12 - Test

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„Paul? Hast du Hunger oder Durst? Ansonsten kann ich dir von den Ergebnissen der Online-Abfrage berichten."
Er richtet sich vorsichtig ein bisschen auf.
„Nö, passt schon. Erzähl."
Misstrauisch sehe ich ihn an, und er weicht meinem Blick aus.
„Äh - nö, so nicht. Paul, du musst mir auch was versprechen."
Er nickt.
„Viele Wesen, die wissen, dass sie bald sterben werden, hören dann auf, zu essen und zu trinken. Das kann aber ganz schnell zu massiven Problemen führen. Glaub mir, du willst deine letzten Stunden nicht mit mörderischen Schmerzen im Unterleib verbringen. Das ist das einzige, was wir ziemlich energisch durchsetzen, wenn ein Patient sich weigert. Dann werden wir dir künstlich Flüssigkeit verabreichen. Erspar das bitte dir und uns. Trink, auch wenn du keinen Durst hast. Mach das einfach mit dem Verstand. Dein Körper hat in genau dieser einen Hinsicht Unrecht. Du brauchst die Flüssigkeit! Bis zum Schluss."

Seine Augen sind bei meinen Worten immer größer geworden, und sein Schwanz hat sich aufgestellt.
„O.K. - her damit!"
Ich atme durch. Das war jetzt drastisch, aber nur ein bisschen.
„Weißt du was? Wir stellen einfach überall in der Wohnung Wasserflaschen auf. Und wann immer du an einer Flasche vorbei kommst, trinkst du ein paar Schlucke. Möchtest du hier bleiben, oder sollen wir uns aufs Sofa verlagern?"
Darüber muss er nicht lange nachdenken.
„Sofa!"

Lustige Frage! Ich glaube, wenn ICH so ein saugemütliches riesiges Sofa hätte -
ich bräuchte kein einziges anderes Möbelstück in der ganzen Wohnung.
Ich würde auf diesem Sofa LEBEN.

„Gut, dann komm."
Ich nehme Paul auf die Arme und trage ihn ins Wohnzimmer. Sein Kopf lehnt an meiner Schulter. Doch plötzlich richtet er sich auf und zappelt.
„Was denn? Deine Maus hast du doch!"
Ein freches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.
„Neben dem Sessel steht'ne Flasche. Da sind wir grade vorbeigekommen. Also muss ich jetzt trinken!"
Rotzlöffel! Aber: MEIN persönlicher Rotzlöffel.
Ich reiche ihm die Flasche, und er trinkt ordentlich. Noch immer lachend machen wir es uns auf dem Sofa bequem.

Meine Mutter muss nach unserem Gespräch noch die persönlichen Dinge von Paul her gebracht haben. Der Schuhkarton und die beiden Alben liegen auf dem Tisch, daran hat sie das inzwischen ausgedruckte Foto von dem Baumstamm gelehnt. Er greift nach dem Foto und schaut es eine ganze Weile lang schweigend an. Dann kommt ihm ein Gedanke, und ich spüre, wie er sich einen Moment lang anspannt.
„Vielleicht war Sammy mein GEGENÜBER ... Dann finden wir beide uns bestimmt bald wieder. Ich würde nur so gerne noch ein Weilchen bei dir bleiben."

Und ich habe keine Ahnung, ob ich mich darüber jetzt freuen oder traurig sein soll.
Am liebsten würde ich ja alle haben. Sammy UND Niklas, meine Eltern UND Jan und Luisa.
Stattdessen hab ich nichtmal meine Oma hier. Und bald wahrscheinlich niemand mehr ...

Stumm halten wir einander fest und genießen die Nähe des anderen. Da schießt mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf.
Nimm Pauls Leben nicht als etwas Selbstverständliches, das du hergeben musst. Nimm Pauls Liebe als ein besonderes Geschenk, das dir für ein paar Tage anvertraut ist. Dann wird es leichter sein, ihn loszulassen.
Kurz bin ich irritiert. Dann erfüllt mich tröstende Wärme, und ich kann auf einmal wieder nach vorne schauen.

„Du, Niklas? Erzählst du mir vom Hospiz? Ich hab grade gedacht, ich würde das eigentlich gerne vor Morgen sehen. Damit ich mich dann nicht auf die Räume und Gerüche konzentrieren muss sondern ganz bei den 'Kandidaten' sein kann."
Über die „Kandidaten" müssen wir lachen. Dann mache ich einen Vorschlag.
"Weißt du was? Wenn du dich fit genug fühlst, fahren wir da jetzt einfach hin. Dann siehst du das Gebäude von außen und gehst mit mir da rein, wenn du magst. Du lernst die Gerüche, die Räume und die Leute dort kennen. Und kannst morgen früh besser entscheiden, ob du das durchziehen oder absagen willst."

Paul überlegt einen Moment lang.
„Ich glaube, das ist eine gute Idee. Nicht, dass das morgen daran scheitert, dass ich bei dem Geruch in Panik ausbreche."
Ich schaue mich suchend nach meinem Telefon um.
„Ich frag Mama, ob sie uns fährt."
Das ist schnell geklärt und gar kein Problem. Also hebe ich Paul wieder hoch und laufe zur Garderobe.
„Stoooop!"
Paul brüllt mir ins Ohr, und ich zucke zusammen.
„Was denn? Hast du was vergessen?"
Paul grinst, und ich ahne was. Wir stehen nämlich wieder neben dem Sessel.
„Mensch, Niklas, nu konzentrier dich doch mal besser. Du kannst doch nicht dauernd an dieser Wasserflasche vorbei rennen. Wie soll ich denn da genug trinken!?!"

Ätsch! Hab dich!
Dein Gesichtsausdruck - göttlich!

Fest, sehr fest nehme ich ihn in die Arme und drücke ihn an mich. Innerhalb einer Sekunde kippt die Stimmung im Raum, und eh ich michs versehe, entschlüpft mir die einzig richtige Antwort auf dieses überwältigende Glücksgefühl in meinem Bauch.
„Ich liebe dich, Paul."
Dann muss ich mich sofort zusammenreißen, ihn nicht zu küssen. Er ist mir so verführerisch nah! Aber Paul hat schon seine ganz eigene Antwort. Schnell legt er mir seine Hand auf den Mund und schaut mich mit strahlenden Augen an. Dann ringelt sich sein Schwanz nach oben und kitzelt mich an der Nase.
„Ich dich auch. Und wie!"

Meine wundervolle Mutter spürt sofort, dass sich etwas verändert hat. Paul kann offensichtlich besser mit dem Schwindel umgehen. Und ich strahle wohl wieder mehr Sicherheit und Zuversicht aus. Kaum sitzen wir im Auto, schaut sie mir durch den Rückspiegel direkt in die Augen und macht - für Paul unsichtbar - ein Daumen hoch.

Die Fahrt zur Klinik ist kurz. Im Sommer fahre ich die Strecke oft mit dem Rad und freue mich, dass ich keinen Parkplatz suchen muss. Da es wieder zu schneien begonnen hat, hält meine Mutter heute einfach direkt an der Eingangstreppe. Unsere Autos kennt hier jeder, darum haben wir etwas Narrenfreiheit ... Dann macht sie den Motor aus. Wir warten einfach ab, während Paul stumm das große Gebäude und den einfachen Anbau mustert.
„Lasst uns rein gehen."
Seine Stimme ist sehr leise und zaghaft. Ich steige aus und drehe mich zu ihm um. Er streckt seine Arme nach mir aus. Als ich ihn hoch hebe, kuschelt er sich an mich und klammert sich an seine Maus. Wohl fühlt er sich offensichtlich nicht. Aber er hat das nötige Vertrauen in uns, um den Versuch tapfer zu wagen.

Ich muss verrückt sein, da freiwillig rein zu gehen.
Aber besser jetzt, als morgen dran zu scheitern. Ich will leben!

Ich trage Paul langsam zum Anbau und bleibe davor stehen. Wir haben das gar nicht abgesprochen - es ist völlig klar, dass er das Tempo vorgeben wird. Die Schiebetür öffnet sich, weil ein Kollege in seinen wohl verdienten Feierabend startet. Während er uns kurz grüßt und dann zu seinem Auto geht, schnuppert Paul in Richtung der offenen Tür. Sein Körper ist angespannt, seine Ohren stehen stocksteif nach vorn gerichtet, sein Schwanz ist leicht aufgeplustert, aber Panik spüre ich nicht.
„Weiter. Bevor mich der Mut verlässt ..."
Ich gehe die paar Schritte ins Warme. Paul presst sich dicht an mich. Seine Augen nehmen wachsam die Umgebung auf. Seine Nase arbeitet unaufhörlich. Auf den ersten Blick sieht es hier nicht aus wie auf einer Krankenhaus-Station. Warme Farben, freundliche Bilder, helle Möbel prägen das Bild. Aber der Krankenhausgeruch ist nun mal nicht zu verhindern.

Die Stationsschwester Thea kommt auf den Flur und begrüßt uns.
„Dein Vater hat euch grade angekündigt."
Sie wendet sich direkt an Paul.
„Ich bin Schwester Thea. Und sie sind Herr Mengel? Schön, dass sie sich schonmal mit der Umgebung vertraut machen möchten. Ich habe das gelbe Zimmer für Sie herrichten lassen. Lassen sie sich alle Zeit der Welt!"

Mit Paul auf dem Arm wende ich mich in den Flur zur Linken. Meine Mutter geht uns voraus und öffnet eine der Türen.
„Schau, Paul. Das ist das gelbe Zimmer. Ich mag es von allen am liebsten, weil es so warm und freundlich wirkt."
Ich bin wirklich stolz auf ihn. Er ist zwar weiterhin ganz wachsam, sein Schwanz bewegt sich lebhaft und zeugt davon, dass er nicht weiß, ob er bleiben oder flüchten soll. Aber von der gestrigen Dauerpanik ist er weit, weit entfernt. Er behält die Oberhand über seine alten Ängste und Instinkte und stellt sich der Situation. Nur reden kann er mal wieder nicht. Wenn er so mit sich selbst kämpft, verschlägt es ihm immer die Sprache.

Boah! Das ist schön hier.
Wenn nur der furchtbare Geruch nicht wäre ...

Das Bett in diesem Raum ist ein normales Holzbett, mit einer hellen Tagesdecke überzogen und vielen gemütlich aussehenden Kissen bestückt. Paul zeigt darauf, und so setze ich ihn einfach mitten auf das Bett. Er greift nach meiner Hand und schaut sich von hier aus den Raum an, tastet nach den Kissen. Seufzt, legt sich auf die Seite und schließt die Augen. Aber ich kann sehen, dass alle seine Sinne hellwach sind. Er erkundet den Raum - mit den Ohren, mit der Nase.

Es ist warm hier, und die Sonnenstrahlen scheinen aufs Bett.
Weich und gemütlich. ... Es riecht nach Holz und den Blumen auf dem Tisch.
Aber so ganz ...

Dann holt er tief Luft und zwingt sich zu reden.
„Ich kann es hier aushalten, aber es ist ziemlich anstrengend. Ohne Niklas wird das denke ich nicht gehen. Und ich weiß nicht, ob das für die 'Kandidaten' so angenehm ist. Aber ich kann jedenfalls nicht den ganzen Tag hier sein. Die Termine sollten also nicht zu weit gestreut liegen."

Meine Mutter erklärt ihm, wie so ein GEGENÜBER-Tag normalerweise abläuft.
„Wie ich schon gesagt hatte - das alles liegt völlig in deiner Hand. Und die 'Kandidaten' - wer hat sich eigentlich dieses bescheuerte Wort dafür ausgedacht? - wissen das auch. In der Regel ist jemand vom Team draußen für die Betreuung und Vorbereitung der Leute zuständig, und hier drinnen sind immer entweder Niklas oder ich dabei. Das ist normal. Wer auch immer von uns hier drin ist, moderiert das Gespräch. Das Verrückte ist, dass wir natürlich den eigentlichen Anlass nicht steuern oder kontrollieren können. Bisher war es einfach immer so, dass innerhalb weniger Minuten beide wussten, ob sie einander GEGENÜBER sind. Das längste war glaube ich mal eine halbe Stunde. Und länger wird das Gespräch auch nicht dauern. Zum Glück hatten wir noch nie einen Fall, wo zwei sich gefunden haben, aber der eine dem anderen total unsympathisch war. Bisher waren immer alle glücklich, hatten sich wirklich was zu sagen, konnten schnell Nähe zulassen und Gefühle füreinander entwickeln."

„'Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kuscheln sie noch heute' las Oma vor und klappte das Märchenbuch wieder zu."
Jöi, das war das Sarkastischste, was Paul bisher von sich gegeben hat! Das klingt überhaupt nicht gut.
Aber er überrascht mich mal wieder.
„Sorry, das hat mich grade einfach gelockt. Ernsthaft - Stand heute will ich es versuchen. Und jetzt - so schön und liebevoll eingerichtet es hier drin auch ist - brauche ich dringend frische Luft!"

Ich krabbele ihn kurz hinterm Ohr, nehme ihn dann hoch auf meine Arme und mache mich auf den Weg nach draußen. Im Foyer steht ein zierliches Hundemädchen mit einem Gipsbein und schaut sehr neugierig in unsere Richtung. Paul bedeutet mir, bei dem Mädchen stehen zu bleiben. Sie schnuppert an ihm und lächelt schüchtern zu ihm hoch. Ich nehme wahr, dass er nun hochkonzentriert ist. Er streichelt ihr über den Kopf, nimmt dann ihre Hand und schließt für ein paar Augenblicke die Augen.

Sie ist noch zu jung - das kann nichts werden.

Doch dann schüttelt er in einer winzigen Bewegung den Kopf, wünscht dem Mädchen gute Besserung für ihr Bein und lehnt sich wieder gegen mich.

Und ich fühle so etwas wie Erleichterung in mir. Nur, um sofort zusammenzuzucken.
Spinnst du??? Wieso bist du jetzt erleichtert? Du hättest in Jubelschreie ausbrechen müssen, wenn die das jetzt gewesen wäre! Paul gehört dir nicht!!! Du musst ihn so oder so spätestens am Sonntag gehen lassen. Soweit kommts noch, dass er wegen dir sein GEGENÜBER nicht finden kann ...
Ich weiß vor Scham über meinen Egoismus kaum, wo ich laufe oder wie ich kucken soll. Ich möchte am liebsten im nächsten Mauseloch verschwinden.
Hoffentlich hat Mama das ausnahmsweise mal nicht gesehen und kapiert!

Aber Paul hat. Und darum flüstert er mir leise was ins Ohr.
„Gräm dich nicht. Ich kann dich schon für eine Weile rausfiltern aus meiner Wahrnehmung. Hab keine Angst, dass du mir im Wege stehen könntest. Wir reden nachher nochmal."

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15.7.2019 - 26.9.2019

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