Glühwürmchenwettrennen

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„Ich bitte nun die anwesenden Teilnehmer, sich in Startposition zu begeben." Alle Köpfe drehten sich zu dem auf einem Ast thronenden Sprecher. Das zusammengerollte Blatt, welches soeben noch als Lautsprecher gedient hatte, hatte der Oberschiedsrichter beiseitegelegt, sodass er nun mit voller Aufmerksamkeit beobachten konnte, wie sich die Angesprochenen an ihre Plätze begaben.

An die hundert Glühwürmchen hatten sich auch in diesem Jahr zum Lichterfliegenangemeldet, in der Hoffnung als erster über den Rand der Klippe und somit durchs Ziel zu fliegen. Dabei schienen abermals vorallem das Glühwürmchen mit der Nummer 7 und die Nummer 18 als Favoriten hervorzugehen. Beide traten nicht zum ersten Mal an den Start und es wäre auch nicht verwunderlich, wenn einer der beiden abermals als erster das wunderschönste aller Lichter erblicken würde.

Ganz hinten, in der letzten Reihe hatte sich unter all den erfahrenden Fliegern auch ein junges Glühwürmchen verirrt. Schon den ganzen Vormittag hatte es kräftig trainiert, jedoch schüttelte der Oberschiedsrichter nur Lächelnd den Kopf, als er die Startnummer 11 betrachtete. Es müsste sein erstes Jahr sein. Die Chancen, dass das kleine Ding es auch nur unter die ersten zehn Plätze schaffte, standen mehr als schlecht.

„Schau mal da!" Eine helle Stimme schallte durch die Nacht, als das Mädchen quer über die Lichtung auf den leuchtenden Fleck zulief. Ihre Freundin, dicht hinter her. „Was ist das?", rief die hintere im Rennen zurück. Von weitem wirkte der Startpunkt des Lichterfliegens tatsächlich wie ein einzelner, großer, leuchtender Ball. Doch kaum waren die beiden nähergetreten, bestaunten sie mit großen Augen die riesige Anzahl an den leuchtenden Tierchen. „Hast du so etwas schon einmal gesehen?", wollte die als zweites Angekommene wissen, woraufhin die Entdeckerin der Glühwürmchenscharr nur stumm und mit leicht geöffneten Mund den Kopf schüttelte.

„Auf die Plätze", schallte die Stimme des Oberschiedsrichters abermals durch das Blattmegaphon. Laut, so, dass alle ihn hören konnten. Und doch viel zu leise, als das die beiden Mädchen überhaupt mitbekommen könnten, dass irgendwer etwas gesagt hatte. „Fertig!" Die Favoriten aus der ersten Reihe warfen sich noch einen kampfeslustigen Blick zu, das Glühwürmchen Nummer 11 atmete ein paar letzte Male tief ein und aus.

„Los!"

Mit einem Mal schoss der Ball an Glühwürmchen auseinander. Jeder auf seiner eigenen Bahn, in dieselbe Richtung und doch wirr verstreut. „Komm!" Wieder war es die Schwarzhaarige, die ihre Freundin dazu brachte, hinter ihr herzulaufen. „Wo willst du hin?", wollte diese schon nach den ersten Schritten wissen. „Na hinterher!"

Jeder Teilnehmer wusste genau, wo er lang musste. Nicht nur einmal waren die knapp hundert Glühwürmchen die Strecke entlanggeflogen. Scharf bogen sie um die Bäume, wichen Blättern aus, versuchten sich an die Spitze zu drängen, die wie erwartet von Nummer 7 und Nummer 18 dominiert wurde. Doch auch die Nummer 6 und 31 legten erfolgreich Strecke hinter sich. Immer weiter zog sich das einstige Glühwürmchenkneul auseinander, bis es ein leuchtender Streifen war, der durch den Wald und über die Wiesen zischte.

Immer weiter flogen die Glühwürmchen immer weiter rannten die beiden Mädchen hinter her. Immer schneller bogen die Tiere um die Kurven, immer flinker huschten die beiden um die Bäume.

Auf einmal die Wendung. Das Glühwürmchen Nummer 7 hatte die Kurve nicht halten können und war aus der Bahn getrieben worden. Nun waren es nur noch drei Flieger, die um den ersten Platz kämpften. Schneller, immer schneller. Je weiter die Schleife aus Glühwürmchen flog, je mehr zog sie sich auseinander. Doch stehen blieb keiner. Und so dauerte es auch nicht allzu lang, bis die hinten Laufende ihrer schwarzhaarigen Freundin zurief, für einen Moment stehen zu bleiben. „Wir müssen weiter, wir verlieren sie sonst!", versuchte diese die Rothaarige noch umzustimmen, doch diese konnte in dem Tempo nicht mehr weiterlaufen und blieb an einen Baum gelehnt stehen. Enttäuscht drehte sich die Schwarzhaarige noch einmal um, was ihr ermöglichte einen letzten Blick auf den in der Ferne verschwindenden Schein zu werfen. „Schade, sie sind weg." „Und jetzt?" Fragend sah die Stehengebliebene in die Richtung aus der sie gekommen waren – oder aus der sie jedenfalls glaubte, gekommen zu sein. „Ich... ich weiß es nicht", gestand ihre Freundin und lies sich neben der Rothaarigen auf dem Waldboden nieder.

Eine Weile saßen sie da. Vielleicht waren es auch gerade mal wenige Minuten, doch diese fühlten sich an, wie Stunden. „Wir sollten versuchen, zurückzufinden", durchschnitt das eben noch so motivierte Mädchen die Stimme. Die Motivation hatte sie verlassen. Die andere nickte. Etwas Besseres viel ihr auch nicht ein.

Gerade wollten die beiden Mädchen aufstehen, um ihren Rückweg anzutreten, als die Rothaarige ruckartig stehen blieb. „Hey, schau doch mal! Da vorne!" Sie hatte recht. Nicht weit entfernt von den beiden – ein paar Meter höchstens – tauchte ein Licht zwischen den Bäumen auf. Es war das kleine Glühwürmchen Nummer 11, welches nicht hatte mit dem Tempo der Erwachsenen mithalten können. Und doch hatte es sich den ganzen weiten Weg vom Start, bis hier hin durchgekämpft. Es würde nicht gewinnen, das hatte der Oberschiedsrichter schon gewusst, bevor das Wettfliegen begonnen hatte, doch aufgegeben hatte es auch nicht.

Mit allem, was es hatte, flog das kleine Geschöpf der schon weit entfernten Schleife hinterher. Beinahe automatisch warfen sich die beiden Freundinnen einen Blick zu. Sie wusste genau, was die andere dachte und ehe sie sich versahen, liefen sie dem letzten Glühwürmchen hinterher. Dieses Mal viel langsamer, auch wenn sich das Glühwürmchen mit der Startnummer 11 alle Mühe gab, so schnell es nur ging, zu fliegen. Mit Leichtigkeit konnten die Freundinnen mit dem Tempo mithalten. Wieder traten sie über Wurzeln, huschten an Bäumen vorbei, kletterten über kleiner Felsen und liefen über die vielen kleinen Äste und Blätter auf dem Waldboden, bis sich dieser veränderte. Immer weniger Äste und Blätter ließen sich unter ihren Füßen wiederfinden. Immer weniger Äste und Blätter verwehrten die Sicht in den Himmel. Immer weniger Bäume erschwerten den Freundinnen den Weg. Der Wald legte sich, die kleine Wiese war schnell überquert, der Untergrund wurde zu Felsen. Das Ziel war nah.

Das hatte auch das Glühwürmchen Nummer 11 bemerkt. Noch einmal nahm es all die verbliebenen Kräfte zusammen und flog den leicht ansteigenden Berg hinauf. Die Mädchen hinterher.

Die Mädchen blieben stehen. Überwältigt von der Schönheit, die sich ihnen, versteckt hinter dem Wald, an einem Ort, von dem sie nicht einmal wusste, dass er existierte, bot. Mit einem Lächeln im Gesicht und einem Gefühl im Herzen, dass sich im Nachhinein vermutlich nicht beschreiben lassen würde, sahen die Freundinnen, genau wir hunderte Glühwürmchen auch, wie die letzten Strahlen der Sonne im Nichts verschwanden.

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