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Ich hasse Entscheidungen.

Auf einer schier endlos langen Liste mit Dingen, die ich nicht kann, steht dieser Punkt ganz oben. Völlig egal, ob große oder kleine. Ich bin ja schon überfordert, wenn ich die Wahl zwischen einem Latte macchiato und einem Milchkaffee habe. Da ist an weitreichende Entschlüsse gar nicht zu denken.

Gerade stehe ich wieder vor einer. Leider lässt dieses Ankleidezimmer massig Platz für Handlungsspielraum. Nicht umsonst stelle ich mir seit geschlagenen fünfundzwanzig Minuten die Frage, ob ich heute lieber eine Jeans, einen Rock oder ein Kleid anziehen soll. Sicher gibt es weitaus größere Probleme auf dieser Welt. Und eigentlich habe ich kein Recht, mich zu beschweren. Mein Leben ist perfekt. Nur fühlt es sich eben nicht so an.

Plötzlich vibriert mein Handy in der Hosentasche.

»Und? Wie ist es gelaufen?«, will meine beste Freundin sofort mit einem fetten Grinsen auf ihrem schmalen Gesicht wissen. Da ich inzwischen auf einem anderen Kontinent wohne, telefonieren wir meistens per Videocall.

Mit dem Handy in der Hand grabe ich mich weiter durch die Untiefen des Ankleidezimmers. Ich seufze. »Frag einfach nicht, okay?!«

Tut sie natürlich doch. Sonst wäre sie auch nicht Lucy. »Hmm ... doch nicht der Prinz auf dem weißen Pferd?« Sie räuspert sich auffällig und hält sich die Faust vor den Mund. »Pardon, ich meinte natürlich mit dem roten Truck.«

Es war so klar, dass sie die Gelegenheit nutzt. Seitdem ich mit John zusammen bin, lässt sie kein gutes Haar an ihm. Gefühlskaltes Arschloch ist oft noch die netteste Bezeichnung, die sie für ihn übrighat. Kein Wunder, dass sie völlig aus dem Häuschen war, als ich ihr erzählt habe, was in dieser Nacht passiert ist. Bis heute erinnere ich mich an ihre Worte.

»Wie aufregend! Das ist ja fast wie in einem deiner Kitschromane, die du dir ständig reinziehst!«

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die nicht kitschig, sondern romantisch sind. Und ja ... das ist ein himmelweiter Unterschied! Kitsch ist übertriebenes und oberflächliches Gehabe. Etwas, das wir unserer Konsumgesellschaft zu verdanken haben. Romantik kommt von innen und zeigt dem anderen, dass man sich Gedanken über ihn macht. Und zwar nicht nur zu besonderen Anlässen. So stelle ich es mir jedenfalls vor. Bisher kam ich in diesen Genuss nämlich nicht und werde es auch nie.

Aber hey! Dafür wohne ich in einem Haus, das so viele Schlafzimmer hat wie ein Hotel; inklusive einem ganzen Haufen überteuerter Designerklamotten und Schmuck, den ich sowieso kaum trage. Nicht zu vergessen der andere Krimskrams, den zwar kein Mensch braucht, der aber die Größe eines sechzig Quadratmeter Raumes sprengt. Da sag doch mal einer, ich wäre kein Glückspilz!

Ob ich sarkastisch bin? Vielleicht. Das war nicht immer so. Manchmal passieren eben Dinge, die Einfluss auf deine Persönlichkeit nehmen. Ereignisse, die aus einem unbeschriebenen Blatt eine Horrorgeschichte kreieren. Trotzdem hast du die Wahl. Du kannst dich endgültig kaputtmachen lassen oder du machst einfach das Beste daraus. Und ich habe mich für Letzteres entschieden. Meistens jedenfalls.

»Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?!«

Nachdem Lucys Lachen mich aus meinen Gedanken gerissen hat, greife ich zu einer Bluejeans mit geradem Schnitt. Passend dazu ziehe eines der Oberteile, die kein Vermögen gekostet haben, weil Kim Kardashian & Co so etwas mit Sicherheit nicht anziehen würden, von dem goldenen Bügel und begebe mich zurück ins Schlafzimmer. Obwohl ich fast dreißig bin, liebe ich rosa und Blümchenmuster. Vor allem mag ich Tuniken und Blusen. Sie sind lang und weit genug, um meine Problemzonen zu verdecken.

Ich atme tief ein und lasse mich auf das Kingsizebett sinken. »Er ist ein ... blöder Arsch, okay?! Angestarrt. Der spinnt doch! Keine Ahnung, wieso der irgendwann mal auf die Idee gekommen ist anderen zu helfen. Wahrscheinlich ist er eines Morgens aufgestanden und dachte sich: Ich kann's ja mal probieren! Hab ja sonst nichts zu tun!«

Lucy lacht erneut und bringt mich damit an die Grenzen meiner psychischen Belastbarkeit. »Also, ich weiß beim besten Willen nicht, was daran jetzt so witzig sein soll!«

»Na, wer es schafft dich dermaßen aus der Fassung zu bringen, muss wirklich was ganz Besonderes sein.«

Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?! Natürlich versuche ich, immer die Kontrolle zu behalten. Was ist daran bitte falsch? »Unfreundlich, unberechenbar und unverschämt!« Um mich zu beruhigen, atme ich tief durch. »Wenn das Eigenschaften sind, die jemanden besonders machen, dann ... ja dann weiß ich es auch nicht!« Schnaubend schmeiße ich das Handy auf die Tagesdecke, die genauso farblos ist wie der Rest dieser Villa und fange an mich umzuziehen. Die Sonne scheint durch die bodentiefen Fenster, doch selbst das hellt meine Stimmung nicht auf.

Ganz im Gegensatz zu Lucy, die inzwischen über beide Wangen grinst. »Klingt nach einem Mann ganz nach meinem Geschmack.«

Ist das alles, was sie dazu zu sagen hat?

»Sieht er denn wenigstens gut aus?« Offenbar nicht. Und ich habe auch nichts anderes erwartet. Immerhin kenne ich sie seit sechs Jahren. »Ich meine, diese Feuerwehrmänner da bei euch sind doch alle so heiß. Ich sage nur: Chicago Fire. Vor allem der eine da. Wie hieß der noch gleich? Danny? Nee, das war der Bruder. Warte! Ich komm noch drauf. Der mit den braunen Haaren und diesem unwiderstehlichen Lächeln, das sogar Eisberge zum Schmelzen bringt. Ist leider ausgestiegen. Ganz üble Geschichte.«

Während sie munter drauflosplappert, schlüpfe ich in meine Jeans. Ich kenne weder diesen Danny noch den anderen Typen. Ich sehe so gut wie nie fern und lese dafür mehr.

»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragt sie nach einiger Zeit. »Ach ja ... bei deinem Retter. Ist der auch so sexy?«

»Was weiß denn ich?!« Lucy ist die Schwester, die ich nie hatte. Bekäme ich mitten in der Nacht einen Anruf oder eine Nachricht, dass sie mich braucht, würde ich mich in den nächsten Flieger nach Frankfurt setzen. Manchmal kann sie aber auch extrem anstrengend sein.

»Na, wenn du ihn angestarrt hast, wirst du es ja wohl wissen, oder?«

Es war so klar, dass sie sich das, was ich nebenbei erwähnt habe, gemerkt hat. »Ich hab ihn nicht angestarrt, okay?! Ich war ...« Ja, was warst du denn? Entsetzt über diese heftige Reaktion? Geblendet von seinem verflucht breiten Grinsen? Was hattest du denn erwartet, wenn du doofe Nuss ihm ohne Vorwarnung um den Hals fällst?

Unser Zusammentreffen ist zwar schon ein paar Tage her, aber ich ärgere mich immer noch maßlos. Ob jetzt mehr über ihn oder mich – da bin ich mir nicht ganz sicher. Ich sage nur: Entscheidungen und so. Dabei habe ich mir fest vorgenommen, endlich erwachsen zu werden. Tja. So wie es aussieht, gehört durchhalten ebenfalls auf diese Liste. Vielleicht sollte ich eine anfertigen mit Dingen, die ich kann. Da bräuchte ich bestimmt nicht so lange.

Inzwischen befinde ich mich im Bad, um mein Make-up aufzufrischen. Ohne verlasse ich das Haus nie. Diese dünne Schicht zwischen mir und der Welt da draußen gibt mir Sicherheit. Ich öffne die weiße Hochglanzschublade und greife zum Concealer. »Ach! Ist auch egal jetzt.« Wieder sehe ich dieses Schmunzeln und verliere langsam die Geduld. »Was?!«

»Na ja ...« Konzentriert blickt sie auf ihre pinklackierten Nägel, die ein heftiger Kontrast zu ihren leuchtend roten Haaren sind. »Wenn es dir so egal wäre, würdest du dich bestimmt nicht schon seit zwanzig Minuten darüber aufregen. Gib's zu. Er gefällt dir.«

»Tut er nicht!« Ich unterdrücke ein Fluchen, als ich mit der Mascarabürste abrutsche. Damit ich nicht aussehe wie ein Waschbär auf Drogen, greife ich zu einem feuchten Kosmetiktuch. Vorsichtig beuge ich mich über den Marmorwaschtisch, um in den Spiegel schauen zu können, der die ganze Wand einnimmt. »Ich ... mag es einfach nicht, wenn Menschen andere in Schubladen stecken. Das ist alles.«

»Wie war das? Unfreundlich, unberechenbar und unverschämt?«, erinnert mich Lucy in diesem Ton, der nur so vor Ironie trieft.

Ich seufze. Sie hat ja nicht Unrecht. »Mag sein«, nuschle ich, während ich meine Haare zu einem Zopf binde. »Aber ist auch egal jetzt. Ich werde ihn sowieso nicht wiedersehen.«

* * *

Mit den Klängen von Roxette in den Ohren sitze ich eine Stunde später im Elysian-Park und schreibe in mein Tagebuch. Das tue ich oft, um meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, damit sie mich nicht gänzlich auffressen. Mit jemandem darüber reden kann ich nicht. Mit wem auch? Wer schon mal versucht hat, mit einem Mann über seine Gefühle zu sprechen, wird wissen, wovon ich rede. Generell sind Menschen oberflächlich. Vielleicht haben sie am Ende aber auch einfach nur Angst zu ertrinken, wenn sie tiefer tauchen würden.

Gerade hier in Amerika fällt mir diese aufgesetzte Freundlichkeit auf. Wobei es auch in Deutschland viele Menschen gab, die so waren. Ob das immer noch so ist, kann ich nicht beurteilen. Ich war lange nicht mehr in Frankfurt. Paradox, wenn man bedenkt, dass es sich um meine Heimat handelt. Für mich ist es jedoch nur der Name einer Stadt, die in meiner Geburtsurkunde vermerkt ist. Die Einzige, die mir fehlt, ist Lucy. Obwohl ich ihr Tage vorher gesagt habe, dass sie bloß nicht am Flughafen auftauchen soll, stand sie damals vor der Sicherheitskontrolle. Bis heute erinnere ich mich an ihre Worte, nachdem sie mich an sich gedrückt hat.

»Ich hoffe, du findest dort, wonach du suchst. Und wenn nicht, weißt du, wo ich bin.«

Irritiert von dem Schatten, der sich über die Sonne gelegt hat, sehe ich von meinem Tagebuch auf und lasse vor Schreck beinahe den Stift fallen. Ich blinzle, doch das Bild bleibt gleich.

Diese Stadt ist so verdammt groß! Wieso muss dieser Albtraum auf zwei Beinen ausgerechnet hier auftauchen? Mein Blick richtet sich in den Himmel – als ob der mir eine Antwort geben könnte – bevor ich das süßeste und zugleich giftigste Lächeln aufsetze. »Kann ich etwas für Sie tun oder wollen Sie mich jetzt lieber weiter anstarren?«

Leider fällt er weder tot um noch macht er Anstalten zu verschwinden. Stattdessen klebt sein Blick an dem rosa Buch auf meinem Schoß. Vielleicht grinst er auch so breit wegen des Flamingo-Puschel-Kugelschreibers. Wer weiß das schon? Peinlich ist auf jeden Fall beides. Aber so bin ich. Gib mir ein Fettnäpfchen und ich latsche voll rein, um mich darin zu suhlen wie eine Sau im Schlamm.

»Na los! Worauf warten Sie?! Lachen Sie schon!« Mir ist bewusst, dass Frauen in meinem Alter kein Tagebuch mehr schreiben. Immerhin ist mir das eine Mal, als John mich dabei erwischt hat, allzu präsent im Gedächtnis geblieben.

Er hebt die Hände und lacht. »Kein Grund, gleich wieder die Krallen auszufahren, okay?«

»Sie können ja gehen, wenn es Ihnen nicht passt.« Dass ich erneut kleine Giftpfeile aus meinen Augen auf ihn abfeuere, scheint ihn nicht im Geringsten zu stören.

»Also eigentlich ...« Er lässt seinen Blick durch den Park schweifen und landet am Ende wieder grinsend bei mir. »... finde ich es gerade ganz nett hier.«

»Nett?! Erstaunlich«, erwidere ich mit einer gehörigen Portion Ironie in der Stimme. »Und ich dachte, dieses Wort kommt in Ihrem Vokabular nicht vor.«

»Kann es sein, dass Sie heute mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden sind?« Wieder macht er dieses Ding mit seinen Haaren. Er denkt wohl, das wirkt cool. Tut es aber nicht. Bestimmt nicht. Ich falle jedenfalls nicht so wie andere Frauen auf dieses oberflächliche Getue rein und himmele ihn an. Immerhin gelten die Blicke der weiblichen Fraktion, die an uns vorbeilaufen, ja wohl kaum mir. Eins weiß ich: Der lässt auch privat nichts anbrennen.

»Zumindest scheinen Sie sich lieber mit sich selbst, als mit anderen zu unterhalten.«

Habe ich das gerade wirklich ausgesprochen? Wundern würde es mich nicht. »Ich unterhalte mich eben gerne mit intelligenten Menschen«, kontere ich, um es keine zwei Sekunden später zu bereuen. Es ist zum Mäusemelken. Egal wie sehr ich mich bemühe, ich schaffe es einfach nicht, fies zu sein. »Also nicht, dass ich denken würde, Sie wären ...«

Als er losprustet, verstumme ich. Er hört überhaupt nicht mehr auf. Fehlt nur noch, dass er sich auf seine braungebrannten Knie klopft.

»Hätten Sie bitte die Güte, das zu unterlassen«, zische ich ihm zu, weil die anderen uns bereits merkwürdig ansehen.

Doch selbst mein Blick, mit dem ich ihn erdolche, bringt nichts.

»Ja ja. Wirklich sehr witzig!« Ich hoffe, er erstickt qualvoll an seiner eigenen Spucke. »Sie sollten sich beruflich umorientieren. Sarah Jessica Parker sucht bestimmt händeringend nach einem Spaßvogel für ihr Sex and the City Revival!«

Inzwischen bin ich so in Rage, dass ich überhaupt nicht mitbekommen habe, wie still es ist. Mehr noch. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht er aus, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige verpasst.

Oh Gott! Nicht, dass er das längst versucht hat und nicht genommen wurde.

Obwohl ich mir das fast nicht vorstellen kann, bei seinem Aussehen. Verflucht! Ich will es nicht, aber ich muss einfach auf diese definierten Brustmuskeln starren, die sich unter dem engen Shirt abzeichnen. Jede Wette, er hat bestimmt auch ein Sixpack. Am liebsten würde ich laut ›aus‹ schreien. Wie man es bei einem Hund macht. Ich sollte mich dringend auf etwas anderes konzentrieren, bevor ich noch anfange, zu sabbern wie ein alter Bernhardiner.

»Ist das eigentlich normal in diesen ... Kreisen? Also, dass man jedem direkt um den Hals fällt? Oder bin ich da eher die Ausnahme?«, fragt er mit gerunzelter Stirn und steigert damit erneut meinen Fluchtinstinkt.

»Ich ... es war ... ach Sie!« Wie eine Besessene krame ich in meiner Tasche. »Sie machen mich ja ganz nervös!«

»Na, das hat auch noch nie ne Frau zu mir gesagt.« Diesmal lacht er zwar nicht ganz so laut, aber ich komme mir trotzdem vor wie der letzte Vollidiot.

Dummerweise finde ich zwischen Lippenpflege, Handcreme und Tampons nicht das, was ich gerade so dringend brauche. Meine Würde. »Tja. Im Leben gibt es halt für alles ein erstes Mal«, erwidere ich schulterzuckend, bevor ich die Arme nach hinten nehme, um aufzustehen.

Ich muss zugeben, dass ich ziemlich überrascht bin, als er seine Hand ausstreckt. Wahrscheinlich starre ich sie deshalb an wie ein Relikt aus einer anderen Welt. Wärme durchströmt mich, nachdem ich sie ergriffen habe.

»Tom.« Genauso wie beim Klang seiner Stimme. Ich glaube, ich würde sie unter tausenden wiedererkennen. Rauchig, aber dennoch sanft und von so viel Wärme erfüllt, wie das Knistern eines Lagerfeuers an einem lauen Sommerabend.

Und du bist dir ganz sicher, dass der Unfall keine bleibenden Schäden in deinem Gehirn hinterlassen hat?

Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe, dass seine Mundwinkel zucken. »Äh ja ... Emma. Emma Schmidt. Sehr ... erfreut.« Wer bitte ist das? So bescheuert das klingen mag, aber ich habe gerade den Eindruck, dass es sich bei Tom und diesem Casanova um zwei völlig verschiedene Persönlichkeiten handelt.

Jetzt dreht sie völlig durch ...

»Sind Sie eigentlich ...«

Als wir merken, dass wir wohl den gleichen Gedanken hatten, müssen wir beide lachen. Diesmal klingt es nicht gehässig oder gar demütigend in meinen Ohren, sondern herzhaft und ansteckend. Wie geht das? Bis vor ein paar Minuten war ich felsenfest davon überzeugt, er wäre der größte Arsch der Nation. Und jetzt? Gerade wirkt er auf mich eher wie ein kleiner Junge, der einfach nur jede Menge Unsinn im Kopf hat. Vor allem, wenn ich mir diese süßen Grübchen ansehe.

Gedanklich schüttle ich den Kopf. Das ist bestimmt nur der ›Prinz auf dem weißen Pferd Komplex‹. Genau! Das muss es sein!

Der was?! Gibt es den überhaupt?

Ich nehme mir vor, das später zu googeln, und wende mich ihm mit einem Räuspern zu. »Äh ... wie bitte?« Hatte er etwa was gesagt? Mit Sicherheit. So frech, wie er schon wieder grinst. Er macht mich wahnsinnig damit!

»Ladies first«, meint er und macht eine ausladende Handbewegung.

»Nun ja. Schon irgendwie.« Vor allem in den Abendstunden liebe ich es, auf dieser Schaukel zu sitzen, während die Sonne langsam hinter den Hügeln verschwindet und die Stadt in einem Meer aus Lichtern zurücklässt. Am liebsten würde ich mich die ganze Nacht über hier oben aufhalten, um die Sterne zu betrachten, die nicht von den Leuchtreklamen und anderen künstlichen Lichtern überstrahlt werden. Ein warmer Luftzug kommt mir entgegen und ich erinnere mich daran, dass ich nicht allein bin.

Sein Blick ist zwar nicht ganz so merkwürdig wie vor ein paar Tagen, aber mir ist es trotzdem unangenehm. Ich räuspere mich erneut und schultere meine Tasche. »Und Sie, Mister Davis?«

»Nenn mich Tom. Frauen, die ich ausziehe, sprechen mich in der Regel mit Vornamen an.«

Das hat er jetzt nicht gesagt, oder?

Doch. Hat er.

Dieser ... Was bildet der sich eigentlich ein?! Ich bin doch keines seiner Betthäschen!

Während ich mit Mühe und Not meine Mordgedanken unterdrücke, hebt er lachend die Hände. »Keine Panik. Ich hab nicht hingesehen. Ehrenwort! Hatte ja auch Besseres zu tun.«

Die letzten Worte murmelt er zwar in seinen Dreitagebart, ich verstehe sie dennoch und könnte mich schon wieder ohrfeigen. Ich bin so dämlich! Natürlich musste er mich ausziehen. Das sollte ich doch von den zahlreichen Grey's Anatomy Sessions mit Lucy wissen. »Äh ja ... wie gesagt, vielen Dank noch mal dafür.« Eilig streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Leider bleiben sie nie dort, wo sie sollen. Ein eindeutiger Nachteil, wenn man Hexenhaare hat. Locken darf man dieses Gemüse nämlich nicht nennen. Da bringt selbst das teuerste Glätteisen nichts. Zumal diese Strähnen so kurz sind, dass ich mir bei meinem Talent die Ohren verbrennen würde.

»Ist mein Job, ne?«, sagt er und zuckt mit den Schultern. Seine Stimme klingt merkwürdig, so als wäre es ihm unangenehm. Dabei ist er ein Held.

Mein Held!, schwärmt das kleine Mädchen, das nach wie vor an Ritter in schimmernder Rüstung glaubt, dem ich allerdings sofort klarmache, dass die längst ausgestorben sind.

»Gut ... Tom.« Irgendwie ist es seltsam, mich auf diese persönliche Ebene mit ihm zu begeben. »Dann will ich dich auch nicht länger aufhalten. Freut mich, dich kennengelernt zu haben. Also, ich meine so richtig.« Ich räuspere mich. »Anscheinend kannst du ja doch ganz nett sein.« Als ob ich es damit besser gemacht hätte. Vielleicht sollte ich wirklich meine Klappe halten und verschwinden.

»Mhm ... kann ich nur nicht immer so zeigen.«

Ja. Das habe ich gemerkt. »Sicher. Das wird es sein«, sage ich mehr zu mir selbst und gehe kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln zum Wagen zurück.

Als ich jedoch den Schlüssel umdrehe, vergeht mir das. Dabei lief er eben noch einwandfrei. Und jetzt? Nichts! Nada! Niente! »Komm schon! Lass mich jetzt nicht im Stich!«, fluche ich und versuche es in meiner Verzweiflung ein drittes Mal. Vergebens.

Dafür klopft es kurz darauf an die Scheibe. Auch das noch. Am liebsten würde ich einfach so tun, als hätte ich ihn nicht gesehen. Doch das wäre wirklich kindisch, weshalb ich die Tür öffne.

»Gibt's Probleme?«, fragt Tom, nachdem er seinen Unterarm auf dem Dach von Johns schwarzem Mercedes Maybach abgelegt hat.

»Ich ... kriege das schon hin.« Sein belustigtes Kopfschütteln verrät, dass er mir kein Wort glaubt. »Was?! Denkst du etwa, nur weil ich eine Frau bin, könnte ich das nicht? Da muss ich dich leider enttäuschen! Mit Autos kenne ich mich nämlich hervorragend aus.«

Okay, Emma. Jetzt hast du dich eindeutig zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ich weiß ja nicht mal, wie man einen Reifen wechselt. In diesem Punkt ist die Emanzipation gnadenlos an mir vorbeigerauscht. Von wegen Mut zur Lücke.

»Du lässt dir wohl nicht so gerne helfen«, mutmaßt er mit gefurchter Stirn und liegt damit leider gar nicht mal so falsch.

»Ich lasse mir nicht gerne helfen und du hast keine Lust darauf, dass man sich bei dir bedankt. Ja, Mensch!« Ich klatsche lachend in die Hände. »Da haben wir ja wenigstens etwas gemeinsam, was?«

»Okay. Zwei Möglichkeiten. Entweder du zickst weiter rum oder du machst endlich das Teil auf.« Er zuckt mit den Schultern und deutet zur Motorhaube. »Deine Entscheidung.«

Unverschämtheit! Ich bin überhaupt nicht zickig! Mit zusammengepressten Lippen suche ich fieberhaft nach diesem blöden Hebel. Wenn ich nur wüsste, wo der ist ...

»Ich seh schon, du bist ne wahre Expertin.« Tom verdreht lachend die Augen und greift links neben meine Beine.

Na toll! Warum gibt es in diesem verdammten Auto auch so viele Knöpfe und Schalter? Da muss Frau ja durcheinanderkommen.

Während ich mich mal wieder über meine eigene Dummheit ärgere, öffnet er die Motorhaube. Vorsichtig luge ich über das Armaturenbrett. Ich hoffe nur, er macht da nichts kaputt. John würde mich vierteilen, wenn etwas an seine Autos kommt. Er sagt sowieso immer, dass ich zu blöd bin, um damit umzugehen. Nicht umsonst hat er mir an diesem Abend mein eigenes geschenkt, das ich ja dann innerhalb weniger Stunden in einen Haufen Asche verwandelt habe. Oh Gott! Ich darf gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn Tom mich nicht rechtzeitig da rausgeholt hätte.

Apropos ... Vielleicht sollte ich mal nachsehen, was er da treibt. Mit einem Ruck erhebe ich mich aus dem Sportsitz, um kurz darauf wie angewurzelt stehen zu bleiben. Wie sollte man einen Mann wie ihn auch bitte nicht anstarren, wenn er sich mit einem Arm lässig an der Motorhaube festhält? Das ist so, als wenn leicht bekleidete Damen mit ihrem Doppel D Körbchen über die Motorhaube wischen. Da kann mir auch kein Mann erzählen, dass er keine Stielaugen bekommt.

Eine Weile beobachte ich ihn dabei, wie er konzentriert vor sich hinmurmelt und beiße mir auf die Unterlippe. Es müsste verboten werden, dermaßen heiß auszusehen. Kein Wunder, dass die Feuerwehr jedes Jahr beim Verkauf ihrer Kalender Unsummen verdient. Er löscht das Feuer nicht nur – er legt es selbst.

Okay. Schluss jetzt! Seit wann habe ich solche sexistischen Gedanken? Ich bin doch nicht Lucy.

Zum Glück ist Tom so beschäftigt, dass er nichts von meinem Kopfschütteln mitbekommt. Mit ausreichend Abstand stelle ich mich neben ihn und beuge mich nach vorne. »Und, Mister Experte? Haben Sie den Fehler endlich gefunden?«

Er schmunzelt. Mit einem Handgriff befestigt er irgendein Kabel an der Batterie – Jaa ... da weiß ich gerade noch, wo die sich befindet – und fordert mich auf, den Wagen nochmal zu starten.

Und tatsächlich! Er läuft wieder. »Hast du eigentlich noch mehr verborgene Talente?« Ehe ich es verhindern kann, ist es raus. Ich und meine verdammte Neugier!

»Vielleicht«, meint er mit einem schiefen Lächeln, das mich für einen Moment an Lucy und ihre schmelzenden Eisberge erinnert. Leider auch eines, das mein dummes Herz direkt ein paar Takte höher schlagen lässt.

»Na dann?!« Der Höflichkeit halber reiche ich ihm ein feuchtes Kosmetiktuch. »Wie ... kann ich mich erkenntlich zeigen?«

»Mhm ... 'n Kaffee reicht.« Flirtet der etwa mit mir? Nee ... oder?

»Ich ... weiß nicht«, druckse ich herum und sehe dabei ziemlich bescheuert aus, wenn ich seinen Blick richtig interpretiere. Aber was soll's? Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich mich vor ihm bis auf die Knochen blamiere.

»Hey! Du schuldest mir was«, erinnert er mich an das, was ich ohnehin weiß, woraufhin ich zustimme. Wenn auch seufzend und nicht, ohne zu erwähnen, dass ich vergeben bin.

»Bist eh nicht mein Typ. Also mach dich locker.«

»Ja dann, ist ja alles ...« Nach Luft schnappend reiße ich die Augen auf und wende meinen Blick sofort wieder von ihm ab. Von diesem ... Arsch! Oder soll ich lieber sagen: Casanova?! Doktor Jekyll und Mister Hyde sind echt ein Witz gegen ihn. »Wenn das so ist, sollten wir es am besten schnell hinter uns bringen«, stelle ich klar, woraufhin er sich belustigt über die Lippen leckt.

»Na dann? Nix wie ran an den Speck.«

Sollte das jetzt etwa eine Anspielung auf meine Figur sein?! Wenn ja, dann kann er sich aber so was von warm anziehen!

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