31 - manchmal ist er ein Arsch

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⊱─ ⋯ ─⊰ TAG 7 ⊱─ ⋯ ─⊰

[Mittwoch nachmittags]

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Jimin Worte fühlen sich an wie Messerstiche. Sein Gesicht sieht aus, als wäre er bemüht, möglichst gleichgültig zu wirken, dabei kann er den sorgenvollen Ausdruck seiner Augen nicht verbergen. Es tut weh, zu sehen, dass es ihm anscheinend immer noch nicht egal ist, wie es mir geht, obwohl ich ihm zu verstehen gegeben habe, dass wir nichts weiter sind als Mitbewohner.

"Es ... es ist nichts", weiche ich ihm aus, denn was soll ich auch sagen? Dass es mir schlecht geht, weil ich ihn vermisse, und ich gleichzeitig Angst habe, mein Ziel aus den Augen zu verlieren? Bestimmt nicht. Jimin würde sofort darauf anspringen, und innerhalb von Sekunden würde er wieder zum Mittelpunkt meines Lebens werden. Das kann und will ich nicht zulassen. Ich darf Jimin nicht weiter an mich heranlassen.

"Kümmer dich lieber um deinen eigenen Kram."
Es fühlt sich scheiße an, Jimin so vor den Kopf zu stoßen, und doch lasse ich mir nichts anmerken. Ich atme nochmal tief durch und gehe dann mit sicheren Schritten an Jimin vorbei. Das Problem ist nur, dass jeder einzelne Schritt sich anfühlt, als müsste ich eine meterhohe Hürde überwinden. Wieso kann ich ihn nicht einfach stehen lassen? Wieso kann er mir nicht egal sein, so wie am Anfang?

Ich kann nichts gegen diesen Impuls ausrichten, der mich zum Stehenbleiben veranlasst und mich dazu bringt, mich nochmal zu Jimin umzudrehen. Wenn ich ihn beschreiben müsste, würde ich sagen, dass er erschüttert aussieht. Und so sehr ich es auch will, es geht mir nicht am Arsch vorbei. Ich starre ihn eine gefühlte Ewigkeit einfach an, dabei können es in Wirklichkeit nur ein paar Sekunden sein, bis ich mich dazu entschieden habe, noch was zu sagen. Mich zu entschuldigen. Ihm zu erklären, dass ich erst dieses Projekt fertig machen muss, bevor ich sagen kann, was aus uns wird. Aber so weit kommt es nicht. Mein Mund bleibt offen stehen, weil ich im selben Moment Jimins Stimme höre.

ʝιɱιɳ

Wie kann ein einzelner Tag SO viele verschiedene Ereignisse und Gefühle enthalten wie dieser? Ich hasse Achterbahnen. Ich hasse Schiffschaukeln. Ich hasse jede Form von "ich werde schneller bewegt, als mein Kopf folgen kann". Und jetzt das.

Mein erster Impuls ist, Sturzbäche von Tränen zu heulen. Das kann ich einigermaßen verhindern, auch wenn es tierisch in den Augen und in der Seele brennt. Beim zweiten Impuls fällt es mir schon schwerer, denn ich würde am liebsten jetzt und hier aus dieser Wohnungstür rennen, nie mehr wieder kommen und stattdessen unter einer Brücke am Han schlafen. Der ganz pragmatische Überlebenswille gewinnt dann die Oberhand. So ruhig und sachlich wie möglich mache ich meinen all-time-Ersatzstick von meinem Schlüsselbund ab und halte ihn Yoongi hin.

"Könntest du mir bitte alle relevanten Dateien vom Song auf diesen Stick ziehen inklusive des Archivs und deiner fertigen Version ohne und mit Gesang? Copyright beanspruche ich nicht, aber da steckt so viel von mir drin, das hätte ich gerne."

Als Yoongi nicht reagiert, drücke ich ihm den Stick rabiat in die Hand, mache auf dem Absatz kehrt, inspiziere den Kühlschrank, schreibe einen Einkaufszettel, greife nach meinen Satteltaschen und verlasse sofort wieder die Wohnung. Alles unter seinen Augen, begleitet von seiner Starre und seinem Schweigen.

Am Schluss habe ich die Luft angehalten, damit ich nicht vor Schmerz schreie. Wenn er mich wenigstens verprügeln würde, dann hätte ich eine Möglichkeit, ihm zu zeigen, was ich von seinem groben und völlig ungerechtfertigten Benehmen halte.

Aber so renne ich nur die Treppe runter, schließe mein Fahrrad auf und starte zum Supermarkt. Am übernächsten Laternenpfahl muss ich allerdings wieder anhalten, weil alles andere fahrlässig wäre. Tief verberge ich mein Gesicht unter der Mütze, hinter meinem Schal. Und lasse den Tränen freien Lauf, damit ich an diesen verbalen Tiefschlägen nicht ersticke. Auf dem Sattel sitzend umklammere ich den kalten Metallpfahl und heule mir die Seele aus dem Leib.



𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Obwohl Jimin längst vor mir geflüchtet ist, bleibe ich noch immer an Ort und Stelle stehen, mit dem Stick in der offenen Hand wohlgemerkt, und versuche zu begreifen, was da grade passiert ist. Dass er die Dateien haben will, okay. Ich hatte sowieso vor, ihm die auf nen Stick zu ziehen, weil in dem Song, wie er gesagt hat, auch viel von ihm drinsteckt. Aber die Art, WIE er es gesagt hat. So kalt und abweisend ist ... verstörend? Ich habe ihn so noch nie gesehen. Und es tut tatsächlich verdammt weh, so von ihm abgewiesen zu werden.

Und jetzt? Was passiert jetzt mit uns? War das seine Art, einen Schlussstrich zu ziehen? Und wieso verdammt tut es so scheiße weh, wo es doch genau das ist, was ich wollte? Ich wollte doch, dass er mich in Ruhe lässt. Ich wollte nicht mehr von ihm abgelenkt werden. Es sollte alles so sein, wie es vorher war. Jetzt ... habe ich genau das bekommen und kann mir nichts schlimmeres vorstellen. Jimin ist weg. Nicht nur körperlich. Alles, was wir in den intensiven letzten Tagen erlebt haben, zersplittert vor meinem geistigen Auge in tausend Scherben. Ich hab ihn verloren. Endgültig.

Selbst Schuld, Yoongi. Das geschieht dir Recht, immerhin hast du Jimin genauso die kalte Schulter gezeigt, sagt ein Teil in mir. Nein, es ist nicht okay. Ich will ihn nicht verlieren, schreit ein anderer. Es ist derselbe Teil in mir, der Jimin immer noch um sich haben möchte, der nervös wird, wenn er an ihn denkt, der ihn braucht wie eine gottverdammte Droge.

Zumindest wird mir gerade eines klar, ob ich es nun will oder nicht. Er bedeutet mir verdammt viel. Er IST der Mittelpunkt meines Lebens geworden, meine kleine persönliche Sonne, um die sich alles in meinem Universum dreht. Wie auch immer es dazu kommen konnte, ich kann es nicht länger leugnen. Ich brauche Jimin. Mehr, als eine gute Note. Er bedeutet mir mehr als mein Traum. Oder nein, so kann man es auch nicht sagen. So verrückt es auch klingt, jetzt, wo mir klar wird, was sein Verlust bedeutet, will ihn nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein.

Scheiße, Yoongi. Mach was. Irgendwas.

Aber so sehr ich es auch versuche, ich kann mich keinen Millimeter bewegen. Ich kann einfach nur stehen und den Punkt fixieren, an dem Jimin sich von mir abgewandt hat.

TEN

Nachdem ich alle meine Prüfungen hinter mir habe, muss ich jetzt erstmal die leer gefressenen Schränke wieder füllen. Außerdem brauche ich dringend neuen Kaffee, sollte Yoongi mich die Tage nochmal besuchen wollen. Ich frage mich sowieso die ganze Zeit, ob er mittlerweile schlauer geworden ist und ob er was mit diesem Jimin regeln konnte. Ich hoffe es. Dabei fällt mir ein, dass ich ihn auch morgen direkt persönlich darauf ansprechen kann. Wenn er morgen seine Songvorstellung beendet hat, hat er vielleicht den Kopf wieder etwas freier und ist nicht mehr ganz so gereizt. Vielleicht sollte ich ihm nachher noch eben schreiben, damit er nicht aus allen Wolken fällt, wenn er mich morgen in der Uni sieht. Aber erst nach dem Einkaufen. 

Ich steuere den kleinen Supermarkt um die Ecke an, in dem ich sonst auch immer einkaufe. Ich finde es einfach unglaublich praktisch, dass ich nur wenige Minuten zu Fuß laufen muss. Das ist ein Vorteil, wenn man als Student recht zentral wohnt. Ich checke nochmal meine Einkaufsliste, als mir etwas ungewöhnliches auffällt. Dass hier des öfteren recht seltsame Gestalten rumlaufen, kenne ich schon. Am Wochenende sitzt auch schon mal der ein oder andere angetrunkene Student auf einer der kleinen Bänke, die hier überall stehen. Was ich aber noch nie gesehen habe, ist ein junger Mann, der sich auf dem Fahrrad sitzend an einem Laternenpfahl festklammert und heult wie ein Schlosshund. Und das unter der Woche und am helligten Tage. Wäre es nicht so ein trauriger Anblick, würde ich über diese Absurdität wahrscheinlich lachen.  

Ich kann nicht anders, als meinen Einkauf nach hinten zu schieben und auf ihn zuzugehen. Wer weiß. Wir sind immerhin im Studentenviertel und es ist Prüfungswoche. Er sieht recht jung aus. Er wäre definitiv nicht der erste, der nach einer vermasselten Prüfung heulend auf offener Straße zusammenbricht. 

Ich gehe weiter auf ihn zu, aber er registriert mich gar nicht.
"Äh, hey. Alles okay bei dir?", frage ich ihn daher und erhoffe mir dadurch, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich kann es nicht sehen, wenn andere leiden, und würde ihm echt gerne helfen. 

ʝιɱιɳ 

Nur ganz allmählich kriege ich den Kopf wenigstens wieder so weit klar, dass mir bewusst wird, wie seltsam ich aussehen muss. Und prompt spricht mich einer an. Wie komme ich denn jetzt aus DER Nummer wieder raus?

Erstmal absteigen. Ich richte mich auf, lasse die Laterne los und steige vom Rad. Dabei schaue ich den Typen nicht an.

"Sorry, das muss echt komisch ausgesehen haben, wie ich hier an der Laterne hänge. Ich ... wenn ich ehrlich bin ... Ja, da geht grade ganz viel schief. Ich muss eine große Enttäuschung verarbeiten und stehe echt neben mir."

TEN

Ich erkenne, dass es dem jungen Mann echt unangenehm sein muss. Er schafft es nicht mal, mich anzusehen, als er auf meine Frage antwortet. Aber auch verständlich, ich glaube, sowas wäre jedem unangenehm. Ich überlege einen Moment, was ich sagen soll, bevor ich antworte.
“So Phasen gibt es ja leider immer wieder. Da darf man dann auch einfach mal weinen.”
Ich mustere den jungen Mann vor mir unauffällig, aber ich kann mich nicht daran erinnern, ihm schon mal an der Uni begegnet zu sein. Dabei kenne ich eigentlich viele.
“Wenn du … wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag Bescheid. Ich kann dir gerne zuhören, wenn du dir einfach mal ein bisschen was von der Seele reden möchtest.” 

Im ersten Moment denke ich, dass es ein nettes Angebot ist, aber dann zweifel ich doch, ob es nicht total seltsam wirkt. 

ʝιɱιɳ

Drauf eingehen - wegrennen - drauf eingehen - wegrennen - dr... ... Ach menno, ich kann ja eh nicht anders. Und vielleicht ist es auch eine Chance, dass wir uns nicht kennen. Er kuckt völlig von außen auf die Sache, und wir sehen uns im Zweifelsfalle nie wieder.

"Es ... ist seltsam. Ich kenne dich überhaupt nicht, aber ... ja, ich brauche jetzt jemand, der mir zuhört."

Während mir der Typ ein Taschentuch reicht, schaue ich mich um. Da, neben dem Supermarkt ist ein kleines Cafe.

"Hast du Zeit? Darf ich dich auf einen Kaffee einladen? Dann erzähle ich dir von meinem Dilemma."

Ich putze mir die Nase und beseitige die Tränenspuren aus meinem Gesicht. Dass mein Schal total nassgeheult ist, kann ich leider nicht ändern. Vielleicht finden wir ja einen Platz am Fenster, dann kann ich den Schal auf die Heizung legen.

TEN

"Ja, ich hab Zeit", erwidere ich und lächel den jungen Mann vor mir aufbauend an. Da ich meine Prüfungen jetzt alle hinter mir habe, hab ich streng genommen schon Semesterferien. Ist vielleicht gar nicht verkehrt, wenn ich einfach mal abschalte. Außerdem scheint er wirklich dringend Hilfe zu brauchen, sonst würde er wohl kaum auf mein Angebot eingehen. 

Ich steuere auf das kleine Cafe zu, bleibe aber ein paar Schritte vor dem Eingang stehen.
"Ich heiße übrigens Ten", stelle ich mich knapp vor und verbeuge mich kurz.

ʝιɱιɳ

"Danke, ehrlich. Ich wär sonst durchgedreht. Ich bin Jimin."
Ich verbeuge mich auch leicht und halte ihm dann die Tür auf.

TEN

Jimin? Aber doch nicht etwa DER Jimin? Nein, das wäre wirklich ein dummer Zufall. 
"Freut mich", sage ich freundlich, ehe ich mit ihm in das kleine Cafe gehe. Wir setzen uns an einen der wenigen freien Tische in der hintersten Ecke, damit wir ungestört reden können. Auf dem Weg zwischen den Tischen durch treffe ich so einige Bekannte aus der Uni, die ich kurz begrüße. Viele, so wie Yoongi, haben ihre Prüfungen noch vor sich, und nicht selten versammeln sich dann ganze Scharen von Studenten in den kleinen Cafes zum Lernen. 

Als wir endlich unseren Platz erreicht und bei der Bedienung unsere Getränke bestellt haben, frage ich Jimin, was vorgefallen ist, dass er so fertig ist. 


𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Endlich schaffe ich es, mich aus meiner Schockstarre zu befreien und schlurfe in mein Zimmer zurück. Der Hunger ist mir grade wirklich vergangen und außerdem ... was mache ich denn jetzt? Wie soll ich Jimin klar machen, dass meine Aktion gestern ein total dummer Fehler war?

Erstmal werde ich die Sachen direkt auf den Stick packen. Dann habe ich zumindest schon mal was in der Hand, wenn er wieder nach Hause kommt. Und vielleicht zeigt ihm das ja, dass er mir nicht so egal ist, wie ich ihn denken lassen wollte.

Ich packe sämtliche Dateien auf den Stick - von der Rohversion, über die Lyrics, bis hin zu dem fertigen Song - alles. Außerdem packe ich auch noch das Dokument drauf, in dem ich einige Inhalte von unserem Gespräch abgetippt habe. Ich bewahre sowas ja immer auf, damit ich später nochmal drüber gucken kann. Wer weiß, vielleicht sieht er ja, dass ich seine Arbeit schätze. Als alles fertig ist, weiß ich nicht mehr weiter. Das mit dem Stick ist ja schön und gut, aber das wird nicht reichen. Was kann ich sonst noch tun? Vielleicht eine Nachricht schreiben? Aber er ist ja noch gar nicht lange weg. Das wirkt bestimmt seltsam. Oder? Ach scheiße ... Ich weiß schon wieder überhaupt nicht, was jetzt eigentlich richtig und falsch ist. Ich hätte gerne ein Handbuch für solche schwierigen Interaktionen.

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20.7.2021

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