Gemeinsam Einsam

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Die Absätze unter meinen hohen Winterstiefeln klackerten ein wenig, als ich sie immer wieder auf den Asphalt aufschlagen lies. Ich war noch ein gutes Stück entfernt und trotzdem war es bereits ein leichtes für mich, die aus den Straßen dringenden Geräusche entsprechend zuzuordnen. Noch ein Stückchen weiter und der altbekannte Duft von gebrannten Mandeln und Glühwein stieg mir in die Nase.

Ein kleines Mädchen rannte mit einer Zuckerwatte auf der Hand an mir vorbei. Einen Moment nahm ich mir Zeit, um ihr dabei zuzuschauen, wie sie stolz darüber, dass süße Ding ganz alleine gekauft zu haben, zu ihrer Mutter zurücklief, bevor auch ich mich wieder in Bewegung setzte.

Noch hatte ich den Luxus, für einen Moment stehen bleiben zu können. Gleich, im Gedränge der Menschen, wäre das nicht mehr möglich. Und obgleich ich nun wirklich kein Fan von derartigen Menschenmassen war, hatte ich mich doch von meinen Freunden überreden lassen, mich mit ihnen an genau diesem Ort zu treffen.

Generell genoss ich ja auch die Stimmung hier. Ein dunkler Himmel über dem Kopf, funkelnde Sterne, die bei ihrer Arbeit nun etwas Hilfe von der ein oder anderen Lichterkette bekamen. Es war schön, keine Frage.

Mit ein paar letzten Schritten trat ich um die Ecke. Nun musste ich mir die Bilder zu meinen bisherigen Sinneseindrücken nicht mehr vorstellen, ich konnte die kleinen Buden aus Holz und die vielen darumstehenden Menschen mit eigenen Augen sehen.

Mein Blick setzte sich jedoch recht schnell in die Mitte des Platzes fest. Wie jedes Jahr hatte die Stadt hier ein großes Lagerfeuer errichten lassen und wie ich es mir bereits gedacht hatte, als ich aus der Straßenbahn nicht weit entfernt gestiegen war, hatte sich hier auch eine kleine Gruppe von mir sehr bekannten Menschen angesammelt. Und nicht nur ich schien die mir zwar etwas weiter entfernt, aber doch gegenüberliegenden Personen entdeckt zu haben. Auch eine der Kleineren, eingepackt in einen rosanden Wintermantel und durch den gleichfarbigen Schal kaum zu erkennen, hatte mein Erscheinen bemerkt und winkte mir nun fröhlich zu.

Ich weiß nicht, wieso ich das tat, ich weiß es wirklich nicht. Und doch war es beinahe wie eine Automatisierung meines Gehirns, als ich, statt meinen Gang fortzusetzten, das rosanden Plüschmonster ignorierte und mit einem suchenden Blick zur Seite imitierte, ich hätte meine beste Freundin nicht gesehen. Irgendwie war da etwas in mir, was sich noch nicht auf das Gequatsche der anderen einlassen wollte, um lieber noch einen Moment in der Stille zu genießen.

Ohne überhaupt darüber nachzudenken setzte ich meinen Weg fort. Nicht nach vorne, nicht zu den anderen.

Links von mir hatten sich ein paar Kinder unter den wachsamen Augen ihrer Eltern um eines der kleinen Häusschen versammelt, in welchem ein älterer Mann den Kleinen zeigte, wie er die Kerzen zu wunderschönen Formen drehte. Ich konnte förmlich spüren, wie sich die Flamme von einer der Wachsfiguren in meinen Blick brannte, sich förmlich in meinen braunen Augen wiederspiegelte.

Schweren Herzen riss ich meinen Blick von der Kerze los. Doch gleich beim nächsten Stand wurde meine Aufmerksamkeit auf etwas Neues gezogen und lies somit das vorherige Bild langsam aber sicher verschwimmen. Vorsichtig, darauf bedacht, das zarte Geschöpf bloß nicht zu zerstören, griff ich nach dem kleinen Glashund, der mich von Anfang an angezogen hatte. In seiner spiegelnden Hülle konnte ich meine langen braunen Haar erkennen. Vom fallenden Schnee waren sie mittlerweile mit einer leichten Feuchte überzogen und wellten sich an einigen Stellen. Eine Mütze hatte ich vergessen – wobei ich bezweifelte, dass sie bei dem Chaos auf meinem Kopf noch viel retten würde.

„Wie viel wollen sie für ihn?" Offensichtlich überrascht von meiner plötzlichen Präsenz sah die auf einem Hocker sitzende Frau auf, nur um mir dann ein warmes Lächeln zu schenken. „Die kleinen auf der rechten Seite kosten alle 5,50€" Ich nickte.

Weiterhin Kommentarlos griff ich in meine Jackentasche und legte das Geld auf die kleine Holzablage. „Möchten Sie eine Schachtel haben?" Nun legte sich auch auf meine Lippen ein kleines Lächeln, „Nein, das passt so", bevor ich mich abwandte um den weiteren Markt zu erkunden.

„Sunja!"

Obwohl ich die Stimme kannte, lief ich unberührt weiter. Wieso ich vor meinem Freund weglief, wusste ich selber nicht. Wir hatten uns ja nicht gestritten. Ich hatte auch sonst nichts gegen ihn. Und doch schickten mich meine Füße immer weiter nach vorne, immer weiter weg von ihm.

„Sunja, warte!" Ich dachte nicht daran, zu warten. Es war nicht so, dass ich vor ihm weglief – also jedenfalls war das nicht so wirklich meine Hauptabsicht – es war gerade nur so viel schöner, hier alleine durch die Stände zu streichen.

Noch konnte mich der Blonde vermutlich sehen, doch kaum bog ich rechts in das wirkliche Gewirr ein, dauerte es nicht lange und ich war für ihn praktisch unsichtbar. Und kaum war ich in das Getümmel hineingelaufen, wünschte ich mir nichts weiteres, als wieder aus diesem hinauszubrechen. Es war mir zu viel, zu voll, zu dicht. Hektisch blickte ich mich um, versuchte einen Ausweg aus der Menschenmasse zu finden und aus diesem Wirrwarr auszubrechen, während mich der Strom einfach mit sich zog. Links von mir tauchte mit einem Mal eine Lücke auf, nur ein kleiner Spalt zwischen zwei Ständen, doch er reichte mir, um mich durch diesen hindurchzuquetschen.

Ich nahm mir einen Moment, um die mich nun umgebende, frische Luft einzuatmen. Es tat so gut, so unglaublich gut. Hier war ich zwar abseits von allem, abseits von den restlichen Menschen und doch fühlte es sich so befreiend an, wie schon lange nicht mehr.

Mit den Händen in den Jackentaschen setzte ich mich wieder in Bewegung. Ein Stückchen entfernt konnte ich bereits die Musik des kleinen Karussells und das Lachen der darauf fahrenden Kinder hören. Dass dort wieder mehr Menschen seien würde, war mir ebenso bewusst, wie allerdings auch der Fakt, dass ich mich nicht auf ewig hier am Rand verstecken könnte.

Oder doch? Im Schatten des Kinderkarussells konnte ich eine Bank ausmachen. Von dort hatte man alles im Blick, stand jedoch nicht im Zentrum des Geschehens. Man gehörte dazu und gleichzeitig auch nicht.

Erst als ich mich auf der Sitzgelegenheit niederlies, bemerkte ich, dass ich offensichtlich nicht die einzige war, die sich die Zeit nehmen wollte, einen Moment von außen auf das Treiben zu blicken. Eine alte Dame, einen schwarzen Mantel umgeschwungen, saß bereits auf der anderen Seite. Sie schenkte mir ein leichtes Lächeln, kaum dass ich mich zu ihr gesellt hatte, ansonsten aber blieb sie zunächst genauso still, wie ich.

Ich beobachtete, wie die Kinder zu den Tieren, Kutschen und Autos rannten, um die nächste Fahrt auf ihnen zu verbringen. Ich weiß nicht, wie lange ich auf die fröhlichen Gesichter achtete. Zwei Fahrten? Vielleicht auch der oder vier? Mein Zeitgefühl hatte mich verlassen. Ich saß hier, im Schatten, abseits und doch umspielte meine Lippen ein Lächeln, sobald ich meinen Blick nach vorne richtete.

„Sind Sie alleine hier?" Meine Gedanken schweiften zu meiner Sitznachbarin, mein Blick blieb starr nach vorne gerichtet. „Nein, meine Freunde sind auch hier." „Wieso sind Sie nicht bei ihnen?" Normalerweise hätte ich mich vermutlich über eine derartige Frage gewundert. So aber zuckte ich nur wahrheitsgetreu mit den Schultern.

Nun richtete ich auch meinen Kopf zur Seite. „Sie Sie alleine hier?" Die Frau nickte. Erst jetzt viel mir auf, dass sie leicht zitterte. Ihr musste womöglich kalt sein. „Wieso?", fragte ich weiter – auch wenn es mich eigentlich nichts anging. „Meine Tochter sagt, sie habe zu viel zu tun. Meine Enkel meinen, sie seien zu alt."

Einen Moment zögerte ich, bevor ich mich abermals zur Seite drehte, die linke Hand dieses Mal aus der Tasche genommen. Vorsichtig, aber doch bestimmt nährte ich mich ihrer Rechten, bevor ich in dieser den kleinen Glashund abstellte.

Ich hatte vorgehabt, meine Hand wieder zurückzuziehen, doch stattdessen, wurde sie von den fremden Fingern aufgehalten, die sich nun um meine schlossen. Ein warmes Lächeln umspielte die Lippen der Frau, als sie mir in die Augen sah. Niemand sagte etwas. Den ganzen restlichen Abend sagte niemand mehr etwas. Aber das musste auch keiner. Es gab nichts, was nicht schon längst ausgesprochen wäre.

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