5. Türchen

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Irgendwann brauchte ich keine weiteren Lichterketten mehr an meinen Fenstern, außer vielleicht im Schlafzimmer, aber dort schlief Ella, deswegen vertagte ich das. Insgeheim freute ich mich schon, weil ich dadurch dem Auseinanderfieseln der anderen Lichterketten ausgekommen war, doch Elias hatte offenbar andere Pläne.

„Komm, die machen wir jetzt noch gemeinsam auseinander", lächelte er und griff sich die erste vom Boden. „Vielleicht machst du dir dieses Jahr beim Abhängen die Mühe und bindest alle zusammen, damit du nächstes Jahr nicht das gleiche Problem wieder hast", gluckste er und begann, mit offensichtlich mehr Feingefühl und Geduld als ich je dafür gehabt hätte, die Lichterkette auseinander zu knoten. Dabei erzählte er mir groß und breit von seinem Vater, dem es in Elias Kindheit jedes Jahr mit Lichterketten ähnlich schlimm ergangen ist wie mir, bis Elias Mutter sich der Sache angenommen hatte und damit endlich Ordnung in die zahlreichen Lichterketten seines Vaters und damit auch Friedens fürs Weihnachtsfest gebracht hatte.

Ich hörte ihm einfach zu, sagte kein einziges Wort zu seinen Kindheitsgeschichten, sondern lauschte einfach seiner Stimme, die sich überraschend gut in die Weihnachtsmusik einfügte und gemeinsam eine angenehme Einheit bildete.

Irgendwann, während er von einem fast ins Wasser gefallenem Weihnachten erzählte, an dem sein Bruder den Weihnachtsbaum beinahe in Brand gesteckt hatte, bemerkte ich, dass Elias britischer Akzent, je mehr er von seiner Kindheit und seiner Familie erzählte, deutlicher herauszuhören war. Irgendwann kamen sogar vereinzelte Wörter auf Englisch heraus.
Das ließ mich lächeln.

So wenig ich es zugeben wollte, war ich froh, dass Elias da war und mir mal wieder das Ohr abkaute.

„Willst du eigentlich was trinken?", fragte ich von mir selbst irritiert, dass ich erst jetzt daran dachte, meinem Gast etwas anzubieten. Immerhin half mir Elias gerade immens, da war ein Getränk wirklich das Mindeste. „Was warmes vielleicht?"

„Was hättest du denn da?"

„Heiße Milch mit Honig und Zimt?", bot ich ihm dasselbe an wie Ella. Und irgendwie hatte ich auch selber nochmal Lust auf eine Tasse.

Elias nickte daraufhin und hantierte weiter mit den Lichterketten herum, während ich uns unsere Getränke zubereitete.

Wir verbrachten nur wenig Zeit wirklich miteinander. Wenn wir uns sahen, ging es meistens nur um Sex. Oder wir aßen zusammen und hatten danach Sex. Aber selbst bei den wenigen Gesprächen, die wir hatten, hatte Elias den deutlich größeren Redeanteil. Dass er so viel redete, störte mich oftmals, deswegen hatte ich mich auch nie darum gerissen, viel mehr Zeit mit ihm zu verbringen, außer wenn ich wusste, dass es auf Sex rauslaufen würde, aber dieser Abend heute... Ihn hier zu haben war so angenehm.
Und das obwohl er so viel redete.

Ich konnte selber nicht so ganz nachvollziehen, woher dieses Gefühl plötzlich kam, aber zum aller ersten Mal hatte ich absolut kein Problem damit, dass wir heute keinen Sex haben würden. Ich genoss seine Anwesenheit trotzdem.

„Was sind eigentlich deine Weihnachtspläne?", fragte Elias, nachdem ich ihm seine Tasse gereicht und er sich mit einem süßen „Thank you" bedankt hatte, und lehnte sich entspannt gegen meinen Küchentisch.

„Meine Freunde ich und ich feiern Weihnachten jedes Jahr zusammen." Ich zuckte mit den Schultern. Es war meine liebste Weihnachtstradition.
Kalle und ich waren nach der Schule damals für unser Studium hier in die Stadt gezogen, wo wir dann recht zeitnah Xaver und Rosalie kennengelernt hatten, die zum damaligen Zeitpunkt eine Freundschaft plus geführt hatten. Wir haben uns alle von Anfang an super verstanden, aber unser erstes Weihnachten, das wir zusammen verbracht hatten, war trotzdem reiner Zufall, weil unsere eigentlichen Weihnachtspläne durch einen schweren Schneesturm ins Wasser... in den Schnee gefallen waren...
Wir hatten uns dann spontan in Kalles und meiner damaligen Studentenwohnung getroffen und gemeinsam Heilig Abend verbracht. Richtig abgespeckt. Ohne Baum, ohne Deko, ohne Geschenke, weil ja jeder davon ausgegangen war, dass wir uns über die Weihnachtstage nicht sehen würden und vor allem keiner von uns in der Stadt geblieben wäre, da jeder zu seiner Familie gefahren wäre.

Das Weihnachten hatte uns aber so gefallen, dass wir das Jahr darauf entschieden hatten, wieder Heilig Abend zusammen zu feiern und erst an den Weihnachtsfeiertagen zu unseren Familien zu fahren. Dann gab es auch einen Baum, festliches Essen, Geschenke und eben alles was dazugehört.

Seitdem feierten wir nun schon seit Jahren zusammen Weihnachten. Mit der Zeit waren dann jeweils die Partner meiner Freunde und später auch ihre Kinder dazugekommen, was das gemeinsame Fest aber nur noch schöner gemacht hatte.
Dieses Jahr würde wir nun schon zum neunten Mal gemeinsam Weihnachten feiern und die Vorfreude brodelte bereits jetzt in meinem Magen.

Zwar plagte mich seit der Geburt des ersten Kindes - beziehungsweise Kinder, da Xavers Zwillinge, die ersten Kinder in meinem Freundeskreis waren - die Angst, dass es irgendwann nicht mehr so sein würde, dass die Familien irgendwann miteinander, für sich alleine feiern wollten, aber bisher hatten sich diese Ängste nie erfüllt. Bisher hatten meine Freunde immer genauso großen Wert wie ich darauf gelegt, Weihnachten zusammen zu feiern.

Elias nickte lächelnd. „Jedes Jahr? Also quasi eine Weihnachtstradition?"

Ich nickte begeistert. „Ja genau. Dieses Jahr ist das neunte Jahr. Wir sind jedes Jahr hier in meiner Wohnung." Das erinnerte mich daran, dass ich demnächst mal nachfragen sollte, wie der konkrete Plan aussah. Vor allem da die Weihnachtsgans frühzeitig vorbestellt werden musste.

„Es gibt jedes Jahr eine Weihnachtsgans", redete ich begeistert weiter. Nur daran zu denken, ließ meinen Bauch vor lauter Vorfreude kribbeln. Ich konnte mir selber nur zu gut vorstellen, wie breit mein Grinsen war.

„Meine Mutter macht jedes Jahr einen Truthahn. Wobei zwischen Gans und Truthahn wahrscheinlich nicht so viel Unterschied liegt, oder?", fragte Elias interessiert nach, während er sich längst wieder nach der nächsten Lichterkette bückte.

Ich schüttelte zögerlich den Kopf. „Ich denke nicht. Ich habe noch nie einen Truthahn gegessen... Zumindest könnte ich mich nicht daran erinnern. Wie verbringst du Weihnachten?"

„Bei meinen Eltern. Ich habe eine große Familie, die sehr verstreut lebt, aber zu Weihnachten kommen alle zusammen. Zumindest ein Mal im Jahr." Elias lächelte dabei selig. „Ich fliege immer schon etwas früher nach Hause. Am 20. oder manchmal sogar noch früher, je nachdem wie ich Urlaub bekomme, und bleibe dann über die Feiertage."

„Leben deine Eltern noch in Großbritannien?" Bei der Frage realisierte ich erst, dass ich wirklich kaum etwas über Elias wusste. Ich dachte immer, dass er mit der ganzen Familie nach Deutschland gekommen war.

„Mittlerweile schon wieder. Sie sind damals nur nach Deutschland gekommen, weil mein Vater hierher versetzt wurde. Die Firma, für die er arbeitet, hat eine Zweigstelle hier aufgemacht. Und es war von Anfang an geplant, dass sie nur zehn Jahre hierbleiben, deswegen sind sie mittlerweile auch wieder in England. Meine Eltern wollte nie für immer in Deutschland bleiben. Im Gegensatz zu mir und meinen Geschwistern." Dabei lachte Elias und strahle so eine Leichtigkeit aus, dass ich nur mitlachen konnte. Allein an der Art wie er über seine Familie sprach, konnte man sehen, wie viel sie ihm bedeutete.

Ich verspürte plötzlich den Drang, mehr wissen zu wollen. Mehr über seine Familie zu erfragen. Wie viele Geschwister er hatte. Ob er der Älteste war. Der Jüngste? Was seine Geschwister in Deutschland machten. Ob sie auch in unserer Stadt wohnten. Ob sie sich ähnlich sahen.

Aber Elias hatte längst das Thema gewechselt und erzählte nun von der diesjährigen Weihnachtsfeier der Firma, in der er arbeitete. Und ehe ich mich versah, waren wir, oder besser gesagt er, bei der letzten Lichterkette angekommen. Mit mittlerweile geübten Griffen hatte er sie in Windeseile auseinander gefieselt und mit einem Bindfaden ordentlich zusammengebunden hatte.

„So das wars", grinste er stolz und legte die Lichterkette mit zu den anderen in die Kiste. „Geschafft. Und ich glaube, dass ich mich jetzt auch auf den Heimweg mache."

„Ich würde dir mein Bett gerne anbieten, aber es ist leider besetzt", schmunzelte ich fast ein wenig wehmütig, dass er nun ging. Ich wusste selber nicht, wieso, aber irgendwie wollte ich mich mit ihm ins Bett kuscheln und einfach nur gemeinsam einschlafen. Sex hin oder her...

Meine Worte entlockten Elias ein raues Lachen. „Ist in Ordnung. Ein andermal", kam es sanft von ihm, ehe wir für einen Augenblick stumm Blickkontakt hielten.

Die wenigen Sekunden fühlten sich an wie eine kleine Ewigkeit, während die Weihnachtsmusik im Hintergrund dudelte und die Lichterketten mein Wohnzimmer in stimmungsvolles Licht tauchten.

Mir entging nicht, wie gut Elias dadurch in Szene gesetzt wurde. Elias war ein schöner Mann, maskulin, breit gebaut und kräftig, trotzdem aber gepflegt und auf sein Äußeres bedacht. Unabhängig davon, wirkte er in diesem Augenblick noch schöner als ohnehin schon. Sein Duft, der sich mittlerweile in meinem Wohnzimmer ausgebreitet hatte, und mir seit er hier war durch den Kopf spukte.

Allein schon, dass sich die kleinen Lichter der Lichterketten in seinen nussbraunen Augen spiegelten und ihnen damit noch mehr Leben einhauchten, als sie ohnehin schon hatten, machte mich für einen Moment sprachlos.

Ich wollte ihn küssen. Unbedingt. Der Drang erfüllte schlagartig meinen gesamten Körper und brachte meine Lippen dazu, verheißungsvoll zu kribbeln.

Mein Körper lehnte sich sogar schon von selbst nach vorne. Immerhin trennte uns gerade mal ein Meter.

„Ich mach mich dann auf den Weg", zerriss Elias plötzlich den Augenblick und brachte mich damit zurück ins Hier und Jetzt. Zurück in meine Wohnung. Zurück zu der Realisation, das Elias nichts anderes war als mein Gelegenheitsfick. Uns verbanden keinerlei Gemeinsamkeiten, keine Gefühle. Wir verstanden uns nur gut, weil der Sex hervorragend war. Und obwohl Elias heute hier unangekündigt aufgeschlagen war, obwohl ich ihm abgesagt hatte, wusste ich, dass es für ihn auch nicht mehr als nur Sex war. Darüber waren wir uns schon von Anfang an einig. 

Deswegen schlug ich mir alle Gedanken, die ich gerade gehabt hatte, sofort wieder aus dem Kopf.

Kalle und sein andauerndes Gerede, dass ich endlich einen festen Partner brauchte, stieg mir anscheinend langsam zu Kopf. Ich musste ihm das dringend austreiben.

„Klar", antwortete ich hörbar angespannt und machte wieder einen Schritt von Elias weg. Er musste mein komisches Verhalten sicher bemerkt haben, deswegen war ich ihm umso dankbarer, dass er weder etwas dazu sagte, noch sich etwas anmerken ließ. Trotzdem waren mir meine Gedanken plötzlich furchtbar unangenehm.

„Nächstes Mal dann wieder Sex?", fragte mein Gegenüber grinsend, nachdem er sich schon Schuhe und Jacke angezogen hatte und noch den Reißverschluss zuzog.

Seine plumpe Frage brachte mich zum Lachen und gab mir etwas von der vorherigen Leichtigkeit zurück. Ob das Absicht war? Ob Elias wusste, dass ich gerade genau solche Worte gebraucht hatte?

„Logisch. Ich hätte es echt mal wieder nötig", antwortete ich genauso plump.

Daraufhin breitete sich ein freches, eindeutig versautes Grinsen auf seinen Lippen aus. Er sagte aber nichts mehr dazu, sondern verabschiedete sich lediglich mit einem „Man sieht sich zeitnah", ehe er meine Wohnung verließ.

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