♬ 6: уσυ вєттєя ηєνєямιη∂

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⊱ ────── ⋅♬ Chapter 6 ♬⋅ ───── ⊰
  
   

  
Alles in Yoongis runtergekommenen Körper schreit danach sofort die Flucht zu ergreifen. Aber anstatt darauf zu hören, klammert er sich an die beiden Drinks und steuert auf die VIP-Lounge zu. Die Magenschmerzen werden mit jedem Schritt schlimmer, aber er versucht sie auszublenden. Zum Glück hat er Erfahrung darin, dieses unangenehme Gefühl ins hinterste Eck seiner Wahrnehmung zu verbannen. Es ist immerhin nicht das erste Mal, dass er sich solchen Situationen stellen muss, auch wenn er ihnen, wenn möglich, aus dem Weg geht. 

"OMG, ICH GLAUB’S NICHT!", wird er bereits aus der Ferne begrüßt und Yoongi ist sich sicher, dass jeder im Umkreis von zwei Kilometern das ebenfalls gehört hat. Taehyung springt von der edel aussehenden Lounge auf und kommt eilig einige Schritte auf ihn zu. Yoongis Fluchtinstinkt wird wieder stärker, aber dieses eine Mal will er nicht direkt im ersten Moment kläglich versagen. Er hat sich vorgenommen, seinen grässlichen ersten Eindruck, den er bei Jimin hinterlassen hat, zu retten. Er kann jetzt nicht gehen. Es muss doch machbar sein, zwei Stunden mit diesem jungen Mann zusammen zu sitzen, sich ein bisschen zu unterhalten und darauf zu warten, bis dass Jimin sich nach Feierabend zu ihnen gesellt. 

Taehyung bleibt dicht vor ihm stehen und verbeugt sich so tief, dass es Yoongi sofort unangenehm ist. Er kann die enorme Erwartungshaltung förmlich riechen. Gleich wird sein Gegenüber feststellen, dass hinter seiner Vorstellung von AgustD nur ein Wrack steckt, dass mit einfachsten Situationen wie dieser hier maßlos überfordert ist. Und später am Abend wird er mit Jimin reden und gemeinsam werden sie feststellen, dass das wahre Gesicht hinter ihrem Held (allein die Bezeichnung stößt ihm immer noch unangenehm auf) nur eine Witzfigur in Hawaiihemd steckt. Yoongi möchte doch lieber einfach verschwinden. Wirklich, er kann das nicht. 

"Ich muss ja sagen, dass ich echt gezweifelt habe, ob Jimin wirklich Recht hatte. Aber O.M.G. Du bist es wirklich, oder?", brabbelt Taehyung vor sich hin, als er sich wieder aufrichtet. Er starrt Yoongi durchdringend an, mustert ihn von Kopf bis Fuß. Er sollte nicht so genau hinsehen, denkt Yoongi. Vielleicht kann er dann wenigstens für einen kurzen Moment den Schein wahren, nicht der totale Versager zu ein, bevor er durch einen schlecht durchdachten Vorwand einfach wieder geht. 

"Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert!", fügt Taehyung noch hinzu und ganz ehrlich? Diese gemäldehafte Schönheit klingt viel mehr wie ein aufgewecktes Kleinkind, welches wirklich seinem Helden gegenübersteht. In Yoongis Vorstellung passt das nicht zusammen. So gar nicht. Dieser Mann sollte nicht so edel aussehen und ein Wrack bewundern. Das fühlt sich ganz und gar falsch an.

"Ich… äh… hi", presst Yoongi hervor und könnte sich im selben Moment ohrfeigen. Oder in einem der Cocktails ertränken, wenn das möglich wäre. Was ist das denn für eine Begrüßung? Wie schafft er es eigentlich immer, ein Treffen bereits nach wenigen Sekunden zu verkacken?
Wenigstens einen kleinen Trost hat er. Er kann seine Nerven in wenigen Augenblicken mit Alkohol und Nikotin beruhigen. Shit, das ist wahrscheinlich genauso traurig, wie es sich anhört. Aber seien wir doch mal ehrlich. Yoongi gehört nicht hierhin. Nicht neben diesen Typen, der aussieht, wie aus einem Modemagazin entsprungen und erst recht nicht in eine VIP-Lounge. Da hilft auch das Glanzspray in seinen Haaren nicht mehr. Yoongi hat keinen Glanz, nicht annähernd.

"Diese Stimme!", kommentiert Taehyung euphorisch und schlägt im nächsten Moment die Hände vor seinen Mund, als hätte er etwas Verbotenes gesagt. "Sorry, aber… ich hätte niemals gedacht, dass ich dir eines Tages wirklich mal gegenüber stehe. Das… ist einfach zu krass!" Taehyung winkt aufgeregt mit seinen Händen hin und her. Sein Kichern erinnert ihn an das eines Fangirls bekannter Idols. Zumindest hat sich Yoongi das immer genauso vorgestellt. Nur... dass es bei Taehyung irgendwas natürliches an sich hat. Vielleicht liegt es an dem charismatischen Lächeln, vielleicht auch an diesem Glanz, der aus jeder Pore seines Körpers rauszuquellen scheint. Mein Gott, wie kann ein Mensch so verdammt edel aussehen und sich gleichzeitig so wenig elegant aufführen?
 
Yoongi weiß immer noch nicht, was er antworten soll. Er kann nicht gut damit umgehen, fälschlicherweise Komplimente zu bekommen. Es wäre einfacher, wenn sie direkt zu dem Teil der bitteren Enttäuschung vorspulen könnten. Dann hätte dieses Trauerspiel wenigstens schnell ein Ende und er könnte von hier fliehen. Aber so sehr er sich das auch wünscht, er kommt so schnell aus dieser Situation nicht heraus. Es gibt niemanden, der vorspulen kann. So einfach ist es im Leben nicht und deswegen drückt er Taehyung etwas überstürzt den einen Drink in die Hand und setzt sich mit seinem eigenen in den Loungesessel.  

"Soll dich grüßen. Von Jimin", ist das einzige, was ihm in den Sinn kommt, als Taehyung das Glas argwöhnisch mustert. Was dachte er? Dass Yoongi gleich zwei Drinks auf einmal trinkt? Sieht er so verzweifelt aus? 

Schnell hält er sein Glas in Taehyungs Richtung, um mit ihm anzustoßen, und hofft inständig, dass es seine fehlende Reaktion ausgleichen kann. Taehyung starrt ihn mit großen Augen an.

"Lass mich nur kurz darauf klarkommen, dass ich mit AGUSTD ANSTOßEN WERDE!" Taehyungs immer lauter werdende Stimme reißt ihn aus dem Gedankenstrudel, bevor er vollends darin ertrinken kann. Es folgt ein unmännliches Quietschen, von dem Yoongi sich sicher ist, dass es eigentlich nicht zu der eigentlich tiefen, rauen Stimme seines Gegenübers passt. Lange kann er aber nicht darüber nachdenken, denn da taucht urplötzlich eine Hand vor seinem Gesichtsfeld auf. Er blinzelt kurz, lehnt sich etwas im Sessel zurück, um mehr Abstand zwischen sich und sie zu bringen. Ohne Erfolg. Die Hand folgt ihm sogleich. Shit. Das ist echt unangenehm. 

“Darf ich dich anfassen?”, fragt Taehyung mit der Leichtigkeit eines Kleinkindes und bevor Yoongi nachfragen kann, was bei ihm eigentlich schief gelaufen ist, erklärt er weiter. “Ich muss mich einfach selbst davon überzeugen, dass du keine Fata Morgana bist oder sowas!” 

“Bin ich nicht." Er hofft, dass der junge Mann das unterschwellige Nein verstanden hat und seine Hand einfach wieder wegnimmt. Keine zwei Sekunden später muss er nur leider feststellen, dass Taehyung nicht besonders gut darin ist, zwischen den Zeilen zu lesen, denn die Hand pieckst ihm kackendreist in die Wange. 

Scheiße. Wo ist er denn hier gelandet!? Meinte Jimin nicht irgendwas von wegen: Du wirst ihn mögen? Im Augenblick sieht es ganz und gar nicht danach aus. Ein Gutes hat es aber. Wenn man die Äußerlichkeiten mal außen vor lässt, wirkt Yoongi neben ihm nicht ganz so freakig.

"Du bist wirklich echt!! Das ist der beste Tag meines Lebens!", kommt es giggelnd von Taehyung, der (Gott sei Dank!) endlich seine Hand wieder wegzieht und sich mit einem breiten Grinsen neben Yoongi setzt. Mit erwartungsvollen Blick schaut er ihn an und hält nun ebenfalls sein Glas in Yoongis Richtung. Das klimpernde Geräusch kurz darauf klingt in Yoongis Ohren wie eine Warnung. Es ist zu spät, um jetzt noch zu gehen. Das war der Startschuss, der die kommenden zwei Stunden eingeläutet hat. Von hier an gibt es kein Zurück mehr. 

"Haha, ich fass es nicht, dass Jimin es wirklich geschafft hat, dich aufzugabeln… Und jetzt stoße ich mit dir an… Hahaha… Jimin hat dir wahrscheinlich schon erzählt, wie krass wir dich verehren! Das… fühlt sich an, wie ein Traum!" 

“Wie ein Albtraum vielleicht….”, murmelt Yoongi leise und spült die Worte mit einem großen Schluck Mutcocktail herunter. Zum Glück ist es so laut, dass Taehyung ihn nicht verstanden hat. 

“Was hast du gesagt?”, fragt er deswegen nach. 

“Nichts.”

“Hahaha, okay… Ich bin nur SO aufgeregt dich endlich zu treffen… Du bist sowas wie mein Held.” 

Diesmal kopiert Yoongi Taehyungs unstetes hahaha (bei ihm klingt es natürlich nicht charmant, sondern einfach nur unsicher, aber was soll’s) und weil das als Reaktion für seinen Unglauben nicht ausreicht, setzt er noch dran: “Ich bin echt kein Held….” 

“Natürlich bist du das!”, widerspricht sein Gegenüber mit der gleichen Inbrunst, die Yoongi auch schon bei Jimin begegnet ist. “Du bist mein Lebensretter!”

Wie absurd kann eine Aussage sein? "Ein Lebensretter bin ich erst Recht nicht…", entgegnet Yoongi deswegen und nimmt direkt den nächsten Schluck. Wenn das so weitergeht, hat er sein Getränk gleich in Rekordzeit konsumiert… Und was soll er dann machen? 

Taehyungs Blick schnellt zu ihm und augenblicklich verschwindet das ungewöhnliche, aber charismatische Lächeln. “Ich weiß ja wohl besser als du, was du für mich bist”, behauptet er. “Und ich weiß, dass du mich gerettet hast. Ohne deine Songs wäre ich jetzt nicht hier. Also… wortwörtlich nicht hier. Sondern zurück auf der Farm von meinen Eltern und mein Studium hätte ich verkackt!” Seine Tonlage ist voll von Überzeugung. So sehr, dass sogar Yoongi für einen kurzen Moment ernsthaft über seine Worte nachdenkt. 

“Aber ich weiß besser, wer ich selbst bin…”, sagt er schließlich leise. 

Diesmal hört Taehyung ihn. “Und?”, fragt er. “Wer ist das? Der du bist?” 

Alle Antworten, die Yoongis Kopf ihm vorgibt, sind sicherlich nicht für dieses Gespräch geeignet. Er muss sich selbst daran erinnern, dass er einen guten Eindruck hinterlassen wollte. Sich jetzt schlecht zu machen (obwohl - zählt es als runtermachen, wenn man die Wahrheit sagt? Schließlich ist Yoongi ein Versager), wird vermutlich nicht zu dem guten Eindruck beitragen. Er sucht also verzweifelt nach irgendeinem Mittelweg und entscheidet sich schließlich für: “Ich bin nur jemand, der Musik macht…” 

“Ja”, stimmt Taehyung ihm sofort zu. “Und genau das ist der Punkt. Du machst Musik und Musik kann Leben retten. Deine Musik hat meins gerettet. In conclusion: Du hast mich gerettet. Du bist mein Lebensretter.” Der Ausdruck in seinen Augen ist determiniert und er durchbohrt Yoongi mitten durchs Herz. Eine der wenigen Stellen, die nicht für Widerworte gemacht ist. Und das ist der Grund, warum Yoongi überhaupt damit beginnt, Taehyungs Worte ernsthaft in Betracht zu ziehen. 

Ja. Es macht irgendwie Sinn. Zumindest ein Teil davon. Theoretisch kann wohl wirklich jeder Musik machen, die ein Leben rettet. Er selbst klammert sich ja auch an einen Song, seine Seelenmelodie, unbekannten Ursprungs, weil er ihn vor den Albtraumbestien rettet. Streng genommen ist er also in dieser Hinsicht nicht anders als Taehyung, aber der Unterschied liegt in dem Lied selbst. Seine Seelenmelodie, gesungen von der honigseidenen Stimme, steckt voller Wärme. Licht. Zuversicht. Hoffnung. Das sind Attribute, die ein Lied zu einem Lebensretter machen. Seine eigene Musik trägt nichts davon in sich. Weil Yoongi nichts davon in sich hat. Seine Songs sind nur Ausdruck seiner Zweifel und Hilflosigkeit. Wenn man sie hört, verirrt man sich in den Schatten, den sie werfen. Und es ist doch so: Retten kann nur, was Licht spendet. In den Schatten sterben wir. 

"Hab ich was falsches gesagt?", holt ihn Taehyung wieder zurück ins Diesseits. 

“Nein, hast du nicht”, würgt Yoongi hervor und tastet nach der Zigarettenschachtel in seiner Hosentasche. Er braucht dringend sein Nervengift, wenn er die nächsten zwei Stunden irgendwie überleben will. 
“Störts dich, wenn ich rauche?", schiebt er deswegen gleich hinterher, "Jimin meinte, es wäre hier erlaubt. Aber wenns dich stört, geh ich eben raus.” 

“Quatsch. Warum sollte mich das stören?”, erklingt Taehyungs tiefe Stimme. Es ist faszinierend, wie viele Facetten diese Stimme hat. Es passt aber erstaunlich gut zu ihm, denn deine Mimik hat in den letzten Minuten mindestens genauso viel Wandlung gezeigt. Yoongi seufzt erleichtert, zögert aber keinen weiteren Moment, seine Kippenschachtel aus der Hosentasche hervorzuziehen. Sein Finger zittern bestimmt, als er eine Zigarette aus der Packung herausfischt, aber er hofft, dass Taehyung das in dem schummrigen Licht des Blue Moons nicht auffällt. Keine Minute zu früh inhaliert er den giftigen Rauch und spürt, wie seine zitternden Nerven sich entspannen. Zumindest ein bisschen. Solange er Taehyunbg gegenübersitzt und sich permanent zum Vollidioten macht, wird er nicht zur Ruhe kommen.

In dem Versuch es trotzdem zu schaffen, folgt sein Blick dem blauen Dunst, den er ausatmet und lässt sich von ihm leiten. Oder verleiten. Schließlich bleibt sein Blick wieder an der Bar kleben, hinter der Jimin bunte Drinks zusammen mixt. Seine Bewegungen sehen noch immer aus wie ein perfekt inszeniertes Bühnenstück. Jede noch so kleine Bewegung wirkt, als habe Jimin sie wochenlang eingeprobt. Es ist zum verrückt werden, dass Jimin selbst aus der Entfernung noch so unfassbar gut aussieht. 

“Du magst Jimin wirklich, hm?”, fragt Taehyung und kurz denkt Yoongi, dass er schon wieder zu auffällig gafft. Zu seiner Verwunderung liegt in Taehyung Blick aber weder Abscheu noch Vorwurf. Im Gegenteil. Sein Gesicht wird von einem herzerwärmenden Lächeln geziert, dass Yoongi einfach einen Moment bestaunen muss. Das Lächeln ist so sanft, dass selbst der teure Seidenstoff seines Hemdes dagegen wirkt wie kratzige Wolle. Es ist faszinierend, auch wenn Yoongi sich fragt, was ihm dieser Blick sagen soll. Freut sich Taehyung? Oder geht es ihm womöglich genauso wie ihm? Er könnte es ihm nicht verübeln, wenn er von Jimins Antlitz genauso überwältigt wäre wie er. Und wenn er ehrlich zu sich selbst ist, wünscht er sich für Jimin, dass es so ist. Er wäre mit jemanden wie Taehyung wesentlich besser bedient, als mit so einer Lachnummer wie Yoongi. Musik hin oder her. 

“Ja. Schon”, antwortet er knapp auf Taehyungs Frage und bevor er sich selbst bremsen kann hat die Frage auch schon seine Lippen verlassen, obwohl er sie für sich behalten wollte. “Du auch, oder?”

Das sanfte Seidenlächeln geht in ein breites Grinsen über. “Natürlich! Ich meine, wie kann man Jiminie auch nicht mögen? Er ist der liebste und beste Mensch, den ich kenne!” 

Das kann Yoongi bestätigen, obwohl er ihn streng genommen noch gar nicht lang genug kennt, um darüber eine verifizierte Aussage treffen zu können. Er hat wenn überhaupt nur einen winzigen Einblick in Jimins Persönlichkeit erhalten. Und dennoch ist sich Yoongi sehr sicher, dass Taehyung Recht hat mit seiner Behauptung. Und er muss es ja immerhin wissen. Schließlich sind sie Freunde. Und das bestimmt schon eine ganze Weile, wenn er das jetzt einschätzen müsste. Wie lange die beiden sich wohl schon kennen? Yoongi würde es gerne wissen.

“Wie lange kennt ihr euch jetzt eigentlich?”, fragt er daher und ist gleichzeitig stolz, dass er mal nicht klingt wie der reinste Versager. Das war doch gut, oder nicht? Es klang nicht pervers, verzweifelt oder unhöflich. Also fast wie ein richtiges Gespräch. 

Taehyung seufzt schwer und lässt sich nach hinten in die weichen Polster der Lounge zurückfallen. “Uff. Wir kennen uns jetzt bestimmt schon zwei Jahre." Taehyungs Blick schweift durchs Blue Moon und wirkt dabei nachdenklich, auch wenn seine Lippen immer noch ein lieblichen Lächeln ziert. "Ich hab ihn damals hier im Blue Moon kennengelernt. Seit dem Tag glaube ich übrigens, dass es das Schicksal wirklich gibt. Anders kann ich mir unsere Connection nicht erklären… Ich war voll am Ende und es war irgendwie so, als hätte das Schicksal genau auf diesen Moment gewartet, um mir Jimin zu schicken. Jetzt kann ich mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen… Und am Ende haben wir das tatsächlich nur dir zu verdanken!” 

Yoongi ist beeindruckt, welch tiefes Band die beiden zu verbinden scheint. Dabei sind es in erster Linie gar nicht seine Worte, die ihn zu der Annahme führen, sondern das Funkeln in Taehyungs Augen, während er dies sagt. Yoongi kommt sich total albern vor. 
“Kaum zu glauben”, erwidert er deswegen auch nur trocken. 

“Ist aber wirklich so”, antwortet Taehyung inbrünstig. In seinen Augen lodert weiterhin das gleiche Feuer. Je länger es brennt, desto lächerlicher kommt sich Yoongi vor. Insgeheim hatte er dann wohl doch die Hoffnung, dass er eine Chance bei Jimin haben könnte (eine Chance worauf auch immer, so genau möchte er das nicht definieren, ist ja so schon absurd genug). Die Hoffnung ist nun zerschmettert. Jimin hat jemanden wie Taehyung in seinem Leben. Damit hat er doch alles, was er braucht. Und wenn es etwas gibt, dass Taehyung ihm nicht bieten kann, dann kann Yoongi es erst Recht nicht. Es hätte ihm von vornherein klar sein müssen. Jimin sieht in ihm wirklich nur AgustD, den talentierten Rapper, in dessen Musik er mehr reininterpretieren kann, als die Realität hergibt. Und selbst dabei überdeckt diese Vorstellung das Bild des tatsächlichen Yoongis. Ergo: Jimin mag vielleicht die Illusion von AgustD, aber niemals würde er Gefallen an Min Yoongi finden. 

“Willst du mir vielleicht erklären… warum? Du an Schicksal glaubst? Oder das Schicksal dich mit Jimin verbindet?”, überwindet sich Yoongi zu fragen und fragt sich dabei gleichermaßen, wen er mit dieser Erklärung eigentlich mehr quälen möchte. Taehyung, der sicher keine logische Erläuterung wird abliefern können, oder sich selbst? Ist ja nicht so, als bräuchte er noch mehr eindeutige Beweise dafür, wie besonders sein Gegenüber ist. Und wie sehr er im Vergleich dazu abstinkt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auf den ersten Blick erscheint Taehyung vielleicht ein bisschen seltsam, weil er kindliche Begeisterung mit Gucci kombiniert und das ganze als selbstbewusste Attitüde in die Welt trägt. Aber nach zwei Minuten Gespräch mit ihm merkt man schon, dass nichts an ihm seltsam ist. Er ist allenfalls erfrischend. Yoongi riecht hingegen wie der abgestandene Bio-Müll in deiner Küche, der vor ‘ner Woche schon hätte entsorgt werden müssen. 

Tja. Scheiße, wenn man niemand anderes sein kann, als man selbst. 

Zum Glück kriegt Taehyung nicht mit, wie die Schatten wieder in seine Gedankenwelt einkehren. Stattdessen antwortet er tatsächlich auf Yoongis Frage.  
“Alsooo”, beginnt Taehyung und holt tief Luft, um zu einer längeren Erklärung anzusetzen, “vor zwei Jahren hat Jimin auch schon hier gearbeitet. Ich war an dem Abend das erste Mal hier. Du musst wissen, ich komme eigentlich nicht von hier, sondern ursprünglich aus Busan. Oder viel mehr aus der Nähe davon. Ich bin auf einer ziemlich großen Farm aufgewachsen, die meinen Eltern gehört. Sie wollten auch immer, dass ich den Familienbetrieb fortsetze, aber nun ja… Ich hatte eher andere Pläne.
Vor gut zwei Jahren habe ich mich dann das erste Mal hier an der Musikuniversität angemeldet. Die Aufnahmeprüfung bestand darin, dass wir ein innovatives Stück vorspielen sollten. Genauer ging die Beschreibung echt nicht… Ich hatte keine Ahnung, was sie von mir wollten, aber bin trotzdem ambitioniert an die Sache rangegangen. Hab’ mich für einen Klassiker entschieden und ihm ‘ne moderne Note eingehaucht. Ich fands eigentlich ziemlich gut, aber die Jury war überhaupt nicht begeistert… und dann haben sie mich abgelehnt.” Taehyung macht eine kurze Pause, in der er ein paar Mal tief durchatmet. Die Erinnerungen scheinen ihn auch heute noch schwer auf der Seele zu liegen, denn Yoongi erkennt nun auch über seinen Blick einen dunklen Schatten huschen. Sie scheinen vor niemanden Halt zu machen, nicht einmal vor so einer schillernden Persönlichkeit wie Taehyung.

“Oh nein”, erwidert Yoongi intuitiv, “das tut mir leid.” 

“Muss es nicht”, winkt Taehyung sofort ab. “Die Geschichte ist an dem Punkt ja noch nicht vorbei. An dem Tag, an dem ich die Absage bekommen hab’, bin ich abends zum ersten Mal im Blue Moon aufgeschlagen. Ich war natürlich total fertig mit der Welt und hatte hier in Daegu niemanden, mit dem ich reden konnte. Ich hab’ vorher mit meinen Eltern telefoniert und auch mit meinen Freunden aus der Heimat, aber die haben mir alle nur gesagt, dass das ein Zeichen dafür ist, dass ich zurückkommen soll. Die Farm von meinen Eltern übernehmen. Das Musik ein schönes Hobby ist, aber nun mal kein Beruf… Echt… Es war so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich hören wollte. Also wollte ich gar nichts mehr hören und hab’ mich hier auf die Tanzfläche geworfen. Solange, bis ein Song gespielt wurde, der mich total gefesselt hat. Ich bin direkt zur Theke und hab’ den Barkeeper gefragt, wie der Song heißt. Und dann hat er gar nicht mehr aufgehört von dem Song und dem Interpreten zu schwärmen. Das war übrigens Jimin und der Song, der mich so begeistert hat, war dein Nevermind.”  

Taehyungs Miene hellt sich mit jedem weiteren Satz weiter auf, sodass Yoongi schließlich das breite, kindliche Grinsen wiedersehen kann. Die Schatten sind vorbeigezogen, wie dunkle Gewitterwolken. Bei Yoongi ziehen sie nie einfach vorbei. Bevor er aber was dazu sagen kann, redet Taehyung weiter. 

“Ich hab mich an dem Abend mit Jimin angefreundet und ich hab ihm von meinem Dilemma mit der Aufnahmeprüfung erzählt. Ich weiß auch nicht, wie sich das alles entwickelt hat, aber am Ende des Abends hat er mich davon überzeugt, dass ich es unbedingt nochmal probieren sollte. Nur hat er mir dazu geraten, dass ich einen Song von dir spielen sollte. Vielleicht in der klassischen Version? Quasi umgekehrte Psychologie oder so einen Schwachsinn hat er mir damals erzählt. Aber am Ende hab’ ich es dann wirklich gemacht. Und soll ich dir was verraten? Keine zwei Wochen später hatte ich die Zusage für die Uni. Die Prüfer waren total begeistert!” 

Yoongi lauscht Taehyungs Erzählung aufmerksam. Es ist spannend ihm zuzusehen, wie seine Mimik das Gesagte mit hingebungsvoller Präzision unterstreicht. Er spürt regelrecht, was Taehyung gerade fühlen muss und das findet Yoongi wirklich erstaunlich. Er scheint ein offenes Buch zu sein, was seine Emotionen angeht. Aber es passt zu ihm, das weiß er jetzt. Seine makellose Schönheit ist nur ein Aspekt in diesem Kunstwerk Taehyung. Seine offene Art nur eine weitere Facette. Nur hat Taehyung eines nicht bedacht. Seine Wahrnehmung spielt ihm einen Streich, denn er sieht in Yoongi einen Helden. Einen Helden, der er nicht ist. Wäre Jimin damals nicht gewesen, dann hätte Taehyung sich niemals für seinen Song entschieden. Es war nicht Yoongi, der ihm beim zweiten Anlauf der Aufnahmeprüfung geholfen hat, sondern Jimin.

“Das ist… schön”, bringt Yoongi mühselig über die Lippen, obwohl er sich im Inneren aufrichtig darüber freut, dass Taehyungs Geschichte noch zu einem Happy End gefunden hat. 

“Das ist es”, stimmt Taehyung ihm glücklich lächelnd zu und erhebt erneut sein Glas. Die geschätzten fünf Zigaretten zwischendurch haben immerhin verhindert, dass Yoongi seinen Cocktail schon ausgetrunken und jetzt ist er beinah froh darüber, dass sie erneut miteinander anstoßen können. 

“Also… auf dich”, deklariert Taehyung stolz und besiegelt das Gesagte mit einem lauten Klirren. 

“Eher auf… Jimin”, widerspricht Yoongi sofort. “Er ist doch der Held in deiner Geschichte.” 

“Mh? Hast du mir nicht zugehört?”

“Doch?”

“Aber dann weißt du doch, dass das nicht stimmt. Also ja, Jimin hat den Anstoß dafür gegeben, aber der Held von dieser Geschichte bist du. Nevermind. Durch deinen Song habe ich den Mut gefunden.” 

Als Yoongi auf diese Aussage nichts erwidern kann, sondern stattdessen nur unangenehm berührt an seinem Strohhalm hängt, fühlt sich Taehyung dazu ermuntert weiterzusprechen. Er stellt sein Glas zur Seite und gestikuliert diesmal aufgeregt mit seinen Händen. 
Yoongi”, sagt er eindringlich, “weißt du eigentlich, wie oft ich diesen Song gehört habe? Auf der Tanzfläche das erste Mal, aber einmal verändert deine Welt noch nicht. Ich war damals echt am Ende und am Zweifeln. Mir haben quasi alle gesagt, dass meine Träume scheiße sind. Dass ich zurückkommen soll, um Farmer zu werden. Ich hab’ das Farmerleben schon als Kind gehasst. Aber damals hab’ ich echt darüber nachgedacht, ob ich nicht vielleicht trotzdem dafür gemacht bin. Ob ich vielleicht einfach nicht das Zeug für meinen eigenen Traum habe.
Und dann kam dein Text. Nevermind. Ich hatte endlich das Gefühl, dass mich jemand versteht. Dass jemand so denkt wie ich! Die Worte haben sich angefühlt, als kämen sie direkt aus meinem Inneren und nur deswegen waren sie lauter als alles andere, was irgendwer zu mir gesagt hat. Einschließlich Jimin. Die anderen haben zu mir gesprochen, aber du hast in mir gesprochen. Kein Plan, ob das noch irgendwie Sinn für dich ergibt… Ich will nur sagen, du hast mit deinem Lied wirklich mein Herz berührt. Und das ist es, was mich am Ende gerettet hat. Deswegen bist DU mein Lebensretter.” 

"Das siehst du falsch", schafft Yoongi zu antworten, und diesmal ist er beinah genauso engagiert in seiner Äußerung wie sein Gegenüber selbst. Weil auch er Taehyung diesmal von seiner Ansicht überzeugen will und dafür wird wohl mehr als ein Satz notwendig sein. Yoongi ist kein Lebensretter. Und das wird er auch niemals sein.  "Du und Jimin, vielleicht war das Schicksal. Aber wenn es das ist, dann hättet ihr euch auch ohne meinen Song angefreundet. Dann hätte ein anderes Lied gespielt und ihr hättet trotzdem zueinander gefunden. Jimin hätte auf dich eingeredet, bis du deine Meinung geändert hättest und es nochmal bei der Uni probiert. Und mit einem anderen Song hätten sie dich dann angenommen. Der Unterschied zum ersten Versuch war einfach, dass du jemanden gefunden hast, der an dich geglaubt hat. Und das war viel wichtiger als mein Song.”

Stille kehrt ein. Yoongi glaubt, dass Taehyung es jetzt endlich verstanden hat und diese neue Erkenntnis einfach Zeit braucht, um richtig anzukommen. Er nutzt die Gelegenheit, um sich eine weitere Zigarette anzuzünden. 

“Yoongi?”, kommt es plötzlich von Taehyung und in seinen Augen kämpfen Enttäuschung und Kampfgeist gleichermaßen miteinander. Wovon er enttäuscht ist, lässt sich leicht beantworten. Natürlich enttäuscht Yoongi ihn. Aber wofür will er noch kämpfen? Yoongi hat fest damit gerechnet, dass das Thema jetzt beendet ist.

 “Darf ich dich noch eine Sache fragen?”

Eigentlich reicht es Yoongi. Er möchte nicht weiter mit dem anderen diskutieren. Aber er ist auch in diesem Punkt zu schwach. "Klar, frag ruhig", antwortet er knapp. 

"Wenn du denkst, dass deine Musik sowieso nichts in deinem Zuhörer auslösen kann. Wieso machst du dann überhaupt Musik?”

   

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