14 - Dornröschen

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[Samstag abends]

  
 
ʝιɱιɳ

"Weißt du was? Ich habe keine Ahnung. Das klingt komisch, denn natürlich habe ich mir schon gefühlte tausend Stunden beim Training zugeschaut, weil ich mich ja im Spiegel sehe. Es gibt Filmaufnahmen von Auftritten. Aber ich kann das nicht sehen, ohne mich selbst sofort zu analysieren, im Geiste Bewegungen zu optimieren. Ich sehe mich sozusagen immer mit Traineraugen."

Ich habe mich spontan für Hotteok entschieden. Der Hefeteig geht schon, das Fett wird langsam erhitzt, und währenddessen mache ich eine Käse-Kräuter-Füllung und eine Apfel-Nuss-Füllung fertig. Bei Hotteok sieht die Küche immer ganz schnell wie ein Schlachtfeld aus, weil man so viele Schüsseln und Geräte braucht. Aber frische, heiße Hotteok sind ein Gedicht, das den Aufwand lohnt.

"Ich werde mich nie so sehen können, wie du es tun wirst. Du kannst dich fallen lassen in die Musik, intuitiv der Harmonie zwischen Tönen, Text und Bewegung folgen. Für mich bin ich der Tänzer. Für dich verkörpere ich den Tanz."

Soll ich? Und wenn es Schrott wird? Es ist so wenig Zeit bis dahin!
"Die praktischen Prüfungen sind nächste Woche. Die schleusen innerhalb von drei Tagen alle Semester durch die sechs kleineren Bühnenräume. Alle Aufführungen sind öffentlich, damit wir Bühnenfeeling und Rückmeldung bekommen. Wenn du ... wenn du magst, kannst du mir ja zuschauen. Ich hab meinen Termin am Freitag Nachmittag, da kommt nicht mehr viel Publikum, weil viele schon auf dem Weg nach Hause in die Semesterferien sind."

Die Füllungen sind fertig. Darum teile ich den Teig, knete ihn nochmal tüchtig durch und forme die gefüllten Fladen mit der Hand, bevor ich sie ins heiße Fett lege - in der einen Pfanne die Süßen, in der anderen die Salzigen.
Yoongi sagt gar nichts zu meiner Einladung. Stattdessen steht er auf und deckt den Tisch. Und schon wieder überkommt mich die Freude über dieses WG-Feeling. Spontan mache ich ein paar Tanzschritte an der Küchenzeile entlang, bis mir auffällt, dass das Schritte aus meiner Filter-Choreo sind. Egal. Hoffentlich hat es intuitiv ausgesehen. Ohne die Musik dazu wird er keinen Zusammenhang herstellen.

  
  

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Was soll ich sagen? Ich habe durchaus verstanden, dass es eine Einladung war, und so wie ich Jimin kenne, würde er sich tierisch freuen, wenn ich Freitag dahin gehen würde. Das Problem: Viele Menschen, die ich alle nicht kenne.

Meine Gedanken rattern, während ich mich endlich auch nützlich mache und den Tisch schon mal decke. Ein Seitenblick zu ihm zeigt mir, wie geschmeidig und sicher seine Bewegungen aussehen, obwohl es wahrscheinlich rein intuitiv ist, wie er gerade durch die halbe Küche tanzt. Ich würde es schon gerne sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein Erlebnis ist, ihn auf einer Bühne tanzen zu sehen. Aber schaffe ich das? Schaffe ich es in der einen Woche, meine Ängste zu überwinden?

"Zu deiner Einladung ...", nehme ich das Thema nochmal auf, "Ich kann dir nicht versprechen, dass ich kommen kann. Wenn ich es schaffe, gerne. Aber ich möchte nicht, dass du enttäuscht bist, falls ich dann doch nicht da bin."

  
  
ʝιɱιɳ

Ach, Yoongi. Allmählich habe ich den Verdacht, deine Scheu, deine übergroße Nervosität beziehen sich gar nicht allein auf mich - sondern du hast generell Angst vor Menschen. Oder zumindest vor zu vielen Menschen auf einmal. Wie kannst du dann überhaupt in so einer großen Stadt leben, an einer so großen Uni studieren? Ich gehe lieber nicht zu sehr drauf ein. Wir haben heute genug Seelenbuddelei betrieben.

"Klar, kein Problem. Muss ja keiner. Aber wenn ich dann vor einem völlig leeren Saal auftreten muss, dann kriegst du einen S.O.S.-Ruf."
Theatralisch sinke ich auf die Knie und ringe meine Hände, an mein Handy geklammert, hilfesuchend gen Küchendecke.
"Yooooongiiiiii - rette miiiiiich. Keiner will mich sehen, weil ich sooooo schlecht tanze. Ich werde versaaaaageeeeeeen. Hiiiiiilfeeeeeee !!! Ich stäääääärbeeee!''
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass mein Manöver Erfolg hat. Genau wie ich muss Yoongi sehr breit grinsen bei der absurden Vorstellung, ich könne auf der Bühne den spontanen Tod vor lauter Missachtung und Misserfolg sterben.

"Oder ... hm. Ich falle direkt vor meiner Aufführung in tiefen Schlaf wie Dornröschen, und du bist der tapfere Ritter, der mich als einziger wieder zum Leben erwecken kann."
Schnell hole ich die erste Fuhre Hotteoks aus den Pfannen und lege die zweite ins heiße Fett. Dann lasse ich mich röchelnd zu Boden sinken, schließe die Augen und sieche dahin. Als Yoongi zwar kichert, aber nichts unternimmt, wedele ich ihm mit der Hand zu.
"Los, auf - du musst mich jetzt wecken, damit ich nicht meine Prüfung verpasse."

  
  

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Jimin schafft es wirklich, dass sich auf einmal alles nicht mehr so schwer anfühlt. Mein Gott, er bringt mich sogar dazu, zu kichern wie ein Mädchen! Wenn ich aber ehrlich zu mir selbst bin, tut es gut, mal so ausgelassen zu sein und mit ihm rumzublödeln.

Als Jimin sich auf den Boden wirft und theatralisch meine Hilfe anfordert, kann ich nicht mehr an mich halten. Ich breche ich schallendes Gelächter aus, erschrecke mich vor mir selbst, weil es Jahre her ist, dass ich das gehört habe, und lache weiter.

"Dornröschen?", hinterfrage ich ihn mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen, wohl darauf bedacht, nicht direkt wieder in den nächsten Lachflash auszubrechen. Ich lasse mich ebenfalls auf den Boden sinken, ignoriere die Hotteoks gekonnt und beuge mich über Jimin. Ich schaue ihm in die Augen und sehe etwas aufblitzen, das ich mir nicht erklären kann. Dieser winzige Moment, es ist vielleicht eine Sekunde, fühlt sich an wie eine Ewigkeit.

Wieso sucht er sich ausgerechnet Dornröschen aus? Weiß er nicht, wie der Ritter das schlafende Weib wieder weckt? Was erwartet er? Er will nicht ernsthaft, dass ich ihn jetzt "wachküsse"! Was für ein Spinner!
"Das würde dir wohl so passen!", sage ich daher und sehe ihn dabei mit herausforderndem Blick an, ehe ich im nächsten Moment anfange, ihn durchzukitzeln. Jimin quiekt vor Lachen auf und windet sich unter meinen Kitzelattacken, aber ich zeige mich erbarmungslos.

  
  
ʝιɱιɳ

Yes! Er hört endlich auf zu denken! Andererseits ist seine Reaktion so durchgreifend, dass auch ich keine Zeit zum Denken habe. Quietschend vor Lachen rolle ich mich zu einer Kugel zusammen. Das führt allerdings dummerweise nur dazu, dass er nun gleichzeitig meinen Bauch UND meine Füße kitzeln kann. Und das geht ja mal gar nicht!
"Werter Herr, was erlaubt Ihr Euch!?! Geht man so mit einer hilflosen Dame um?"

Ich überwinde mich, strecke mich aus und gehe zum Gegenangriff über. Und siehe da - auch Yoongi ist kitzlig. Und zwar unter den Armen ...
Mit Verblüffung und Entsetzen im Blick klemmt er seine Arme an den Körper und versucht, in dieser komischen Haltung, meine Hände abzuwehren. Gleichzeitig muss er genauso laut, vergnügt und eingealbert lachen wie ich. Wie schön!

Dummerweise lenke ich mich mit meiner Freude über sein herzliches Gelächter selbst ab und lande schnell wieder im Hintertreffen. Yoongi hat sehr große Hände. Irgendwie kriegt er es hin, mit einer Hand meine beiden Handgelenke zu umklammern, während er mit der anderen ungestört meine Bauchmuskeln traktiert. Ich muss so lachen, dass ich fast in die Hose mache.

"Gnaaadeeeee - ich ergebe mich."
Schwer atmend und bis zum Platzen glücklich hocken wir nebeneinander auf dem Küchenfußboden und grinsen uns an. Dann mache ich einen fatalen taktischen Fehler.
"Und sobald ich Eurer Geiselhaft entkommen bin, Ihr Halunke, werde ich Beschwerde einreichen bei der Genfer Menschenrechtskommission! Jawoll!"
Yoongi muss nur bedeutsam mit seinen langen Fingern wackeln und eine Augenbraue hochziehen, schon rutsche ich panisch quietschend ein Stück von ihm weg. Sein zufriedenes Lachen klingt wie Gold.

Da endlich erringt etwas anderes meine Aufmerksamkeit.
"Die Hotteoks!"

  
  

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

"Oh Fuck!", stoße ich entsetzt aus, als Jimin unser Abendessen erwähnt. Ich springe sofort auf und schaue in die Pfannen. Aber das, was ich da herausfische, sind schon lange keine Hotteoks mehr sondern Briketts.
"Tja, Dornröschen. Das mit dem Kochen liegt uns beiden wohl nicht", bemerke ich, und wieder muss ich breit vor mich hingrinsen. Was soll's. Das gerade war zu witzig, um jetzt über misslungenes Essen frustriert zu sein.
Mit ekelverzerrtem Gesicht landen die Briketts im Müll und die gelungenen Hotteoks auf unseren Tellern.

  
  
ʝιɱιɳ

Schnell erhebe auch ich mich und mache erstmal Platz, damit Yoongi mit unseren Opfergaben für den Gott der Heiterkeit gut an den Mülleimer dran kommt.
"Puh, die stinken!"
Plonk - landen die steinharten Dinger im Müll.

"Aber sag nichts gegen meine Kochkünste! Ich mach jetzt schnell noch ein Kräuterdip, und dann werden wir auch so satt. War eh viel zu viel."
Energisch öffne ich den Kühlschrank, registriere zufrieden seinen guten Füllstand und schnappe mir ein paar Zutaten.
"Bin gleich so weit!"
Neugierig lunzt Yoongi mir über die Schulter, während ich Joghurt, Frischkäse, die restlichen Kräuter und etwas Salz zu einem sättigenden Dip vermenge.

"Es kann losgehen. Und jetzt hab ich auch richtig Kohldampf."
Mit einem Seufzer sinke ich auf meinen Stuhl und bediene mich bei den Käse-Kräuter-Hotteoks und dem Dip. Schon nach dem ersten Bissen kriege ich allerdings den nächsten Lachanfall des Lebens.
"Wir haben wohl die süßen und salzigen Fladen durcheinander gebracht. Ich hatte jedenfalls grade Apfel-Nuss mit Kräuterdip ..."

  
  

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

"Das ... ist schon ziemlich eklig. Also nicht, weil du nicht kochen kannst, aber die Kombi ist wirklich furchtbar!", stöhne ich, denn auch ich hatte grade die gruseligste Mischung Hotteoks meines Lebens.

Ich trinke einen großen Schluck Wasser hinterher und schüttel mich nochmal. Der Appetit ist mir auf jeden Fall jetzt reichlich vergangen. Sowieso bin ich es nicht gewohnt, so viel zu essen. Wirklich hungrig bin ich also eh nicht. Ich schnappe mir trotzdem noch einen neuen süßen Hotteok, aber nur Jimin zuliebe. Ich möchte nicht, dass er gleich enttäuscht ist oder sich Sorgen macht, weil ich nicht genug esse. Und so wie ich ihn kenne, würden beide Sachen eintreffen. Gleichzeitig.
"Viel schaffe ich davon aber nicht", sage ich trotzdem leise, als ich aufgegessen habe.

  
  
ʝιɱιɳ

Ich vereinige erstmal die gruseligen Mischungen von unseren Tellern mit den Briketts im Müll. Dann nehme ich mir einen frischen Teller und seziere die restlichen Hotteoks, damit ich VORHER weiß, was ich gleich essen werde.
"Mach dir kein'n Kopp, die sind mächtig. Ich brauch jetzt auch nicht mehr viel. Aber so schmecken sie endlich richtig gut."
Nach zwei salzigen Hotteoks mit Dip und zwei Süßen ohne bin ich schließlich pappsatt und glücklich.

Ohne uns zu verabreden, stehen wir gleichzeitig auf und spülen gemeinsam den Abwasch des Jahrhunderts weg. Da breitet sich eine Zufriedenheit in mir aus, wie ich sie noch nie erlebt habe. Drei Tage. Grade mal drei Tage hat es gedauert, dass ich mir wünsche, dass das hier für immer so weiter geht!
Still schauen wir uns gegenseitig an. Und zu meiner großen Freude kann ich an seinem Gesicht sehen, dass es Yoongi genauso geht.

Ich gähne herzhaft und laut und muss gleich anschließend kichern.
"Es geht schon wieder los. Ich glaub, ich muss in die Waagerechte. Morgen Vormittag habe ich einen Trainingsraum gebucht, so von 9.00 bis 13.00 Uhr. Aber vielleicht magst du ja in der Zeit weiter an den Lyrics feilen. Und nachmittags setzen wir uns wieder zusammen dran?"

  
  

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

"Gute Idee", schaffe ich zu sagen und klinge dabei sogar halbwegs sicher in der Stimme. Dabei löst sein Blick in mir schon wieder so unendlich viel aus, dass ich jetzt schon weiß, wie kurz die Nacht mal wieder werden wird. Natürlich werde ich einen Teufel tun, ihm das zu stecken. Nicht jetzt, wo es gerade so angenehm zwischen uns ist.

Wir gehen gemeinsam in die Richtung unserer Zimmer, nachdem wir nacheinander im Bad waren und verabschieden uns kurz.
"Nacht, Dornröschen", sage ich, und wieder breitet sich auf unseren beiden Gesichtern ein Grinsen aus. Ich kann mir so gerade eben noch verkneifen zu sagen, dass er mich rufen soll, sollte ich ihn "wecken" müssen.

Und dann ist es plötzlich still um mich herum. Mein Zimmer ist dunkel, leer und kalt. Es fühlt sich seltsam an. Dafür sind die Gedanken in meinem Kopf umso lauter, aber ich habe schon eine Idee, wie ich mir Abhilfe verschaffen kann. Sobald Jimin morgen weg ist, werde ich mich darum kümmern, dass ich nicht bei jeder Kleinigkeit das Gefühl habe, durchzudrehen. Ich möchte gerne, dass es öfters so ist wie vorhin in der Küche, aber das wird schwierig, wenn ich nicht an mir arbeite.

Weil es sowieso keinen Zweck hat, sich jetzt schon hinzulegen, starte ich meinen PC und feile nochmal ein bisschen an den Lyrics. Das ist gut, denn zum einen schaffe ich es nach der Pause jetzt nochmal, alles sortierter niederzuschreiben, und zum anderen werden die Gedanken dadurch etwas leiser in meinem Kopf.

Es dauert ewig, bis ich richtig zur Ruhe finde, und als sich endlich die Müdigkeit über mich legt, ist es schon weit nach Mitternacht. Leise murmele ich meinen letzten Gedanken vor mich hin, ehe ich einschlafe.
"Gute Nacht, Jimin."

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30.6.2021

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