KAPITEL 25

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Die letzte Nacht, in der Willow so tief und erholt geschlafen hatte, war einen guten Monat her.
Damals hatte Wesley seine Arme um sie gelegt und seine Handfläche zu ihrem Kissen gemacht.
Mit einem Lächeln auf den Lippen musterte Willow auch an diesem Morgen den nackten Arm, der sich quer um ihren Bauch geschlungen hatte, während der andere unter ihrem Kopf vergraben lag.
Vor Wesley hatte sie einst behauptet, dass diese Schlafposition für ihn keinesfalls bequem sein konnte, aber er hatte jegliche Bedenken diesbezüglich ausgelöscht.
»Lass die tauben Arme mal meine Sorgen sein«, hatte er damals gelacht, bevor Willow ihn in eine Kissenschlacht verwickelt und besiegt hatte.
»Na, immer noch taub?«
»Nein, perfekt«, hatte er damals geantwortet und sie angestarrt.
Heute bekam sie deshalb rote Wangen. Oder lag es an den Erinnerungen der letzten Nacht, die plötzlich durch ihren Kopf strömten? Vermutlich trieb sie beides aus Wesleys Klammergriff, der sich einige Sekunden später um ein Kissen schlang, damit er ihre Abwesenheit gar nicht weiter bemerken konnte.
Willow drehte sich einen Moment zu ihm um und musterte den friedlich schlafenden Mann, der ein wenig schief auf dem Bett lag, die Arme um ihr Kopfkissen geschlungen, als würde er sie noch immer vor ihren Alpträumen zurückhalten.
Er wusste ja gar nicht, wie oft er das tatsächlich tat.
Wie oft er sie vor Dummheiten zurückhielt.
Wie oft er sie zurückholte, bevor sie sich verlor.
Er war ein unfassbar kostbarer Mann und er sah es nicht einmal.
Sah seine eigene Vollkommenheit nicht in den Kleinigkeiten, die er tat oder sagte und die für Willow die ganze Welt bedeuteten.
»Ich liebe dich«, hauchte Willow leise, ehe sie sich abwandte und barfuß das Schlafzimmer verließ, auf der Suche nach dem Bad.
Wesleys Wohnung war eigentlich recht übersichtlich.
Vom Schlafzimmer kam man gerade aus direkt ins Wohnzimmer und noch weiter gerade aus auf die Dachterrasse, die er besaß.
Links vom Schlafzimmer fand Willow ein Arbeitszimmer mit Schreibtisch und Regalen voller Ordner und Bücher und rechts ein geräumiges Badezimmer mit einer Dusche.

Genau das, wonach sie Ausschau gehalten hatte.
Verzückt schob Willow den Vorhang beiseite und stellte sich kurz darauf unter den  Strahl warmen Wassers.
Sie schloss die Augen. Das hier war genau das richtige für ihre müden Knochen und den Ausgleich an Entspannung nach der letzten Nacht. Gute zwanzig Minuten erlaubte sie sich abzuschalten, dann stellte sie das Wasser ab und schnappte sich eins der Handtücher, die auf einem Beistelltisch neben dem Waschbecken lagen.
Zu spät bemerkte sie, dass sie ihre Tasche mit frischen Klamotten, die sie gestern morgen für dieses Wochenende gepackt hatte, in Lilas Auto vergessen haben musste, denn sie konnte sich nicht erinnern, sie mit sich genommen zu haben.

»Oh Mist!«, fluchte sie leise und schlug sich mit der Hand vor die Stirn.
Das hieß wohl, sie musste jetzt ganze drei Tage auf High Heels laufen und das enge Ballkleid tragen. Das war nicht wirklich, was Freude in ihr aufkommen ließ.

»Oder ...«, murmelte sie mit einem Einfall, schlang sich das Handtuch um den Körper und verließ das Badezimmer auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer, wo ihr Freund noch immer schlafend auf dem Bett lag.
»Oder ich leihe mir etwas«, sprach Willow mit sich selbst, lief zu Wesleys Schrank hinüber und änderte ihre Robe vom Handtuch zu einem langen Shirt Wesleys und einer Boxershorts.

»Sexy«, grinste Willow sich in den überdimensionalen Klamotten im Spiegel an und drehte sich einmal im Kreis, ehe sie das Zimmer auf leisen Sohlen verließ und sich auf die Suche nach Kaffee machte.

Wesley wurde einige Zeit später von einem warmen Geruch nach heißen Kaffeebohnen und süßen Waffeln wach. Der Duft nach Frühstück lag schwer in der Luft und zum aller ersten Mal, so weit er sich erinnern konnte, in seiner Wohnung.
Wie vom Donner gerührt, erhob Wesley sich und sah zurück auf das zerwühlte Bett, in dem er schon seit einer Weile allein zu liegen schien.

Die Wäsche, die auf dem Boden lag, trieb ihm die Erinnerungen an letzte Nacht vor Augen und jagten ihm einen Schauer über den Rücken.
In seiner Brust entstand ein Gefühl der Sehnsucht. Nur in Boxershorts bekleidet machte er sich auf den Weg, diese Empfindung zu stoppen.

Willow stand am Herd und tippte auf die Arbeitsplatte, während sie auf die grüne Leuchte des Waffeleisens wartete.
Wesley hatte nicht einmal gewusst, dass er ein Waffeleisen besaß, doch es schien seine Bestimmung zu erfüllen.
Mit einem Lächeln öffnete Willow es, als es aufblinkte und holte eine weitere gut duftende und perfekt goldige Honigwaffel vom Eisen, ehe sie neuen Teig einfüllte.

»Guten Morgen, meine Schöne«, raunte Wesley und trat hinter sie, um seine Arme um sie schlingen zu können.
Ein blumiger Duft umgab ihn und ließ ihn einen Kuss auf ihren Nacken hauchen.
»Guten Morgen«, gab Willow gut gelaunt zurück und drehte ihren Kopf, damit er sie richtig auf die Lippen küssen konnte.
Wesley spürte seine Sucht danach. Nur schwer konnte er sich lösen, als das Waffeleisen wieder grünes Licht gab.

»An meine hübsche Freundin und Frühstück könnte ich mich gewöhnen«, sagte er, als er sich löste und Willows Kleidung in Betracht nahm.
Ihr Hintern sah verdammt sexy aus in den Shorts und das Shirt schwang um ihren Körper, als sei es ein Kleid, das nur für sie gemacht worden war.

»Das solltest du aber nicht. Ab morgen bist du wieder Herr deiner Eigenverantwortung.«

Wesleys Lächeln schwand.

»Erinnere mich bitte nicht daran. Ich vermisse dich jetzt schon«, schmollte er und setzte sich an den Tisch auf den schon Teller und Marmelade und Puderzucker als Topping für die Waffeln bereitgestellt waren.
Willow löste den Stecker aus der Steckdose und kam mit dem Berg von Waffeln ebenfalls an den Tisch.
Bevor sie sich ihm allerdings gegenüber setzten konnte, hatte Wesley seinen Arm um sie geschlungen und sie auf seinen Schoß gezogen.
Fest umarmte er sie und drückte sie an sich, bis sie zu Kichern begann.

»Wenn ich bald schon wieder von dir getrennt sein muss, dann will ich dich jetzt wenigstens bei mir haben«, stellte er klar und streichelte über ihre nackten Oberschenkel, während Willow sich ungestört an den Waffeln bediente.

»Und wenn ich nicht auf deinem Schoß sitze, heißt das, dass ich nicht da bin?«, fragte sie amüsiert.
Wesley lächelte.
»So ungefähr.«

Er griff mit einer Hand um ihre Taille und klaute sich eine Waffel.

Köstlich.

»Du bist ein Spinner!«, kommentierte Willow.
»Wow, und das nach einem Tag, den wir offiziell zusammen sind«, lachte Wesley und sah mit Genugtuung, wie sie eine Gänsehaut bekam.
»Ich glaube, das ist ein Rekord.«

Willow schüttelte den Kopf.
»Nein. Der Spinner warst du unabhängig von unserer Beziehung schon immer. Das ist kein Rekord.«

Er zwickte sie in die Seite und sah erfreut, wie sie zusammenzuckte und aufquiekte.

»Immerhin bin ich dein Spinner. Also ist alles, was ich tue, auch dein Problem.«

Sie rollte mit den Augen.

»Das beruht auf Gegenseitigkeit.«

»Sehr richtig, Schäfchen.«

Und genau deshalb werde ich herausfinden, wer oder was dich verletzt hat ... und es zur Strecke bringen.

xxxx

In Washington war der Oktober angekommen. Herbstlich wehten auch hier rote und braune Blätter über die Straßen und der Wind wehte von allen Seiten, dass Willow sich kurzerhand eine von Wesleys Mützen über den Kopf gestülpt hatte und damit versuchte ihre Haare zu fixieren.
Haargummis, ihre Zahnbürste, Kleidung und all den anderen Schnickschnack, der sonst irgendwie immer dabei war, fehlten ihr an diesem sehr spontanen Wochenende.
Genau aus diesem Grund hatten sie beschlossen, gemeinsam einkaufen zu gehen. Willow war von Kelly zum Dinner eingeladen worden. Bis dahin wollte sie mindestens ein Kleid besitzen, das sie zu einem Besuch bei Wesleys Eltern anziehen konnte, um nicht den Eindruck zu erwecken, irgendeine dahergelaufene Hinterwäldlerin zu sein.
Der Anblick des Ballsaals gestern hatte Willown prägend eingebläut, unter welchen Menschen sie sich dort befunden hatte und wie viel gehobener und anständiger sie sich zu benehmen hatte.
Diese Leute hatten mit Sicherheit eine genaue Vorstellung von ihrer zukünftigen Schwiegertochter und obwohl Willow noch gar nicht so weit zu denken vermochte, wollte sie nicht gleich als unwürdig abgestempelt werden.

Wesley amüsierte sich über Willows Aufgekratztheit. Die quirlige Dame an seiner Seite hatte doch ernsthaft die Sorge, eventuell nicht von seinen Eltern anerkannt zu werden. Das war der größte Schwachsinn, den er jemals zu Ohren bekommen hatte. Schließlich hatte Kelly Willow gestern schon kennenlernen dürfen und Wesley hatte seiner Mutter genau angesehen, dass sie Willow tief in ihr Herz schließen würde.
Seine Mutter war ein herzensreiner und lieber Mensch, wenn auch sehr aufdringlich und manchmal überfürsorglich, was Wesley auf die Palme brachte.
Im Wesentlichen allerdings brauchte sich Willow keine Gedanken zu machen. Sie konnte schamlos in einer bulligen Jogginghose und einem übergroßen T-Shirt von ihm zu diesem Dinner kommen und seine Mom würde sie trotzdem mit offenen Armen empfangen.
So war sie eben.

»Ich finde, du siehst einfach nur heiß aus. Wegen mir könntest du den ganzen Tag in meinen Klamotten herumlaufen. Oder nein ... viel besser wäre es, du würdest in gar keinen Klamotten rumlaufen«, grinste Wesley und dachte für einige Sekunden an den gestrigen Abend, als sie beide im Bett übereinander hergefallen waren.

Gott, sie war so wunderschön gewesen. So rein und natürlich, so süß und lieblich, so einzigartig.
Ihr nackter Körper in seinen Armen, ihre weiche Haut an seiner, ihr Duft nach Blumen und Garten in seiner Nase und ihr Lachen, das er mit einem Kuss erstickte. Das war ein wahrgewordener Traum.

»Nackt also, ja? Damit ich mich am ehesten erkälte und von der gesamten Männerwelt angegafft werden kann? Hmmm ... der Gedanke würde mir auch gefallen«, triezte Willow und biss sich so schamlos auf ihre Unterlippe, das Wesley ein leises Knurren entwich.

Der Gedanke an sie, die von irgendeinem anderen Mann so angesehen wurde, wie er sie ansah, machte ihn rasend.
Sein Kommentar war nicht gut durchdacht gewesen. Auf keinen Fall sollte sie jemals wieder jemand nackt sehen. Nur er.

»Ich korrigiere mich. Nackt im Sinne von: Du und ich alleine in unseren Schlafzimmer, wo ich dich nach Strich und Faden ärgern und verwöhnen kann.«

Das Wort "verwöhnen" löste in Willow einen Schauer der Lust aus. Unwillkürlich dachte sie an den gestrigen Abend zurück und bekam rote Wangen. Himmel, was er mit ihr angestellt hatte, solche Gefühle ...

»Da wird meinem Schäfchen warm unter seinem Fell. Wie niedlich«, feixte Wesley und stellte sich ihr urplötzlich in den Weg, sodass sie gegen seine Brust lief, bevor sie stoppen konnte.

Sie waren unterwegs zur nächsten Mall.
Willow hatte laufen wollen und der Weg war nicht weit.
Jetzt standen sie auf dem Bürgersteig in der Wohnsiedlung, in deren Nähe Wesley wohnte.

»Bist du etwa beschämt deswegen?«, frage Wesley und wollte sie aufziehen.
Willow rollte grinsend mit den Augen. Er ärgerte sie schon, seit sie das Haus verlassen hatten. Und das nur, weil sie seine Hose, die viel zu lang war, seine Winterjacke, die viel zu breit war, seine Mütze und auch seine zu großen Schuhe trug und damit wie ein dahergelaufener Weihnachtswichtel im Pippi-Langstrumpf-Style durch die Stadt trödelte.

»Nein. Ich bin nicht beschämt deswegen. Ich bereue gar nichts, eventuell nur, dass ich dir mit meinem spontanen Auftritt zu viel freie Fläche für spitze Kommentare eröffnet habe. Ich glaube, ich sollte das unter keinen Umständen wiederholen«, überlegte Willow laut und sah zufrieden dabei zu, wie Wesleys Gesicht entglitt.

Konterte sie gerade damit, dass sie ihn in Zukunft nicht mehr spontan besuchen würde?
Dass sie nicht mehr einfach so wie die Königin des Himmels in der vollen Menschenmenge der Öde stehen und den Tag erhellen würde?

Das konnte sie nicht ernst meinen. Das war grauenhaft.

Willow kicherte. Mit diesem Kommentar hatte sie wohl einen Schwachpunkt gereizt.
Die Vorstellung gefiel Wesley mindestens genauso wenig, wie ihre Nacktheit vor anderen Männern.
Interessant zu wissen, was für ein Typ Freund er war.
Beschützerisch, ein klein wenig eifersüchtig und besitzergreifend und eine große Portion aufmerksam, trottelig und liebenswert in allem.
Eine Mischung.
Eine einzige Facette.
Perfekt.

xxxx

Innerhalb einer guten Stunde fühlte Willow sich wieder wie ein normaler Mensch.
In einem gekauften Beutel aus Stoff hatte sie erfolgreich einige Hygieneartikel, Kleidung in ihrer Größe, ein paar Lebensmittel und den Prototyp Basilikum für Wesleys Küche verstaut.

Zufrieden verließ sie den Second-Hand-Laden, den sie in einer kleinen Nebengasse entdeckt hatte, und hakte sich bei Wesley unter, der – schlicht und schick wie immer – in einen langen grauen Mantel und eine olivgrüne Mütze geschlüpft war und wegen eines Anrufts draußen auf sie gewartet hatte.
Mit einem Lächeln drehte er sich zu ihr um und steckte sein Handy zurück in die Hosentasche, als er sie bemerkte.

»Erfolgreich?«

Willow nickte stolz. Und wie.
Sie hatte selten ein so schönes Baumwollkleid mit weißen Verzierungen aus Kunstfedern gesehen, die ein Konstrukt, das dem Himmel ähnlich kam, bildeten.
Diese Errungenschaft für zwanzig Dollar würde sie niemals von sich geben.

»Dann komm. Es wird immer windiger und bis nach Hause braucht es noch ein kleines Stück.«

Wesley nahm ihre Hand und verschränkte seine Finger mit den ihren, ehe er beide Hände in seinen Manteltaschen vergrub.
Der Wind war tatsächlich heftiger geworden und Willow war froh, dass sie in Wesleys großen Klamotten versinken konnte.

»Wolltest du mir nicht die Kanzlei zeigen?«, fragte sie bibbernd und drängte sich unbewusst näher an Wesley.
Sie hatte es ungern kalt.
Nur der Winter mit Schnee und dicken Eiszapfen und der Dezember voller Lichter waren davon ausgenommen.
Wesley wollte sich nicht beschweren. Er wollte sie so nahe wie möglich bei sich und sie erfüllte ihm diesen Wunsch. Dennoch legte er einen Zahn zu. In den Nachrichten waren stärkere Windböen gemeldet, für Oktober war es kälter als üblich und er wollte ungern, dass Willow sich erkältete.

»Ja. Das wollte ich. Aber ich habe noch etwas vergessen und vielleicht willst du nicht unbedingt in meinen Klamotten dort auflaufen.«

Willow sah an sich herunter und dann wieder auf den Gehweg vor sich.

»Nein. Das will ich nicht. Guter Gedanke, Freund

Wesley grinste.
Dann hielt er an, zog ihren Körper an sich und drückte ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen, dass sie beide am Ende nach Hause zu torkeln schienen.

Verrückt.

xxxx

Das Kanzleigebäude inmitten der amerikanischen Hauptstadt war ein renovierter Altbau aus den 50er Jahren und durch einige Sanierungen erheblich aufgebessert und zu seinem Zweck geformt worden.
Willow staunte nicht schlecht als Wesley ihr die Flügeltür des vierstöckigen Gebäudes aufhielt und sie vor ihm das klimatisierte Foyer betrat, dessen grauer Fliesenboden von der Tür bis zum Empfangstresen mit einem türkisen Teppich belegt war, ehe sich der Weg links und rechts am Tresen vorbei zu den Treppen und einem Aufzug bewegte.

Für Wesley bedeutete dieses Gebäude Stolz. Er war vom Anfang bis zum Ende der Planungen, Bebauungen, Sanierungen und Renovierungen dabei gewesen und hatte die Arbeiten seiner eigenen Arbeitsstätte penibel betreut.
Er war gewiss pingeliger, wenn es um seine Angelegenheiten ging. Er regte sich schneller auf, fand Dinge schneller scheußlich und hasste alles, was nicht seinen Vorstellungen entsprach. Im Gegensatz zu Charles, dem 50 Prozent des Kuchens gehörten, fuhr er deutlich häufiger aus der Haut und hatte bei den Designbeschlüssen des Gebäudes auch mehr Kritik abgelassen.
Wesley wollte sich einfach nicht mit dem Minderen von dem Abgeben, was er haben konnte. Zumindest war das lange Zeit so gewesen.
Er hatte immer eine höhere Stufe angestrebt, hatte nach höheren Standards gelebt, als denen, die er gewohnt war.
Nach seiner Theorie kam man nur durch Ziele und Visionen zu einer Entwicklung des eigenen Bewusstseins und in vielerlei Hinsicht hatte er damit auch immer Recht behalten.
Er wäre nicht so weit gekommen und nicht so zufrieden wie er heute war, wenn er sich die Dinge nicht vorgestellt, sie ausgefeilt und perfektioniert hätte.
Durch harte Arbeit und ein klares Mindset war er bis hierhin gekommen und er wollte noch weiter.
Wohin sollte er gehen, wenn nicht noch weiter?
Es gab für ihn kein Zurück. Das wäre lächerlich und reinste Verschwendung.

Willow konnte von Visionen und Träumen nur ein Lied singen. Sie war anders, ganz anders aufgewachsen, als Wesley und hatte damit eine ganz andere Sichtweise aus das Leben erhalten.
Für sie ging es auch stets voran. Wer nur nach hinten sah, verlor den Überblick von all den Dingen, die noch vor ihm lagen. Doch sie strebte keine Perfektion und auch keine Aufbesserung ihrer Gegenwart an. Sie hatte gelernt, das Leben in kleinen Momenten zu genießen, denn wer zu lange mit dem Glück spielte, traf irgendwann auf den Moment, an dem es sich in Unglück wandelte und letztendlich vergaß man, dass man einst glücklich gewesen war.
Sie lebte zwischen den Zeilen ihres Seins. Das stellte für sie einen wesentlichen Unterschied zwischen sich selbst und Wesley dar.
Sie träumte niemals übermütig und sie zeigte in allem, was sie erlebte, Dankbarkeit.
Gewiss war das ihrer Vergangenheit und ihren Erfahrungen geschuldet.
Erfahrungen, die sich Wesley Dillons nicht einmal vorstellen konnte. Erfahrungen, die sie sich nicht nur zierte zu verschweigen, sondern sogar geschworen hatte unter Verschluss zu halten.
Denn er würde sie nie wieder mit denselben Augen ansehen, wenn er wüsste, was in ihrem Inneren schlummerte. Wenn er wüsste, was sie wusste.

Er würde sie nie wieder so behandeln, wie er es jetzt tat, da er ihr die Türen zum Aufzug aufhielt, zu dem sie nur unterbewusst gelaufen war.

Er würde in ihr niemals wieder die gleiche Person sehen, die sie war.
Sie schaffte es an manchen Tagen ja nicht einmal selbst, sich in den Spiegel zu schauen, vielleicht putzte sie ihn deshalb nie. Mit Wasserspritzern und Staub war es schwieriger seine eigene Fassade anzuschauen.
Leichter, wenn man sich in der Welt von Wesley Dillons befand. Denn wie Willow jetzt feststellte und noch schmerzhafter erleben würde, war diese Welt sauberer und heil. Im gläsernen und verspiegelten Aufzug in den vierten Stock konnte Willow ihr Gesicht sehr genau sehen.
Und es gefiel ihr plötzlich immer weniger.
Mit einem Mal ...

»Willow?«

»Hm?«, schrak sie aus ihren Gedanken und sah ein wenig desorientiert zu ihm auf.
Wesley hatte eine Augenbraue gehoben.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte er und streckte sorgenvoll eine Hand nach ihr aus, die sie mit einem halbherzigen Lächeln ergriff und sich an ihn ziehen ließ, bis ihr Kinn an seiner Brust lehnte und sie, den Kopf in den Nacken gelegt, zu ihm Aufschauen konnte.

»Ja, ich habe nur gerade nachdenken müssen.«

»Worüber?«, fragte er ehrlich interessiert und legte wie selbstverständlich seine Arme um ihre Taille.
In gewisser Hinsicht war es selbstverständlich. Willow war es dennoch nicht gewöhnt, derartig liebevoll von einem Mann berührt zu werden.
Sie hatte seit ewigen Zeiten keinen Freund mehr gehabt und mit Wesley war es ihr ernster, als jemals zuvor, was sie einerseits wirklich glücklich machte. Sie war seit Monaten wieder ernsthaft vom Leben erfüllt und fühlte sich von jemandem aufgefangen und beschützt.
Auf der anderen Seite machte es sie aber auch nervös, von jemandem gehalten zu werden. Denn wer einmal aufgehört hatte, für sich selbst zu laufen, der hatte es schwer, wieder damit anzufangen, wenn das Schöne sein Ende fand.
Sie wollte gar nicht daran denken. Das war äußerst pessimistisch, nach nur einem Tag ihrer Beziehung.
Und doch ... der Teufel auf ihrer Schulter lehrte sie einmal mehr, nicht auf das Leben hereinzufallen.
Alles fand irgendwann sein Ende. Und wieso sollte Wesley Dillons, der Herr dieses teuren Hauses und Angebetete von allen Frauen, die Willow im Laufe des Tages begegnen sollten, ausgerechnet ihr, dem unscheinbaren Mädchen vom Land, die ewige Treue schwören? Das war absurd zu vermuten und sie würde sich keine falschen Hoffnungen machen.

Sie war nicht mehr das naive kleine Mädchen, das sie damals gewesen war, als sie noch Träume besessen hatte.

Dieser Mensch war vergangen.

Wesley musterte Willow nachdenklich. Sie verhielt sich merkwürdig, seit sie das Gebäude betreten hatten.
Er hatte bloß keine Ahnung, woran das lag. Doch Willow schien wie paralysiert, war so weit weggetreten, dass sie nicht einmal bemerkte, wie sie im oberen Stockwerk ankamen und Wesley sie aus dem Aufzug schob.

»Alles in Ordnung?«, fragte er  abermals und lehnte sich zu ihr hinunter.
Sie beantwortete seine Frage nicht. Ihre Augen nahmen stattdessen einen glasigen Schimmer an, ehe sie heftig blinzelte, dann zusammenzuckte und ihn schließlich vollkommen unerwartet anlächelte.

»Alles bestens.«

Und während sie sich auch hier oben einmal im Kreis drehte.
Die hohen Deckenwände, den Marmorboden, die riesigen Fenster auf die Stadt und das allgemein sehr reinliche und teuere Ambiente unter die Lupe nahm und das aufgezogene Lächeln mit jeder Sekunde wieder von ihren Lippen wischte, da wusste er, dass alles, alles war, aber niemals bestens.

Ganz im Gegenteil.

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