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Zaghaft klopfe ich gegen das dunkle Holz. Die ganze letzte Nacht habe ich darüber nachgedacht, nicht zu diesem Termin zu erscheinen. Aber wie ich es auch drehe und wende – es gibt keine andere Option. Ich atme tief ein und schließe für einen Moment die Augen. Erneut habe ich Erics Stimme im Ohr.

»Sieh es als Chance. Auf einen Neuanfang.«

Leichter gesagt als getan. Wie soll man auch neu anfangen, wenn man das Leben von gleich zwei Menschen zerstört hat? Nein. Das kann man nicht so einfach zu den Akten legen. Es wäre nicht gerecht.

»Herein!«

Ich schlucke und kann förmlich spüren, dass der Kloß in meinem Hals meine Speiseröhre hinunterfällt, um als schwerer Stein in meinem Magen zu landen. Dennoch drücke ich die Klinke herunter und trete ein.

»Nehmen Sie doch schon mal Platz«, meint die junge Frau, ohne zu mir aufzusehen.

Hundertpro macht sie sich schon Notizen, die sie gleich gegen mich verwenden wird. So arbeiten die doch alle. Schweigend ziehe ich den Stuhl zurück und setze mich. Dieser Raum erfüllt wirklich jedes Klischee. Die vielen Bücher, die frischen Blumen auf dem Tisch, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Sogar die obligatorische Couch findet man hier.

Herzlich willkommen in der Hölle.

»Also, Mister ...« Sie kramt in ihren Unterlagen und ich beschließe ihr auf die Sprünge zu helfen.

»Davis«, sage ich und starre auf meine Füße, die nicht aufhören wollen auf- und abzuwippen.

»Erzählen Sie mir doch etwas von sich.«

Ohne es beeinflussen zu können, schießt mein Puls in die Höhe. Mit Sicherheit starrt sie mich die ganze Zeit an. Die Scheiße kenne ich ja schon von Charlotte. Erst versuchen sie, dich einzulullen, nur um dann über dich herzufallen wie ein ausgehungertes Rudel Wölfe. Mit zusammengepressten Lippen richte ich meinen Blick auf den Kugelschreiber. Leider ist er nicht halb so interessant wie der von Emma. Ich frage mich ja immer noch, wie eine erwachsene Frau dazu kommt, sich so ein Teil zuzulegen. Sie mag rosa zwar, aber diese Federn sind echt schräg.

Vielleicht solltest du dich erstmal um dein aktuelles Problem kümmern.

Bei dem Gedanken daran, was passiert, wenn ich das hier vergeige, hämmert mein Herz noch stärker gegen meine Rippen. Meine Hände schwitzen und inzwischen ist mir kotzschlecht, obwohl ich heute Morgen nichts runterbekommen habe. Leider hat die Erfahrung gezeigt, dass das keinesfalls eine Garantie dafür ist, dass dieser beige Teppichboden seine Farbe behalten wird. Ich muss mich ablenken. Aber wie?

Emma. Sie ist die Einzige, die das bisher geschafft hat. Mit ihr ist alles leicht. Es ist, als würde sie einen Filter über meine Gedanken legen. Dummerweise ist sie nicht hier. Sie weiß nicht mal etwas von diesem Termin. Mein Verstand hat mir zwar davon abgeraten, bevor er sich klammheimlich aus dem Staub gemacht hat, aber ich muss es trotzdem versuchen.

Darauf bedacht, dass die Frau mir gegenüber, es nicht mitbekommt, atme ich in den Bauch ein und langsam wieder aus. Emmas Gesicht erscheint vor meinem inneren Auge. Ich sehe ihr strahlendes Lächeln, während ihre glockenhelle Stimme das Rauschen in meinen Ohren übertönt. Ein seltsames Gefühl macht sich in mir breit, das selbst die Übelkeit vertreibt. Alles in mir entspannt sich. Nur mein Herz, das klopft nach wie vor. Fragen, warum das so ist, sollte ich mich lieber nicht.

Ich räuspere mich. »Machen wir es kurz. Mein Vorgesetzter denkt, ich hätte ein Problem und hat mich deshalb zu Ihnen geschickt. Also, was muss ich tun, um an diese komische Bescheinigung zu kommen?« Froh darüber es endlich hinter mir zu haben, atme ich scharf aus.

»Ich bitte Sie. Welche Probleme könnte ein Mann wie Sie schon haben?«

Ihr komisches Kichern bringt mich dazu, den Kopf zu heben. Was ich sehe, überrascht mich. Mit aufgestützten Ellenbogen sitzt sie vor mir und sieht mich mit einem Blick an, den mir schon einige Frauen zugeworfen haben.

Steht die etwa auf mich?

Erst jetzt fällt mir auf, dass sie gar nicht aussieht wie eine typische Seelenklempnerin. Sie ist ziemlich attraktiv, obwohl ich es bisher immer vermieden habe, mich mit Brünetten einzulassen. Nicht, dass ich grundsätzlich etwas gegen dunkelhaarige Frauen hätte, aber ...

Komm schon, Mann! Das ist deine Chance! Sie will dich und du willst diesen verdammten Zettel. Also zeig ihr den Sonnyboy, bevor sie nach den Schatten Ausschau halten kann.

Einfach alles in mir sträubt sich dagegen, auf ihre offensichtlichen Flirtsignale einzugehen. Aber manchmal muss man eben Entscheidungen treffen, die sich falsch anfühlen, um das Richtige zu tun. Leider finde ich in dem Chaos in meinem Kopf nicht die Antwort auf die Frage, wie diese Frau heißt. Irgendwas mit M. Mandy? Nee ... das war's nicht.

Verdammt.

Dennoch lehne ich mich ebenfalls vor. »Vielleicht sollten wir ....« Meine Augen wandern zu ihren knallroten Lippen. »... den Teil mit dem Reden einfach überspringen und lieber gleich ...«

»Zur Sache kommen?«, ergänzt sie und schielt zur Couch.

»Ich mag Frauen, die wissen, was sie wollen.« Das ist noch nicht mal gelogen.

»Ist das so?« Mittlerweile steht sie vor mir und streicht mir über den Oberarm. Ihrem breiten Grinsen nach zu urteilen, gefällt ihr das, was sie unter meinem Hemd ertastet. »Na, dann ... zeig ich dir mal, was ich will«, meint sie und bohrt mir ihre Krallen ins Fleisch, um mich zur Couch zu ziehen.

Es fühlt sich immer noch falsch an. Dabei hatte ich bisher nie Probleme, mit irgendwelchen Frauen Sex zu haben. Anfangs habe ich es nur gemacht, weil ich es einfach nicht mehr ertragen konnte, ständig irgendwelche Dates über mich ergehen zu lassen. Alle meinten es sicher gut, wenn sie mir – natürlich nur rein zufällig – potenzielle Partnerinnen vorgestellt haben. Nach einiger Zeit hatte ich jedoch keine Lust mehr darauf, mich mit irgendwelchen Bekannten, Schwestern oder Freunden verkuppeln zu lassen. Stattdessen habe ich mich wahllos durch die Gegend gevögelt, weshalb Daniel mir diesen Spitznamen verpasst hat, der eigentlich gar nicht zu mir passt. Beim ersten Mal war es komisch. So, als würde ich sie betrügen. Doch je öfter ich diesen Gedanken ausgeblendet habe, desto mehr lenkte mich der Sex ab. Wie ein Rausch ohne Drogen. Seitdem ich dank Emma jedoch gemerkt habe, dass ich dieses Gefühl auch ohne Sex haben kann, verschafft mir das nicht mehr die Genugtuung.

Als diese Melissa, Melanie oder wie auch immer sie heißt, breitbeinig auf mir sitzt und mich erneut abknutscht, wünsche ich mir jedoch, dass mir diese Erkenntnis erspart geblieben wäre. Knopf für Knopf öffnet sie mein Hemd und hat sichtlichen Spaß dabei, mich mit ihren Streicheleinheiten zu quälen. Zeit, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen.

»Ah ah ah!« Sie klatscht mir auf die Hand, die ihren Rock hochschieben will und sieht mich tadelnd an. »Mein Büro – meine Regeln.«

Erneut schlägt mir eine Wolke ihres penetranten Parfüms entgegen und mir wird schon wieder schlecht.

»Wenn dann will ich auch das volle Programm«, fordert sie und sieht beim Ausziehen meines Hemdes aus, als würde sie ein Weihnachtsgeschenk auspacken. Immer wieder fahren ihre Hände über meinen Körper, so als könne sie gar nicht genug davon bekommen.

Bei meinem Rücken angekommen, hält sie jedoch inne. »Alte Kriegsverletzung, hmm?«

Ich verdrehe die Augen und schnaube. »Willst du jetzt quatschen oder Sex?«

»Willst du jetzt den Zettel oder nicht?«, kontert sie und bringt ihre Lippen ganz nah an mein Ohr. »Wäre doch jammerschade, wenn du in Zukunft keine Heldentaten mehr vollbringen könntest.« Lasziv fährt sie mit ihren rot lackierten Krallen über meine Brust, als würde sie mit Kreide über eine Tafel kratzen und ich bin kurz davor, sie von mir zu schubsen.

Jetzt reiß dich zusammen, Mann! Denk an den Zettel und an deinen Job!

Das sollte ich wirklich. Außerdem bin ich doch sonst auch ein Profi darin Frauen den Kopf zu verdrehen, ohne meinen zu verlieren. Was ist los mit mir? Ich weiß doch, wie ich sie ohne dieses ganze Drumherum auf Touren bringen kann.

»Das macht dich an, was?« Mit einer schnellen Drehbewegung ändere ich unsere Position und dringe mit meiner Hand in tiefere Gefilde vor.

»Oh ja! Und wie!« Sie keucht und streckt mir ihr Becken entgegen. Mittlerweile ist sie so spitz, dass sie scheinbar nichts mehr gegen eine schnelle Nummer einzuwenden hat. Zum Glück.

Vorher suche ich jedoch in meiner Gesäßtasche nach meinem Portemonnaie. Eigentlich habe ich immer mindestens ein Kondom dabei. Ich will schließlich weder Kinder noch irgendwelche Krankheiten haben. Schnell werde ich fündig und versenke mich kurz darauf in der Frau, die mich immer noch angrinst, als wäre ich ihr Lieblingsessen.

Ihr unterdrückter Schrei, während sich ihre scharfen Krallen zum gefühlt hundertsten Mal in mein Fleisch bohren, zeigt mir, dass sie wohl auf ihre Kosten gekommen ist. Ich hoffe nur, dass sie auch daran denkt, die Rechnung zu zahlen.

Und wenn nicht, kannst du ja immer noch eine Karriere als Callboy anstreben. Den Anfang hast du ja heute gemacht.

Ich ignoriere die sarkastischen Kommentare in meinem Kopf und steige schnell von ihr runter.

Nachdem ich auf der Toilette die Spuren dieses unkonventionellen Therapieansatzes beseitigt habe, trete ich ohne anzuklopfen wieder in ihr Büro.

So als wenn nichts gewesen wäre, sitzt sie hinter ihrem Schreibtisch. Diesmal tippt sie auf der Tastatur herum. Sie meint zwar, ich solle mich setzen, doch ich bleibe lieber stehen. Ich will einfach nur diesen Wisch und dann zusehen, dass ich hier wegkomme. Noch immer hat sie dieses dämliche Lächeln auf ihren Lippen, bevor sie aufsteht und zum Drucker geht.

»Es war mir ein Vergnügen«, säuselt sie, nachdem sie das Blatt unterschrieben, gefaltet und in den Umschlag gesteckt hat.

Ohne ein Wort nehme ich ihr das Kuvert aus der Hand und verlasse anschließend im Eiltempo das Büro.

Die stickige Luft, die mich draußen empfängt, sorgt nicht gerade dafür, dass ich mich besser fühle. Dennoch atme ich im Schatten des großen Bürogebäudes tief ein. Ich sollte dankbar dafür sein, dass ich ausgerechnet an eine untervögelte Seelenklempnerin geraten bin. Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Mein Blick fällt auf den Umschlag. Vorsichtig öffne ich ihn und atme, nachdem ich die wenigen Zeilen überflogen habe, erleichtert aus. Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem. So als hätte man sein Lieblingsgericht gegessen, das einem hinterher auf den Magen schlägt.

Auch diesmal ignoriere ich die aufkommende Übelkeit, stecke den Brief zurück ins Kuvert und mache mich auf dem Weg zu meinem Wagen, um zur Wache zu fahren.

Als ich jedoch hinter dem Lenkrad sitze, schaffe ich es nicht mal, den Motor zu starten. Dabei wollte ich mit der Bescheinigung triumphierend vor Erics Nase wedeln. Stattdessen sitze ich hier und starre durch die Windschutzscheibe. Mein Blick richtet sich in den strahlend blauen Himmel. Wie immer scheint die Sonne, doch in mir tobt ein Sturm. Sie wäre enttäuscht. Obwohl es keinen Grund dazu gibt, lache ich. Leise, spöttisch.

Was ist nur aus dir geworden? Wenn sie mich so sehen könnte, würde sie nicht nur mit dem Kopf schütteln, sondern mir in den Hintern treten. So wie sie es immer getan hat, wenn ich mal wieder mein Zeug überall rumliegen gelassen habe.

Ich könnte schreien und doch fühlt sich meine Kehle wie zugeschnürt an. Ich will diese Erinnerungen nicht. Sie tun weh. Trotzdem prasseln sie immer häufiger auf mich ein wie dicke Hagelkörner. Vor allem seitdem Emma sich mit ihrem Chaos in mein geordnetes Leben geschlichen hat.

Ich glaube nicht an das Schicksal. Sonst müsste ich mir wohl die Frage stellen, warum es mir ausgerechnet den Mittelfinger gezeigt hat, als ich glaubte, alles wäre perfekt. Manchmal frage ich mich allerdings schon, was passiert wäre, wenn ich Walkers Dienst nicht übernommen hätte und sich Emmas und mein Weg dementsprechend nie gekreuzt hätten. Ganz klar würde ich dann nicht hier sitzen und mir über so einen Schwachsinn Gedanken machen. Ich müsste mich nicht mit all diesen unerwünschten Emotionen auseinandersetzen. Mir wären aber auch all die schönen Dinge verwehrt geblieben, von denen ich nicht mal wusste, dass sie mir überhaupt fehlen.

Ein ungeduldiges Hupen lässt mich zusammenzucken. Immer noch durch den Wind starte ich den Motor und manövriere mich aus der Parklücke, in die sich der Störenfried hinter mir direkt reinsetzt.

Vor der Wache angekommen, schiebe ich die letzten Emotionen zurück in die dunkelste Ecke und gehe schnurstracks zu Erics Büro.

»Schön dich zu sehen.« Das kann er sich genauso wie dieses ekelhafte Lächeln sonst wo hinstecken.

»Hallo«, erwidere ich unterkühlt und drücke ihm den Umschlag in die Hand.

»Will ich wirklich wissen, wie du das angestellt hast?«, fragt er, nachdem er sich die wenigen Zeilen gefühlt hundertmal durchgelesen hat. So als könne er nicht fassen, dass man mir emotionale Stabilität bescheinigt hat.

Ohne mir anmerken zu lassen, wie sehr mich das trifft, zucke ich mit den Schultern. »Ist doch egal. Du hast, was du wolltest.«

»Tom.« Er lässt das Papier auf den Schreibtisch segeln und erhebt sich von seinem Stuhl, um sich mit dem Rücken an den Schreibtisch zu lehnen. »Es geht doch nicht darum, was ich will. Ich möchte, dass es dir gut geht. Und zwar nicht nur, weil ich der Meinung bin, dass man in diesem Job emotional gut aufgestellt sein sollte, um die Dinge, die ständig auf einen einprasseln, besser ertragen zu können. Es ist nun mal meine Pflicht euch zu schützen.«

Als ich sehe, dass er die Hand auf meine Schulter legen will, weiche ich zurück. »Sag mir einfach, wann ich wieder arbeiten kann, okay?« Ich weiß, dass es nicht richtig ist, ihn so zu behandeln, aber ein kleiner Teil von mir ist immer noch sauer. Auch wenn ich nochmal mit einem blauen Auge davongekommen bin.

Bist du das wirklich? Oder redest du dir das nur wieder ein, weil es einfacher ist?

Eric versucht, in meinem Gesicht zu lesen. Im Gegensatz zu Daniel tut er das selten. Sofort wende ich meinen Blick ab. Lieber schaue ich mir wieder die Urkunden an, die an den Wänden hängen.

Das scheint auch Eric schnell zu kapieren, wie mir sein Seufzen signalisiert. »Ich werde das hier an den Chief weiterreichen und wenn er grünes Licht gibt, melde ich mich.«

»Gut. Dann haben wir das ja geklärt«, erwidere ich, ohne mir die Anspannung anmerken zu lassen und gehe zur Tür. Ich hoffe nur, dass er sich schnell entscheidet. Ich ertrage es nicht mehr länger, zuhause tatenlos rumzusitzen.

»Ich halte dich übrigens immer noch für einen sehr guten Feuerwehrmann.«

Eigentlich sollte mich das freuen, seine Tonlage spricht jedoch dafür, dass da noch ein Aber kommt.

Ich soll Recht behalten. »Nur manchmal muss man erst sich selbst retten, bevor man anderen helfen kann. Du magst da vielleicht anderer Meinung sein, aber ich denke nicht, dass dich diese ... Taktik langfristig gesehen weiterbringen wird.«

Ich presse die Lippen zusammen, während meine Hand sich an der Klinke festkrallt. »War's das?«, frage ich und er seufzt leise.

»Ja. Du kannst gehen.«

* * *

»Hey, Mann! Freut mich, dass du wieder mit an Bord bist«, begrüßt Ben mich per Handschlag, als ich zwei Tage später in den Gemeinschaftsraum komme.

Bevor ich ihm antworten kann, steht Samuel grinsend neben uns und boxt mir gegen den Oberarm. »Alter! Wo zum Teufel warst du? Hier war es echt langweilig ohne dich!«

»Na, jetzt bin ich ja wieder da, ne?«

»Wurde aber auch Zeit!«

»Genau. Du hast uns gefehlt, Darling«, ruft Karl von seinem Stammplatz aus. Ich glaube, die beiden einzigen Gründe für ihn sich von dieser Couch zu lösen sind Hunger oder wenn eben die Pflicht ruft. Und die erledigt er meiner Meinung nach trotz seines hohen Alters noch sehr gut.

Ich grinse. »Lass das ja nicht deine Frau hören.«

Während Karls raues Lachen den Raum erfüllt, pfeift Michael vor sich hin und rührt im Kochtopf.

Froh darüber, dass sich hier nichts verändert hat, blicke ich mich um. Nicht, dass ich Daniel vermissen würde. Wahrscheinlich brütet er mal wieder in seinem Büro über den Einsatzberichten, die er als Lieutenant ständig schreiben muss. Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich komplett ungeeignet für den Posten bin, hätte ich auf diesen Papierkram ja mal so gar keinen Bock. Ich bin jemand, der einfach da ist, wenn er gebraucht wird und niemand, der sich mit Seiten von Vorschriften auseinandersetzen will. Daniel macht das jedoch sehr gewissenhaft. Und das, obwohl ich ihn oft genug an seine Grenzen bringe.

»Apropos Frau«, sagt Samuel, hat dabei aber wie immer nur Augen für Amy, die wortlos den Raum betritt und geradewegs zur Kaffeemaschine geht.

Ich bin vielleicht kein Experte in Sachen Liebe, aber ich weiß, was Frauen wollen. Und wenn man eines nicht tun sollte, dann ist es sich aufzuführen wie ein Neandertaler. Dieses Ich-Tarzan-du-Jane-Ding mag vielleicht bei einem One-Night-Stand noch ganz prickelnd sein, aber wenn man ernsthaftes Interesse an einer Frau hat, ist es eher kontraproduktiv.

Samuel scheint das noch nicht geschnallt zu haben, sonst würde er jetzt wohl kaum herum posaunen, dass wir dringend mal wieder zusammen ›auf die Jagd gehen sollten‹.

Amy reagiert genauso, wie ich es erwartet habe. Schnaubend knallt sie die Kaffeekanne zurück auf die Wärmeplatte und verschwindet. Aber Samuel ist noch jung. Er wird es schon noch lernen, dass sie einen Mann und kein kleines Kind will. Wobei ich mich an dem Abend, als sie mir das ins Ohr geflüstert hat, kurz gefragt habe, was sie dann ausgerechnet mit mir will.

»Wann brauchst du den mal nicht, Kleiner?«, gibt Ben amüsiert zurück und merkt zum Glück nicht, dass sich meine Stimmung schlagartig ändert.

Um mich abzulenken, konzentriere ich mich auf Samuel, der sich vor uns in Pose schmeißt, als wolle er sich für das nächste Casting der Chippendales bewerben. »Jeder Mann bekommt von der Natur zwei Meter. Wie er sie verteilt ist seine Sache«, gibt er völlig überzeugt zurück.

Die anderen brechen in schallendes Gelächter aus. Aus Sympathie mache ich einfach mal mit.

Samuel scheint das jedoch gar nicht witzig zu finden. »Verfluchte Arschgeigen«, schimpft er und sieht dabei aus, wie ein kleiner Junge, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat.

Ich gebe es zu. Vielleicht hat mir nicht nur die Arbeit gefehlt, sondern auch diese Jungs hier ein bisschen. Sie können zwar manchmal echt anstrengend sein, dennoch haben sie mich sofort herzlich aufgenommen, obwohl ich anfangs sogar vorhatte, die Wache zu wechseln. Dabei war dieser Vorfall damals der Auslöser dafür, dass ich mich überhaupt für diesen Beruf entschieden habe. Trotzdem war es komisch ihnen nach der Ausbildung erneut gegenüberzutreten. Erst recht, als sie meinten, ich wäre ein Held.

Denn das bin ich nicht.

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