-~21~- Ich gehe heute Abend mit ihm essen

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Das Tippen meines Kugelschreibers auf der Tischplatte meines Schreibtisches war unaufhörlich. Ich konnte es einfach nicht unterlassen, das Ende des Kulis immer wieder darauf niederfallen zu lassen, nur um ihn dann wieder ein kleines Stück anzuheben, damit ich ihn wieder zwischen meinen Fingern nach unten fallen zu lassen.

In zwei Tagen stand das nächste Rennen bevor. Es war klein, nichts besonderes und doch gab es viel vorzubereiten. Doch meine Gedanken wollten einfach nicht an meinem Arbeitsplatz bleiben. Sie waren viel eher bei einem bestimmten Lockenkopf, der mich am Abend zum Essen eingeladen hatte. Zum Essen!

Ich wusste, was mit mir los war und es wurmte mich. Ich wollte mich nicht verlieben, besonders nicht in ihn. Und doch war da etwas in mir, was unbedingt jede Sekunde meiner freien Zeit mit ihm verbringen wollte.

Nein. Ich wollte es nicht und trotzdem tat ich es... Schließlich hatte ich auch ein wenig mit ihm gemeinsam. Naja... Vielleicht auch etwas mehr. Irgendwie, auf irgendeine merkwürdige Art und Weise waren wir uns ähnlich und doch so verschieden.

Ich kniff die Augen zusammen und atmete ein paar Mal tief durch. Nein, ich würde mich jetzt zusammenreißen.

In diesem Moment klopfte es an meiner Bürotür und Tessa trat ein. Sie hatte ihre schwarzen Haare wiedermal ordentlich hochgesteckt und trug den gleichen blauen Arbeitsblazer, wie ich ihn trug.

,,Hey Liv", begrüßte sie mich lächelnd.
,,Hallo Tessa", erwiderte ich und zog die Augenbrauen fragend nach oben, um sie zum Sprechen aufzufordern.
,,Ich bräuchte mal die Teilnehmerliste. Ich weiß, es ist noch etwas früh, aber du bist damit ja immer schon zeitiger fertig als nötig und..."
Sie stockte, als sie meinen entschuldigenden Gesichtsausdruck sah. Nervös biss ich mir auf meine Unterlippe.
,,Diesen Monat... bist du noch nicht soweit?", erkannte sie richtig, wobei ich ihren Unglauben in ihrer Stimme gut hören konnte.
,,Ja, ähm... Tut mir leid, ich kam noch nicht dazu." Ich versuchte zu lächeln, doch sie erkannte, dass ich etwas verheimlichte.
In Wahrheit wollte ich heute morgen damit anfangen, doch ich konnte mich nicht konzentrieren, da meine Gedanken immer wieder zu... dem. Fall. angedriftet waren. Normalerweise wäre ich jetzt schon damit fertig, doch dank meiner verschwommenen Gedankengänge hatte ich noch nicht einen einzigen Namen überprüft.

Ich hatte noch nie erlebt, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Es war, als wäre eine riesige Wolke in meinem Kopf, durch die ich mich erst durchkämpfen musste, bevor ich denken konnte.

,,Darf ich fragen, wie es dazu kommt, dass du... Noch nicht fertig bist?", fragte Tessa vorsichtig und erinnerte mich damit an ihre Anwesenheit.
,,Meine Gedanken hängen einfach noch an dem Fall. Er lässt mich nicht los", erwiderte ich.
,,Ist Mr. Owens nicht inzwischen schon wieder abgereist? Warum schließt du die Fallakte nicht?", fragte sie und ich wusste, dass sie mit ihrer Frage darauf hinauswollte, dass ich die Akte nicht wegen dem Fall nicht schloss, sondern wegen eines Menschens. Normalerweise würden als 'Hoffnungslos' eigenstufte Fälle nach spätestens zwei Wochen geschlossen werden, um den Arbeitsfluss nicht zu stören. Falls später neue Indizien entdeckt werden, konnte er wieder aufgerollt werden, aber bis dahin wurde gewöhnlicherweise nicht weiter daran gearbeitet.

Ich fuhr mir ertappt mit einer Hand über das Gesicht. ,,Ich gehe heute Abend mit ihm essen."
,,Na siehst du! Geht doch", freute sie sich und ich konnte nicht anders als leicht zu lächeln.
Ihr freudiger Gesichtsausdruck wandelte sich jedoch recht schnell in einen skeptischen um und sie musterte mich misstrauisch.
,,Aber...?", wollte sie wissen.
,,Ich kann mich nicht in diesen Mann verlieben", erklärte ich trocken.
,,Warum nicht?", fragte Tessa und verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Er ist ein wertvoller Arbeitskollege. Das setze ich nicht wegen ein paar dämlichen Gefühlen aufs Spiel. Außerdem-"
,,Außerdem was? Ach Liv, seit ich dich kenne, hast du dich nie für Männer  interessiert. Du warst immer zu anspruchsvoll, aber er erfüllt alle deine Kriterien. Langsam wird es Zeit!"
,,Ja, aber doch nicht er! Er ist arrogant, egoistisch-"
,,Klug, hübsch, genau wie du!", ergänzte Tessa und ich erstach sie mit meinem Blick.
,,Das habe ich jetzt nicht gehört", gab ich vor und versuchte so zu wirken, als würde ich etwas in den Computer eintragen, aber ich scheiterte kläglich an meinem fehlenden Augenkontakt mit dem Bildschirm.

,,Komm schon", forderte sie mich sanft auf und ich suchte wieder ihren Blick. Ich seufzte ergeben. Sie hatte ja recht. Was hielt mich auf, mein Leben zu leben? Wo war der Sinn in der ständigen Arbeit und der Formalität? Den Regeln und Normen? Mein Körper schrie nach Sherlock Holmes, laut seinem Hormonspiegel, und warum sollte ich ihm nicht geben, was er wollte?

,,Also gut", gab ich mich geschlagen und Tessa stieß einen leisen - und meiner Meinung nach übertriebenen - Freudenschrei aus.

______

Als ich am Abend vor der Tür der 221B stand, öffnete mal wieder John die Tür.

,,Er ist noch oben", sagte er knapp und legte sich eine Hand in den Nacken. Ich musterte ihn skeptisch und trat an ihm vorbei ins Haus, bevor er die Haustür wieder schloss.
Ich hatte mir extra mein nachtblaues Lieblingskleid angezogen. Es war schön, aber nicht zu schön, mit Spitze an den Schultern. Ich ging nach oben in die Wohnung und entdeckte den Detektiv auf seinem Sessel - noch in seinem blauen Morgenmantel, ohne Socken und seine Haare lagen wild über der Armlehne des Sessel, auf die er seinen Kopf gelegt hatte. Er starrte in den silbernen Wettcomputer in seinen Händen und schien mich nicht mal bemerkt zu haben.
,,Hallo Sherlock", begrüßte ich ihn knapp. Ein Gefühl der Enttäuschung machte sich in mir breit, als ich ihn so unvorbereitet sah.
,,Hey Liv", erwiderte er abwesend, ohne mir auch nur einen einzigen Blick zu schenken.
,,Und... gehen wir dann essen?", fragte ich unsicher.
,,Mmh... War das heute? Nein, ich habe keine Zeit", antwortete er mir und ich verdrehte genervt die Augen.

Das war ja klar gewesen.

,,Was haben Sie denn so wichtiges vor? Etwa Wetten abschließen?", fragte ich.
,,Da haben Sie recht", mischte sich nun auch John ein, ,,Das macht er schon den ganzen Tag. Gestern auch schon. Mrs. Hudson und ich hatten Schwierigkeiten, ihm etwas zu Essen einzuflößen."
,,Sie wollten mir ja nicht helfen, also muss ich eben auf ehrliche Weise gewinnen. Das braucht allerdings jede Menge Vorbereitungszeit", warf der Detektiv ein und ich ging energisch einige Schritte auf ihn zu und steckte meine Hand aus. ,,Gut, geben Sie mir das Ding, ich stelle es ein", sagte ich und sobald er mir den Computer überließ, stellte mit geübten Klicks in kurzer Zeit eine falsche Zahl in seiner Gewinnanzeige ein - wobei seine bisherigen Gewinne nicht zu missachten waren. Er hatte bereits mehr gewonnen, als unsere besten Kunden in ihrer Anfangszeit.
,,Sind 300.000 Pfund genug?"
,,Das dürfte reichen", grinste der Detektiv und sprang dann von Sessel auf, um auf das Sofa zuzusteuern.
,,Bleiben Sie dabei, dass Sie keine Zeit haben?", fragte ich und er gab mir nichts weiter, als ein einfaches Nicken, bevor er sich wieder in seinem Gerät vertiefte.
,,Also gut, dann sehen wir uns morgen, Mr. Holmes. Gute Nacht, John", verabschiedete ich mich und nachdem mir auch John eine gute Nacht gewünscht hatte, verließ ich die 221B wieder.

_______

Enttäuscht ließ ich mich in meiner Wohnung auf mein Bett fallen. Natürlich war er nicht interessiert. Als er sagte, er wollte sich an mich erinnern, meinte er wahrscheinlich nur, dass auch die anderen Erinnerungen wiederkommen würden, wenn er sich an mich erinnerte.
Ich versuchte meine Emotionen zu unterdrücken, mir alle Logik gegen eine Beziehung mit diesem Mann einzureden und schließlich fiel ich in einen traumlosen, unruhigen und kurzen Schlaf.

______

Am nächsten Morgen hatte ich mich wieder etwas beruhigt. Es zog noch etwas unangenehm im Bauchraum, aber der Nebel aus meinem Kopf war verschwunden und ich konnte wieder klar denken. Was war nur gestern über mich gekommen? Und doch hingen meine Gedanken zuerst wieder bei ihm, was ich versuchte, mit einer kalten Dusche zu unterdrücken, doch das machte alles nur noch schlimmer.
Meine Emotionen überschlugen sich, wie die eines Teenagers und ich verfluchte mich innerlich dafür.

Er gab so unterschiedliche Signale von sich. Zum einen sagte er, dass ich interessant wäre, aber er wollte damals nicht auf Romantik heraus. Zum anderen schenkte er mir eine Pflanze, nervte mich ständig, lud mich zu Essen ein - das er dann jedoch vergaß... Und er klärte mich einfach nicht über seinen Plan mit Owens auf.
Was wollte er nur? Wollte er etwas von mir lernen? Noch mehr Informationen sammeln? Oder war er seiner Einsamkeit überdrüssig und wollte mich tatsächlich als Freundin? Oder Geliebte?

Was wollte ich überhaupt?

Wollte ich ihn als Geliebten? Oder als Freund? Oder war es nur eine Zweckfreundschaft oder ein Arbeitsverhältnis?

Der Nebel in meinem Kopf war wieder zurück und ich musste mir Mühe geben, um mich konzentrieren zu können. Nur so kurz hatte er mich in Ruhe gelassen. Es nervte mich sehr, meinen sonst so guten Zugriff auf Logik verloren zu haben und ich stellte meine eigenen Wertvorstellungen in Frage. War es wirklich so wichtig, erfolgreich und selbstständig zu sein? Brauchte man eine Person, die einen ergänzt oder fügte man sich gemeinsam zu etwas Größerem zusammen? War Liebe eine Stütze für ein erfülltes Leben oder eine Ergänzung dafür? Wie wichtig war Intelligenz?

Ich sah mich im Spiegel an, meine nassen Haare, die kalte Tropfen auf meinem schmalen Körper verteilten. Bei jedem Tropfen, der meine Haut berührte, durchfuhr mich eine unangenehme Kälte. In meinen blauen Augen brannten Fragen über Fragen und ich fühlte mich, als würde ich in der Luft hängen - ohne einen Gedanken, an den ich mich klammern konnte. Es war so leer in meinem Kopf und doch war er so voll. Ich wollte mit jemanden darüber sprechen und gleichzeitig wollte ich es nicht. Mein Spiegelbild war in mir.

Ich griff nach dem blauen Handtuch, das auf dem Rand des Waschbeckens vor mir hing und hüllte meine frierenden Körper darin ein. Was tat ich hier nur?

Er wollte keine Beziehung. Ich wollte keine Beziehung. Wir waren uns doch einig... oder?

Die Fragen fühlten sich so leicht an. So leicht zu beantworten. Doch ich fand keine einzige Antwort, fühlte mich klein und unwissend. Ich war dazu verpflichtet mich selbst auszulachen. Es war bitter. Niemals hätte ich mir erträumt, so kitschigen Fragen nachzugehen, so primitiven Bedürfnissen, und trotzdem keinen Klärungsansatz zu finden.

Ich war lächerlich, steif, nichtig. Nicht dazu fähig, loszulassen. Mein Leben zu leben. Ich war gefangen in meinen eigenen Ansichten.

Sherlock war... Sherlock. Er nannte Liebe primitiv, animalisch und ich hatte ihm geglaubt. Und jetzt wusste ich selbst nicht mehr, ob ich mir selbst glauben konnte.

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Puh... Ein schweres Kapitel. Aber Liv steckt mit einem so komplizierten Mann in einer so komplizierten Situation. Dass sie nicht mehr weiß, was sie will ist doch fast verständlich, oder?

Was glaubt ihr, wie sie aus diesem Gedankenstrudel und vor allem der Situation wieder heraus kommt? Sie weiß nicht, ob Sherlock etwas von ihr will und sie weiß nicht mal selbst, ob sie etwas von ihm will...

Die nächsten Kapitel kommen wieder etwas langsamer, weil ich nicht gut in Romantik bin :') Ich gebe mir aber Mühe ;)

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