Das Zwinkern eines Wichtels

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Mit schnellen, fast hektischen Schritten nährte sich die Gestalt dem großen Haus, das still im Dunkeln lag. Die Kapuze hatte sie tief ins Gesicht gezogen, in der Hoffnung, so den alles überschwemmenden Regen ein wenig aufzuhalten. Vergeblich.

Kaum hatte sie endlich das schützende Vordach der alten Tür erreicht, gab es kaum etwas an ihr, dass noch trocken war. Mit einem genervten Seufzen strich sich die junge Frau ihre platinblond-gefärbten Haare aus dem Gesicht, bevor sie sie in die Taschen ihres vom Regen ganz schwer gewordenen Mantel nach dem Schlüssel fischte, der ihr Zuritt ins Innere des schon deutlich in die Jahre gekommene Gebäudes verschaffen sollte.

Man konnte es wohl nicht gerade Wärme nennen, was die junge Frau da im inneren des Hauses erwartete – verlassene Kälte traf es eher. Und doch war alles besser, als weiter dem schrecklichen Regen ausgeliefert zu sein, dessen Wolken den Himmel bereits viel dunkler erscheinen ließen, als er eigentlich seien sollte.

Einmal tief ein und ausatmend widmete sich die Platinblonde dem sich ihr bietenden Räumlichkeiten. Lange war sie nicht mehr hier gewesen. Sie erinnerte sich noch genau, wie sie als Kind immer durch die vielen Flure gerannt war. Aber wie bereits gesagt, war sie da auch noch ein Kind gewesen. Jetzt war sie bereits erwachsen, hatte ein Studium als Medizinerin abgeschlossen und hatte eigentlich vorgehabt, auch in nächster Zeit in diesem Beriech ihren Weg zu finden. Wer hätte denn ahnen können, dass auf einmal ein Schreiben in ihrem Briefkasten landen würde, der sie darüber informierte, ihre Großmutter sei gestorben und dass diese ihr das Haus vermacht hatte.

Erst hatte sie geweint. Erst hatte sie nicht glauben können, was passiert war. Und dann hatte sie ein paar Sachen gepackt und hatte sich ins Auto gesetzt. Sie hatte nicht vor, das Haus zu behalten. Was wollte sie mit dem alten Ding, abseits der Zivilisation? Sie brauchte die Großstadt, das Leben, Menschen um sich, um glücklich zu sein. Kein abgelegenes altes Haus, bei welchem sie bei jedem Schritt Angst haben musste, es würde zusammenbrechen.

Mit einem weiteren Seufzer stellte die ehemalige Studentin ihre kleine Reisetasche auf den langen Esstisch und lies sich für einen Moment auf einen der alten Stühle fallen. Vorsichtig, in Gedanken versunken strich sie einmal mit einem Finger über die hölzerne Tischplatte. Nun hatte sich eine Staubschicht über ihre Fingerkuppe gezogen, was die junge Frau zunächst so hinnahm, sich das gräuliche Zeug dann allerdings doch von der Haut klatschte.

Was machte sie eigentlich hier? Wieso war sie eigentlich hierher gefahren? Was hatte sie gehofft, zu finden? Dieser Ort löste nichts als Trauer in ihrem Herzen aus. Warum sich also an so einem Ort aufhalten?

Leicht auf die Tischplatte schlagend, wodurch abermals eine Wolke aus Staub aufgewirbelt wurde, erhob sich die Platinblonde wieder. Hier herumsitzen und nachdenken brachte sie auch nicht weiter. Jetzt war sie schon einmal da, jetzt konnte sie sich auch ein wenig umsehen. Viel in Erinnerung hatte sie vom innere des Gebäudes sowieso nicht mehr. Zu lange war sie nicht hier gewesen, zu klein war sie gewesen als sie das letzte Mal hier gewesen war.

Desinteressiert wanderte die junge Frau durch die Räume, versuchte irgendetwas, das sie sah, einer Erinnerung aus ihrem Kopf zuzuordnen. Doch wirklich viel kam bei diesem Versuch nicht zustande. Zu schwach waren die Erinnerungen, zu wenig verband sie mit dem, was sie sah.

Schließlich erreichte die Erkunderin die breite Treppe, die sie in die oberen Stockwerke führen würde. Zwar rollte sie mit den Augen, setzte dann schließlich doch einen Fuß vor den anderen.

Die Stufen quietschten, als sie sich unter der Belastung bogen. Skeptisch ging die junge Frau weiter. Nie hatte sie so wirklich verstehen können, was es mit diesem Haus auf sich hatte. Als sie noch kleiner war, hatte sie nicht verstanden, wieso ihre Eltern nicht gewollt hatten, dass sie hier war. Und als sie dann schließlich älter war, hatte sie nicht verstanden, was ihre Großmutter an diesem Ding gefunden hatte, dass sie sich weigerte, es zu verlassen.

Das war auch der Hauptgrund gewesen, wieso sich die beiden nicht mehr gesehen hatten. Die Studentin hatte zu viel zu tun gehabt, um es sich leisten zu können, eine derartige Auszeit zu nehmen. Und jetzt, wo sie doch wieder hier war, verstand die angehende Medizinerin nicht, was sich in ihr manchmal doch nach diesem Ort gesehnt hatte. Hier gab es nichts, nach dem man sich sehen könnte.

Die junge Frau ging weiter. Vorbei an Bildern, Möbeln und Räumen, die ihr allesamt nichts bedeuteten. Auch, wenn es ihr ein Stich ins Herz versetzte.

Es war noch ein Raum, ein letzter Raum. Sie öffnete die Tür. Sie kannte den Raum. Sie erkannte ihn. Sie war hier schon einmal. Nicht nur einmal. Oft. Immer. Immer, wenn sie hier gewesen war. Das war ihr Zimmer gewesen. Hier hatte sie immer geschlafen, als sie ihre Großmutter besucht hatte. Damals. Als sie noch klein gewesen war.

Lange sah sie sich in dem Zimmer um. Lies ihren Blick über die einst rosanden Gardienen schweifen. Nun waren sie ausgebleicht. Leuchteten nicht mehr so schön, wie früher.

Dann viel ihr Blick auf den Schreibtisch. Ein Buch lag darauf. Auch das kannte sie. Es war ihres. Es war ihr Tagebuch.

Vorsichtig, so, als könne es ebenfalls zu Staub zerfallen. Nahm sie es in die Hände, blätterte zwischen den Seiten hin und her, blickte auf ihre krakelige Handschrift. Hier und da überflog sie ein paar Zeilen. Musste sogar bei ein paar kindlichen Gedanken etwas schmunzeln. Vor allem der letzte Eintrag hatte es ihr angetan. An diesen hatte sie sich am wenigsten erinnern können.

Liebes Tagebuch,

Ich bin heute einmal durch das ganze Haus gelaufen. Alleine. Das erste Mal. Auch nach oben bin ich gegangen. Auf den Dachboden. Eigentlich darf ich das ja nicht. Mama und Papa haben es mir verboten. Aber Oma hat nichts dagegen gesagt.

Ich hatte ganz schön Angst, als ich die alte Leiter hochgeklettert bin, aber ich habe es geschafft. Wusstest du, dass die Decke da oben ganz niedrig ist? Ich konnte noch stehen. Aber springen konnte ich nicht.

Da oben ist es ein bisschen gruselig. Aber weißt du, was ich gefunden habe. Mama und Papa würden es mir nicht glauben. Aber Oma hat mir geglaubt. Da oben war ein kleines Männchen. So ganz klein, mit einer Zipfelmütze und der hat mich angelächelt und dann hat er mir zugezwinkert. Das hat er wirklich. Ich bin mir ganz sicher. Aber ich kann ihn nicht mehr finden. Er ist weg. Aber er war da. Wirklich!

Kopfschüttelnd wandte sie sich ab, um sich zurück auf den Weg nach unten zu machen. Doch da machten ihr ihre Füße einen Strich durch die Rechnung. Ihr Blick hatte das Ding nur kurz gestreift und doch hatten ihre Füße augenblicklich reagiert und waren stehen geblieben.

Verwundert kniff sie die Augen leicht zusammen. Wieso hatte sie ihn nicht schon vorher bemerkt? Wie er da stand. So unschuldig. Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht. Und dann, als die junge Frau schon gerade den Blick wieder abwenden wollte, wurde das Lächeln des kleinen Wichtels ein bisschen breiter, bevor er seinem Gegenüber einmal kurz zuzwinkerte.

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