Wer steckt hinter deiner Fassade?

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Voller Verzweiflung versuchte ich mich zu befreien. Mit den Füßen trat ich um mich, doch mit jedem Versuch, den ich wagte, wurde mir zwischen die Beine getreten. ,,Ihr Hurensöhne!'', stieß ich wütend aus.
Ich hätte es wissen müssen. Natürlich machte Ronny keinen Halt und würde Lukas bei der nächsten Gelegenheit auf die Fresse hauen. Da konnte ich ihm noch so oft sagen, dass er ihn in Ruhe lassen sollte. Als ob er auf mich hören würde.
Auch wenn Lukas für seine große Klappe und dem, was er mir angetan hatte, nichts anderes verdient hatte, sollte es auf gar keinen Fall so eskalieren. Ich wollte nur mit ihm reden und die Gründe erfahren, mehr nicht.

Ich hätte mich nicht nochmal auf die Gang einlassen dürfen, das war ein riesiger Fehler. Irgendwann hätten Lukas und ich schon einen ruhigen Augenblick gefunden, um noch einmal über alles zu reden.
Es war eine dumme Idee, mich mit Ronny zusammenzuschließen. Damit hatte ich Lukas nur noch mehr gezeigt, dass es die richtige Entscheidung war, mich endlich loszulassen. Du bist so ein Vollidiot, Tim! 
Ich bereute es zutiefst. Ich werde es mir niemals verzeihen können, dass Lukas wegen mir eine gebrochene Nase hatte. Ich hätte ihn einfach in Ruhe lassen sollen. Ich hatte mich in sein jetziges Leben überhaupt nicht einzumischen.

Es war scheiße, dass er mich betrogen hatte, aber das ging niemanden etwas an. Spätestens wenn Lukas seine Sachen von mir abgeholt hätte, hätten wir nochmal miteinander reden können.
Ich brauchte die Gang für sowas nicht. Ich musste mich auch nicht bei ihm rächen. Irgendwann hätte Lukas schon gemerkt, dass es der totale Arschloch-Move war, mich zu betrügen. Er wäre mit Marius nicht mal im Ansatz so glücklich geworden, wie mit mir.
Aber das war mal wieder typisch Tim Wolbers. Anstatt einmal darüber nachzudenken, was das Richtige sein könnte, handelte ich vollkommen voreilig und realisierte erst beim großen Knall, dass es ein riesiger Fehler war.

,,Na warte mal, Freundchen!'' Total irritiert sahen sich alle um, als Ronnys Handgelenk plötzlich festgehalten wurde. Lukas, der sich noch immer an der Baumrinde festkrallte und auf den Schlag wartete, öffnete zögerlich die Augen.
,,Was zum Fick?!'' Vollkommen verdutzt drehte Ronny seinen Kopf nach links und erstarrte. Er versuchte wegzurennen, kassierte aber sofort einen Tritt zwischen die Beine. Schmerzverzerrt schrie er auf und sackte auf dem Boden zusammen.
,,Denk' nicht mal daran, ihm auch nur ein Haar zu krümmen! Ansonsten findest du dich auf der Intensivstation wieder!'', schrie ihm jemand wütend ins Ohr. Ein eiskalter Schauer legte sich auf meinen Rücken und mein Herz begann zu rasen.

Ronny wurde an den Schultern gepackt und von Lukas weggezogen. Erleichtert atmete dieser aus und seine Körperhaltung lockerte sich. Trotzdem spannte er sich etwas an und blieb am Baum stehen.
,,Ey, was ist hier los?!'', fragte Ronny verzweifelt nach, als ihm die Hände auf den Rücken gedrückt wurden. Erneut versuchte er sich zu wehren, wurde mit dem Gesicht aber in die Moder gedrückt.
,,Schau' mal hier her, du Arsch! Dann hast du deine Antwort!'', ertönte von etwas weiter eine boshafte Stimme. Ronnys Augen weiteten sich augenblicklich. Er kam dem Befehl nach und drehte seinen Kopf zögerlich in dessen Richtung.

,,B-Bryan?!'', bekam er gerade so mit bebender Unterlippe heraus. Als die anderen Mitglieder der Gang seinen Namen hörten und ihn vom Weitem auf uns zu kommen sahen, ließen sie mich sofort los.
Ich lächelte zufrieden, rieb mir über die leicht geröteten Handgelenke und trat zu Lukas. ,,Ist alles gut?'', fragte ich besorgt nach und streichelte ihm über den Rücken. Lukas nickte bestätigend, legte sich in meine Arme und küsste mich.
,,Was zum Teufel soll das denn jetzt?! Warum küsst ihr euch?! Tim, hast du schon vergessen, dass diese Schwuchtel dich betrogen hat?! Lass' dich nicht schon wieder auf ihn ein!'' Erneut versuchte sich Ronny aus den Zwängen der Bodyguards zu befreien, scheiterte aber daran.
,,Na, wie fühlt es sich an, mit seinen eigenen Waffen geschlagen zu werden?'', entgegnete ich grinsend und beugte mich zu ihm herunter. ,,Lügen und Manipulation - sagt dir das was?'' Ich legte den Kopf schief und tätschelte seine Wange.
,,Du bist so ein Arsch, Wolbers!'', zischte er mich wütend an.

,,Damit ich das richtig verstehe... Das Alles war inszeniert, um mich in eine Falle zu locken?'', fragte Ronny nach, als wir für eine kurze Runde miteinander geschwiegen hatten und funkelte mich mit dunklen Augen an.
,,Hmmm, gut möglich.'', zuckte ich mit den Schultern und amüsierte mich köstlich darüber, endlich mal am längeren Hebel zu sitzen. Der Anblick eines vollkommen ausgelieferten Ronnys, gefiel mir verdammt gut.
,,Schon komisch, dass du nicht schon früher darauf gekommen bist. So viele Zufälle auf einmal. Du glaubst jawohl kaum, dass wir so dumm sind.''
,,Jetzt wundert es mich auch. Wer will den Streber neben dir auch schon freiwillig fi... Ey! Aua!'' Ronny konnte den Satz gar nicht zu Ende sprechen, da wurde ihm eine Kopfnuss verpasst. ,, Ich bin ja schon ruhig, verdammt!''
,,Besser ist das auch!'', herrschte Bryan ihn wütend an.

,,Du hältst jetzt mal schön die Klappe und hörst uns zu! Haben wir uns da verstanden?!'' Bryan stellte sich vor Ronny und sah ihn befehlend an. Und auch wenn ich wusste, dass Lukas und mir nichts passierte, verkrampfte sich alles. Mein Herz raste und mein Körper zitterte.
Ich hatte Bryan in den vergangenen Wochen als einen so liebevollen und netten Menschen erlebt. Als wir den Plan ausgearbeitet hatten, hatten wir uns noch viel besser kennengelernt und uns immer weiter angefreundet.
Jeder, der ihn jetzt kennenlernte, würde niemals auf die Idee kommen, dass so ein Monster in ihm steckte. Es jagte mir einen riesigen Schrecken ein, ihn jetzt so sehen zu müssen. Er konnte verdammt gut, an seiner Vergangenheit anknüpfen.

,,Ihr gebt mir jetzt erstmal alle eure Handys! Alle in den Sack da! Ansonsten habt ihr gleich keine Augen und Ohren mehr!'', herrschte Bryan alle Mitglieder der Gang an und deutete auf einen seiner Bodyguards, der einen geöffneten Beutel in den Händen hielt.
Alle schluckten schwer, kamen seinem Befehl aber ohne zu zögern nach. Erstaunt zog ich die Augenbrauen nach oben, denn normalerweise widersetzten sie sich nicht. Auch Ronny hielt die Klappe und traute sich gar nicht mehr aufzusehen.
Ich griff nach Lukas' Hand, dessen Herz wie verrückt gegen seine Brust schlug. Ich lächelte ihn aufmunternd an, strich ihm beruhigend über den Handrücken und hoffte, dass unser Plan aufgehen würde. Wir durften jetzt keinen Fehler machen.

,,Ihr dämlichen Mitläufer setzt euch alle dahin, haltet die Fresse und wagt es ja nicht irgendwas zu versuchen! Schaut zu, wie man das richtig macht!''  Bryan zeigte in eine Ecke, wo bereits zwei Bodyguards standen und ihre Knöchel knackten.
Ohne einen Mucks von sich zu geben, gingen die Mitglieder der Gang zu ihnen und setzte sich auf den Boden. ,,Super Jungs hast du da, Ronny. Die wechseln ja ganz schnell die Fronten, wenn sie merken, wie wehrlos du bist.'', erwiderte Bryan hämisch und lachte.
,,Aber was erwarte ich auch? Du suchst dir immer die Schwächsten. Glaub' mir, wenn dir irgendwann mal etwas passiert, retten die dir nicht den Arsch.'' Bryan schüttelte mit dem Kopf und musterte ihn sichtlich angewidert.

,,Was willst du von mir? Wie hast du mich überhaupt gefunden? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?'' Ich musste mir nach diesen Fragen, dass Lachen verkneifen, denn so verzweifelt hatte ich ihn noch nie erlebt.
,,Wow, dass du dich überhaupt traust, das zu fragen, ist unglaublich.'' Erneut schüttelte Bryan mit dem Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Denkst du wirklich, dass ich vergessen habe, was du mir angetan hast?! Dass ich mich damit zufriedengebe?!''
,,Du Penner hast mein Leben zerstört! Und was das Allerschlimmste ist, du versucht es noch immer! Wissen deine kleinen Pisser überhaupt, warum wir beide verfeindet sind?!'', harkte Bryan erbost nach und seine Halsschlagerader pulsierte.
,,Antworte mir!'' Grob packte er nach Ronnys Gesicht und zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen.
,,Ich sage gar nichts!'', zickte dieser ihn an.
,,Ach, wieso das denn nicht?! Hast du etwa Angst, dass die Menschen, die Wahrheit über dich erfahren?!''

,,Wir unterhalten uns jetzt mal miteinander!'' Im Schneidersitz ließ sich Bryan auf der Picknickdecke nieder und formte die Augen zu Schlitzen. ,,Warum hast du mich in den Knast gebracht?''
,,Weil du nichts anderes verdient hattest!'', antwortete Ronny trotzig und versuchte sich mal wieder zu befreien. ,,Ey, warum hilft mir denn niemand?! Das ist unfair!''
,,Halt die Fresse!'', blaffte Bryan und verpasste ihm eine Ohrfeige. ,,Wir reden hier miteinander! Also... Warum habe ich das verdient?''
,,Na...weil... Keine Ahnung, weil du ein Arsch bist...'', zuckte Ronny unsicher mit den Schultern. ,,Sei doch froh, dass du da raus bist.''
,,Danke, das bin ich auch.'', lächelte Bryan gespielt freundlich. ,,Was mich aber nicht glücklich macht, ist die Tatsache, dass ich überhaupt drin gewesen bin.''
,,Selber Schuld! Hättest du auf mich gehört, wäre es nie soweit gekommen!'', versuchte sich Ronny herauszureden.
,,Wow, willst du mich jetzt eigentlich komplett verarschen, du Wichser?!'' Bryan fiel die Kinnlade herunter. ,,Timi hatte nicht Unrecht damit, als er mir erzählt hat, dass du dich in den ganzen Jahren nicht ein Stück geändert hast!''
,,Du Hurensohn hast mich verraten?!'' Ronny drehte den Kopf zu mir und knurrte mich wütend an.
,,So wie du es mit mir vor der Polizei auch gemacht hast.'', konterte Bryan und schob sich zurück in sein Blickfeld.

,,Aber um deine Frage zu beantworten. Ja, Timi hat sich an mich gewandt und mir alles erzählt, was du in den letzten Jahren so angestellt hast.'' Bryan lehnte sich entspannt auf der Picknickdecke zurück und lächelte ihn an. ,,Jedes noch so kleine Detail. Ich kenne alle deine Machenschaften.''
,,Na und?! Was willst du jetzt damit?!'', fragte Ronny ungeduldig nach und versuchte sich mal wieder kläglich zu befreien. ,,Was soll diese dämliche Unterhaltung?! Hau mir' auf die Fresse und gut ist. Dann sind wir quitt!''
,,Ach, denkst du wirklich, dass das fair ist?!'' Bryan setzte sich wieder auf. ,,Ich soll dich schlagen und dafür alles vergessen, was im Gefängnis passiert ist? Hör' mir mal zu, mein Freund, wir spielen hier nicht mehr nach deinen Regeln! Das ist ab jetzt vorbei!''

,,Ich habe Scheiße gefressen, während du dir ein schönes Leben gemacht hast! Ich habe gelitten, Schläge kassiert und mich jede verdammte Nacht in den Schlaf geweint, weil ich von meinem ehemaligen besten Freund verraten wurde!''
,,Im Gegensatz zu dir habe ich aus meinen Fehlern gelernt! Ich habe mich gebessert und gelernt, damit umzugehen. Ich kann die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, aber für das, was gerade läuft, kann ich noch geradestehen.''
,,Du hast dich in den ganzen Jahren nicht gebessert! Noch immer läufst du auf einer Stelle und denkst, dass du mit allem davonkommst. Schließlich holt dich dein Vater überall heraus und regelt das. Du hast nie gelernt, Verantwortung zu übernehmen! Es waren immer die Anderen!''

Ich krallte mich an Lukas' Handrücken fest und schluckte schwer. Wir pressten uns gegen den Baum und sahen uns mit aufgeregten Augen an. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust und meine Knie wurden immer weicher.
Wochenlang hatten wir diesen Augenblick vorbereitet. Wir waren so viele Szenarien durchgegangen, hatten uns tausendmal abgesichert und dennoch hatten wir Angst ein Risiko einzugehen.
Ich drückte mich näher an Lukas, der seinen Mund nicht mehr zu bekam und die Augen schloss. Wir konnten jetzt nicht mehr machen, als zu hoffen, dass Alles gut ging und dieser Albtraum endlich ein Ende nahm.

,,Sag' mir, wie soll dein Leben weitergehen?! Willst du für immer Menschen manipulieren und das Andere deine Fehler geradebiegen?!'' Bryan verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn erwartungsvoll an.
,,Du hast deinen besten Freund verloren, weil du so machtbesessen bist. Du hast keine wahren Freunde, weil alle für dich nur einen Nutzen haben müssen. Niemand hat dich je geliebt, weil du es nicht gelernt hast. Und dein Vater deckt dich nur, damit seine Weste weiß bleibt.''
,,Ist es das, was du dir immer vorgestellt hast? Das soll dein perfektes Leben sein?'' Bryan sah ihm tief in die Augen und wartete eine Reaktion ab. Ronny senkte den Blick zu Boden und ließ die Worte durch seinen Kopf gehen.

Ich musste mir die Brille putzen, als ich sehen konnte, dass sich in seinen Augen tatsächlich Tränen bildeten. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, denn in den fünf Jahren hatte ich Ronny nicht einmal weinen sehen.
Für den Bruchteil einer Sekunde flammte Mitleid in mir auf. Am liebsten wollte ich ihn in den Arm nehmen, ihm über den Rücken streicheln und ihm sagen, dass alles okay ist. Ich schüttelte fassungslos mit dem Kopf und auch der Rest wirkte beeindruckt.
Bryan hatte dieses boshafte Herz tatsächlich gebrochen. Mit so wenigen Worten, ist er zu Ronny vorgedrungen und hatte ihn an seinem größten Wundenpunkt getroffen. Er hatte seine Mauer wirklich zerstört.

Am Anfang hatte ich Bryan für verrückt erklärt, als er mir diesen Plan vorgestellt hatte. Ich hatte eher damit gerechnet, dass wir Ronny so lange einschüchtern würden, bis er von selbst zur Polizei ging und sich anzeigte.
Nicht damit, dass Lukas und ich angeblich Schluss machten, mein Freund eine vermeintliche Affäre begann, ich mich der Gang wieder anschloss, wir ihm in einen abgelegenen Wald auflauerten und uns hinsetzten, um anschließend mit Ronny zu reden.
Ich hatte seinen Vorschlag sofort abgelehnt und ihn gefragt, ob wir uns nicht was Neues überlegen wollten. Schließlich hatten schon unzählige Menschen versucht mit Ronny zu reden. Jeder von ihnen ist daran gescheitert, weil niemand an diesen Kerl herankam.

Er konnte sowas einfach nicht. So lange Menschen keinen weiteren Nutzen für ihn hatten, interessierte es ihn nicht, was diese zu sagten. Sie sollten einfach die Klappe halten und ihn in Ruhe lassen.
Ronny war schon immer so und jeder wusste das. Warum das aber so ist, konnte sich niemand erklären. Klar hatte man nicht immer Lust zu reden, aber dieser Kerl ließ sich wirklich gar nichts sagen.
Zumindest von allen außer Bryan. Der einzige Mensch, der ihn je akzeptiert und geliebt hat. Ich musste aufpassen, nicht schon wieder in Tränen auszubrechen, wenn ich an seine Erzählung zurückdachte.

Nachdem ich Bryan von dem Vorschlag abgeraten hatte, hatte er mir erklärt, wieso ihm die Umsetzung dieses so wichtig ist. Bryan hätte ihn auch einfach verprügeln können, um seinen Seelenfrieden zu finden, aber das wollte er nicht.
Ronny war nämlich nicht als Arschloch zur Welt gekommen. Er war ein unglaublich lieber, netter und höflicher Junge. Er wuchs in einem gut behüteten Elternhaus auf und ihm wurde jeder Wunsch von den Augen abgelesen.
Doch zwischen all den Spielzeugen, Urlauben und Süßigkeiten fehlte etwas. Ein Bedürfnis, welches bei jedem Kind an oberster Stelle steht und ohne dieses, sie nicht nicht  in der Läge wären, zu überleben. Und zwar die bedingungslose Liebe der Eltern.

Ronnys Eltern waren schon immer wahnsinnige Buisnessmenschen. Nicht ohne Grund hatte sein Vater schon in einem jungen Alter die ersten Millionen auf dem Konto gehabt und sämtliche Autohäuser aufgekauft.
Das Unternehmen war für sie das Wichtigste. Aufgrund dessen waren seine Eltern selten da. Sie hatten unzählige Geschäftsreisen und Termine. Ein kleines Kind passte so gar nicht in ihren Lifestyle.
Also sorgten sich anstatt der Eltern, tausende Nannys und Butler um ihn. Dadurch hatte er alles, was er brauchte. Er musste nur schreien und sofort wurde es für ihn erledigt. Es hatte Ronny an nichts gefehlt. Zumindest wenn man davon ausging, dass seine Grundbedürfnisse gestillt waren.

Sein ganzes Leben hatten seine Eltern ihn wie etwas Nebensächliches behandelt. Wenn sie denn mal Zuhause waren, hatten sie ihn schon mit gepackten Koffern begrüßt,  nur um ihn kurz darauf wieder alleine zu lassen.
Bei den wichtigsten Meilensteinen seines Leben waren sie nicht da. Stattdessen standen da irgendwelche Nannys und Butler, die von seinen Eltern dazu beauftragt wurden, doch unbedingt bei der Einschulung und den Kindergeburtstagen für ihn da zu sein.
Sie hatten sich nie für ihn interessiert. Er konnte sie noch so oft darum bitten, wenigstens für ein Wochenende zu bleiben, seine Eltern hatten ihm scheinheilig versprochen, alles erdenklich dafür zu tun, nur um ihn doch wieder alleine im Kinderzimmer sitzen zu lassen.

Ronny hatte sich von seinen Eltern nie geliebt gefühlt. Viel eher wie ein Produkt, welches sie nur mitnahmen, wenn sie vor neuen Geschäftsleuten damit punkten wollten, ihnen unbedingt das neue Autohaus zu verkaufen, damit sie ihrem kleinen Jungen ein schönes Leben ermöglichen konnten.
Sie waren nur unterwegs, hatten ihn immer wieder fallengelassen und ihm nie zugehört. Nur wenn er Scheiße gebaut hatte, gab es einen kleinen Anflug von Aufmerksamkeit. Ausgerechnet dann interessierten sich seine Eltern für ihn, setzten sich mit ihm zusammen und nahmen sich alle Zeit der Welt.
Alles im Deckmantel darunter, dass das bloß nicht an die Öffentlichkeit gelangen durfte, damit seine Eltern keine wichtigen Geschäftspartner verloren. So wurde Ronny mit Geld bestochen, manipulierte seine Eltern und ging mit ihnen den Deal ein, dass sie den jeweils anderen niemals verraten würden.

So sehr ich Ronny auch hasste, seine Geschichte hatte mich wirklich berührt. Denn aus dieser Perspektive hatte er von seinem Leben noch nie erzählt. Er war generell schon immer sehr schweigsam, wenn es um seine Familie ging.
Ich hatte seine Eltern hin und wieder mal gesehen. In der Anwesenheit anderer gingen sie wirklich liebevoll mit ihm um. Sie machten überhaupt nicht den Eindruck, als würden sie ihn außerhalb der Geschäftstermine im Stich lassen.
Es ist wirklich grausam, wenn die Eltern sich nicht für einen interessierten. Dass sie nicht immer für ihn da sein konnten, ist okay. Dass sie sich aber nicht mal die Zeit dafür nahmen, ist einfach nur grauenhaft.

Auf keinen Fall sollte das Ronnys Taten rechtfertigen. Man konnte das Alles nicht damit abschmettern, dass er eine schreckliche Kindheit hatte. Jedoch konnte ich ihn aufgrund von Bryans Erzählungen viel besser nachvollziehen.
Durch seine Eltern hatte er einfach nie gelernt, dass er von Menschen nicht immer nur ein Nutzen haben musste, um mit diesen befreundet zu sein. Aber er hatte Angst, sich emotional abhängig von einer Person zu machen.
Seine ganzen Freundinnen hatte er nur betrogen, weil er sich nicht eingestehen wollte, Gefühle für sie entwickelt zu haben. Die Gang gab es nur, weil diese Menschen keine Bedeutung für ihn hatten. Er baute nur Scheiße, um etwas Zeit mit seinen Eltern zu verbringen.

Er hatte nie jemanden an sich herangelassen. Alle Menschen bis auf Bryan. Der einzige Freund, den Ronny je hatte. Der Mensch, der ihn wirklich verstand, ihn immer geliebt und akzeptiert hat. Der nicht nur Zeit mit ihm verbringen wollte, weil er es musste.
In den letzten Wochen hatte Bryan realisiert, dass Ronny ihm immer noch wichtig ist. Sie hatten eine tiefe Bindung und hätte es diesen Vorfall niemals gegeben, wären sie wahrscheinlich noch immer beste Freunde.
Bryan war der erste und einzige Mensch, der Ronny gezeigt hatte, dass es da jemanden gab, der sich wirklich für ihn interessierte. Sie hatten keine Zweckfreundschaft, sie konnten einander vertrauen und waren sich wichtig.

Auch wenn Bryan Ronny für all das verfluchte, was er ihm angetan hatte, wollte er nur noch seinen besten Freund zurück. Er wusste, dass tief in ihm ein liebevoller Mensch schlummerte. Er ist kein Arschloch und hatte ein Herz.
Ronny ist kein grenzdebiler Vollidiot. Es war kein Hass, den er da in sich trug. Er war einfach nur neidisch auf all die Menschen, die mindestens eine Person in ihrem Leben hatten, die sich wirklich für sie interessierte.
Wenn Ronny es zu lassen würde, gäbe es sicherlich einige Menschen, die mehr in ihm sehen würden. Er musste sich einfach nur öffnen und sein wahres Gesicht zeigen. Er musste sich nicht hinter einer Fassade aus Hass und Beleidigungen verstecken.

Diesen Wundenpunkt hatte Bryan getroffen. Ronny hörte gar nicht mehr auf zu weinen und schüttelte immer wieder mit dem Kopf. Es war total verrückt ihn so zu sehen. Ich hätte niemals erwartet, dass in seinem Herz mehr Gefühle als Hass schlummerten.
Ich sah zu Lukas, der ihn ebenfalls mit fassungslosen Augen musterte. Alle um uns herum konnten ihren Augen nicht trauen. Außer Bryan, der sich mit ausgestreckten Armen auf der Picknickdecke zurückgelehnt hatte.
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Keine Ahnung, ob dem Aufgehen des Planes oder dem Treffen des Wundenpunkt geschuldet war. Geduldig warteten wir eine Reaktion ab und beobachteten, noch immer etwas angespannt, dass Spektakel.

,,Oh Gott...'', schluchzte Ronny und sah auf. ,,Bin ich wirklich so eine schreckliche Person? Habe ich in all den Jahren nichts gelernt?'' Er stellte diese Fragen eher sich selbst. Lukas und ich sahen uns mit unsicheren Augen an und pressten die Lippen aufeinander.
,,Ich bin ein Arschloch!'', stellte Ronny verzweifelt fest. Bryan warf einen Blick zu den Bodyguards, die ihn sofort losließen. Sofort vergrub er die Hände im Gesicht und weinte unerbittlich. ,,Ich habe das Leben aller Menschen zerstört.''
Bryan seufzte leise und setzte sich auf. Erschrocken zogen wir alle die Luft ein, als er die Arme um Ronny legte und ihn gegen seine Brust drückte. Diese kleine Geste berührte mich so sehr, dass mir eine Träne die Wange herunterkullerte.

,,Es ist nie zu spät um noch ein besserer Mensch zu werden. Noch ist nichts verloren.'', flüsterte ihm Bryan aufmunternd ins Ohr und streichelte ihm über den Rücken. ,,Du musst dich nur endlich mal trauen, diesen Schritt zu gehen. Du bist das hier nicht.''
,,Oh Gott, Bryan, es tut mir alles so leid. Ich wollte es niemals soweit kommen. Ich weiß, dass ich das nicht mehr rückgängig machen kann und es gibt nichts, was das wieder gut macht. Aber du musst mir glauben, dass ich das nicht wollte.'' Ronny sah ihn entschuldigt an und schluchzte.
,,Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich diesen Tag bereue. Ich wollte dich nie verlieren. Du warst doch mein bester Freund und der einzige Mensch, der mich je verstanden hat. Ich habe alles kaputt gemacht.''

,,Die ersten Monate deiner Inhaftierung habe ich mich jeden Tag in den Schlaf geweint und ständig an dich gedacht. Ich habe mir so Sorgen gemacht und mich immer wieder gefragt, wie es dir geht.'', weinte Ronny und fuhr sich die Tränen aus dem Gesicht.
,,Ich habe mich so geschämt. Ich habe mich gehasst und einfach nicht verstanden, wieso ich das getan habe. Man, verdammte Scheiße, ich habe den wichtigsten Menschen meines Lebens in den Knast gebracht. Welches Monster macht sowas?!''
,,Ich wollte so oft die Wahrheit sagen. Aber ich konnte es nicht, weil ich mir immer wieder eingeredet habe, dass du das verdient hast. Ich war so neidisch auf dich und habe nicht gemerkt, dass ich gerade dabei bin, dich zu verlieren.''

,,Du musst es mir nicht glauben, aber ich denke immer noch an dich. Immer, wenn der Tag kommt, an dem ich dich verraten und ins Gefängnis gebracht habe, geht es mir so schlecht. Immer wieder wünsche ich mir, eine Zeitmaschine zu bauen und mich davon abzuhalten.''
,,Ich habe dir so viele Briefe geschrieben, aber mich niemals getraut sie abzuschicken. Ich stand so oft vor dem Haus deiner Eltern, um zu fragen, wie es dir geht. Ich habe mich aber nicht getraut, weil ich so Angst vor deiner Reaktion hatte.''
,,Es ist so krass, dass du mir gerade nicht auf die Fresse gehauen hast. Ich habe dich immer so schlecht geredet. Ich kann nicht fassen, dass du gerade vor mir stehst und mir die Chance gibst, mich zu rechtfertigen. Es tut mir leid, wirklich.''

Ronny fuhr sich die Tränen aus dem Gesicht und spielte mit dem untersten Saum seines Shirts. Mit großen Augen sah ich ihn an und musste mir einmal in den Arm kneifen. Ist das wirklich Ronny, der da gerade vor uns steht?
,,Wow...'', stieß Bryan aus und zog ihn in seine Arme. ,,Danke, dass du so ehrlich zu mir bist. Ich bin gerade sehr geschockt, dass du solche Worte von dir gibst.'' Er fuhr ihm die Tränen aus dem Gesicht und lächelte ihn an.
,,Du hast mir Briefe geschrieben und vor dem Haus meiner Eltern gestanden?''
,,Ich hab' dich auch mal bei der Arbeit beobachtet, weil ich wissen wollte, was du machst.'', gab Ronny heulend zu und seine Wangen erröteten sich. ,,Du bist mir immer noch wichtig. Ich kann mich nicht oft genug entschuldigen. Ich wünschte, ich könnte es wieder gut machen.''
,,Wir reden später mal unter vier Augen miteinander, okay?!'' Bryan streichelte ihm über den Rücken und Ronny nickte. 

Ronny löste sich von Bryan und kam auf Lukas und mich zu. Sofort stellte ich mich schützend vor ihn und formte die Augen zu Schlitzen. ,,Keine Sorge, Tim, ich mache nichts. Versprochen!'', sagte Ronny und hob die Hände in die Luft. ,,Ich will mich bei euch entschuldigen.''
,,Tim, es tut mir leid, was ich dir all die Jahre angetan habe. Obwohl ich wusste, was bei dir Zuhause abgeht, habe ich dich immer wieder wie den größten Haufen Scheiße behandelt und nur benutzt.'', seufzte er und fuhr sich durch die Haare.
,,Ich hätte das nicht tun dürfen. Du warst so ein zerbrechlicher Junge, der keine Ahnung hatte, was überhaupt los ist. Immer wieder habe dich manipuliert, mich über dich lustig gemacht und mit deinen Ängsten gespielt. Das hätte ich nicht machen dürfen.''

,,Und Lukas... Ich habe dich zu Unrecht verurteilt. Du hast nie etwas gemacht und trotzdem hast du alles von mir abgekriegt. Es tut mir leid, dich all die Nachmittage gemobbt, beleidigt und geärgert zu haben.''
,,Anstatt dich einfach mal in Ruhe zu lassen, habe ich immer wieder draufgehauen. Keine Ahnung, warum ich das gemacht habe. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, war es total dumm das zu tun. Es hat nichts gebracht.''
,,Ich kann es nicht mehr ändern. Entschuldigung für alles, was ich dir je an den Kopf geworfen und dass ich dich immer so terrorisiert habe. Das hattest du nicht verdient. Das war falsch von mir.''

,,Es tut mir so leid, dass ich euch nicht einfach in Ruhe gelassen habe. Ich hätte Tim gehen lassen müssen. Alles, was ich euch angetan habe, ist unverzeihlich und einfach nur ekelhaft. Das hätte ich nicht tun dürfen.'' Er schüttelte über sich selbst mit dem Kopf und atmete einmal tief durch.
,,Ehrlich gesagt bin ich total neidisch darauf, dass du dein Glück mit Lukas gefunden hast. Glaubt was ihr wollt', aber ich habe nichts gegen Schwule. Ich wollte nur einen Grund haben, um euch beleidigen zu dürfen. Es hat mich einfach kaputtgemacht, dass du endlich jemanden gefunden hast, der dich liebt, dir wichtig ist und dich zu einem besseren Menschen macht.''
,,Es macht mich einfach nur traurig, dass ich das nicht habe und weil ich es nicht anders kann, habe ich meine Wut an euch herausgelassen. Eigentlich müsste ich an mir arbeiten, anstatt das Glück anderer zu zerstören. Aber viel leichter ist es, einen anderen Sündenbock zu finden, nur um sich selbst aus dem Weg zu gehen.''

,,Danke, für deine Worte, das wissen wir zu schätzen.'', erwiderte ich lächelnd. ,,Trotzdem werden wir das nicht so schnell vergessen und Freunde werden wir auch nicht. Ich hoffe nur, dass du es endlich begriffen hast und das nicht nur machst, um deinen Arsch zu retten.''
,,Ich will dir nichts Böses, aber so langsam ist eine Grenze erreicht. Es gibt noch so viele andere Menschen da draußen, bei denen du dich entschuldigen musst. Bei einigen kannst du schon mal anfangen.'' Ich deutete auf die restlichen Mitglieder der Gang und er nickte.
,,Du kannst es nicht mehr ändern und nicht jeder wird deine Entschuldigung akzeptieren. Aber vielleicht kannst du endlich mal zeigen, dass du ein Mensch mit Gefühlen bist. Du musst dich nur trauen, dich zu öffnen. Hör' auf alle von dir wegzustoßen, ansonsten bleibst du für immer alleine.''

,,Danke, Tim. Du hast so Recht.'' Ronny lächelte mich an und reichte mir die Hand. Ich nahm diese sofort in meine und schüttelte sie. ,,Ab heute lasse ich euch in Ruhe, versprochen. Ihr werdet nie wieder etwas von mir hören.''
Ich erwiderte sein Lächeln und sah zu Lukas, der sich ebenfalls die Hand reichen ließ. Dann kam Bryan auf uns zu, legte seine Hand auf Ronnys Schulter und sah ihn mit ernsten Augen an. ,,Brauchst du Hilfe?''
,,Du willst immer noch was mit mir zu tun haben?'' Ronnys Pupillen weiteten sich, während Lukas und ich uns anlächelten.
,,Na klar.'', grinste Bryan. ,,Ich habe dich die Jahre so vermisst. Also die Zeit vor unserem Streit. Ich habe niemanden mehr getroffen, der mich so verstanden hat wie du.'', gab er zu und sein Lächeln wurde immer breiter.
,,Ich habe dich auch vermisst.'' Ronny rollte eine Träne über die Wange. Bryan strahlte ihn an, nahm ihn einmal fest in den Arm und drückte sich an ihn. ,,Es ist schön, dass du wieder da bist. Es ist nie zu spät, ein besserer Mensch zu werden.''

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