-~20~- Etwas ironisch, aber nicht unpassend

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Laurel kam etwas zu spät, als am nächsten Tag die Zeit unserer Verabredung gekommen war, sodass ich mich bevor sie kam, noch etwas mit Molly über den Fall unterhalten konnte. Ich erklärte ihr, was passiert war, begonnen mit dem Kennenlernen von Sherlock, über den Wettbetrug und das tote Pferd bis zu meinem gestrigen Kontrollverlust.
Am Anfang war ich vorsichtig gewesen, mit meiner Wortwahl, doch es stellte sich heraus, dass Molly erstaunlich vertrauenswürdig war und dass man offen mit ihr reden konnte.
,,Vielleicht braucht er das", sagte sie nachdenklich. ,,Vielleicht braucht er jemanden, der ihm sagt, wann eine Grenze erreicht ist."
Ich dachte über ihre Worte nach, doch kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten, da Laurel endlich angekommen war.

______

Wenig später gingen Molly, Laurel und ich im Park spazieren. Jeder von uns hatte einen Kaffee in einem Pappbecher in der Hand, von dem Kiosk am Eingang des Parks. Es war wunderschönes Wetter, die Bäume besaßen ein saftiges Grün und es waren nur wenige Menschen im Park. Einige Hundebesitzer drehten ihre Runden, andere Passanten nutzten den Park als Abkürzung zu ihrer Destination und wieder andere gingen einfach nur spazieren, wie wir.

Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, zur Zeit eher über Mollys Verlobten.

,,Wir haben uns im Kino kennengelernt", erklärte sie und lächelte leicht. ,,Er hat mir seine Cola über meine Jacke geschüttet."
Sie lachte lautlos und Laurel und ich schlossen uns an.
,,Ich weiß, es war klischeehaft, aber irgendetwas an ihm hat mich angezogen."
,,Solange es funktioniert, ist es doch egal wie es angefangen hat", warf Laurel ein und Molly nickte enthusiastisch.
,,Was arbeitet er?", wollte ich wissen.
,,Er ist investigativer Mitarbeiter und Assistent bei Royal Ascot", erwiderte Molly und ich blieb abrupt stehen.
,,Wir reden hier von Jake Wright?", fragte ich überrascht.
Molly blieb ebenfalls stehen und sah zu mir zurück, genau wie Laurel. Erstere nickte und musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
,,Du kennst ihn?"
,,Ja, er ist mein Assistent", gab ich zu.
,,Die Welt ist ein Dorf!", rief Laurel belustigt.

Wir gingen weiter, redeten und lachten - im positiven Sinne - noch etwas über Jake, über Laurels Umzug und ihre Arbeit, bis wir auf das Thema kamen, auf das ich eigentlich hinaus gewollt hatte.

,,Wie ist es denn so mit Sherlock Holmes zu arbeiten?", fragte Laurel schließlich und betonte dabei den Namen des Detektivs als wäre er eine komplett neue und unerforschte Spezies.
,,Nervenaufreibend und nicht wirklich zielführend", erwiderte ich knapp und war mir dabei sicher, dass man die Kälte, die von meiner Stimme ausging, spüren konnte.
,,Das klingt ja nicht gerade überzeugend", merkte Laurel an und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee.

,,Ich habe großen Mist gebaut, meinen Arbeitgeber angelogen und Sherlock die Schuld dafür gegeben", fuhr ich leise fort und hielt mich krampfhaft an meinem Becher fest.
,,Nervenaufreibend klingt nach Sherlock, Schuld hat er sicherlich auch, nicht zielführend dagegen... eher nicht", sagte Molly. ,,Sherlock tut alles aus einem bestimmten Grund. Frage dich, welcher das ist."
Ich beobachtete sie dabei, wie sie wieder begann, an ihrer schwarzen Jacke herumzuzupfen.
,,Er hat den Zugang zu seinem Gedächtnispalast verloren und ist ein arrogantes Arschloch", stellte ich trocken fest und Laurel neben mir verschluckte sich beinahe an ihrem Heißgetränk. Sie sah mich forschend an.
,,Klingt ja fast, als hättest du dich in den Typen verknallt. Ich habe dich noch nie so über jemanden reden gehört", sagte sie dann.
,,Ich habe noch nie so jemanden getroffen", erwiderte ich verärgert.

Nein, verliebt war ich sicher nicht. Natürlich hatte Sherlock es angesprochen, im Konzertsaal vor unserem Einbruch, aber ich war zu dem Entschluss gekommen, dass die Gefühle meinerseits nicht existieren sollten. Dieser Mann verursachte nur Probleme, trotzdem mochte ich ihn - als Freund. Sicher.

,,Sherlock ist einzigartig - auf gute und schlechte Weise. Aber Laurel hat recht, mit dem, was sie gesagt hat und wenn Sherlock nicht zielführend arbeitet, geht es ihm genauso - das denke ich zumindest. Er versucht Zeit zu gewinnen. Zeit mit dir", erklärte Molly. Ich warf ihr einen bösen Blick zu, er war nicht intentionell, aber es passierte einfach.
,,Für ihn bin ich genauso normal und durchschnittlich, wie jeder andere", erwiderte ich.
,,Genau wie John und doch sind die beiden beste Freunde."
,,Ja, Freunde, aber keine... Ihr wisst schon", antwortete ich nuschelnd auf Mollys Aussage. Der Fußweg mit seinen vielen kleinen Steinen war plötzlich überaus interessant. ,,Außerdem wollte ich auch nicht über... das hier... sprechen." Ich riss meinen Blick von dem silbern schimmernden Kies los und sah wieder zu meinen beiden Freundinnen auf.
,,Mir geht es um den Fall. Ich komme nicht weiter. Ihr wisst, wie es momentan aussieht." Ich fuhr mir mit einer Hand über das Gesicht. ,,Eigentlich dürfte ich gar nicht mit euch darüber sprechen."
,,Du kannst uns vertrauen", erwiderte Laurel lächelnd und legte eine Hand auf meine Schulter.
,,Wir werden nichts herumerzählen, versprochen."
Ich seufzte und nickte anerkennend.
,,Jedenfalls sieht es erstmal so aus, als würde ich in nächster Zeit ohne Sherlock arbeiten müssen", gab ich zu. Ich hatte meinen Kaffee immer noch nicht angerührt und inzwischen war er nur noch unangenehm lauwarm, was mich dazu verleitete, ihm auch weiterhin keine Aufmerksamkeit zu schenken, außer ihn in anderer Hinsicht als mentalen Stützpfeiler zu missbrauchen. Ich hielt mich weiterhin an ihm fest.
,,Er hat mich wieder dazu aufgefordert, für ihn zu betrügen. ,Es ist alles für den Fall', hat er gesagt. Ich weiß nicht, ob ich ihm vertrauen kann."

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Molly den Kopf schüttelte.
,,Du sagt, du kommst nicht weiter mit dem Fall. Er kommt weiter. Du musst nur richtig mit ihm zusammen arbeiten. Du brauchst ihn. Auch wenn er manchmal... schwierig ist, wenn es tatsächlich um etwas gehen sollte, kann man sich immer auf Sherlock verlassen. Er ist kein Soziopath, er entscheidet sich dazu, sich wie einer zu verhalten. Und wenn es dir wirklich nur um den Fall geht, dann musst du ihm vertrauen", sagte sie. Sie sah zu mir herüber, ihren Kopf hatte sie leicht schräg gelegt. In ihren rehbraunen Augen lag Aufrichtigkeit und ich wusste, dass sie recht hatte.

Ich musste Sherlock vertrauen. Eigentlich hatte ich auch gar keine andere Wahl, denn die Alternative war es, bei einer Straftat erwischt zu werden. Ich musste darauf vertrauen, dass er wusste, was er tat oder ich hörte hier und jetzt auf und früher oder später würde herauskommen, dass wir in Owens Hotelzimmer eingebrochen waren.
,,Du hast recht", sagte ich deshalb zu Molly.

Wir unterhielten uns noch ein wenig und gingen weiter durch den Park. Als nach einer Weile jedoch Wolken aufzogen und ein unangenehmer Wind begann zu wehen, entschlossen wir uns, unser Treffen an einem anderen Tag fortzusetzen.

______

Ich ging die Treppen zur ersten Etage in Richtung meiner Wohnung nach oben und bog in den Flur ab, als ich schon von weitem vor meiner Tür einen, mit einer grünen Schleife geschmückten Blumentopf sah. Je näher ich kam, desto besser konnte ich die Pflanze erkennen, die darin stand und ich fragte mich, wo sie herkam. Es war eine Venusfliegenfalle, schrill grün mit roten Details. An der Schleife hing ein vorgedrucktes Schild.

Ich hob die Pflanze vom Fußboden auf und betrachtete sie genauer. Ich nahm das beige Schild zwischen zwei Finger. ,,Happy Birthday", stand in geschwungener Schrift darauf, auch wenn es so aussah, als ob man versucht hatte, es mit einem nicht mehr funktionierenden Kuli durchzustreichen. Hatte man vielleicht meine Tür verwechselt?

Ganz davon abgesehen, dass mein Geburtstag erst in ein paar Monaten, im Winter war, war mein Interesse an Pflanzen eher geringfügig, besonders an so einer speziellen Moorpflanze, die von ihrem Halter in erster Linie nicht nur Wasser verlangte, sondern auch Futter. Es wäre wohl kaum das richtige Geschenk für mich und doch stand sie hier, vor meiner Tür.

Skeptisch drehte ich das kleine Schild zwischen meinen Fingern. Auf der Rrückseite waren zwei Buchstaben geschrieben: LC. Die Mühe für diese Initialen hielt sich laut der nicht vorhandenen Schönschrift in Grenzen und doch erhielt ich davon die nötigen Informationen. LC waren meine Initialen, die sonst keiner in diesem Wohnhaus trug. Also war die Pflanze doch für mich gedacht.

Ich fragte mich, wer Sender dieser merkwürdigen Nachricht war, obwohl meine Vermutungen in Richtung eines bestimmten Nachbarn schweiften. Warum zum Teufel sollte er jedoch gerade diese Pflanze auswählen?

_______

Eine längere innere Diskussion und vier Teetassen später stand ich vor der Tür des gegenüberliegenden Hauses und drückte auf die Klingel. In meiner linken Hand trug ich die fleischfressende Pflanze.
John öffnete die Tür und lächelte mich erst an, bevor sein Blick fragend wurde und auf die Venusfliegenfalle wanderte. Er zog eine Augenbraue nach oben.
Er trug einen hellen Strickpullover - meiner Meinung nach viel zu warm für diese Jahreszeit. Etwas orangefarbener Babybrei klebte auf seiner rechten Schulter und seinem linken Knie - vermutlich Karotte.

,,Hallo John", begrüßte ich ihn und schenkte ihm ein warmes Lächeln. ,,Tut mir leid, dass ich gestern so... laut geworden bin." Verlegen zupfte ich mit meiner freien Hand an meiner Hosentasche herum.
,,Kein Problem, Liv. Ich werde auch nicht selten laut in Sherlocks Gesellschaft. Ich war überrascht, dass du nicht eher die Fassung verloren hast." Er schmunzelte.
,,Danke für die Blume... Auch wenn die Auswahl etwas... interessant ist? Hast du versucht, so zu handeln, wie Sherlock es tun würde?", fragte ich ihn und er musterte mich irritiert.
,,Nein... Ich... Die Pflanze ist nicht von mir."
,,Nicht?"

Wer hatte sie mir dann vor die Tür gestellt? John war es nicht, laut eigener Aussage, Laurel und Molly waren bei mir, Sherlock würde soetwas nicht tun. Vielleicht Jake? Oder Luke? Ihn hatte ich schon länger nicht mehr gesehen. Aber warum sollte mir einer der beiden... soetwas schenken?

,,Wer dann?", fragte ich John und ich beobachtete ihn dabei, wie er sein Gewicht unsicher von einem Bein auf das andere verlagerte.
,,Sherlock hat etwas von Dionaea muscipula erzählt. Ich wusste aber nicht, wofür er es gebraucht hatte."
Ich stutzte. ,,Er hat mir die Blume vor die Wohnungstür gestellt?"
John zog fragend die Schultern hoch und deutete mir mit einer Geste, einzutreten.
,,Fragen Sie ihn doch selbst, er ist da."

Ich nahm seine Einladung gerne an und beeilte mich, die Treppen hinauf zu kommen. Die Tür war wiedermal nur angelehnt und ich öffnete sie ruckhaft.

,,Haben Sie noch nie etwas von Anklopfen gehört?", fragte mich der Detektiv unmittelbar, als ich eintrat. Er lag im Morgenmantel auf dem Sofa, sein Blick und seine Aufmerksamkeit vollkommen auf das silberne Gerät in seinen Händen fixiert.
,,'Tschuldigung", nuschtelte ich etwas verlegen.
Ganz davon abgesehen, dass es später Nachmittag war und seine Kleidungsordnung vollkommen unpassend war, da er einen Besuch meinerseits sicherlich erwartet hatte, schien er sich nicht groß für mich zu interessieren.

,,Sherlock, was ist das?", platzte ich deswegen ungelenk raus, um seine Aufmerksamkeit zu erregen - mit mittlerem Erfolg.
,,Dionaea muscipula, auch bekannt als Venusfliegenfalle. Angehörig zur Familie der Sonnentaugewächse", rattete er seinen innerlichen Wikipediaartikel runter, würdigte mich dabei jedoch keines Blickes, ganz im Gegensatz zu dem Wettcomputer in seinen Händen.
,,Ich sehe, es geht Ihnen besser", stellte ich fest. Er schien sich die Dinge wieder besser merken zu können. ,,Aber wirklich Sherlock, warum eine Venusfliegenfalle?"
,,Venus ist die Göttin der Liebe, sexuellen Affinität, der Schönheit und Eigenwilligkeit, ich empfand die Pflanze, die diesen Namen trägt als würdig für eine Entschuldigung", erklärte er und sah mich nun tatsächlich an.

Er entschuldigte sich bei mir? Sherlock Holmes? Ich fühlte mich wie im falschen Film.
,,Sie verdaut ihre Beute am lebendigen Leibe", erwiderte ich etwas verwirrt.
,,Das ist nur eine unbedeutende, wenn auch interessant morbide Nebensächlichkeit. Bei weiterer Deliberation vielleicht auch etwas ironisch, aber nicht unpassend", antwortete er und vertiefte seine Gedanken wieder in dem elektronischen Gerät.

Ich lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. John trat hinter mir in das Wohnzimmer und ich warf ihn einen warmen Blick zu.
Ja, Sherlocks Geschenk war anders gewesen, seine Beweggründe etwas unorthodox, doch irgendwie war es... süß.
Er hatte sich Gedanken gemacht, weil ich sauer auf ihn war - gewesen war - und das Geschenk mir zukommen lassen, sogar ohne in meine Wohnung einzubrechen.
Ich lächelte leicht und machte schnell einige Schritte auf ihn zu, um ihn einen Kuss auf die Wange zu geben. Seine Reaktion war fast unmerklich, besonders weil mir selbst die Hitze in die Wangen stieg und ich so mit mir beschäftigt war. Ich richtete mich wieder auf und sah lächelnd auf ihn herab. Er schenkte mir einen Blick. Seine Augen waren ihm fahlen Licht grau, doch sie waren tief, so tief, dass ich fürchtete, in ihnen zu versinken.

Ich schüttelte den Gedanken ab und sagte deswegen schnell: ,,Meine Unprofessionalität tut mir leid. Ich würde mich freuen, wenn wir wieder richtig zusammenarbeiten könnten."

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