17 | T O M

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Zwei Tage später betrete ich die Umkleide. Wie immer schlägt mir eine Mischung aus Schweiß und Parfüm entgegen. Mit rollenden Augen marschiere ich zu Daniel, der mit vor der Brust verschränkten Armen an meinem Spind lehnt. In letzter Zeit habe ich den Eindruck, er wartet dort immer schon sehnsüchtig auf mich.

»Und? Was macht die Mission Traumfrau?«, fragt er mit diesem ekelhaften Lächeln, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht schlagen würde.

Ich deute ihm an, zur Seite zu gehen, und öffne die verrostete Metalltüre. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«

»Komm schon, Mann!« Zwinkernd boxt er mir gegen den Oberarm. »Mir kannst du es doch sagen.«

Darauf kann er lange warten. Unter seinen wachsamen Augen ziehe ich mich aus und schlüpfe in die Dienstkleidung. »Ist noch was?«, frage ich, nachdem ich die Hoffnung endgültig begraben habe, dass er seinen Beobachtungsposten aufgibt.

»Hey! Ich bin dein Freund! Schon vergessen?«

Ich stöhne leise und verdrehe die Augen. »Es gibt nichts zu erzählen, okay?« Selbst die Tatsache, dass ich meine Spindtür mit voller Wucht neben ihm zuschlage, schreckt ihn nicht ab. Im Gegenteil. Es sieht fast so aus, als sei er festgewachsen, während er nach seinem dämlichen Grinsen zu urteilen, gerade eine Privatparty feiert.

Das hat mir gerade noch gefehlt. »Boah ... was?!« Die letzten Nächte waren beschissen genug. Muss er unbedingt noch eins draufsetzen?

»Was auch immer es ist. Es muss dich sehr beschäftigen. Sonst würdest du nicht so ausflippen.«

Die ätzende Falte zwischen seinen Augenbrauen ignoriere ich und drehe mich zur Tür. »Wenn du meinst.« Bevor er mich weiter vollquatschen kann, verlasse ich die Umkleide. Anscheinend bin ich heute etwas früh dran oder aber die anderen sind zu spät.

Etwas, das Daniel, der mir – wie sollte es auch anders sein – wieder hinterhergedackelt kommt, hervorragend in die Karten spielt. Eigentlich arbeite ich gerne mit ihm zusammen, aber ich denke, es ist langsam an der Zeit, meine Meinung zu überdenken.

»Tom. Es ist keine Schande, sich neu zu verlieben.«

Verlieben. Ja, klar! Wenn es sonst nichts ist. Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich zu ihm um. Leider hindert ihn das nicht daran, noch mehr Schwachsinn von sich zu geben.

»Du bist jetzt schon so lange ...«

Okay. Das reicht jetzt!

Mein erhobener Zeigefinger bringt ihn endlich zum Schweigen. »Noch mal ganz langsam für dich zum Mitschreiben ...« Damit er am Ende nicht denkt, er hätte recht, drossele ich meine Stimme. »Es war nichts, es ist nichts und es wird auch nie etwas zwischen uns sein.«

»Also ist es doch eine Frau! Ich wusste es!«

Ich dreh durch ...

Meine Hand ballt sich zur Faust. Gerade muss ich mich echt daran erinnern, dass er mein Vorgesetzter ist. »Sie ist nicht mal mein Typ, okay?!«, versuche ich es mit einer neuen Taktik, die allerdings auch nicht besonders erfolgversprechend ist.

»Aber du magst sie.«

Okay. Das war dann wohl nichts.

»Ja, verdammt! Ich mag sie! Zufrieden jetzt?!« Mit einem lauten Atemgeräusch lasse ich die Schultern sinken. Jetzt ist es ohnehin zu spät.

»Na, das ist doch ein Anfang«, freut er sich und legt mir seine Hand auf die Schulter. »Nun sag schon, wer ist es? Kenne ich sie?«

Hatte ich etwa die Hoffnung, dass er danach Ruhe geben würde? Also entweder ich bin so müde, dass sich mein Gehirn noch im Winterschlaf befindet oder ich bin einfach nur dämlich. Es war doch klar, dass er sich wieder festbeißt, sobald er Blut geleckt hat. »Hast du mal wieder nix zu tun, oder was? Dein Leben möchte ich haben.« Worte, in denen ein Funke Wahrheit steckt. In den letzten Jahren habe ich mir oft gewünscht, mit jemandem tauschen zu können. Aber es ist, wie es ist. Das Einzige, was du tun kannst, ist das Beste aus dem Scheiß zu machen, der dir vor die Füße geschmissen wird. Eigentlich habe ich das auch immer ganz gut hinbekommen, bis ... Ja, bis Emma aufgetaucht ist und schon bei unserer ersten Begegnung mein Leben auf den Kopf gestellt hat.

Wie schafft ein Mensch es nur, dich immer wieder mit deinen größten Ängsten zu konfrontieren und dir gleichzeitig die Hoffnung zu geben, dass alles irgendwann besser wird?

Eine von vielen Fragen, die ich mir stelle. Eine Antwort habe ich auf keine von ihnen. Daniel grinst immer noch. Schnaubend wende ich mich von ihm ab und öffne eine der Türen unseres Trucks, um die Ausrüstung zu kontrollieren. Schließlich sollte wenigstens einer das tun, wofür er bezahlt wird. Mein Vorgesetzter zieht es ja offensichtlich vor, weiter auf ›Spurensuche‹ in meinem Gesicht zu gehen. Er wäre beim FBI wirklich besser aufgehoben.

Nachdem ich ihn einige Zeit ignoriert habe, seufzt er leise. »Okay. Du willst nicht darüber reden. Ich hab's kapiert.«

Hoffentlich!

»Deshalb kannst du auch aufhören, den Seitenschneider zu polieren. Er ist nämlich sauber genug.« In seinem Ton schwingt vor allem Enttäuschung mit.

Etwas, das mir kein schlechtes Gewissen bereiten sollte. Dennoch überkommt es mich, während er mit hängenden Schultern aus der Halle schlurft. Obwohl ich Daniel manchmal echt zum Mond schießen könnte, bin ich irgendwie froh darüber, ihn zum Freund zu haben. Aber ich kenne ihn. Wenn ich ihm von Emma erzähle, wird er mir entweder gute Tipps geben oder mir – im schlimmsten Fall – davon abraten, mich weiter mit ihr zu treffen. Wobei die Tatsache, dass sie in einer Beziehung ist, nicht mal sein größtes Problem sein dürfte.

* * *

»Ein Glück! Sie sind da!« Die alte Dame, die uns ein paar Stunden später am Einsatzort entgegenkommt, ist so aufgebracht, dass es selbst Daniel schwerfällt, sich ein Bild von der Situation zu machen. ›Eingestürzter Strommast‹ lautete die Einsatzanweisung. Das ist nicht ungewöhnlich oder gar spektakulär. In der Regel sichern wir nur die Unglücksstelle und warten, bis der Strom abgestellt wird.

Dieses Mal ist es anders. Nicht nur der Mast hängt über einem Baumhaus, sondern auch ein blankes Starkstromkabel. Funken sprühen und verfehlen nur knapp ihr Ziel. Zu unserem Entsetzen erfahren wir kurz darauf, dass sich noch jemand in dem Holzhaus befinden soll.

»Susie! Meine Susie!«, kreischt die ältere Dame am laufenden Band und deutet nach oben.

Mein Blick wandert in die Baumkrone. Am liebsten will ich sofort los. Leider hält mich nicht bloß Daniel, sondern auch der Rasensprenger davon ab, das Grundstück zu betreten. Wasser und Strom sollen ja bekanntlich nicht die besten Freunde sein.

Verdammt.

Daniel versucht, beruhigend auf die ältere Dame einzureden, um an Informationen zu kommen. Doch sie schreit nur diesen Namen und dass wir ihr helfen sollen.

Ben zieht sie schließlich zur Seite. »Kommen Sie, Ma'am. Wir kümmern uns darum.« Neben seiner imposanten Statur hat er auch die Gabe absolut ruhig aber resolut zu bleiben. Manchmal beneide ich ihn darum.

»Wann wird der Strom endlich abgestellt?«, versucht Daniel erneut über sein Funkgerät in Erfahrung zu bringen, während er Samuel, Steve, Brian und mich anweist den Bereich abzusperren. »Ansonsten halten wir die Füße still.« Natürlich kann er sich einen Blick in meine Richtung nicht verkneifen. 

Er kennt mich eben zu gut.

Aber das kann ich nicht, solange ich weiß, dass sich da oben jemand befindet, der unsere Hilfe braucht. Kurz ziehe ich ihn zur Seite und deute zu dem Mast, der sprichwörtlich am seidenen Faden hängt. Jedes Mal, wenn ich einen Funken sehe, befürchte ich, dass er unter sich ein Inferno auslösen könnte. »Wir können nicht warten. Lange geht das nicht mehr gut. Wir müssen sie da runterholen. Und zwar jetzt!«

Er verzieht das Gesicht. »Ich weiß, aber ...«, meint er, wird jedoch von der älteren Frau unterbrochen, die sich selbst von Ben nicht hat aufhalten lassen.

»Nun tun Sie doch endlich etwas! Meine Susie ist alles, was ich noch habe!« Wir haben öfter mit panischen Angehörigen zu tun. Ich kann sie verstehen. Es ist einfach belastend, hilflos zusehen zu müssen, wenn ein geliebter Mensch in Not ist. Trotzdem sind sie hinderlich für unsere Arbeit.

»Haben Sie keine Angst. Wir tun unser Bestes. Dazu müssen Sie uns aber unsere Arbeit machen lassen«, erklärt Ben, der sie wieder hinter die Absperrung bringt.

Die Arme ist so außer sich vor lauter Sorge, dass sie Daniels Frage nach dem Alter des Mädchens ohnehin nicht beantworten konnte.

Während die anderen brav die Anweisungen befolgen und beim Fahrzeug warten, begebe ich mich auf die Suche nach einer Lösung. Mit zusammengekniffenen Augen betrachte ich den Baum, der vom Nachbargrundstück zu dem Baumhaus ragt. Das könnte funktionieren.

»Ich habe eine Idee, wie wir da raufkommen können«, sage ich, nachdem ich von meiner ›Erkundungstour‹ zurück bin und bekomme dafür wie immer ein Stirnrunzeln von meinem Lieutenant.

»Will ich wirklich wissen, um was es sich dabei handelt?«

Ja. Er kennt mich wirklich gut. Immerhin arbeiten wir schon ein paar Jahre zusammen. Dementsprechend wundert es ihn auch nicht, dass ich gar nicht auf seine Frage eingehe und ihm stattdessen meinen Plan schmackhaft mache. »Von da aus kommen wir rüber«, erkläre ich zum Abschluss meiner Ausführungen und deute zum Baum auf dem Nachbargrundstück.

Es wäre ein Wunder gewesen, wenn er in Begeisterungsstürme ausgebrochen wäre. Doch sein Blick, als er nach oben schaut, gefällt mir gar nicht. Wahrscheinlich schätzt er gerade ab, wie viele Meter zwischen Boden und Krone liegen. Dabei habe ich das längst getan. Besonders hoch ist es nicht. Ein paar Meter vielleicht. Aber das ist auch nicht der Haken an der Sache. Leider gibt es nur eine Stelle, an der man von einem Baum zum anderen kommt. Und dieser Ast sieht – sagen wir mal – nicht ganz so stabil aus.

Wie bereits befürchtet schüttelt Daniel mit dem Kopf. »Das geht nicht. Außerdem ... wer sollte bitte so verrückt sein, freiwillig da raufzuklettern? Ohne Sicherung?«

Eine Frage, die er sich hätte schenken können, was ihm dann auffällt. Seufzend lässt er die Schultern hängen. »Wieso habe ich überhaupt gefragt?« Mein Schulterzucken lässt ihn erneut mit dem Kopf schütteln. Dabei müsste er doch wissen, dass ich so etwas Riskantes niemals jemand anderen machen lassen würde. »Du bist echt irre.« Wieder schüttelt er mit dem Kopf. Wenn er nicht aufpasst, wird ihm noch schwindelig. »Nein. Das kann ich nicht ...«

»Hast du etwa eine bessere Idee?«, unterbreche ich ihn, woraufhin er natürlich sagt, dass wir warten, bis der Strom abgestellt wird und dann wie üblich vorgehen. Typisch für ihn. Er wählt immer den sicheren Weg. Eine Tatsache, wegen der wir schon aneinandergeraten sind, denn ich riskiere alles. Ich glaube, er hat so oft in seinen Einsatzberichten für mich gelogen, dass sie glatt als Märchen durchgehen könnten. Trotzdem hält er mir immer wieder eine Moralpredigt, dass er das nicht mehr tun würde, weil es seine Aufgabe wäre, mich zu beschützen.

Vor allem vor mir selbst.

Auch diesmal gibt er alles, um mich davon abzuhalten. Doch wir haben keine Zeit. Immer wieder entweichen die Funken. Wenn dieses morsche Teil bis dahin nicht schon auf das Baumhaus gekracht ist, dauert es nicht mehr lange, bis es Feuer fängt. »Wir haben keine Zeit zu warten. Ich schaffe das schon, okay? Schließlich klettere ich nicht zum ersten Mal.«

Daniel reibt sich stöhnend übers Gesicht. »Schlechter Zeitpunkt, um mich ausgerechnet daran zu erinnern«, meint er und übertreibt mal wieder maßlos. Ich hatte alles im Griff, als ich mich von Balkon zu Balkon gehangelt habe.

Da er weiß, dass ich es mir sowieso nicht nehmen lassen werde, es zumindest zu versuchen, stimmt er schließlich seufzend zu. Jedoch nicht, ohne den obligatorischen Zeigefinger zu heben. »Du tust da oben nichts, ohne meine ausdrückliche Anweisung. Und wenn ich Abbruch sage, dann meine ich das auch so! Verstanden?«

Ich salutiere. »Jawohl, Lieutenant.«

»Ich mein's ernst, Tom.« Sein Blick wandert zu dem nassen Rasen und dann wieder zu mir. »Die ganze Fläche steht unter Strom. Ein falscher Tritt und ...«

»Ich werde gegrillt«, bringe ich seinen Satz zu Ende und grinse breit. »Dabei ist die Saison doch fast vorbei.«

»Also manchmal ist dein Humor echt schwärzer als der Rauch.« Sein vorwurfsvoller Blick signalisiert mir, dass er das überhaupt nicht witzig findet. Erneut legt er seinen Kopf in den Nacken und stöhnt. Er hat immer noch Bauchschmerzen dabei und ich verstehe ihn ja auch irgendwie. Es ist wirklich nicht ganz ungefährlich. In solchen Momenten blende ich derartige Gedanken allerdings aus. Dann zählt nur der Drang helfen zu wollen, weil ...

Daniels langgezogenes Seufzen holt mich zurück in die Realität. »Ich vermute der Versuch dich davon abzuhalten ist ohnehin zwecklos, oder?«

Grinsend lege ich den Kopf schief. »Was genau hat mich verraten?«

Schließlich gibt er auf. Jedoch nicht, ohne noch mal ausgiebig zu stöhnen. »Dann los, bevor ich es mir anders überlege.«

»Na, das kann ich natürlich nicht riskieren«, erwidere ich amüsiert, bevor ich zum Fahrzeug gehe, um mir eine Leiter zu holen. Unter den skeptischen Blicken meiner Kollegen.

»Was hat er vor?«, will Brian wissen, bekommt dafür von Daniel aber nur ein: »Frag einfach nicht!«

Nachdem ich oben angekommen bin, stelle ich fest, dass besagter Ast aus der Nähe betrachtet noch ein bisschen dünner ist. Deshalb entscheide ich mich von vornherein dazu, genügend Anlauf zu nehmen. Dummerweise ist das auf einem Baum gar nicht mal so einfach. Anstatt auf der anderen Seite zu landen, schaffe ich es gerade noch, mich am Ast festzukrallen. Das Holz schneidet mir in die Finger, doch ich ignoriere den stechenden Schmerz. Zurzeit habe ich echt andere Probleme. Als Grillhähnchen zu enden war nämlich nicht mein Ziel.

Während ich den Rest meines Körpers auf den Ast hieve, schimpft Daniel natürlich wie ein Rohrspatz durch das Funkgerät. Selbst, als ich bereits auf dem Weg zu dem Mädchen bin, meckert er ununterbrochen. Dass es das letzte Mal gewesen wäre, dass er so einem Schwachsinn zugestimmt hat und dass ich es bloß nicht wagen soll, ihm noch mal mit meinen genialen Plänen zu kommen. Dass ich ihn zehn Jahre früher ins Grab bringen würde und so weiter ... und so weiter.

»Wie sieht es da oben aus?«, knurrt er, nachdem er sich genug ausgekotzt hat.

Erneut schaue ich mich um. »Hier ist kein Kind.«

»Wie? Da ist kein Kind?« Ich höre ein leises Knacken, bevor er sich seinen Worten nach zu urteilen an die ältere Dame wendet. »Sind sie sich sicher, dass ihre Enkelin da oben ist?«

»Oh! Aber nein!«, sagt sie. »Susie ist meine ...«

Katze.

Es ist überhaupt nicht lustig, aber als ich den rot-weiß getigerten Ausreißer in einer Ecke entdecke, muss ich schmunzeln. »Du musst dann wohl Susie sein.« In einem günstigen Moment schnappe ich sie mir und öffne meine Jacke. Zum Dank bohrt die kleine Kratzbürste mir prompt ihre Krallen ins Fleisch. »Na, komm«, versuche ich das fauchende und zugleich zitternde Fellknäuel zu beruhigen. »Da unten wartet schon jemand sehnsüchtig auf dich.«

»Der Strom ist übrigens abgestellt. Du kannst also auf normalem Wege zurückkommen«, meldet sich Daniel wieder und er klingt alles andere als begeistert. Vorsichtig ausgedrückt. Da kann ich mich wohl wieder auf ein Donnerwetter gefasst machen.

Diesmal bekomme ich es jedoch nicht ab, sondern die ältere Dame, die ihr geliebtes Haustier freudestrahlend entgegennimmt. »Meine Susie! Gott sei Dank! Dir geht es gut.« Immer wieder knutscht sie das arme Tier ab, sodass es mich nicht mehr wundert, warum ihre Susie abgehauen ist. »Ich danke Ihnen.« Ich kann sie gerade noch davon abhalten, auch mich abzuknutschen. Denn das brauche ich nun wirklich nicht.

»Das ist jetzt nicht wahr, oder?!«

Jap. Daniel ist sauer. So habe ich diesen ansonsten eher ausgeglichenen Mann selten erlebt.

»Einer meiner Männer hat da oben gerade sein Leben riskiert! Wir dachten ...«

Dass er ständig übertreiben muss. Zumal die arme Frau schon Tränen in den Augen und bestimmt ein schlechtes Gewissen hat. Da muss er mit seiner Dramatik nicht noch eins draufsetzen. Außerdem ist doch nichts passiert. »Lass es gut sein, okay? Ich lebe ja noch«, versuche ich ihn zu besänftigen, merke aber schnell, dass ich lieber die Klappe hätte halten sollen.

»Und du!« Daniel wedelt mit dem Zeigefinger vor meiner Nase rum und schnappt nach Luft. »Wir reden später!« Trotzdem sagt mir sein Blick, dass das nicht das Ende seiner Gardinenpredigt war.

Das habe ich befürchtet. Aber ich muss dieses ›du bist nicht Tarzan und wirst deshalb auch nicht da rüberspringen!‹ wohl irgendwie überhört haben. Wahrscheinlich war der Wind da oben zu laut, als ich Anlauf genommen habe.

Okay. Das sollte ich ihm vielleicht nicht unbedingt so sagen. Zumal ich ihn kenne. Er wird sich schon wieder einkriegen.

Leider scheint das diesmal nicht der Fall zu sein. Sonst würde er mich zwei Stunden später nicht weiterhin mit seinem Blick töten. Doch ich bin nicht sein einziges Opfer. Auch Brian, der es nicht lassen kann, sich kaputtzulachen, bekommt sein Fett weg. Dabei hat er sich während der Aufräumarbeiten schon genug amüsiert. Vor allem, nachdem die liebe Susie wieder ausgebüxt ist. Diesmal jedoch nicht auf den nächsten Baum, sondern geradewegs zu mir. Als wenn sie kein Wässerchen trüben könnte, hat sie sich um meine Beine geschlichen. Wahrscheinlich dachte sie, ich würde sie vor dem Geknutsche beschützen. Ich konnte sie verstehen. So ein Stubentiger ist schließlich kein Kuscheltier.

»Das ist nicht witzig, Patterson!«, wettert Daniel und sieht dabei aus, als würde er jeden Moment platzen.

Zeit, um ihn wieder zurück auf den Teppich zu holen. Ich will Anna schließlich nicht erklären müssen, wieso ihr Mann einen Herzinfarkt erlitten hat. »Komm mal wieder runter. Ist doch nichts passiert.«

Er schnaubt. Vor allem, als Brian schon wieder anfängt. Er weiß eben einfach nicht, wann es genug ist. »Im Ernst, Mann. Ich hätte wirklich zu gerne dein blödes Gesicht gesehen, als du gemerkt hast, dass du nur für 'ne Katze da hoch bist.«

Idiot.

»Hey! Was heißt hier nur?«, mischt sich nun Ben ein, während er den Truck um die Ecke lenkt. Sein massiver Bizeps spannt unter dem Shirt, doch sein Lächeln im Rückspiegel könnte nicht breiter sein. »Jedes Leben zählt.«

»So ist es«, stimme ich zu, wobei sich meine Mundwinkel ebenfalls ein Stück weit nach oben biegen. Ich habe nicht viel mit ihm zu tun. Was daran liegen könnte, dass wir beide unser Privatleben nicht ans schwarze Brett pinnen. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – mag ich ihn.

Plötzlich bohrt sich etwas in meine Seite. Samuel stößt mich erneut mit seinem Ellenbogen und lacht. »Hast wohl neuerdings 'ne Schwäche für rothaarige Kratzbürsten, was?«

Seine wackelnden Augenbrauen sind schon Grund genug ihm eine reinzuhauen. Dennoch beherrsche ich mich und werfe ihm nur einen Halt-die-Klappe-Blick zu.

Juckt ihn nur leider überhaupt nicht. »Dabei war ihre Freundin ja eher die mit dem Temperament. Ich hoffe, sie hat dir nicht ins Auto gekotzt, als du die beiden nach Hause gefahren hast.« Das war dann wohl die Retourkutsche dafür, dass er an diesem Abend kein kostenloses Taxi hatte.

Und ja ... seine Taktik geht auf. Dank diesem Saftsack sind jetzt nämlich alle Augen auf mich gerichtet. Sogar Ben blickt amüsiert in den Rückspiegel. »Wie jetzt? Haben wir was verpasst?«

Das hat mir gerade noch gefehlt. Vor allem, als ich dieses altbekannte Grinsen auf Daniels Gesicht sehe. Dann soll er mich lieber anmotzen. Stöhnend verdrehe ich die Augen. »Ist euer Leben eigentlich so langweilig? Oder warum müsst ihr euch immer auf meins stürzen?«

»Uhh ... da haben wir wohl einen wunden Punkt erwischt, was Casanova?« Brian lacht.

Ich sag ja, er ist ein Idiot.

Dafür werde ich Samuel auf jeden Fall bluten lassen. Darauf kann er Gift nehmen!

Erst recht, als er, auf der Wache angekommen, munter weiter aus dem Nähkästchen plaudert. »Sie heißt Emma«, tuschelt er ausgerechnet mit Brian. »Und die beiden ...«

»Die Drehleiter müsste mal wieder geschrubbt werden«, verkünde ich, ehe Samuel noch mehr Schwachsinn von sich geben kann und wende mich an Daniel, der ebenfalls die Ohren gespitzt hat. Wie sollte es auch anders sein? »Stimmt's, Lieutenant?«

Daniel lässt mich nicht aus den Augen. »Ja. Wird mal wieder Zeit«, murmelt er. Seinem Blick nach zu urteilen meint er damit weniger, dass der Truck eine Wäsche vertragen könnte, als dass wir beide ein Gespräch führen sollten.

Ich schwöre, dafür wird unser Glücksbärchen bezahlen!

»Ach, komm schon, Mann!«, jammert Samuel, nachdem ich ihn auffordernd angeschaut habe. »Das ist echt nicht fair! Wieso muss ich das eigentlich immer machen?«

Ich grinse breit. »Weil du der Jüngste bist.« Und es nicht anders verdient hast.

Samuels verzweifelter Blick in die Runde wird nur mit einem einvernehmlichen Nicken quittiert, sodass ihm nichts anderes übrig bleibt, als sich seinem Schicksal zu ergeben. Grummelnd reißt er die Tür zur Besenkammer auf, schnappt sich die Putzutensilien und knallt den Eimer in die Spüle. Das Rauschen des Wassers dämpft sein Gemeckere. »Wird Zeit, dass der Neue endlich kommt, damit der die Drecksarbeit machen kann!«

»Und vergiss die Ecken nicht! Die sind immer besonders schmutzig!«, flöte ich ihm nach, als er aus dem Aufenthaltsraum trottet und bekomme dafür nicht nur von Daniel einen skeptischen Blick zugeworfen. Ich zucke mit den Schultern. »Was denn? Sind sie.«

»Was ist denn heute mit dem los?«, murmelt Brian.

Zeit, die Küche zu verlassen, um mir die Show draußen weiter reinzuziehen. Diesen Triumph kann ich mir nämlich auf keinen Fall entgehen lassen.

Samuel klettert bereits die Leiter hoch. Zufrieden zünde ich mir eine Zigarette an und beobachte ihn dabei, wie er Sprosse für Sprosse mit dem Schwamm schrubbt. Strafe muss eben sein. Niemand ... ich wiederhole, niemand mischt sich ungestraft in meine Angelegenheiten ein. Das hätte ihm schon klar sein müssen, nachdem ich ihn an dem Abend in der Bar einfach sitzengelassen habe. Selbst Schuld, wenn er vor Emma ausplaudert, dass wir regelmäßig auf Beutezug gehen. Schließlich möchte ich nicht, dass sie etwas Falsches denkt.

Seit wann stört dich das denn? War dir doch schon immer egal.

Samuel lässt seine Wut inzwischen am Schwamm aus. »Vergiss die Ecken nicht!«, äfft er mich nach und ich grinse noch breiter.

»Emma also, hmm?«

Ich ignoriere Daniel und ziehe erneut an meiner Zigarette. Diesmal länger.

»Hätte ich mir ja denken können.«

Schon jetzt überlege ich, was dieses lateinamerikanische Plappermaul als Nächstes machen muss. Vielleicht den Müll sortieren oder noch besser die Klos schrubben. Irgendwas wird mir schon einfallen. Eigentlich bin ich nicht so. Ich finde, wir sind ein Team und da sollte nicht nur einer die Drecksarbeit erledigen. Aber ich bin sauer. Stinksauer. Und das nicht ohne Grund. Bisher habe ich Berufliches und Privates strikt getrennt. Und das soll auch in Zukunft so bleiben.

Ohne mir etwas anmerken zu lassen, drehe ich mich zu Daniel. »Na, dann brauchst du dir ja jetzt wenigstens nicht mehr den Kopf zu zerbrechen, Sherlock«, erwidere ich gelassen, obwohl ich innerlich koche.

Erst recht als ich sein dämliches Grinsen sehe. »War das nicht die, die hier war? Die, die angeblich schuld war, dass du dich mal wieder in die Scheiße geritten hast?«, fragt er mit diesem provokanten Unterton, woraufhin ich lieber wieder Samuel beim Schrubben beobachte.

Leider verschafft mir dieses Bild nicht mal ansatzweise die Genugtuung von eben. Ich verzichte auf den Rest meiner Zigarette und lasse Daniel stehen.

»Bring sie doch mal mit! Zu unserem nächsten Treffen!«, ruft der Drecksack mir nach und bekommt dafür im Gehen nur noch meinen ausgestreckten Mittelfinger zu sehen.

Jap. Samuel wird definitiv die Klos schrubben. Und zwar mit der Zahnbürste!

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