KAPITEL 26

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng


Wesley hatte keinen blassen Schimmer, weshalb Willow sich innerhalb seines Büros so fremdartig aufführte.
Still und beinahe weltfremd blickte sie sich auch nach Stunden noch stumm um und wirkte dabei weggetretener denn je.
Sie war nicht gesprächig. Antwortete nur knapp, wenn er eine Frage stellte. Sie schob das ausweichend darauf, ihn nicht bei der Arbeit stören zu wollen.
Aber das war fadenscheinig.
Willow hatte noch nie besondere Rücksicht auf seine Arbeit genommen und während er in ihrem Büro am Schreibtisch gesessen hatte, hatte sie laute Musik gehört, die den Boden erbebt hatte oder mit Heaver Fangen im Haus gespielt. Sie war niemals leise. Darum war ihre plötzliche Verstummtheit ein Indiz, der in ihm Argwohn und Misstrauen hervorrief. Aber er hatte keinen blassen Schimmer, worauf.

Willow fühlte sich akut bedroht. Wesley konnte sie das nicht erklären.
Es war absurd.
Aber dieses Gebäude, das in all seinen Facetten klare Strukturen aufwies, – Gleichheit und Ordnung. Von Schreibtischen in Meter genauen Abständen über Papierkörbe immer links des Bürostuhls bis zu haargenau gleich tickenden Uhren an der Wand. Schwarz und weiß. – legte in ihr einen Schalter um, der ihr ganz und gar nicht gefiel.
Denn dieser Schalter setzte das klare Denken aus und er machte es ihr äußerst schwer, ruhig zu bleiben und nicht keuchend und nach Luft ringend abzuhauen, bis sie wieder das Gefühl bekam, Atmen zu können.

Krampfhaft versuchte sie sich am Riemen zu reißen.
Aber hier war alles so farblos.
Alles so steril.
Gestern auf dem Ball war es edel und förmlich gewesen, aber ansonsten laut und lebendig.
In Wesleys Wohnung hatte sie es durch seine Zuneigung und Zärtlichkeit verdrängt, wie wenig Platz sie dort zum Atmen hatte.
Aber hier ...
Hier liefen ausschließlich Frauen in weißen Blusen und schwarzen Röcken bis zu den Knien herum.
Hier hatte alles seinen Platz, nichts einen Fleck und Wesley ein so monotones Gesicht, dass es sie fröstelte, obwohl sie an der Heizung saß.

Es war ungewöhnlich gruselig, fand Willow.
Ungewöhnlich gruselig wie unwohl sie sich fühlte und wie sehr sie sich dafür schämte.
Denn Wesley war für sie mehr als nur einmal einen Kompromiss eingegangen. Er hatte sich am Anfang damit schwer getan, aber in weniger als vierzehn Tagen an ihre Welt adaptiert.
Sie hoffte, dass sie ihm denselben Gefallen tun konnte.
Seltsam gruselig allerdings, dass sie wusste, das niemals tun zu können.

Das konnte sie klar sagen.
Nach nicht einmal vierundzwanzig Stunden.

Nach nur knapp zwei Stunden stieß Wesley einen frustrierten Seufzer aus und erhob sich schlagartig, so dass Willow zusammenzuckte.

Er war angefressen. Ihre erschrockene Reaktion verstärkte seine Wut. Was zum Teufel war urplötzlich mit ihr los?
Gerade noch war alles in Ordnung gewesen. Sie hatte ihre Witze gerissen und er hatte sein Verlangen an ihren Lippen gestillt und jetzt und hier war sie wie ausgewechselt. Diese Frau kannte er überhaupt nicht.
Aber er konnte sich nicht konzentrieren, wenn seine Willow von Dannen war.

Erhobenen Hauptes umrundete er seinen gläsernen Schreibtisch und lief schnurstracks auf sie zu, bis er vor ihrer sitzenden Gestalt stand, sich hinabbeugen und sie hochheben konnte, um sie dann auf seinem Schoß zu platzieren, als er sich auf dem Sofa niederließ.

Wie Schlingpflanzen umfasste er ihre schmale Statur und presste sie an sich, bis kein Luftmolekül mehr zwischen sie passte und er ihr Gesicht ganz genau lesen konnte.

»Was ist dein Problem? Sprich mit mir, Frau, denn du machst mich wahnsinnig!«, forderte er sie ohne Umschweife auf und ersehnte sich, dass sie ihn erlöste.
Zwei Stunden ohne ihr Lachen oder ihre Meinung zu irgendwelchen belanglos scheinenden Dingen zuhören, das war Pein auf allen Ebenen.

Willow legte den Kopf schief.
Innerlich brannte ihr das Herz.
Wie sollte sie ihm erklären, dass sie Angst vor diesem Gebäude hatte? Dass sie Angst vor seiner Welt bekam und das nach nur so wenig Zeit.
Das war albern.
Das war ungerecht.
Und sie konnte es nicht erklären. Sie konnte sich nicht erklären. Schon gar nicht ihm.

»Ich habe kein Problem, Mann. Mir scheint bloß, ich müsse dir ein bisschen Ruhe gönnen, nachdem ich so unerwartet hier aufgetaucht bin und dein Wochenende in Beschlag genommen habe.«

Sollte das ein Scherz sein?
Wesley schnaubte, war beinahe gewillt, sie übers Knie zu legen für diese spröde Aussage.
Das war lächerlich!
Als ob er sie jemals um Ruhe gebeteten hätte. Das könnte er niemals, denn er hasste die Stille und noch mehr, seit er sie kannte!

Willow bemerkte, wie farblos diese Antwort gewesen war.
Wiegelnd fügte sie hinzu: »Außerdem fällt mir momentan nicht ein, worüber ich sprechen könnte. In Sachen Jura kenne ich mich nur wenig aus und über das Wetter haben wir schon ausgiebig diskutiert.«

Wieder eine scherzhafte These, dachte Wesley.
Immerhin hatten sie einander immer etwas zu sagen und Willow konnte sogar über einen Kugelschreiber lange und breite Reden fassen – Wesley hatte Erfahrung damit.

Sie log ihn an. Er spürte es in all seinen Knochen.
Und es setze ihm zu.

»Willst du mich für dumm verkaufen?«, fragte er, beinahe etwas zornig und wollte noch ausschweifen, als plötzlich die Bürotür aufsprang und sie beide unterbrach.

Ohne anzuklopfen oder sich zu entschuldigen, als Willow vor Schreck zusammenzuckte, traten zwei Gestalten ins Büro, die Willow vom gestrigen Ballabend kannte.
Heute in einem grauen Anzug strahlend, betrat niemand geringeres als Charles Anderson das Zimmer, dicht gefolgt von einer Dame, in einem schwarz-weiß Outfit, die Willow erdolchte, wie auch am gestrigen Abend – Malia.

»Guten Mittag, ihr zwei Turteltäubchen, kommen wir sehr ungelegen?«, fragte Charlie ungehobelt in den Raum und nickte Willow mit einem Strahlen zu, das sie sanft erwiderte.
Wesley knirschte mit den Zähnen.

In seinem Herzen keimten Eifersucht und Zorn auf.
Charles kam in seinen Augen äußerst ungelegen, denn jetzt konnte er Willow nicht mehr ausfragen, weshalb sie so merkwürdig war.
Hatte er etwas falsch gemacht?
Wieso sagte sie denn nichts?

Gerade als er seinem besten Freund mit einem Ja antworten wollte, erhob sich Willow aus einem Schoß und schüttelte energisch mit dem Kopf.

»Aber ganz und gar nicht! Kommt nur herein!«, forderte sie selbstredend auf und nahm drei Meter von Wesley Abstand, die sich anfühlten, wie sieben Fausthiebe ins Gesicht.

Charles lächelte. Er mochte dieses Mädchen – sehr – obwohl sie ein wenig unbeholfen in diesem Raum aus grau und weiß wirkte.
Ihr Kleid war hellrot und mit einem bunten Schal kombiniert. Sie war beinahe das einzige, was diesem Büro Farbe verlieh. Trotzdem wirkte sie deplatziert.
Sie war klein und zierlich. In der Fensterwand hinter ihr überragte Washington sie wie ein dunkler Schatten. Ebenso wie beinahe jedes Objekt in diesem Zimmer. Das siebentausend Dollar Sofa, der zehntausend Dollar Schreibtisch eines britischen Designers, ja sogar der zweihundert Dollar Mülleimer.

Sie hat Mumm, dachte Charlie. Mumm, weil sie versuchte, nicht ihr Gesicht an die Fassade zu verlieren. Und er rechnete es ihr hoch an, bekam es aber auch mit der Angst zu tun.
Denn dieses Leben, diese Welt war nicht für jeden Menschen gemacht.

»Sicher geht es um etwas Geschäftliches!«, platzte es beinahe atemlos aus Willow.
Malia nickte. Charlie setzte zu Worten an, die dabei abwinkend hinzufügten, dass sie ruhig bleiben und hören konnte, worum es ging, doch Willow ließ ihn gar nicht zu Wort kommen.

Mit urplötzlich weit aufgerissenen Augen, nickte sie und lief auf die Tür zu.
»Kein Problem. Ich ... ich verschwinde schnell, damit ihr reden könnt. Es ist sicher sehr wichtig und mit Verschwiegenheit zu behandeln. Bin schon weg!«, hetzte sie zu sagen und war schneller aus der Tür verschwunden, als irgendjemand einen Einwand hätte erheben können.

Die Tür knallte haltlos zu.
Wesley sprang wie von der Tarantel gestochen auf und war drauf und dran ihr sprachlos nachzufolgen, als Charles ihn fragend aufhielt.

»Ich denke, du solltest ihr einen Moment Ruhe gönnen, von dem, was auch immer zwischen euch vorgefallen ist.
Hattet ihr Streit? Wieso wollte sie so schnell gehen?«

Charles musterte seinen lockenköpfigen Freund.
Einen Tag hatte er seine Schönheit wieder und schon rannte sie bei der erstbesten Gelegenheit aus dem Raum.
Wie wollte er ihm das erklären?

Wesley stieß frustriert seine Hand aus dem Weg und sah dann in die Runde.

»Wenn ich doch selber eine Ahnung hätte!«, fluchte er.
»Vorhin war noch alles normal und plötzlich schließt sie ihren Mund und sagt kein Wort mehr! Ich muss ihr sofort hinterher, irgendetwas stimmt hier nicht.«

Das tat es allerdings nicht.
Als Wesley zehn Minuten später allein ins Büro zurückkehrte, war das allen Beteiligten der Runde klar.
Fassungslos setzte Wes sich auf seinen Bürosessel und schaute beinahe apathisch auf die Tischplatte.

»Sie ist weg. Sie hat das Gebäude verlassen. Theresa meinte, sie wäre davon gerannt und hätte sich ein Taxi genommen.«

Wesley hielt sich verständnislos den Kopf.
Wieso?
Er verstand das nicht. Heute Morgen war sie doch noch so strahlend gewesen!

Charles hob eine Augenbraue.
Und sein Freund wollte ihm ernsthaft verklickern, nicht irgendwas gesagt zu haben, das Willow erschreckt und verstört hatte?
Gewiss hatte dieser unpflegliche Kerl etwas Dummes gesagt und sie damit verärgert. Es passierte ihm doch ständig, dass er seine Zunge nicht hüten konnte und in Sachen Frauen war er dabei auch noch unerfahren.

Innerlich seufzte Charles. Hoffte sich nur, dass er sich noch bei Willow entschuldigen konnte.
Sie erschien ihm nämlich wie genau die Richtige an der Seite dieses Sturkopfes. Sie brachte ein wenig Farbe in seine Welt und verhielt sich äußerst erfrischend. Zumindest glaubte Charlie das nach dem gestrigen Abend zu wissen.
Er betete für Willow und seine Einschätzung von ihr, ein dickeres Fell zu besitzen und robust zu sein, über Wesleys Fehlern zu stehen, die er sicherlich noch häufiger machen würde.

»Und ich kann sie nicht erreichen. Sie hat ihr Handy ausgeschaltet! Ich verstehe das alles nicht ...«, hauchte Wesley und spürte Verzweiflung in sich aufkeimen.
Was hatte er bloß falsch gemacht?
Was hatte er übersehen?
Und wieso reagierte sie so ... fluchtartig?

Es war ihm zutiefst unangenehm und erschütternd, dass sie wortwörtlich vor ihm weggelaufen war.
Das war bedeutsam schmerzhaft und er hatte nicht gedacht, derartiges an diesem eigentlich so schönen Wochenende zu verspüren.

Willow, wo bist du bloß?
Wieso rennst du vor mir weg, Schäfchen?

»Ich denke, Sie sollten ihr ein wenig Ruhe gönnen. Einige Frauen neigen zu hyperventilieren, wenn ihnen die Luft ärmer zu werden scheint. Dazu sind manche von uns einfach veranlagt. Aber das legt sich wieder, sobald sie ihre Show erstmal hinter sich gebracht haben.
Wollen wir auf das Geschäftliche zurückkommen?«

Wesley sah Malia an, als hätte er einen Geist gesehen.
Wollte diese Frau ihm ernsthaft unterstellen, dass seine Freundin für eine triezende Show nach Aufmerksamkeit aus diesem Büro gestürmt war?
Das war nicht nur eine harte Anschuldigung, gar Beleidigung, sondern auch eine eindeutige Lüge, denn Willow gehörte gewiss nicht zu jenen Frauen, die aus Lust hyperventilierten.
Eigentlich gehörte sie gar zum Gegenteil. Sie hasste Aufmerksamkeit und großen Wirbelwind. Und sie hatte für alles einen Grund.
Für. Jede. Kleinigkeit. In. Ihrem. Leben.

Auch jetzt musste sie eine Ursache ihres Verhaltens haben.
Wenn er nur einen Schimmer hätte, welche.
Und wenn er nur wissen würde, wo sie steckte!

xxxx

An manchen Tage packte einen das Leben mit einer schicksalhaften Ironie bei der Hand und veränderte damit alles.

So konnte Willow nicht beurteilen, wie sie sich fühlte, als sie sich im Rock Creek Park mit tränenüberströmten Augen auf eine Bank niederließ und nur wenige Minuten später von einer warmen Hand auf ihrem Rücken den Trost eines ganzen Jahrhunderts zu spüren glaubte.

Sie konnte selbst nicht sagen, weshalb sie so überraschend fortgerannt war.
Vielleicht lag es an der Zusammenkunft fremder Menschen, die sie irgendwie unterbewusst bedrängt hatten.
Vielleicht war es die neue Umgebung und das Schubkasten-Denken, in das sie hier so leicht verfiel.
Vielleicht war es das Wetter oder doch etwas ganz anderes. Willow konnte es nicht sagen.
Sie wusste nichts.
Sie wusste nur, dass sie sich Wesley gegenüber unglaublich unfair verhielt und er ihr keinen Grund gegeben hatte, dass sie es ihm nun so schwer machte.
Bei Gott, sie wusste nicht einmal, warum sie jetzt weinte. Dazu stand ihr nun wirklich kein Recht.
Wesley hatte ihr nie einen Grund gegeben, dass sie nicht auch in seine Welt passte. Und wenn er – ihr Kontrast schlechthin – sich an einen Bauernhof gewöhnen konnte, dann sie doch wohl an eine Luxuswohnung mit schönem Stadtblick.

Sie verhielt sich lächerlich!

»Mein Vater sagte stets: Keine Träne ist von größerer Bedeutung, als jene von der man nicht versteht, weshalb sie fällt.
Denn der, der weint, obwohl er nicht weiß, wieso, der trägt eine Macht in sich, die das Denken übersteigt.«

Willow schniefte. Die unbekannte Stimme hatte einen seltsam beruhigenden Unterton, der ihr irgendwie durch Mark und Bein lief.
Geräuschvoll zog sie die Nase hoch. Sie musste mehr als nur verheult aussehen und sie wagte es nicht, den Kopf zu heben.

Sie schämte sich und sie fühlte sich unendlich allein.

»Ich habe nie verstanden, warum er glaubte, Menschen mit scheinbar unnützen Tränen, hätten etwas Besonderes in sich. Aber heute sitze ich beinahe jeden Sonntag auf dieser Bank im Park und beobachte eine Menge Leute. Und ich weiß jetzt, was er meint. Es ist beinahe überdeutlich zu sehen.«

Ein weißes Taschentuch schob sich in Willows Blickwinkel.
Einen Moment starrte sie es reglos an. Dann riss sie sich zusammen, fasste vorsichtig danach und putzte sich die Nase ohne jede Scham.
Sie war sowieso schon ein Haufen aus Trümmern und der fremde Mann hatte sie gewiss gesehen. Sie konnte nichts verbergen.

»Was ist überdeutlich zu sehen?«, fragte sie leise, als sie den Kopf hob und ihren Gesellschafter anschaute.

Er musste ein Mann im Alter von Mitte fünfzig sein.
Sein volles Haar war an den Ansätzen leicht ergraut, sein Gesicht ein wenig eingefallen von Lachfalten an den Wangen und die Haltung zerbrechlicher, als jüngeren Männern, die vorbeiliefen.
Und doch, dieser Mann strahlte eine seltsam andere Art von Kraft aus.
Sie imponierte Willow, als sie ihm in die braunen Augen sah und sein zärtliches Lächeln erhaschte.

Er war ihr auf Anhieb sympathisch.

»Der Kampf«, sagte ihr Gegenüber. »Der Kampf, den einige Menschen mit sich selbst, mit ihrem eigenen Bewusstsein, austragen. Der Kampf, der für Entwicklung sorgen wird, wenn sie ihn bestehen.«

»Sie meinen, wenn sie sich selbst besiegen?«, hakte Willow nach und schniefte abermals.
Ihr Gegenüber lächelte. Und dieses Lächeln war ihr seltsam vertraut.

»Allerdings. Und das ist der Aspekt, an dem es unverständlich und verwirrend wird. Denn wie sollte man sich selbst besiegen können? Offensichtlich ist das unmöglich. Aber nichts ist wirklich unmöglich, wenn man es nicht doch möglich macht. Und eine Hürde ist letztlich auch nur ein lebloses Objekt, das man aus dem Weg schieben könnte, um daran vorbei zu gehen.«

Eine beträchtlich simple Sichtweise auf das Leben, dachte Willow.

Beinahe klang es ihr absurd einfach.

»Jedenfalls, sind unbekannte Tränen eine Art der Verarbeitung der eigenen Realität, die einem augenscheinlich bewusst scheint, aber tatsächlich unbewusst ist.
Diese Tränen werden vergehen. Und sie werden eine Folge mit sich ziehen, die Sie erheitern wird. Vertrauen Sie darauf.«

Er sprach so seltsam zuversichtlich, dass Willow ihm auf Anhieb Vertrauen zukommen ließ.
Und das war gewiss nicht unnaiv. Aber sie konnte nicht anders. Und sie fühlte sich tatsächlich besser. Wenn auch nur ein wenig.

»Ich ... ich bin neu hier in der Stadt, wissen Sie?
Um genau zu sein seit wenigen Stunden.
Es war eine spontane Aktion, meinen Freund zu besuchen. Er hat zuvor immer nur mich besucht. Wir kennen uns nicht lange und zu Anfang dachte ich ... wir wären einander viel zu unähnlich, als dass wir jemals mehr als nur Bekannte werden könnten. Doch dann sind die paar Wochen, die er und ich zusammengelebt haben, zu den schönsten in meinem Leben geworden. Und auch wenn er aus der Großstadt kam, ich vom Land, er Tiere hasste und Luxusautos liebte und ich das genaue Gegenteil schien es irgendwie ... hervorragend zu passen. Ich bin selten ... so glücklich gewesen, wie damals.«

Es schien ihr schon so lange her. Absurd.

»Und jetzt passt es nicht mehr?«, hakte ihr unbekannter Gesprächspartner nach.

»Doch schon, denke ich. Vor einigen Stunden war ich glücklicher als jemals zuvor, denn wir sind offiziell ein Paar geworden. Ich mag ihn sehr und ich fühle mich gut aufgehoben, wenn ich bei ihm bin. Aber diese Stadt und die Veranstaltungen auf die er geht, seine Arbeit und sein Reichtum, dass ...«, sie schluckte und wollte fortfahren, als man sie abermals unterbrach.

»Dass ist nicht Ihre Welt.«

Genau das.

»Richtig. Es ist nicht meine Welt. Hier ist alles so laut und voll und gleichzeitig ist seine Wohnung so sauber und ordentlich, sein Kleiderschrank feinsäuberlich mit ausschließlich weißen und schwarzen Hemden und sein Arbeitsplatz so monoton wie eine exponentielle Wachstumskurve. Ich ... ich fühle mich, als würde ich hier sofort ersticken. Dabei kenne ich mich hier noch gar nicht aus und habe ihm noch gar keine Möglichkeit gegeben, mir hier alles anzusehen. Ich weiß, dass das total ungerecht und übereilt ist!«

Überraschend schüttelte ihr Gegenüber mit dem Kopf.
Willow blinzelte neue Tränen aus ihrem Blick.
Himmel, es wurde langsam wirklich peinlich.

»Ich weiß genau wie Sie sich fühlen. Und Sie wissen gar nicht, wie berechtigt und verständlich ihre Reaktion ist. Es kann immer und auch sofort überfordernd wirken, wenn man sich auf etwas Neues einzulassen hat. Und selbst wenn man gewollt ist, es zu versuchen und sich anzupassen, kann es schnell zu Überforderung kommen.
Das ist menschlich und ich bin sicher, auch Ihr Freund könnte Sie sofort verstehen.
Haben Sie mit ihm gesprochen?«

Willow schüttelte den Kopf.
Dann gestand sie beschämt: »Ich bin ihm davongerannt!«

Der Mann mit den sympathischen Lachfalten verfiel in ein tiefes Lachen, das den Park überschattete.
Willow wusste nicht, ob sie gekränkt oder amüsiert sein sollte. Doch als sie ihn beim Lachen betrachtete, entschied sie sich für letzteres und gestand sich diesen Schuss ins eigene Knie ein.

Sie, eine erwachsene Frau von Sinn und Verstand war tatsächlich vor dem Mann weggerannt, der sie bis jetzt besser fühlen ließ, als jeder andere auf dieser Welt.
Wesley gab ihr das Gefühl, gebraucht und begehrt zu werden. Er war aufmerksam und liebevoll und beschützerisch.
Wie konnte sie bloß vor ihm davonlaufen?

»Entschuldigen Sie. Aber das Bild in meinem Kopf war reinlich humorvoll. Sie müssen ihren Freund gewiss in tiefster Dunkelheit verlassen haben. Der Arme. Doch das wird er aushalten, wenn er sie ehrlich liebt. Glauben Sie mir.«

Das tat Willow nur allzu gern.

»Denken Sie? Und was soll ich ihm sagen? Dass ich auch nach weniger als vierundzwanzig Stunden sagen kann, dass ich mich hier niemals wohlfühlen werde. Nicht dauerhaft. Sondern vielmehr, als würde ich ersticken?«

Wieder entrann ihm ein Lachen.

»Aber nein. Wie wäre es, wenn Sie zusammen daran arbeiten würden, wie ihnen diese Welt schmackhafter gemacht werden könnte? Meine Frau ist ebenfalls einen anderen Lebensstil gewöhnt gewesen, als ich es als junger Mann war. Doch wir haben einander geliebt und sind uns auf der Hälfte des Weges entgegengekommen. In der Liebe geht man Kompromisse ein. Es gehört dazu und es ist gut so. Niemand verlangt von Ihnen, sich in diese Welt zu zwingen. Gleichzeitig zwingt niemand Ihren Freund in Ihre Welt. Stellen Sie beides nicht in Aussicht. Aber vielleicht eine Welt dazwischen. Eine, die sie gemeinsam erschaffen.«

Das war nicht nur ein guter Vorschlag, sondern auch genau das, was Willow wollte.
Eine Welt, die weder schwarz noch weiß war.
Sie wollte eine Welt aus ihnen beiden.

»Ehe Sie das allerdings tun können, und hier kommen wir zum Anfang zurück, sollten Sie diesem Leben noch eine Chance geben. Finden Sie gemeinsam heraus, was Ihnen an seiner jetzigen Welt gefallen könnte. Denn nur so kann ein Gleichgewicht entstehen.«

Wieder richtig.
Wieder wahr und einlenkend.

»Danke«, sagte Willow. Und sie meinte es so.
Sie war dankbar.
Diese Begegnung hatte ihr die Seele beruhigt und ihren rebellierenden Magen ein wenig besänftigt.

Auf einmal fühlte sie sich wieder lebendiger – wenn auch sehr erschöpft – und spürte die Sehnsucht danach, zurück in Wesleys Wohnung zu kehren und sich in seinem Bett zu vergraben, bis er zu ihr kam und sie kuscheln konnten.

Sie verspürte eine brennende Sehnsucht nach ihm.

»Ich habe zu danken. Es war reizend, sich mit Ihnen zu unterhalten. Bleiben Sie bloß Sie selbst, junge Dame, das würde Ihrem Freund vermutlich auch am besten gefallen, denn immerhin hat er sich in die Dame verliebt, die Sie waren, als Sie noch nicht hier gelebt haben.«

Das war ein erschütternd klarer Punkt.
Und er rannte Willow über den Haufen.
Sie war noch nicht gewollt, von Liebe zu sprechen. Weder sie noch Wesley hatten das je in eine Konversation gebracht. Aber sie mochten einander sehr. Und das seit sie sich in Innerforks besser kennengelernt hatten.

An diese Zeit wollte Willow anknüpfen.
Diese Tage der Vollkommenheit trieben sie an, als sie entschlossen aufstand, den Mann vor sich herzlich umarmte, sich abermals bei ihm bedankte und dann ihre Beine in die Hand nahm, um in angehender Dämmerung nach Hause zu rennen.

Tatsächlich waren seit ihrer Flucht mehrere Stunden vergangen.
Es war früher Abend und Wesley musste traurig oder wütend sein, weil sie ihn so derartig kaltblütig verlassen hatte. Sie musste sich entschuldigen, das wusste sie und das wollte sie auch.
Und dazu noch so viel mehr.

Sie war angetrieben von einem Strudel aus Energie, als sie durch die Straßen rannte und sich zu orientieren versuchte.
Leicht war das nicht. Willow kannte sich nicht gut aus und die Großstadt plus der schwirrende Verkehr verwirrten sie. Doch sie kam voran, probierte sich an der Orientierung nach Restaurants, an denen sie heute morgen vorbeispaziert waren, und stand schließlich mit verschwitztem Haaransatz und roten Wangen irgendwann wieder vor Wesleys Wohnungstür.

Wesley hatte den Tag über verzweifelt versucht, seine Freundin zu erreichen.
Er war mehrmals von seinem Schreibtisch aufgestanden und hatte in der Stadt nach ihr Ausschau gehalten, während er zum ersten Mal in seinem Leben Mittagessen und Kaffee für die Crew besorgt hatte.
Willow war nirgendwo zu sehen gewesen und so gerne er sie auch den ganzen Tag gesucht hätte, in einer Stadt wie D.C. wurde man nicht gefunden, wenn man es nicht wollte und vielleicht brauchte Willow tatsächlich ein wenig Ruhe, wie Charles behauptet hatte.

Ernsthaft konzentrieren konnte Wesley sich nicht, aber er brachte den Abend irgendwie hinter sich und machte schließlich Feierabend um endlich seinen krankhaften Sorgen um Willow freien Lauf zu lassen.
Er erhoffte sich, sie in seiner Wohnung vorzufinden.
Alles andere würde ihm bei der Dunkelheit und ihrer Weiblichkeit betonenden Kleidung den Kopf abreißen.

Die Taxifahrt durch die Stadt erschien Wesley heute länger als sonst.
Bei jeder roten Ampel und jedem Fußgängerweg bei dem das Auto zum Halten kam, stieß er einen frustrierten Seufzer aus, der sogar den Taxifahrer mit hochgezogener Augenbraue in den Rückspiegel stutzig machte.
Glücklicherweise sprach er Wesley nicht auf seine Launen an. Stattdessen machte er seinen Job und hielt eine knappe halbe Stunde später vor Wesleys Wohnkomplex an.

Wesley konnte gar nicht schnell genug aussteigen.
Eilig schwang er sich vom Rücksitz und umrundete das Auto, um dem Fahrer sein Geld durch das Beifahrerfenster zu reichen. Aufgeregt und sehnsuchtsvoll drehte er sich dann um, nur um gleich darauf beinahe das Gleichgewicht zu verlieren und einige Meter zurückzutaumeln als ein zierlicher aber schwungvoller Körper ihm in die Arme sprang.

Ein wohliges Seufzen entfuhr seinen Lippen, als ihm der Duft nach Blumen und Garten in die Nase stieg. Das war der unverkennbare Geruch nach dem Mädchen, das er wohl jetzt schon mehr liebte, als er sich eingestehen konnte.

Sie ist hier. In Sicherheit, stellte er erleichtert fest, beinahe schon vergessen habend, dass sie zuvor vor ihm weggelaufen war.

»Es tut mir leid«, hauchte Willow, kaum das Wesley sie fest in seine Arme gehoben und sie ihre Beine um seinen Torso geschlungen hatte.
Ihr Gesicht hatte sie an seiner Halsbeuge vergraben und sie schmiegte sich jetzt so dicht es ging an Wesley, um seine warme Haut zu spüren und den männlich herben Geruch seines Körpers tief in sich zu speichern.

»Es tut mir leid. Ich ... ich wollte nicht so komisch sein. Es ... Ich hatte plötzlich nur so große Angst«, gestand sie leise hauchend und spürte wie er sich bei ihren letzten Worten verspannte.
Sie schloss die Augen. Sie wollte weinen.

Wesley setzte sich mit schnellen Schritten in Bewegung. Das Taxi in seinem Rücken war noch immer nicht losgefahren und er konnte sich den neugierigen Blick des Fahrers nur allzu gut vorstellen. Dieser war genau wie einige der Passanten, die an ihnen vorbeiliefen und sich extra bückten um ihre Schuhe neu zu binden, weil sie ihn erkannt hatten, aber nicht die Frau, die sich an seinen Hals klammerte. Er wollte dieser Stadt keine neue Klatschgeschichte bieten, schon gar nicht mit seiner Willow auf dem Titelblatt. Vor den skandalhaften Schlagzeilen wollte er sie unbedingt fernhalten. Genau aus diesem Grund setzte er sich schleunigst in Bewegung.
Willow dicht an seine Brust gedrückt, durchquerte er das Foyer seines Hauses, grüßte knapp George, den Portier, und machte sich dann innerhalb von Sekunden daran, in das richtige Stockwerk zu laufen und Willow und sich auf das Sofa in seiner Wohnung zu manövrieren.

Dort angekommen ließ er sich mit ihr auf seinem Schoß in die Kissen sinken und atmete einen Moment erleichtert aus, einfach nur, weil er sie gefunden hatte und sie zumindest physisch noch alles bei sich zu haben schien.
Emotional allerdings machte ihn besonders das leise Schluchzen an seiner Brust unruhig.

»Hey«, flüsterte er sanft und kam jetzt erst dazu ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen, die am Ansatz von leichtem Schweiß bedeckt waren.

War sie etwa gerannt?

Ihre erhitzte Haut deutete beinahe darauf hin.
Aber wo war sie gewesen? Hatte sie jemand verfolgt?
Wieso war sie so aufgelöst?

»Hey, sieh mich an«, forderte er sie zärtlich auf und drückte sie ein wenig von sich, um ihr ins Gesicht zu sehen.
Willow tat nur ungern, was er verlangte.
Sie wollte sich an seine Brust kuscheln und sich die Scham vom Körper wischen, die einfach nicht von ihr schwinden wollte.
Mein Gott, was war sie für ein nervliches Bündel?
Erst hatte sie nicht schnell genug von ihm wegkommen können und jetzt schmiss sie sich heulend an seine Brust! Das war mehr als nur unreif und nervlich und sie schämte sich.

Wesley sah dazu keinen Grund.
Überhaupt hatte er alles vergessen, was ihn den Tag über gefrustet hatte, seit sie ihm in die Arme gesprungen war.
Selbst diese kleine Geste hatte seine Gegenwart wieder gerade gerückt. Willows allerdings schien noch immer schief zu hängen und genau das wollte er ändern.

Was war bloß mit ihr los? Musste er sich ernsthaft Sorgen um sie machen?
Sie sah fix und fertig aus, müde und sogar ein wenig kränklich, wenn er sie recht betrachtete.
Sorgenvoll strich er ihr über die Wange.

»Was ist los? Habe ich etwas falsch gemacht? Tut dir etwas weh? Wovor hast du Angst, Schäfchen?«, fragte er leise murmelnd und musterte sie aufmerksam.

Ihre Augen waren glasig und rötlich angeschwollen, ihre Haut war an den Wangen rot erhitzt, rundherum allerdings eher fahler geworden.
Ihre Haut glühte. Allerdings wusste Wesley nicht, ob das an dem Marathon lag, den sie womöglich gerannt war oder doch ein Hinweis auf Fieber war.

»Du hast gar nichts falsch gemacht«, erlöste sie ihn von den Vorwürfen, die er sich den ganzen Tag über selbst gemacht hatte. Fragen über Fragen waren ihm durch den Kopf geschossen, bis er beinahe einen Nervenzusammenbruch davon erlitten hatte.
Ein erleichternder Laut rannte ihm über die Lippen, der sich allerdings zugleich auch fragend äußerte.

Denn wenn es nicht direkt an ihm lag, dass sie abgehauen war. Woran dann?

»Ich war nur ...«, setzte Willow an und biss sich dann beschämt auf die Lippen.
Wesley entfuhr ein leises Grollen. Mit seinem Zeigefinger befreite er ihre Unterlippe und strich zärtlich darüber. Er wollte nicht, dass sie sich verletzte. Aber er wollte sich auch nicht ablenken lassen, was bei dieser Frau viel zu schnell passierte.

»Ich habe Panik bekommen, weil ... weil diese Stadt so riesig ist und diese Wohnung so teuer und dein Büro so edel und deine Kanzlei so korrekt«, platzte es aus ihr hervor und sie wandte den Blick ab, als sie fortfuhr.

»Es ist ganz plötzlich über mich gekommen, aber irgendwie erschien es mir, als wären unsere Seelen nicht nur unglaublich verschieden, sondern noch viel mehr die Leben, die sie führen.
Ich habe noch nie zuvor solche Gebäude betreten, wie gestern und heute.
Goldverzierungen, Kronleuchter, Wände aus purem Glas? Das ist ... der Wahnsinn, aber auch so fern.
Ich meine, ich komme aus dem kleinsten und unscheinbarsten Dorf auf diesem Kontinent.
Hier kennt mich niemand, dort kennt mich jeder und weiß, dass ich ein Landei bin und meinen Garten pflege und eine Ziege als Haustier habe. Der Kontrast unserer Leben ... er kam so plötzlich auf mich zu gerast, dass ich das Gefühl bekam, nicht mehr atmen zu können. Ich musste einfach weg und ich schäme mich so! Es tut mir leid!«, entschuldigte sie sich abermals und senkte das Kinn.

Wesley versuchte das sofort wieder zu ändern.
Er konnte es nicht ertragen, sie traurig zu sehen. Und dann auch noch wegen etwas, das sie sich keinesfalls zum Vorwurf machen musste. Er verstand sie gut.
Er verstand sie sehr gut.

»Versteck dein Gesicht nicht vor mir, Schäfchen«, bat er leise und hob ihr Kinn an.
»Dazu hast du überhaupt keinen Grund.«

Sie löste sich trotzig von ihm. In dieser Hinsicht konnte sie ihm nur widersprechen.

»Doch! Natürlich sollte ich mich schämen! Ich meine ... für dich war meine Welt auch vollkommen fremd und du hast dich trotzdem mit ihr arrangiert - für mich.
Und was mache ich als Gegenzug?
Ich bekomme eine Panikattacke und renne bei der erstbesten Gelegenheit davon, anstatt mit dir zu reden! Das ist nicht fair!«

Wesley grinste.
Er liebte diese Frau.
Er liebte sie unermesslich, krankhaft, beinahe unerwiderbar.
Er liebte sie sehr.

Einfach nur, weil sie so undurschaubar war. Äußerlich wie auch innerlich. Sie war vielschichtig, farbenfroh, chaotisch, bund, wild.
Es brauchte drei Millionen Worte um sie annähernd beschreiben zu können, weil sie so facettenreich war.
Und das gefiel ihm.
Aus dem simplen Grund, weil er allerhöchstens schwarz und weiß war.
Weil es da nichts an ihm gab, das sich aus den bloßen Kontrasten heraushob.
Er war ein durch und durch langweiliger Mensch, der es verlernt hatte, im Leben mehr zu sein, als ein Routine-Block.
Aber Willow war wie ein Wasserfall aus Lebendigkeit und Emotionen. Sie stieß ihn immer in die Seite, um ihn vor dem Weg geradeaus zu bewahren und dadurch lernte er endlich auch die Kurven kennen, die das Leben gehen konnte.
Das Leben war wie ein Pulsmessgerät, das in Wellen ging. Es lief auf und ab, fiel in Höhen und Tiefen.
Wesleys Leben hatte seit Jahren eine einzige Linie gebildet, war wie tot gewesen.
Doch jetzt kehrte er der Leblosigkeit langsam den Rücken zu. Und er liebte es.

»Schäfchen, was redest du denn da? Die ersten Tage, die ich in "deiner Welt" verbringen durfte bestanden aus Flüchen, Beleidigungen und Vorurteilen. Das kann man nun wirklich nicht arrangieren nennen. Ich war genauso überfordert wie du. Wenn nicht sogar noch mehr. Ich war unausstehlich. Und ich habe all meine Wut an dir ausgelassen, obwohl ich dazu überhaupt kein Recht gehabt habe. Ich bin mit meinen Problemen in Schuldzuweisungen umgegangen, du bist geflüchtet. Wir sind zwei verschiedene Menschen. Es ist normal, dass wir auf Stresssituationen anders reagieren und dementsprechend auch anders handeln. Du brauchst dich also weder zu entschuldigen, noch dich schlecht zu fühlen.
Ich kann verstehen, dass du dich unwohl fühlst. Hier ist alles so anders, als bei dir zuhause und natürlich vermisst du Heaver und Lila und alles, was deinem Komfort entspricht. Das hätte ich erkennen müssen und nicht sofort so bombadierend handeln dürfen. Schließlich kennen wir uns noch gar nicht so lange und sind auch noch nicht seit Ewigkeiten in diese Beziehungssache verwickelt.
Wenn sich hier jemand entschuldigen muss, dann wohl ich.«

Wesley hauchte Willow einen bestimmten Kuss auf die Stirn und lächelte sie ernsthaft an, bis sie schwach die Lippen hob und in ihren schönen braunen Augen ein Schimmer Zuversicht aufblitzte.

»Dann bist du nicht sauer?«, fragte sie leise und entlockte ihm ein raues Lachen.
»Doch! Ich bin unfassbar sauer! Ich könnte dich jetzt und auf der Stelle übers Knie legen und dir den Hintern dafür versohlen, dass du mir so einen Schrecken eingejagt hast. Ich dachte, dir wäre etwas zugestoßen, als du nicht zurückkamst und meine Anrufe ignoriert hast.«

Um seinen Punkt zu verdeutlichen, gab Wesley ihr einen spielerischen Klaps auf den Hintern, den er sofort bereute, als sie zusammenzuckte.
Schmerzhaft quälend verzog Willow das Gesicht und ließ ihn panisch aufschrecken, als sie leise zischte.

»Mein Gott! Was hast du? Das wollte ich nicht! Entschuldige!«

Ein Moment der Stille zog sich wie Kaugummi in die Länge. Willow hatte den Kopf gesenkt und ihre Hand verkrampft auf ihrem Bauch ruhen. Sie schien höllische Schmerzen zu haben, die Wesley siedendheiß das Kreuz hinabliefen.
Es war ein Alptraum.

Ein Alptraum, den sie nach gefühlten Ewigkeiten mit einem leisen Grunzen und dann einem lauter werdenden Kichern, das sich dennoch mit Schmerzen verbunden anhörte, unterbrach.

»Jetzt bist du es, der sich sinnlos entschuldigt. Obwohl du nichts für meine Schmerzen kannst, weil du nicht weißt, dass ich meine Periode bekommen habe.
Das ist wohl noch ein Grund, weshalb ich heute von Dannen gezogen bin. Vermutlich haben mich meine Hormone einfach über den Haufen gerannt«, erklärte Willow und sah langsam wieder zu Wesley auf.

Dieser atmete erleichtert einen Schwall Luft aus, zog sie zurück auf seinen Schoß, bettete sie zwischen seinen Beinen und presste ihren Kopf unterhalb seines Kinns an seine Brust.
Wesleys Arme umschlangen Willow wie automatisch, fuhren unter ihr T-Shirt, streichelten über ihren Bauch und wischten ihr die letzten Tränenreste von den Augen.

Ihre Periode also?
Das erklärte tatsächlich einiges und es ließ Wesley einen Stein der Erleichterung von der Brust fallen.

»Und ich dachte schon ...«, seufzte er, noch immer mit klopfendem Herzen.

»Dass mich dein Stups auf den Hintern umwerfen würde?«, grinste Willow. »Nein, Freund, da musst du schon mit etwas anderem kommen«, verhöhnte sie ihn spielerisch und drückte sich enger an ihn.

Wesley begann, wilde Küsse auf ihrer Haut zu verteilen. Auf ihrer Stirn, ihren Wangen, ihrer Nase, an ihrem Hals und ihren Ohren.

»Na warte, Freundin, bis diese Woche vorbei ist. Dann zeige ich dir, wie umwerfend meine Stupser sind!«, drohte er.

Sie kicherte, als Wesley sie zu kitzeln begann und es war die schönste Melodie auf Erden.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro