-~6~- Machen Sie mich nicht zu einer Spielfigur

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Ich schloss gerade die Haustür, der morgendliche Verkehrslärm hallte schon auf der Straße, der ich den Rücken zugewandt hatte, da erkannte ich eine Gestalt im Augenwinkel. Ein großer Mann, langer Mantel, hohe Wangenknochen, dunkle Locken.

,,Ich befürchte, ich habe jetzt noch keine neuen Informationen für Sie. Ich habe Ihnen gestern Abend bereits alles gesagt, was ich bis jetzt wusste", erklärte ich und verstaute meinen Schlüssel wieder in meiner Tasche. Erst dann wandte ich mich zu ihm. Einige Schritte hinter ihm stand Dr. Watson und musterte mich interessiert. Unschlüssig hatte er die Hände hinter dem Rücken verschränkt und verlagerte sein Gewicht immer wieder von einem Bein auf das andere. Hatte ihm Mr. Holmes etwa nicht von unserem gestrigen Gespräch erzählt oder war ich diejenige, die etwas noch nicht wusste?
,,Hallo, Dr. Watson", begrüßte ich ihn, woraufhin er mir zunickte.
,,Wir begleiten Sie heute zu Ihrem Arbeitsplatz", sagte nun Mr. Holmes, was mich doch kurz zum Stutzen brachte.

Was sollte das nun schon wieder werden? An Informationen würde ich auch ohne seine Hilfe kommen und das wusste er, sonst hätte er mich schließlich nicht danach gefragt. Zur Rennbahn konnte er auch allein gelangen. Warum sollte er mich plötzlich überwachen wollen?
Er brauchte mich für etwas, für das er sonst keinen Zutritt erhalten würde.

,,Ich glaube, das schaffe ich auch ohne Ihre Hilfe und ich sagte bereits: Wenn es illegal ist, stehe ich Ihnen nicht zur Verfügung. Was wollen Sie also?", wollte ich wissen.
,,Vollends legal, glauben Sie mir", erwiderte der Detektiv lächelnd. Ich sah ihn abwartend an, bevor er fortfuhr: ,,Ich bräuchte einige nicht-öffentliche Daten. Termine von Veranstaltungen, Zeitpäne für Angestellte,..."
,,Vollends legal also?", fragte ich ihn. ,,Testen Sie meine Prinzipien, Mr. Holmes?"
,,Nennen Sie mich bitte Sherlock", erwiderte er nur und lächelte mich erneut an.
Ich schüttelte den Kopf. ,,Sie hatten Recht, Dr. Watson. Ihre Beschreibungen auf Ihrem Blog treffen auf Mr. Holmes vollständig zu." Ich betonte den Namen des Detektivs extra deutlich, um klarzumachen, dass ich sein Angebot nicht annehmen würde. Das ganze hier war eine geschäftliche Abmachung, nichts mehr und-

War es eine geschäftliche Abmachung? Ich erhielt nichts für meine Mühen. Es war einfach nur der Drang gewesen, jemandem zu helfen und er hatte es gnadenlos ausgenutzt. Es war einzig und allein die Neugierde und der Drang zur Gerechtigkeit, wie ich gestern bereits erwähnt hatte. Die Einbildung von Gerechtigkeit und das ich etwas dazu beitragen konnte.

Ich schluckte schwer, als ich meine Gedanken vollständig realisierte. Ich ging das Risiko ein, um einen Betrüger ausfindig zu machen, aber ging das nicht auch auf einem legalen Weg, wie es meine Arbeitskollegen und ich schon so oft getan hatten?

,,Er will nur spielen", erwiderte Dr. Watson auf meine vorangegangene Aussage. Auf seinem Gesicht lag ein ehrliches Schmunzeln und ich konnte es ihm nicht verdenken.
,,Aber machen Sie mich nicht zu einer Spielfigur", warnte ich dem Detektiv, doch Watsons Lächeln hatte sich nun auch auf meine Lippen übertragen, was meine Ernsthaftigkeit nahezu vollständig verblassen ließ.
,,Dann werden Sie ein Spieler", erwiderte Mr. Holmes belustigt.

Ich seufzte erneut. ,,Ich werde Ihnen nur die Informationen geben, die keiner Geheimhaltung unterliegen.
Mein Wagen steht eine Straße weiter, kommen Sie."
Ich wollte an dem Detektiv vorbeigehen, doch als ich mich neben ihm befand, packte er mich am Oberarm und hielt mich so zurück.
Er stand nah, sehr nah und beugte sich noch leicht zu mir herab, bis seine Lippen beinahe mein Ohr berührten.
,,Darf ich Sie daran erinnern, dass ihr Wagen nicht anspringt? Ich gehe von einem Marderbiss aus, da Ihr Auto noch neu ist."
Seine beinahe flüsternde, tiefe Stimme war rau und jagte mir einen Schauer den Rücken hinunter.
,,Richtig", murmelte ich befangen. Ich entfernte mich einen Schritt von ihm und festigte meine Stimme wieder. ,,Dann müssen wir die U-Bahn nehmen oder ein Taxi rufen."
,,Ich habe bereits eins bestellt", mischte sich nun auch wieder Dr. Watson ein und wie auf ein Stichwort hielt neben uns am Straßenrand ein schwarzes Cab.

Die Taxifahrt verlief schweigsam, allerdings erst, nachdem der Cabby noch erfolglos mit Mr. Holmes über den Mundschutz diskutiert hatte. Etwas unwohl über seine unbeugsame Meinung war mir schon dabei.

Aber nun, ein paar Minuten später, war es kein unangenehmes Schweigen. Mr. Holmes war offenbar in seinen Gedanken versunken, Dr. Watson sah durch das Fenster hinaus und ich war froh über die Stille, da Smalltalk noch nie meine größte Stärke gewesen war.

Ein wenig lag ich mit mir selbst im Disput. Ich hatte Regeln für unsere Zusammenarbeit aufgestellt und würde sie jetzt, schon nach seiner ersten Anfrage, brechen. Und das alles für ein Spiel, wie es Dr. Watson so schön angesprochen hatte. Doch auf eine bestimmte Weise sehnte ich mich nach diesem Spiel.
Ich wollte diese Arbeit schon vor langer Zeit ablegen, nicht mehr meine Zeit mit dem organisieren von Rennen, dem Händeschütteln von Gewinnern und dem Verweisen von Protestanten, denen ich immer mehr Gehör schenkte, verbringen. Wenn ich noch einmal von einem Pferd hören würde, das sich auf der Rennbahn die Beine gebrochen hatte, würde ich mich wohl jeden Mittwoch selbst zu ihnen gesellen und vor den Eingangstüren demonstrieren.

Ein Jahr. Ein Jahr in diesem Job und ich konnte die Unfallmeldungen nicht mehr sehen. Aber die immer weiter wachsende Abneigung gegen diesen Beruf wurde von dem täglichen Stress und dem damit verbundenen Druck überlagert.
Er nahm mir die Luft zum Atmen.

Vielleicht war das gut. Vielleicht war dieses Spiel ein Weg, mich von meinem bisherigen Leben zu befreien und von der Rennbahn fortzukommen. So oder so würde ich meinen schon langanhaltenden Wunsch zur Kündigung umsetzen, wenn wir hier fertig waren.

Und auf diese Erkenntnis war ich nur dank Sherlock Holmes gestoßen?

Das Taxi hielt und wir mussten aussteigen.
,,Danke, dass Sie bezahlt haben", bedankte ich mich bei Dr. Watson, nachdem er wieder um das Taxi herumgelaufen und zu Mr. Holmes und mir gekommen war.
,,Kein Problem", erwiderte er lächelnd.

Wir traten durch die gläserne Eingangstür und ich erkannte sofort Tessa hinter dem Tresen sitzen, die uns interessiert entgegensah.
,,Guten Morgen Tessa, könntest du bitte dafür sorgen, dass uns in den nächsten zwanzig Minuten keiner in meinem Büro stört? Die beiden Herren müssen etwas Geschäftliches mit mir besprechen", erklärte ich ihr und sie nickte verstehend.
,,Kein Problem. Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihre Ruhe haben", erwiderte sie und ich bedankte mich bei ihr.

Wir gingen weiter in mein Büro und ich verschloss die Tür hinter uns, bevor ich mich vor meinen Computer setzte und ihn einschaltete.
Mr. Holmes sah sich interessiert in meinem Büro um, während John sich mir gegenüber auf einen der Stühle vor meinem Schreibtisch setzte und abwartete.
Ich tippte mein Passwort ein, öffnete dann meine Terminliste und schaute sie noch einmal kurz durch, bevor ich mich wieder an die beiden Männer wandte: ,,Hier sind die Termine für diesen und nächsten Monat. Was wollen Sie also wissen?"
Der Detektiv trat hinter mich und sah gespannt auf den Bildschirm.
,,Was ist das für ein Termin?" Er deutete auf einen Tag in der folgenden Woche, der rot markiert war, aber keine Beschriftung besaß.
,,Das ist die Feier für die Gewinner des letzten Rennens. Die Jockeys sind da-"
,,Auch Mr. Owens?", unterbrach er mich.
,,Höchstwahrscheinlich."
,,Können wir dort hineinkommen?"
,,Die Veranstaltung ist eigentlich nur für Clubmitglieder und ihre Begleitung, wegen der Schutzmaßnahmen, aber ich denke es ist kein Problem, Karten für Sie und Dr. Watson zu besorgen", antwortete ich.
,,Bitte nennen Sie mich John", warf dieser nun ein und sah mich bittend an.
,,Okay, dann John", erwiderte ich lächelnd und ich konnte den brennenden Blick des Detektivs auf meinem Rücken förmlich spüren.
John lachte über meine Erwiderung, die er scheinbar nicht erwartet hatte.
,,Möchten Sie noch etwas wissen, Mr. Holmes?"

______

Nachdem mein Arbeitstag zuende war und John und Mr. Holmes schon vor Stunden gegangen waren, packte ich meine Sachen zusammen und verließ mein Büro. Ich war gestresst, da die Vorbereitungen für das nächste Rennen schon auf Hochtouren liefen und kaum Zeit zum Durchatmen blieb. Dazu kamen auch noch die Feierlichkeit für die Gewinner, die zwar eine Standartprozedur darstellte, aber trotzdem nicht zu unterschätzen war, besonders unter der derzeitigen Lage.

Zu meiner Verwunderung saß Tessa immer noch hinter dem Tresen im Empfang und starrte konzentriert auf ihren Computerbildschirm.
,,Was machst du denn noch hier? Hast du noch keinen Feierabend?", fragte ich sie verwundert.
Sie sah von ihrem Computer auf und mich an.
,,Ich kümmere mich noch um die Testungen am Empfang für Mittwoch. Außerdem wollte dich nicht stören, aber noch etwas fragen", erwiderte sie.
,,Aber für Fragen bin ich doch da?", erwiderte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
,,Es ist etwas privates", erwiderte sie.
,,Oh... Dann... Was ist?", wollte ich wissen. Es war ungewöhnlich, dass sie sich mit mir über etwas Privates unterhielt.
,,War das heute morgen dieser Mr. Holmes, nach dem du nach dem letzten Rennen gefragt hattest?" In ihren Augen leuchtete ehrliche Neugierde und ich war mir nicht sicher, wie ich damit umgehen sollte.
,,Ja, aber wie ich bereits sagte, es war ein rein geschäftliches Treffen-"
,,Liv, das solltest du schleunigst ändern", zwinkerte sie mir zu.
,,Oh Tessa, das ist nicht nur unprofessionell, sondern auch eine ziemlich schlechte Idee", lachte ich. ,,Er ist nicht mal mein Typ."
,,Das kann sich ja noch ändern", erwiderte sie schulterzuckend.
,,Und deshalb hast du noch auf mich gewartet?", fragte ich schmunzelnd. ,,Komm, wir gehen einen Kaffee trinken. Ich habe noch etwas Zeit, bevor ich zur Probe muss."

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