Eine Woche später...

„Und ich sage dir: Chili Con Carne ohne Mais ist kein Chili Con Carne."

Jungkook verdrehte darauf nur die Augen. „Nirgendwo steht geschrieben, dass das Originalrezept Mais beinhaltet, Joon. Man kann es mit Sicherheit auch ohne Mais zubereiten."

„Das mag sein", erwiderte Namjoon und zuckte mit den Achseln. „Aber wie heißt es so schön: kannste machen, aber dann ist es halt scheiße."

„Okay, okay", seufzte Jungkook und hob ergeben die Arme.

Jungkook und Namjoon gingen gerade ihre routinemäßige Runde durch die Innenstadt, als sie den kleinen Marktplatz passierten, auf dem jeden Mittwoch und Donnerstag die regionalen Bauern und Händler ihre Waren anboten. Wie immer war es ein lautes und buntes Treiben, doch auf einmal ertönten wütende Rufe, die ihre Aufmerksamkeit erweckten, und direkt vor ihnen tat sich eine Traube Menschen auf, die gespannt irgendetwas beobachtete.

„Ich denke das sollten wir uns ansehen", meinte Jungkook und Namjoon nickte.

Sie bahnten sich ihren Weg durch die Schaulustigen, bis sie an einem Obst-Stand ankamen, an dem gerade eine aufgebrachte Bäuerin einen Jungen am Kragen festhielt und wütend anbrüllte.

Der Junge wiederum wehrte sich gegen den Griff der Frau, kam aber nicht weit, denn sie hatte ihn fest im Schwitzkasten.

„Was ist hier los?", fragte Jungkook mit erhobener Stimme, um den Lärm zu übertönen, als er und Namjoon direkt vor der Ursache des Tumults zum stehen kamen. Die Leute um sie herum wurden augenblicklich still, als sie die beiden Polizisten bemerkten, und traten zur Seite.

Die Bäuerin hörte auf zu brüllen und sah überrascht, aber erleichtert, zu ihnen rüber. „Ah, gut dass Sie da sind! Dieser Bursche hier hat versucht mich zu bestehlen!"

Sie drehte den Jungen am Kragen so, dass sein Gesicht nun für die beiden jungen Polizisten sichtbar wurde.

Ein leichtes Grinsen stahl sich auf Jungkooks Gesicht, als er die zierliche Gestalt erkannte.

Namjoon stöhnte und rieb sich den Nasenrücken. „Du schon wieder..."

Taehyung lächelte schwach. "Hi..."

„Was hast du dieses Mal angestellt?"

„Er wollte meine Ware stehlen", sagte die Bäuerin aufgebracht. Sie ließ Taehyungs Kragen nun endlich los, da sie sicher war er würde in der Anwesenheit zweier Polizisten bestimmt nicht mehr die Flucht ergreifen.

Taehyung brachte direkt etwas Abstand zwischen sich und der Frau und drehte sich wütend funkelnd zu ihr um. „Ich wollte gar nichts stehlen! Der Pfirsich ist runter gefallen und lag auf dem Boden." Er sah fragend zu Jungkook und Namjoon und hob den Pfirsich an, den er noch immer in der Hand hielt. „Oder? Es heißt doch, was auf dem Boden liegt gehört Niemandem und man darf es sich nehmen."

Jungkook war nach Außen hin bemüht um eine ernste Miene, während er innerlich nicht anders konnte, als den Jungen absolut niedlich zu finden. „Taehyung, das war doch dein Name, oder?" Der Junge nickte. „Das gilt für Obstbäume deren Früchte auf benachbarte Grundstücke fallen. Und auch dann muss dir der Boden gehören, auf den es fällt."

Taehyungs Lippen formten ein stummes "O" und er sah verdutzt zwischen den beiden Männern vor sich hin und her. Dann senkte er den Blick und biss sich auf die Unterlippe.

„Ganz genau, Kleiner", mischte die Bäuerin jetzt wieder mit und stemmte die Hände in die Hüften. „Du musst dafür bezahlen, wie jeder andere auch."

„Ich... Ich habe aber im Moment kein Bargeld bei mir...", murmelte Taehyung verzweifelt. Dann wischte er den Pfirsich mit seinem Ärmel ab und hielt ihn der Bäuerin mit einem unsicheren Lächeln entgegen. „A-Aber ich gebe ihn zurück."

„Pff, doch nicht nachdem du ihn mit deinem dreckigen Pullover abgewischt hast!", rief die Frau verärgert und machte ein angeekeltes Gesicht. „Den will doch niemand mehr kaufen."

Jungkook bemerkte den verletzten Ausdruck im Gesicht des Jüngeren, als dieser seine Hand mit dem Pfirsich und auch seinen Kopf hängen ließ. Er empfand Mitleid mit Taehyung und einen Groll gegen die, die ihn so herablassend behandelten.

„Ich zahle den Pfirsich."

Mit hochgezogener Augenbraue schaute Namjoon zu seinem Kollegen und beobachtete verwundert, wie dieser sein Portemonnaie hervorkramte und Geld heraus holte.

Taehyungs Augen weiteten sich. „N-Nein, Officer Jeon, das brauchen Sie nicht! Bitte, ich möchte nicht, dass Sie—"

„Geht schon in Ordnung", sagte Jungkook und reichte der verblüfft drein schauenden Frau einen Schein in die Hand. „Und bitte noch drei von den Äpfeln."

Zögernd drehte sich die Frau um und packte die besagten Äpfel in eine kleine Tüte.

Währenddessen sah Taehyung beschämt zu Boden und nestelte mit seinen Fingern an seinem Ärmel herum. „D-Danke... Officer Jeon."

Jungkook lächelte ihn an, dann drehte er sich um und nahm die Tüte mit dem Obst entgegen. „Ich denke wir können es mit einer Entschuldigung gut sein lassen, oder?", fragte er an die Bäuerin gewandt, die Taehyung einen strengen Blick zuwarf, aber dann nickte.

„Es tut mir leid", flüsterte Taehyung verlegen, sein Gesicht hatte einen leichten Rotschimmer. „Ich wollte wirklich nichts stehlen. Ich dachte, ich dürfte ihn mir nehmen."

„Schon okay, Kleiner", gab die Frau zurück und zwang sich zu einem Lächeln.

„Komm schon." Namjoon nickte mit seinem Kopf Richtung Straße. „Ich denke es ist trotzdem besser, wenn du jetzt gehst."

Taehyung nickte und trottete den beiden Beamten wie beim ihrem ersten Zusammentreffen hinterher.

Nach ein paar Schritten drehte sich Jungkook um und hielt dem Jüngeren die Tüte mit den Äpfeln hin. „Hier."

Taehyung sah erst die Tüte und dann den Schwarzhaarigen verdutzt an.

Jungkook lachte und machte einen Schritt auf den Jüngeren zu. „Na nimm schon. Ich habe sie für dich gekauft."

„Nein, das kann ich nicht annehmen!" Abwehrend hielt Taehyung seine Hände hoch und schüttelte den Kopf. „Sie haben schon den Pfirsich—" Taehuyngs Augen weiteten sich und seine Wangen färbten sich rot, als er von seinem eigenen, unüberhörbar lautem Magengrummeln unterbrochen wurde.

Jungkook legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch.

„Das war nichts. Ich—"

„Taehyung." Jungkooks ernster Tonfall ließ den Jüngeren verstummen. „Du hast offensichtlich Hunger. Nimm sie."

Mehr als ein geflüstertes „Danke" brachte der Jüngere nicht raus. „Ich... Ich hatte nur mein Portemonnaie vergessen, wissen Sie. Sonst hätte ich selbst—"

„Ich weiß", warf Jungkook ein und schenkte dem Jungen ein warmes Lächeln.

Taehyung hob den Blick und er erwiderte das Lächeln zaghaft. Sie schauten sich ein Paar Sekunden lang schweigend an, bis die Stimme seines Partners Jungkook aufwachen ließ.

„Jungkook, wir müssen los", sagte Namjoon und stellte seinen Funk aus. Der Schwarzhaarige hatte gar nicht mitbekommen, dass sein Kollege gerade mit der Zentrale gesprochen hatte — eventuell weil er gerade nicht ganz bei der Sache war.

„Ich komme!" Jungkook wandte sich an Taehyung und zog ihm neckisch die Mütze tiefer ins Gesicht, was der Jüngere mit einem erschrockenen Quieken kommentierte. „Und du machst keinen Ärger mehr, okay?"

Der Brünette rückte seine alte Mütze wieder zurecht und nickte grinsend. „Ich versuch's, Officer!"

Während die beiden Polizisten ihren Weg in die andere Richtung fortsetzten, bemerkte Jungkook irgendwann den amüsierten Blick seines Partners auf sich.

„Was?"

„Du magst den Kleinen", sagte Namjoon grinsend.

„Er tut mir einfach leid, das ist alles", gab Jungkook augenrollend zurück und beschleunigte seine Schritte mit einem verräterischen Zucken um die Mundwinkel.

Taehyung sah den beiden Beamten wieder hinterher, bis sie außer Sichtweite waren. Dann fischte er einen Apfel aus der Tüte und biss herzhaft hinein.

Es war wie eine Geschmacksexplosion und genießerisch seufzend schloss er die Augen, während er kaute.

Dies war seine erste Mahlzeit seit zwei Tagen.