte, jedoch auch Daten über andere Drogendealer, denen er in seinem Leben begegnet ist. Er war sozusagen derjenige, der alle Verbindungen zusammengeführt hat. Er wusste, wer wen kannte, woher, wieso und wie lange schon. So einige Daten sind äußerst vertraulich, und dürfen auf keinen Fall in die falschen Hände geraten. Javiers Vater war hinter genau diesen Daten her, und wollte unbedingt an sie rankommen. Er hat Jonathan einen Deal vorgeschlagen, einen Tausch sozusagen. Er hat ihn jedoch abgelehnt, woraufhin Javiers Vater sehr wütend wurde. Er hat es sich zu seinem Ziel gesetzt, an diese Daten ranzukommen. Und jetzt führt Javier sein Ziel fort."

Ich nicke langsam, und seufze leise. „Das haben wir auch schon mitbekommen", murmle ich sarkastisch, und Ethan sieht zu mir. „Dad wollte nicht, dass ich seine Geschäfte weiterführe?" Mom schüttelt den Kopf, und sieht ihren Sohn an. „Nein, Ethan. Er wollte nicht, dass du ebenfalls in diese Welt eintauchen musst. Dass ihr in diese Welt eintauchen müsst. Er würde Javier dafür umbringen, dass er euch praktisch dazu gezwungen hat. Er wusste, dass seine Tätigkeiten nicht legal sind, und einen durchaus zerstören können. Er wollte euch genau das ersparen, was jetzt passiert ist."

Ethan sieht eine Weile zu Boden, und ich sehe, dass er seinen Kiefer zusammenpresst. Er ist wütend, ganz klar. Und ich verstehe es, denn ich bin es auch. Wir hatten ein normales Leben, bis Javier sich eingemischt hat. „Gut", murmelt mein Bruder irgendwann, und fährt sich durch die Haare. „Dann werde ich das hier zu Ende bringen, für Dad. Und danach war's das für mich mit kriminellen Angelegenheiten. Er wird sich schon was dabei gedacht haben, als er diesen Wunsch ausgesprochen hat."

Ich weiss nicht, wie ich reagieren soll. Am liebsten würde ich aus dem Bett springen und meinem Bruder um den Hals fallen, doch das geht nicht so leicht. Deshalb grinse ich so breit wie nur möglich, damit Ethan meine Freude und Erleichterung gar nicht übersehen kann. Er weiss, wie schlimm es für mich war, ihn in der kriminellen Welt zu sehen. Ich bin ihm unglaublich dankbar dafür, dass er sich so entschieden hat. Dass er Dads Wunsch befolgt.

„Danke", flüstert Mum, und erst da sehe ich, dass eine kleine Träne ihre Wange entlangrollt. Sofort kommt Ethan auf sie zu und drückt sie an sich, während meine Mutter leise anfängt zu schluchzen. Auch mir fällt es nach diesem langen Gespräch über Dad schwer, die Tränen zurückzuhalten, vor allem, wenn ich den Rest meiner Familie so sehe. Nate scheint dies zu spüren, denn er drückt meine Hand fest, und schenkt mir ein hoffnungsvolles Lächeln.

Gleich darauf wischt er schnell die erste Träne weg, die sich nun auch aus meinen Augen gelöst hat, setzt sich so gut es geht neben mich, und nimmt mich in den Arm. Und so sitzen wir weinend und tröstend in meinem Krankenzimmer, und hoffen darauf, dass dieser ganze Horror bald ein Ende nehmen wird. Dass unser Leben bald wieder eine gewisse Normalität erlangt, die wir uns alle sehnlichst herbeiwünschen.

Die Dad sich für uns gewünscht hat.

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Okay, ich heule :')

- Xo, Zebisthoughts

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