38 - Blick in den Spiegel

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⊱─ ⋯ ─⊰ TAG 38 ⊱─ ⋯ ─⊰

[Donnerstag spät nachmittags]

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Ich stürze aus dem Prüfungsraum und sehe im Flur schon die anderen Studenten sitzen, die wahrscheinlich auch alle noch zu ihren Prüfungen wollen. Ich dagegen will einfach nur noch weg. Nur leider komme ich nicht weit, denn nur wenige Schritte von dem Prüfungsraum entfernt werde ich von Ten abgefangen. Shit! Ich habe ganz vergessen, dass er ja heute mit mir reden wollte. Dabei habe ich ihn ja sogar darum gebeten. Nur leider ist grade der denkbar schlechteste Zeitpunkt dafür, denn ich bin total verwirrt. ZU verwirrt. Und frustriert, weil ich versagt habe. Wie soll ich denn so mit ihm reden!?

"Hey, Yoongi. Und? Wie ist es gelaufen?", fragt er direkt drauf los, aber ich kann nicht antworten. Mein Gehirn ist wie zugekleistert mit Eindrücken, Feedback der Profs und Gedanken an Jimin. Ten merkt das aber anscheinend recht schnell, denn als ich auch nach einigen Sekunden nicht antworte, sieht er mich sorgenvoll an. "Alles okay? Du meintest, du wolltest reden. Du siehst aber gerade eher aus, als wolltest du einfach schnell wegrennen."
Tja. Wo er Recht hat. Ich möchte wirklich lieber schnell von hier weg, alleine vor mich hin grübeln und diesen ganzen Gedankenwust sortieren. Aber wie soll ich das sagen? Ich weiß ja gerade selbst nicht, wo mir der Kopf steht und was genau mich so fertig macht.

"Anscheinend ist es nicht so toll gelaufen. Oder ist nochmal was mit Jimin gewesen?", stellt er seine Vermutungen auf, ohne zu wissen, wie richtig er damit liegt.
"Du weißt, dass du mit mir darüber reden kannst. Ich bin extra hergekommen, damit ich mir ein eigenes Bild davon machen kann, wie es dir nach der Prüfung geht. Immerhin hattest du ja einige Sorgen, was die Songpräsentation angeht. Außerdem meintest du irgendwas von wegen "Jimin hasst dich" und sowas. Was ist denn alles passiert? Und wie kann ich dir helfen?"
"Wenn ich das wüsste", antworte ich auf seine letzte Frage, weil ich einfach nichts mehr weiß.
"Nun sag schon. Was ist los, Yoongi?"

Ten schafft es wie immer genau die richtigen Worte zu finden. Vielleicht ist es auch gar nicht das, was er sagt, sondern wie er es sagt. Er klingt, als wäre es ihm wirklich wichtig, wie es mir geht. Und natürlich muss ich an meine Erkenntnisse heute morgen zurückdenken. Ich frage mich, ob nicht auch Ten irgendwie etwas damit zu tun hat, dass ich mich langsam verändere und meine alte Brille ablegen kann.
"Hast gewonnen. Aber nicht hier", gebe ich kleinbei. Ten lacht leise auf.

"Hatte ich auch nicht vor. Komm, lass uns in 'nen Café setzen oder so. Ich lad dich auch ein."
Damit ist es beschlossene Sache. Ich folge Ten schweigend, überlasse ihm die Entscheidung, wo wir hingehen, und werde mir während des Weges immer sicherer, dass es die richtige Entscheidung ist, mit ihm mitzugehen. Ich weiß zwar immer noch nicht, wo ich denn eigentlich anfangen soll, weil gerade einfach zu viele Themen in meinem Kopf rumschwirren, aber glücklicherweise weiß Ten mal wieder genau, wie er mich zum Reden bekommt.
Er fragt, welche Rückmeldung mir die Profs gegeben haben, und ich beichte, dass ich versagt habe. Ten beäugt mich skeptisch, also erkläre ich ihm, dass die Profs nicht ganz zufrieden waren und ihnen vor allem das Gefühl gefehlt hat. Ten wendet seinen Blick von mir ab und schaut stattdessen nachdenklich in seinen Kaffee.

"Du hast nicht versagt, Yoongi. Es gibt immer etwas, das sie bemängeln. Ich würde sogar sagen, dass du eine verdammt gute Leistung erbracht hast, wenn sie wirklich nur diesen Teil gefunden haben, der ihnen nicht gefallen hat."
Er macht eine kurze Pause.
"Aber es wundert mich schon, dass es gerade das ist. So wie ich Jimin nach deinen Erzählungen einschätze, hätte ich nicht gedacht, dass es am Gefühl mangeln würde. Du meintest doch, dass er ziemlich offen mit seinen Emotionen umgeht und er dich damit überfordert hat."

"Das stimmt schon", antworte ich leise, "Aber das Problem war auch nicht Jimin, sondern ich."
"Inwiefern?"
"Ich weiß nicht, ich hab mich ja mit ihm verkracht. Er war halt total komisch und ich konnte mich nicht mehr auf den Song konzentrieren, sondern hab immer nur an ihn gedacht. Dann dachte ich, dass es besser ist, wenn ich mich nicht die ganze Zeit von ihm ablenken lasse, sondern mich auf meine Arbeit konzentriere. Und dann hab ich gesagt, dass ich keinen Wert darauf lege, weiter mit ihm auf Freundschaft zu machen, nachdem wir den Song fertig haben.
Aber eigentlich hat es vorher schon angefangen zu krieseln. Vielleicht hattest du Recht und ich war wirklich zu verbissen. Und eigentlich dürfte mir das alles gar nicht so nah gehen. Ich kenne Jimin doch noch gar nicht richtig. Also schon ein bisschen, die Woche war wirklich intensiv. Aber ... ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Ich müsste bitterlich enttäuscht sein, weil die Profs was am Song zu bemängeln hatten, stattdessen frage ich mich die ganze Zeit nur, was ich falsch gemacht habe, dass in Jimins Stimme kein Gefühl mehr gelegen hat. Das ist mir grade viel wichtiger, und das ist doch abstrus. Ich zweifel an allem. In erster Linie an mir selber."

Ich hole tief Luft und merke, wie befreiend es trotzdem ist, das alles einfach loszuwerden. Ten schaut mich skeptisch an und scheint sehr angestrengt nachzudenken.
"Klingt ganz schön chaotisch, was da alles in dir vorgeht. Die Woche war ziemlich heftig für dich, hm?"
Ich nicke.
"Das kannst du laut sagen. Vor allem was Jimin betrifft. Ich meine, dass die meinen Song nicht perfekt finden, würde ich ja vielleicht noch irgendwie verkraften. Aber nicht, nachdem die gerade gesagt haben, dass das fehlt, was eigentlich genau Jimins Stärke ist. Ich meine, ICH bin derjenige, der kein Gefühl hat. Nicht Jimin. Warum fehlt genau das? Hab ich das zu verantworten? Jimin hat mich ja auch abgeblockt gestern, das hat er vorher auch nicht gemacht, obwohl ich mich bis jetzt nie wirklich toll ihm gegenüber verhalten habe."

Ich schlage meine Hände vors Gesicht, verdecke meine Augen und wünschte, ich könnte das alles einfach irgendwie rückgängig machen. Wie soll man das denn auch alles sortiert kriegen!?
Das ist einfach zu viel Chaos für eine Woche!

"Yoongi?", fragt Ten vorsichtig, nachdem er mir einfach einen Moment Zeit gegeben hat, um wieder runterzufahren, "Ob du's willst oder nicht. Du wirst mit Jimin nochmal reden müssen. Aber nicht sofort. Ich glaube, da passiert gerade ganz viel in dir, was du alles noch nicht so ganz sortiert kriegst. Aber ich helfe dir, wenn ich kann. Lass uns versuchen, das gemeinsam irgendwie rauszukriegen. Und wenn du das geschafft hast, dann rede mit ihm. Anders wirst du das nicht mehr geregelt kriegen."

"Das befürchte ich auch", sage ich schwer seufzend. Er hat ja Recht. Aber ich weiß ja immer noch nicht so richtig, wo ich anfangen soll. Ahhh, dieses Chaos macht mich wahnsinnig!
"Aber wo soll ich denn bitte anfangen? Ich sehe einen riesigen Berg voller Fragen und Chaos und ungeklärten Gefühlen. Wie soll ich da bitte irgendwie System reinkriegen!?"

Ten lacht. Ich könnte ihn gerade erwürgen, weil er mich so amüsiert anlächelt, aber ich halte mich natürlich zurück.
"Ach, Yoongi. Das ist eigentlich gar nicht sooo schwer. Deine Profs haben es dir eigentlich schon gesagt. Das, worauf es ankommt, ist das Gefühl. Das ist manchmal das Entscheidende, egal was noch so drumrum ist, ob es logisch oder sinnvoll ist. Manchmal ist es genau das, was einen sowohl musikalisch als auch persönlich weiterbringt."
Ten macht erneut eine kurze Pause und wartet, bis ich ihn wieder ansehe.
"Und Yoongi? Es ist keine Schande, Gefühle zuzulassen. Du darfst das, egal, was dir deine Eltern früher eingetrichtert haben. Oder was dich sonst noch zu der Meinung gebracht hat, dass du nur dann etwas Wert bist, wenn du Leistungen erbringst. Und glaub mir, ich kenne mindestens zwei Menschen, die dich auch ohne herausragende Leistungen gern haben."

Jetzt bin ich vollends verwirrt. Wie ... was meint er damit? Er scheint meinen irritierten Blick richtig zu deuten und begründet, wie er darauf kommt.
"Schau nicht so. Ob du es willst oder nicht. Ich mag dich so, wie du bist. Und ich glaube, Jimin mag dich auch sehr, sonst hätte er irgendwann während eurer Zusammenarbeit das Handtuch geschmissen. Es geht im Leben nicht immer nur darum, gute Leistungen zu erzielen. Freunde ... können einem sehr viel im Leben geben, ohne dass sie eine Gegenleistung oder sonst was erwarten. Du musst nur zulassen, dass man dich mag."
Tens Worte sickern nur langsam in mein Bewusstsein und gesellen sich zu den anderen zahlreichen durcheinander wirbelnden Gedankengängen. Er gibt mir einen Moment, bis ich wieder zu ihm sehe.
"Ich glaube, dass da gerade ganz viel bei dir passiert. Aber das ist gut, Yoongi. Du bist bis jetzt eigentlich immer nur dann zu mir gekommen, wenn du wegen einer Unisache unsicher warst. Dabei hab ich dir jedes Mal gesagt, dass du dich auch einfach so melden kannst."
Hat er das? Hab ich das immer überhört? Oder falsch interpretiert?

"Vor ein paar Tagen warst du das erste Mal da, weil du einen Freund gebraucht hast, und keinen Mentor. Und ich hab mich tierisch gefreut, auch wenn ich dich vielleicht etwas zu sehr überfordert habe. Tut mir Leid, ich wollte dich mit meiner Behauptung nicht noch mehr verunsichern. Ich weiß nicht, was du für Jimin fühlst. Das weißt du vielleicht selbst nicht so genau. Aber ich weiß, dass er es geschafft hat, was in dir zu verändern. Er hat deine ganze Welt auf den Kopf gestellt, aber Yoongi? Das passiert. Es ist keine Schande, überfordert zu sein oder nicht zu wissen, was man fühlt. Es ist okay, dass du das bei Jimin für dich erst noch rausfinden musst. Komm dir erstmal selbst auf die Schliche.
Der Rest, alle Konflikte mit Jimin und mit dir selbst, wirst du erst dann geregelt kriegen, wenn du deinen Fokus auf dein Gefühl legst. So wie deine Profs das bei deinem Song gesagt haben. Du bist genial, aber in diesem Punkt musst du noch ein bisschen was dazulernen."

Ten verstummt und in meinem Kopf fahren die Gedanken grade Achterbahn. Ich fühle mich total ausgelaugt von dem Tag, von dem vielen Denken und zweifeln. Von dem konzentriert sein müssen, von allem. Ich bitte Ten, das Gespräch hier zu beenden. Aber entgegen meiner Erwartung ist er nicht sauer oder enttäuscht, sondern sieht sogar irgendwie stolz aus? Keine Ahnung, was das ist.
"Das ist völlig okay, Yoongi. Nimm dir die Zeit. Und wenn was ist, melde dich einfach."
Ich bedanke mich noch bei Ten, bin aber auch froh, als wir uns vor dem Café verabschieden. Wirklich, ich brauche gerade einfach eine Pause. Und ein Bett. Und Ruhe.^

ʝιɱιɳ

Gemeinsam gehen wir zu den Fahrradständern vor der Mensa. Ich finde es angenehm, dass sie alle so ernsthaft umgehen mit dem, was sie grade gehört haben. Dass keiner doof gekuckt hat. Dass Taemin und Kai mal aus dem Nähkästchen geplaudert haben. Ich halte es zwar immer noch für unwahrscheinlich, dass ich Bi bin, aber ja - ich sollte es zumindest zulassen, mal über den Gartenzaun zu schauen. Es wäre absolutes Neuland für mich.
Und ich hab keine Ahnung, wie ich anfangen soll. Ach je - wie soll das denn gehen? Wie findet man sowas raus??? Das wird noch ein weiter Weg! Und es ist ja durchaus denkbar, dass Yoongi nicht so empfindet, selbst wenn sich rausstellen sollte, dass ich vielleicht mehr Gefühle für ihn habe.

Meine Kumpels nehmen mich alle zum Abschied einmal in die Arme, bevor ich auf mein Rad steige und nach Hause radele. Zum Wohnheim? Oder doch nach Hause? Keine Ahnung. Aber wenn nicht alles schief läuft, weiß ich in einer Woche mehr. Da schwelt so viel, das können wir nicht mehr lange unterm Deckel halten.
Überhaupt - Yoongi. Ob er schon fertig ist mit der Prüfung? Bestimmt. Jetzt ist ja schon 17.00 Uhr. Und ist er dann nach Hause gegangen? Hat sich verschanzt in seinem Zimmer, oder wird er bereit sein zu erzählen? Diese Gedanken beflügeln meine Energie. Am Supermarkt halte ich aus einem Impuls heraus an und kaufe einen Piccolo. Vielleicht gibts ja was zum Anstoßen ... Hoffentlich. Das MUSS einfach geklappt haben. Und dann merkt Yoongi auch, dass er gar nicht so nervös sein muss, weil er echt was drauf hat. Bitte, Yoongi, sei da und rede mit mir!

Es dauert nicht lange, bis ich mein Fahrrad vor dem Wohnheim anschließe, meine Tasche schultere und mich rein begebe. Die Treppen in den zweiten Stock sind schnell bewältigt, aber vor unserer Wohnungstür stoppe ich dann doch. Was werde ich da drinnen vorfinden? Wie wird es ihm gehen? Wie wird es mit uns weitergehen? Tausend Fragen jagen durch meinen Kopf. Aber am Schluss gewinnt die Frage nach Yoongis Stimmung die Oberhand. Ich möchte jetzt vor allem wissen, wie es ihm geht. Also stecke ich meinen Schlüssel ins Schloss und öffne die Tür zu unserer seltsamen WG.

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Zu Hause angekommen verschanze ich mich direkt in meinem Zimmer. Ehrlich, ich will grade nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen. Aus dem Grund mache ich auch meine Jalousien runter und werfe mich aufs Bett. Die vielen Gespräche mit Ten, Jimin und den Profs gehen mir durch den Kopf, ohne, dass ich es verhindern kann. Leider überhaupt nicht geordnet, sodass ich jetzt noch etwas verwirrter bin als vorher. Wenn das überhaupt möglich ist.

Immer wieder taucht das Wort Gefühle auf. Und Brillen. Emotionen. Filter. Jimin ... verdammt. Ich möchte gerade einfach einen Moment Pause vor mir selbst.
Ich bin so erschöpft von dieser Prüfung und dieser ganzen Woche, dass ich mit den vielen Fragen in meinem Kopf einfach einschlafe.

ʝιɱιɳ

Keine Ahnung, warum. Aber ich habe das Bedürfnis, leise zu sein, als ich die Wohnung betrete. Yoongi ist nirgendwo zu sehen. Also stelle ich erstmal den Piccolo kalt, dann schäle ich mich aus meiner Wintermontur und schlupfe in die Gemütlichsocken.
Hm. Es ist sehr still. Entweder ist er nicht da, oder er schläft. Oder er zählt die Holzfitzel in der Raufasertapete, um sich zu beruhigen. Soll ich bei ihm klopfen? Aber wenn er davon wach wird?

Mein Magen knurrt. Hallo, Magen. Schön, dass du so lange still gehalten hast. Ich werfe einen Blick in die Küche und stelle fest, dass die Reste vom "Frühstück" noch genau so da stehen, wie ich sie zurückgelassen habe. Sprich: ich kann mir noch drei Röllchen drehen und die genüsslich verspeisen, während ich versuche, meine Gedanken zu sortieren und zu entscheiden, ob ich bei Yoongi reinschaue oder nicht.

Doch dann siegt mein Körper über den guten Willen. Ich gehe in mein Zimmer und will mich nur kurz lang machen, aber nach den vier Stunden Tanz und dem aufregenden Gespräch, das SCHON wieder alles auf den Kopf gestellt hat, fallen mir bald die Augen zu.

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27.7.2021

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