"Das war ein Befehl, Yoongi!", grollte Jungkook drohend.

Yoongi schaute mit hochgezogener Augenbraue zu seinem Heerführer. "Darf man fragen was—" Der warnende Blick des Schwarzhaarigen ließ ihn allerdings verstummen. Er hob beschwichtigend die Hände und ging zu dem kleinen Esstisch, wo er zwei Gläser mit Wein einschenkte.

Jungkook ließ sich währenddessen auf einem der Stühle im Zelt nieder. Frustriert lehnte er sich zurück und ließ ein tiefes Knurren von sich, während er sich mit den Händen durch sein rabenschwarzes Haar fuhr.

"Was verschafft mir nun die Ehre?", fragte Yoongi schließlich, als er dem Alpha das Weinglas reichte. Er ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen und sah ihn erwartungsvoll an.

"Wir brechen morgen auf", knurrte Jungkook und leerte sein Glas in einem Zug.

"Was?" Yoongi sah überrascht auf. "Warum so spontan? Es war geplant erst in drei Tagen weiterzureisen."

"Der Winter bricht langsam an und die Schneestürme im Norden werden bald nicht mehr passierbar sein. Ich muss die Sklaven so schnell wie möglich nach Northskull bringen", sagte Jungkook und fügte im brummigeren Ton hinzu: "Vor allem diesen Omega."

Yoongi hörte seine Worte allerdings laut und deutlich und hob fragend eine Augenbraue. "Omega?" Er dachte für einen Moment nach und sah den Alpha fragend an. "Der, der dir weggelaufen ist?" Er hob erneut beschwichtigend die Arme, als er den eisigen Blick des Alphas sah.

Yoongi kannte Jungkook lang und gut genug um zu wissen, dass es dem Alpha sämtliche Beherrschung kosten musste den ungehorsamen Sklaven nicht einfach auspeitschen zu lassen. Doch der junge Omega war zu wertvoll, weshalb der Alpha ihm kein Haar krümmen durfte.

Aber Yoongi wusste auch, dass sein Heerführer schnell die Kontrolle verlieren konnte und nur wenig Geduld besaß. Es konnte also gut sein, dass es nicht mehr lange gut gehen würde, wenn der Omega noch länger in seiner Obhut war. Es war also vermutlich wirklich das Beste, so schnell wie möglich weiterzureisen.

Also nickte der Silberhaarige nur und schenkte Wein nach. "Ich gebe heute Abend noch deinen Befehl weiter. Wir brechen morgen früh auf, dann müssten wir Northskull in ca vier Wochen erreichen und du bist dein Anhängsel los."

Jungkook lehnte sich zufrieden zurück und nickte zustimmend. "Dann ist er das Problem des Obersten."

"Wenn er dem Obersten gefällt, wird er Luna des Blutmond Rudels", erwiderte Yoongi und sah Jungkook eindringlich an. "Du solltest versuchen dich zu beherrschen. Füge ihm nicht noch mehr Leid oder Wunden zu."

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Oberster es lange mit ihm aushalten wird", gab Jungkook ungerührt zurück und leerte das nächste Glas Wein. "Er wird seinen Spaß mit ihm haben und dann töten lassen. So wie alle anderen Omegas vor ihm auch."

❃

Als Jungkook einige Zeit später wieder zu seinem Zelt ging, kam der Heiler gerade heraus.

Auf den fragenden Blick des Alphas hin nickte der alte Mann. "Er hat sich gefügt", war die knappe Antwort des Heilers. Jungkook nickte und wollte gerade an dem alten Mann vorbei ins Zelt, als dieser ihn am Ärmel zurückhielt.

"Er ist zu störrisch, Alpha", sagte der Heiler im Flüsterton, so dass nur Jungkook es hören konnte. "Erspart Euch den Ärger und setzt ihn irgendwo aus. Seltener Omega hin oder her. Er ist es nicht wert." Dann verbeugte sich der Heiler knapp und verschwand.

Jungkook sah dem alten Mann eine Weile hinterher, bevor er sich umdrehte und schließlich das Zelt betrat.

Es war bereits dunkel und das blutrote Zelt wurde nur von einigen Fackeln und Kerzen erleuchtet. Vor dem Bett stand der junge Omega, das Haupt geneigt. Es schien fast so, als wenn er auf ihn gewartet hatte. Er hatte frische Kleidung aus Leinen an und sein braunes lockiges Haar war noch feucht vom Bad.

Jungkook trat näher an den Omega heran. Es entging ihm nicht, wie er sich deutlich anspannte und mit sich kämpfte, nicht zurückzuweichen.

Mit gesenktem Blick wartete er, bis der Alpha direkt vor ihm stand. Als Jungkook den Arm hob, machte sich der Omega darauf gefasst erneut grob angefasst zu werden. Doch stattdessen spürte er, wie der Alpha sein Kinn umfasste und ihn fast schon sanft dazu brachte aufzusehen.

Jungkook besah sich das Gesicht des Omegas, das nun keinerlei Schmutz, Staub oder Blut mehr aufwies. Er konnte nicht leugnen, dass er außergewöhnlich schön war.

Und zum ersten Mal nahm er den puren Duft des Omegas wahr. Er war blumig, warm und sanft zugleich — nahezu betörend.

Und Oh Gott, sein innerer Wolf liebte es.

Er spürte all seine Wut von vorhin verebben. Aber nicht nur das. Sein ganzer Körper schien sich zu entspannen. Es war, als wenn ihn der Duft des Omegas auf irgendeine Weise beruhigen würde.

Er ließ sich dazu hinreißen sich zu dem Omega hinabzubeugen, und sein Gesicht in dessen Halsbeuge zu senken.

Taehyung stockte der Atem, als er den Atem des Alphas an seiner Haut spürte und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Er spürte die Hand des Alphas an seiner Taille und wie er ihn näher an sich zog. Sein Körper versteifte sich, aber er ließ es geschehen und ließ den Alpha ohne Gegenwehr seinen Duft aufnehmen.

Zu sehr fürchtete er, dass der Alpha seine Drohung von vorhin wahrmachen würde, wenn er sich weiter wehren würde.

Jungkook spürte die Angespanntheit des Omegas und nahm es ebenso an seinem Duft wahr, der sich plötzlich verändert hatte. Solange er dem Brünetten so nah war und seinen Duft so deutlich ausmachen konnte, waren all seine Emotionen wie ein offenes Buch für den Alpha. Er vernahm seine Angst, seine Unsicherheit und auch noch etwas anderes.

Er bemerkte die Wunde am Nacken des Omegas — und konnte seinen vom Duft berauschten, inneren Wolf nicht daran hindern, sich für einen Moment vorzustellen dies sei keine Verletzung, sondern ein Mal an seinem Nacken. Sein Mal.

"Habt Ihr gemeint, was Ihr vorhin gesagt hattet?"

Die unsicheren Worte des Omegas rissen Jungkook aus seinen Gedanken und er ließ den Brünetten los.

Dieser schluckte und erwiderte den Blick des Alphas mit seinen großen, braunen Augen. "Wenn ja, dann... dann werde ich ab sofort gehorchen. Ich werde nicht mehr versuchen zu fliehen." Taehyung schluckte erneut. Er war nervös, doch irgendwie schaffte er es dennoch seine Schultern zu straffen und seine Unsicherheit hinunterzuschlucken. "Aber ich will, dass Ihr meinen Freunden wieder Essen bringen lasst. Sie sollen nicht weiter für meine Fehler leiden."

Taehyungs Nervosität stieg, als der Alpha ihn nur weiter stumm ansah.

"Wie lautet Euer Name?"

Die plötzliche Frage des Alphas brachte Taehyung aus der Fassung und er starrte sein Gegenüber nur überrascht an.

"T-Taehyung... Kim Taehyung."

"Ihr seid ungehorsam und wisst nicht wo Euer Platz ist, Kim Taehyung", sagte der Alpha scharf, doch bevor der Omega darauf reagieren konnte, fügte er hinzu: "Aber Ihr habt Mut."

Taehyung blinzelte den Alpha ein paar Mal stumm an. Was genau meinte er denn jetzt...?

"Haltet zu Eurem Wort und ich sorge dafür, dass die anderen Sklaven gut behandelt werden."

❃

Und was meint ihr?
Würde Jungkook den Rat des Heilers in Betracht ziehen und Tae aussetzen?