30

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

„Sagt mal, Leute", begann Lesz später am Abend. Die Bierflaschen waren leer und Jannis lag mit dem Kopf in seinem Schoß, während er ein Armband aus Gänseblümchen knüpfte. „Also, ist mir jetzt irgendwie unangenehm, euch zu fragen, aber ..."

„Ja?", fragte Vroni und schaute ihn an.

„Habt ihr vielleicht noch ein bisschen Geld übrig? Skorupy braucht Futter und ich hab halt nichts mehr." Er senkte den Blick und schaute zu, wie Jannis ein winziges Löchlein in den Stängel eines Gänseblümchens machte und ein weiteres hindurchschob.

„Zuhause hab ich bestimmt noch was", meinte er.

„Ich kann dir jetzt was geben. Ist aber glaub ich nicht mehr viel", erwiderte Vroni und zog ihr Portemonnaie hervor.

„Ich hab noch was", sagte Marti. „Wie viel brauchst du denn?"

Lesz zuckte mit den Schultern und wendete den Blick nicht von Jannis' Fingern ab.

„Ich hab noch ...", Vroni wühlte in ihrem Kleingeldfach herum. „1,20. 22." Sie nahm die Münzen in die Hand und streckte sie Lesz hin.

„Danke", murmelte er, nahm sie entgegen und schaute ihr dabei nicht in die Augen.

„Hier", sagte Marti und streckte ebenfalls die Hand aus, ehe er nochmal sechs Euro in Leszs Handfläche fallen ließ.

„Das braucht dir nicht unangenehm sein", meinte Vroni. „Dafür sind Freunde da."

„Ist so. Warum sollte das Geld bei uns Zuhause rumliegen, wenn wir davon auch Futter für Skorupy kaufen können?" Jannis hob den Blick und schaute Lesz von unten herauf an.

„Ich fühl mich trotzdem blöd dabei, euch um Geld anzuhauen", sagte dieser.

Jannis schüttelte den Kopf und setzte sich auf. „Gib mir deine Hand."

Lesz streckte ihm die Rechte hin und Jannis legte das Gänseblümchenarmband um sein Handgelenk und verknüpfte die Enden miteinander.

„Perfekt", lächelte er.

„Jetzt kannst du dich gar nicht mehr blöd fühlen, jetzt bist du nämlich fabulös", lächelte Vroni und Marti nickte zustimmend.

Lesz schaute auf das Armband und berührte es vorsichtig mit der Fingerspitze. Ein Lächeln zog seine Mundwinkel nach oben. „Danke, Leute. Ihr seid die Besten."


Als Lesz am Abend nach Hause kam, rief seine Mutter ihn in die Küche.

„Was gibt's?", fragte er und blieb im Türrahmen stehen, eine Hand stützte er ans Holz.

„Setz dich mal einen Moment, bitte", erwiderte sie und deutete auf den Stuhl schräg rechts von ihr. Ihre linke Hand ruhte an einer weißen Tasse. „Möchtest du auch einen Tee?"

„Nein", murmelte Lesz und ließ sich auf den Stuhl sinken. Er bemühte sich, nicht in Richtung seiner Mutter auszuatmen und hielt sich eine Hand vor den Mund. Sie stützte sich auf die Tischplatte. Im Hintergrund war der Fernseher zu hören, außerdem Janinas Stimme, die durch die Wände drang.

„Ich wollte nochmal mit dir über heute Mittag reden. Es tut mir leid. Ich weiß, dass das nicht einfach für dich ist, aber das ist es für mich auch nicht. Wenn Zuzi gesund wäre, so wie du, Janina und Daria es Gott sei Dank sind, würde alles nochmal anders aussehen. Dann hätte ich mehr Zeit für euch und wir hätten mehr Geld übrig. Oder wenn dein Vater uns nicht alleine gelassen hätte. Aber so sieht unser Leben nicht aus, glaub mir, ich wünschte auch, es wäre anders." Sie legte ihre Hände um die Tasse und lehnte sich zurück. „Ich verstehe deinen Ärger."

Lesz zuckte mit den Schultern. „Ja."

„Wir brauchen dich hier, Leszek. Weil wir dich lieb haben und weil alle ihren Teil beitragen müssen, damit unser Zusammenleben funktionieren kann."

Sollte das eine Entschuldigung oder ein Vorwurf werden? Er hob die Augenbrauen.

„Ich möchte nur sagen, dass ich möchte, dass du weiterhin ein Teil der Familie bist. Ich mache mir Sorgen, wenn du immer so viel weg bist."

Er nickte.

„Und ich hab mir überlegt, dass wir ins Kino gehen könnten. Nur du und ich und du darfst den Film aussuchen. Was sagst du, hättest du Lust?"

Lesz biss auf die Innenseite seiner Unterlippe und schaute seine Mutter einen Augenblick lang an.

„Ohne Zuzi?", fragte er.

„Ja, Janina soll dann auf sie aufpassen", lächelte seine Mutter. „Was sagst du?"

„Gibt's Popcorn?"

„Sogar eine große Tüte."

„Na gut." Auch auf seine Lippen stahl sich ein Lächeln. Es war lange her, dass er das letzte Mal im Kino gewesen war oder seine Mutter für sich allein gehabt hatte.


Während Lesz und seine Mutter sich am nächsten Tag auf den Weg ins Kino machten, saß Jannis mit seiner in der Küche und schob sich Gabel für Gabel das Essen von seinem Teller in den Mund, während sie viel redete und wenig aß.

„Wie findest du das eigentlich, dass dein Vater so viel Zeit in der Kneipe verbringt? Er hat doch kaum Zeit für dich", meinte sie und Jannis spießte Pommes auf.

„Er hat genug Zeit", sagte er und schob sich die Pommes in den Mund.

„Ständig ist er die ganze Nacht weg und wozu? Dass wir trotzdem jeden Cent zwei Mal umdrehen müssen."

Jannis kaute nur grob und schluckte dann, um seinen Teller möglichst schnell leerzukriegen. Kaum war sein Mund leer schaufelte er einen neuen Haufen Pommes hinein.

„Jetzt fahren nicht mal in den Urlaub dieses Jahr. Findest du das wirklich nicht blöd, Jannis? Deine Freunde fahren doch sicher alle weg, wie sieht das denn aus, wenn du die ganzen Ferien zuhause sitzt?"

Jannis verdrehte die Augen, stopfte sich noch ein paar Pommes in den Mund und stand auf.

„Wo willst du hin?", fragte seine Mutter, als er an ihr vorbei die Küche verlief.

„Weg. Ich hab keinen Bock mir diese Scheiße noch länger anzuhören", gab er zurück, schlüpfte in seine Vans und eilte aus der Haustür. Schnellen Schrittes legte er den Weg zu Lesz zurück, aber dort war nur Janina, die ihm sagte, dass Lesz im Kino war. Also zog er sein Handy hervor und wählte Leos Nummer.

Sie trafen sich eine Stunde später in der Innenstadt. Bis zu Leos Ankunft hing Jannis an der Bushaltestelle herum und streckte sich auf den metallenen Sitzen aus, während Leute kamen, Busse hielte, Ein- und Ausgestiegen wurde und die Geschäftigkeit den Rhythmus der Stadt bestimmte. Jannis lag einfach da, starrte an das schmutzige Dach des Haltestellenhäuschens und genoss das Gefühl, absolut nichts zu tun zu haben.

„Was geht, Jannis", grüßte Leo, als er als letzter aus einem der Busse stieg. Jannis wandte ihm den Blick zu und setzte sich auf, während Leo vor ihm stehen blieb und seinen Tabak aus seiner Kutte hervorholte.

„'ne Kippe ist jetzt genau das richtige", erwiderte Jannis, stand auf und blieb neben Leo stehen, der gerade Tabak in ein Blättchen streute.

„Das hab ich mir auch gedacht", grinste Leo, rollte seine Zigarette und reichte Jannis die Bauutensilien. Er drehte ebenfalls, während Leo seine Streichhölzer hervorholte und sich die Kippe anzündete. „Was machen wir?", fragte er nach dem ersten Paffen, nahm einen Zug und ließ seinen Blick die Straße runterschweifen.

„Bier trinken?", schlug Jannis vor und schob sich die Zigarette zwischen die Lippen.

„Hast du Geld?"

„Nee."

Leo schaute ihn nachdenklich an und inhalierte den Rauch. „Na, egal. Ich hab eh Bock zu saufen", meinte er und ließ ein wenig Asche zu Boden rieseln. Rauchend liefen sie zum nächsten Supermarkt, in dem Leo eine Flasche Hochprozentigen in seiner Kutte verschwinden ließ und sich dann einen Sixer Perlenbacher griff. Der Kassierer merkte nichts und so liefen die beiden wenige Minuten später mit je einer Flasche Bier durch die Innenstadt.

„Wir könnten in den Wald gehen, aber das ist mir jetzt zu weit weg. Ins leerstehende Haus?" Leo nippte an seinem Bier.

„Ich bin dabei", stimmte Jannis zu. Zwischen Studenten und Dozenten hindurch schlenderten sie über den Universitätscampus, überquerten die Straße ohne nach rechts und links zu schauen und dann knackte Leo das Schloss der Haustür, ehe sie in sein selbsternanntes Domizil im ersten Stock traten und es sich auf den Couchen bequem machten. Die Wärme des Sommers stand in der leerstehenden Wohnung und Jannis trat ans Fenster heran. Die Rahmen klebten aufeinander und er musste kräftig dran rucken, damit es sich öffnete und halbwegs frische Luft sich mit der leicht muffigen im Inneren vermischte.

„Kennst du das, dass du manchmal gar keinen Bock auf Zuhause hast?", fragte Jannis und ließ sich mit der Bierflasche in der Hand neben Leo nieder.

„Ich hab nie Bock auf zuhause", erwiderte er und ließ seine leere Flasche auf den Boden fallen, ehe er seinen Tabak hervorholte.

„Was machst du dann?"

„Wegbleiben und mich besaufen. Dann ist's erträglich."

Jannis ließ sich tiefer ins Polster sinken, richtete seinen Blick nach draußen und trank einen Schluck aus seiner Flasche.

„Also bleiben wir einfach die ganzen Ferien hier?", fragte er mit einem leichten Grinsen.

„Wenn du für genug Alkohol sorgst", lachte Leo und leckte sein Blättchen an.

„Könnte schwierig werden." Jannis trank die letzten Schlucke, stellte seine Falsche auf den Boden und nahm sich eine neue aus dem Sixpack, das zu ihren Füßen stand.

„Nüchtern abhängen ist halt auch nur sowas halbgares", sagte Leo und reichte den Tabak an Jannis weiter, ehe er seine Kippe anzündete. Der zuckte mit den Schultern, stellte seine Flasche beiseite und drehte ebenfalls.

„Warum hast du keinen bock auf zuhause?", fragte er.

„Scheiß Familie", winkte Leo ab und führte die Kippe an die Lippen. „Ich hab dir glaube ich mal von denen erzählt, oder?"

„Kann sein", erwiderte Jannis. Er schob den Filter in die Zigarette, rollte und verschloss die Kippe. „Die sind Selbstversorger, oder?"

„Ja. Nervigster Scheiß überhaupt."

„Kann ich nicht beurteilen." Jannis steckte seine Zigarette an und inhalierte den ersten Zug. „Meine Eltern streiten die ganze Zeit, das ist irgendwie echt nicht so schön. Ich glaube, sie wären glücklicher, wenn sie sich einfach nicht mehr sehen würden. Aber stattdessen redet meine Mutter die ganze Zeit nur schlecht über meinen Vater und ich will das gar nicht hören. Ich find's nicht gut schlecht über andere Menschen zu reden, vor allem wenn sie nichts gemacht haben. Wenn man sie vorher mal total gemocht hat, das ist doch scheiße."

„So ist das wenn Beziehungen zu Bruch gehen. So war das schon immer", meinte Leo und öffnete sich ein neues Bier.

„Aber so braucht es doch nicht sein."

„Ist quasi 'ne Tradition."

„Tradition ist scheiße."

„Ich weiß."

„Also. Ist doch in Ordnung wenn man sich nicht mehr versteht, aber das ist kein Grund jemanden in den Dreck zu ziehen. Das macht nichts besser, absolut nichts. Nur schlechter."

„Sag das deinen Eltern", lachte Leo. Jannis schaute ihn nachdenklich an, zog an seiner Zigarette und trank einen Schluck aus seinem Bier.

„Ja", meinte er dann. „Vielleichtmach ich das mal."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro