-~7~- Glauben Sie, dass Corgis gute Versuchstiere sind?

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Der nächste Morgen war anders.
Es war nicht das Bett, es war nicht die Wohnung, es war nicht die kühle Luftstoß, der mich an diesem Morgen weckte, weil ich am Abend vergessen hatte, das Fenster zu schließen.
Es waren auch nicht die donnernden Geräusche, die in unregelmäßigen, aber schnellen Abständen zu vernehmen waren, obgleich sie mir das Aufstehen aus meinem Bett um einiges erleichterten.

Noch leicht schlaftrunken trat ich zum Fenster in meinem Schlafzimmer. Draußen war nicht viel los. Zwar schien die Sonne, aber nur wenige Autos und Fußgänger befanden sich auf der Straße und dem Fußweg. Ich sah, dass beide Fenster zu Mr. Holmes und Johns Wohnung weit geöffnet waren, auch die Vorhänge waren zur Seite geschoben, aber ich konnte niemanden in der Wohnung erkennen.

Es dauerte weitere müde Sekunden und vier weitere, sich nun unüberhörbar als Schüsse herausstellende Geräusche, bis ich begriff, dass die morgendliche Ruhestörung tatsächlich von der Wohnung ausging, zu der ich hinübersah.

Natürlich. Langeweile. John hatte geschrieben, wenn Mr. Holmes langweilig war, würde er auf die Wand schießen.

Aber langweilte ihn der Fall tatsächlich schon?
Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er, wenn er dieses unliebsame und vor allem ohrenbetäubende Verhalten an den Tag legte, jemals die Fenster geöffnet hatte.
Aber wahrscheinlich waren es sonst immer John oder Mrs. Hudson, die dafür sorgten, dass die armen Nachbarn zumindest weitestgehend von seinen Eskapaden verschont blieben.
Also war er vermutlich allein. Allein und gelangweilt.

Ich öffnete den Kleiderschrank gegenüber von meinem Bett, neben der geöffneten Tür, die in den Flur hinausführte.
Das erste Kleidungsstück, das mir entgegenfiel wählte ich aus. Es war ein knielanges, weißes Sommerkleid, bemustert mit großen, gelb-orangen Blüten. Der Stoff war seidig und leicht. Zugegebenermaßen etwas zerknittert.

So gut wie es in der kurzen Zeit ging, bügelt ich es glatt und zog es mir über. Meine wiederspenstigen Haare steckte ich kurzerhand hoch, machte mich im Bad fertig und verließ samt Handtasche meine kleine Wohnung.

Im Treppenhaus traf ich auf Mr. Johnson. Sobald er mich entdeckte, schob er seine Brille zurecht und wetterte ungehalten los: ,,Mrs. Clark! Dieser Verückte macht das schon den ganzen Morgen! Ich hatte mich ja schon daran gewöhnt, aber jetzt lässt er dabei auch noch die Fenster offen. Ich hätte fast einen Herzinfarkt erlitten! Eingesperrt müsste er werden! Am besten gleich im Irrenhaus!"

Wenn ich mich von aufgebrachten Männern, die sich meinen Namen nicht merken konnten, aus der Ruhe bringen lassen würde, hätte ich wohl niemals als Managerin anfangen können, also schaltete ich meine gewohnte professionelle Tonlage und das dazu passende Lächeln ein und versuchte ihn aus seiner Schimpftirade herauszuholen: ,,Guten Morgen Mr. Johnson, ich war gerade dabei, herüberzugehen und um etwas Ruhe zu bitten."

Tatsächlich hielt er inne und seine Gesichtszüge wurden wieder etwas weicher. Wortlos ging er an mir vorbei und verschwand in seiner Wohnungstür.
Ich schüttelte den Kopf und verließ anschließend das Haus, nur um über die Straße zu gehen und an der nächsten Tür zu klingeln.

Mrs. Hudson ließ mich herein. Wortlos, mit besorgtem Gesichtsausdruck. Sie deutete nach oben. Sie war also doch da und oben konnte ich deutlich die aufgebrachte Stimme von John hören. Auch die Stimme des Detektivs konnte ich vernehmen, sie war ruhig, tief und teilnahmslos, jedoch genauso unverständlich wie Johns. Der Detektiv hatte also willentlich die Fenster geöffnet und keiner seiner im Haus anwesenden Bekannten konnte ihn von seinem mir noch unbekannten Plan abhalten.

Ich beeilte mich, die Treppen hinaufzukommen und drückte die nur angelehnte Tür auf. John stand einige Meter vor mir, in der Mitte des Raumes und uns schräg gegenüber, im Sessel, saß Sherlock Holmes. Die Beine über einer Armlehne übereinandergeschlagen, den Kopf über der anderen nach hinten gelegt, in einer Hand eine Handfeuerwaffe, mit der er auf den gelben Smiley an der Wand zielte. Langeweile.

John drehte sich zu mir um und in einem Gesicht lag eine Mischung aus Erleichterung und wohl auch etwas Beschämung, da ich seinen Freund in diesem Morgenmantel-tragenden, zur Aggression neigenden Zustand erwischt hatte, aber schließlich hatte dieser das selbst so entschieden.
Wir zuckten beide zusammen, als der Detektiv erneut auf die Wand schoss.
Mit einer Hand fuhr John sich über das Gesicht, stöhnte gequält auf und zog die Augenbrauen hoch.

Bevor er mich begrüßen konnte, wurde er von Mr. Holmes aufgehalten, der sich von seinem Sessel erhoben hatte und auf mich zu kam: ,,Mrs. Carter! Sie haben sich Zeit gelassen. Frühstücken Sie mit uns?"

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, bis ich Johns erneut entgleisenden Gesichtsausdruck sah.
,,Deswegen hast du die Fenster aufgerissen und diese Furore veranstaltet, Sherlock!?", rief er aufgebracht, doch der Detektiv ging nur unbeeindruckt an John vorbei in die Küche.
,,Nein", erwiderte er dann. ,,Mir ist langweilig. Mrs. Hudson, machen Sie Tee?" Seine letzte Frage war laut und klang eher wie eine Anweisung, doch als Mrs. Hudson unten nicht reagierte, kam er wieder zurück aus der Küche auf mich zu und machte augenscheinlich klar, dass er seine 'Bitte' noch einmal etwas lauter wiederholen wollte, indem er mich mit einer Handbewegung dazu veranlassen versuchte, aus dem Türrahmen zu treten.
,,Ich glaube, das schaffen wir auch allein", hielt ich ihn von seinem Vorhaben ab und stellte mich ihm demonstrativ und armeverschränkend in den Weg. Die arme Vermieterin hatte sicherlich besseres zu tun, als den arroganten Lockenkopf und seinen polaren Mitbewohner zu bedienen und trotz meiner nicht unwesentlichen Unterlegenheit, was die Körpergröße betraf, schien der Detektiv auf mich zu hören und kam vor mir zum Stehen. Glücklicherweise.

Er musterte mich kurz aber gründlich und wandte sich dann wieder von mir ab.
,,Mir war langweilig", wiederholte er. ,,Was tun normale Menschen an Wochenenden? Wer braucht überhaupt Wochenenden?"

,,Die arbeitende Bevölkerung, Sherlock", erwiderte John.
,,Ich arbeite! Ich würde arbeiten, wenn es etwas zu tun gäbe!" Der Detektiv warf die Hände missmutig in die Luft, John seufzte.

Während sich Sherlock und ich an den Küchentisch setzten, bereitete John Tee zu. Ein schlechtes Gewissen hatte ich schon, dass ich ihm nicht helfen konnte. Der Detektiv las währenddessen interessiert, oder aus andere Perspektive desinteressiert, in einer Zeitung.

Für mehr als Tee und ein paar Kekse zum Frühstück reichten die Vorräte der beiden Männer nicht, da wohl niemand der beiden WG-Bewohner einkaufen gewesen war, aber das war mir recht, denn wirklich großen Hunger hatte ich morgens sowieso nie.

,,Also... Wohnen Sie wieder hier zusammen? Und Sie arbeiten wieder im Krankenhaus, John?", fragte ich und deutete mit einer schwenkenden Bewegung meiner Hand auf die restliche Wohnung.
John räusperte sich. ,,Ja, beides richtig. Rosie braucht feste Strukturen und seit Mary..." Er brach ab, sah auf den Boden, Traurigkeit in seinen Augen.
,,Tut mir leid, ich wollte nicht-"
,,Schon gut." Er schüttelte den Kopf, als wollte er die Erinnerung abschütteln, schenkte das Wasser aus dem Teekessel in drei Tassen mit Teebeuteln ein.

Nichts war gut, gar nichts, aber ich wollte das Thema nicht weiter ansprechen und so beließ ich es dabei.

,,Wo ist Rosie?", wollte ich stattdessen wissen.
,,Sie schläft noch. Ein Wunder", erwiderte John. Er lächelte wieder.
Er stellte die drei Teetassen vor uns auf den Tisch und setzte sich Sherlock gegenüber.

,,Nichts!" Erschrocken sahen wir beide zu dem Detektiv, der die Zeitung vor sich auf den Tisch geworfen hatte und nun, nahezu trotzig, die Arme verschränkte.

,,Nichts interessantes?", fragte John gespannt.
,,Oh doch! Mycroft hat ein neues Dekret über die Zusammenarbeit mit der Eurogendfor unterschrieben!", erklärte er. Er drehte den Kopf abwertend und abwartend zur Seite.
,,Worum geht es dabei?", wollte ich wissen und schüttete etwas Milch in meinen Tee.
,,Grenzkontrollen, öffentliche Überwachung,... Vor allem öffentliche Überwachung", erwiderte der Lockenkopf missmutig. Er sah erst John an, dann mich, als hätte er vergessen, dass ich auch da war, obwohl ich gerade mit ihm gesprochen hatte.
,,Aber du hast von keinem interessanten Fall gelesen?", wollte John nun wissen.
Mein Blick wechselte von John wieder zu dem Detektiv und ich nahm einen Schluck von meinem Tee.

,,Der Diebstahl von zwei offenkundig gefälschten Gemälden in der National Gallery, Sachbeschädigung von Autos in der St. James Street, einer der königlichen Corgis hat den Kronprinzen gebissen, eine neue Droge wurde an der Grenze entdeckt und zur Forschung hier her gebracht. Nein John, bis auf letzteres, das vielleicht einen Blick wert wäre, ist gestern nichts in London passiert", schnaubte der Detektiv augenrollend.

,,Ich habe gestern von der Ermordung einer jungen Frau im Regent's Park gelesen. Das ist doch direkt um die Ecke. Wie wäre es damit?", schlug ich vor.
,,Nein, gestern Nachmittag schon gelöst. Selbstmord", erwiderte Mr. Holmes und sprang von seinem Stuhl auf. Der Tee unangerührt.
,,Mit sieben Stichwunden?", fragte ich skeptisch.
,,Gleichmäßige Einstichwunden, unterschiedliche Tiefe. Sie hat sich gleich mit einer Gartenharke erstochen", erklärte er sachlich und begann nun in der Küche auf und ab zu gehen. Er murmelte vor sich hin, wobei er wohl eher für sich selbst überlegte, als uns ernsthaft einzubeziehen.

,,Wo ist sie?", frage ich, wohlwissend ungenau, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, was durchaus funktionierte. Er blieb stehen und starrte mich an.
,,Wo ist die Harke?", präzisierte ich.
Erst antwortete er nicht und ich dachte schon, dass er die Antwort nicht wüsste, dann richtete er seinen Blick gezielt auf eine Stelle auf der Anrichte der Küche.
Ich folgte seinem Blick und sah, neben der vollgestellten Spüle und einigen Reagenzgläsern mit merkwürdig trüben Flüssigkeiten, den Kopf der Gartenharke, ohne Stiel. Sieben Zinken, alle unterschiedlich lang, präpariert, sodass sie scharf wie Klingen waren. An ihren Spitzen war eine eingetrocknete, rote Flüssigkeit hinuntergelaufen und hatte den gesamte hölzernen Teller, der darunter stand, in einen tiefen bordeauxton getränkt.

Mir wurde augenblicklich schlecht. Wie hatte ich das vorher nicht bemerken können?
,,Müsste das nicht zur Polizei?", fragte ich aufgewühlt.
,,Unser Kontakt bei der Polizei wird sich schon beschweren, wenn er es braucht", seufzte John und nippte an seinem Tee. Die Resignation in seiner Stimme bereitete mir leichte Sorgen.
Scheinbar hatte er meine innere Unruhe bemerkt und fügte dann hinzu: ,,Wenn Sie das beunruhigend finden, sollten Sie auf gar keinen Fall einen Blick in den Kühlschrank werfen."
Ich schluckte. Zum Glück war der Tee in meiner Tasse bereits ausgetrunken und ich hatte noch keinen der Kekse angerührt, sonst wäre es für meinen Magen spätestens jetzt wohl kritisch geworden.
,,Ja, Sie haben in Ihren Blog über... Seine Experimente geschrieben", merkte ich an.
John zog überrascht seine Augenbrauen hoch. ,,Sie lesen meinen Blog?"

Jetzt war ich es, die überrascht war. Schließlich hatte ich all die Informationen über die beiden nicht gerade von Mr. Holmes bekommen, auch wenn John scheinbar bisher davon ausgegangen war.

,,Warum sollte man sich gerade mit einer Harke erstechen? Gerade in den Bauchraum. Dort soll es doch besonders schmerzhaft sein?", fragte ich, anstatt John die offensichtliche Antwort auf seine Frage zu geben.
Dieser sah mich irritiert an.
,,Sie wollte es ihrem Mann unterschieben. Es sollte schnell gehen und nicht alle Menschen haben ein so ausgeprägtes Wissen über..." Er machte eine kreisende Bewegung mit seiner Hand über seinem Bauch und deutete dann auf die Harke, ,,...soetwas."

Nun war es der Lockenkopf, der die Aufmerksamkeit wieder (nahezu gierig) an sich riss.
,,Was machen Sie an Wochenenden, Mrs. Carter?", fragte er mich, höchstwahrscheinlich, um unser erstes Thema wieder aufzugreifen.
Das gab mir die Möglichkeit mich wieder etwas zu fangen und von menschlichen Leichenteilen auf... Anderes organisches Material zu kommen. In gewisser Weise.

,,Mmh... Kochen, obwohl ich das bei dem Zustand Ihrer Küche nicht empfehlen würde..." Ich überlegte kurz. ,,Oftmals gibt das Orchester am Wochenende Konzerte, also noch einmal Proben,-"
,,Sie spielen in einem Orchester?", unterbrach mich John interessiert. ,,Was Spielen Sie?"
,,Queerflöte", antwortete ich lächelnd.
,,Sie müssen Bescheid sagen, wenn das nächste Konzert ansteht", sagte er euphorisch.
,,Wenn Sie möchten. Zur Zeit haben wir aber Coronapause. Gestern war die letzte Probe. Wer weiß, wann es weitergeht."

,,Wie sieht es mit den Informationen über Owens aus?", fragte nun der Detektiv. Gespannt setzte er sich wieder auf den Stuhl am Küchentisch und lehnte sich mir entgegen.
,,Es ist Wochende, Mr. Holmes, wie Sie schon so gut erkannt haben. Mein Mann für diese Sache hat es, ich habe es-"
,,Langweilig!", unterbrach er mich schnippisch. ,,Dann besorgen wir uns eben die Informationen selbst! Sie kommen mit, dann erspare ich mir das lästige erklären!" Er deutete auf mich und erhob sich, schon wieder, von seinem Platz.

Unsicher sah ich zu John, der sah erst besorgt zu mir, dann skeptisch zu seinem Mitbewohner.
,,Was hast du vor, Sherlock?"
Dieser sah ihn euphorisch an.
,,Glauben Sie, dass Corgis gute Versuchstiere sind?"

Dieser Morgen war anders.

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