Angekommen am absoluten Tiefpunkt

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Ein Jahr zuvor - Joshs Sicht:

Was tat man, wenn man am absoluten Tiefpunkt angekommen war?

Für mich bedeutete das, mich in die nächste Bar zu flüchten und zu versuchen, den gesamten beschissenen Tag in Alkohol zu ertränken. Es war ein kläglicher Versuch, aus der Wohnung zu fliehen, bevor wir den Streit geklärt hatten, aber ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Ich wusste genau, wie erbärmlich es war, dass mein größter Erfolg darin bestand, einfach wegzulaufen, ohne den Konflikt zu lösen. Aber meine Gedanken wirbelten wie ein Sturm in meinem Kopf, und ich sah keinen anderen Ausweg als den Alkohol, um die quälenden Erinnerungen und die schmerzlichen Gefühle für einen Moment zu betäuben.

Eine junge Barkellnerin brachte mir die Getränkekarte und wartete geduldig, während ich mich entschied. Ihre sanfte Stimme war wie ein Hauch von Hoffnung in meinem Meer aus Frustration.

„Was ist das stärkste Getränk, das ihr habt?" fragte ich, wobei meine Stimme etwas brüchig klang. 

„Oh wow, gleich das Stärkste? Bist du dir da sicher?" fragte sie mich verblüfft.

„Ja, ziemlich sicher", antwortete ich, ohne viel nachzudenken.

„Ich will nicht neugierig sein, aber was macht ein so gutaussehender Mann wie du an einem Mittwochabend alleine in einer Bar?"

In diesem Moment war alles zu viel. Die Last des Tages, der ungelöste Streit, die Enttäuschung über mich selbst – es fühlte sich an, als würde ich ertrinken. Meine Worte kamen rau und ungefiltert heraus.

„Ich bin hier, um mich zu betrinken und zu vergessen", sagte ich vollkommen entschlossen.

„Da hat jemand wohl einen richtig miesen Tag gehabt", bemerkte die Barkellnerin. Ihr Kommentar hätte mich normalerweise nicht erreicht, aber jetzt, wo der Schmerz so offensichtlich war, ließ ich ein bitteres Lachen heraus, das mehr von Verzweiflung als von Humor zeugte.

„Kein Kommentar."

„Oh je, so schlimm? Ich werde sehen, ob ich dir den Abend ein bisschen angenehmer machen kann. Gibt es etwas Bestimmtes, das du trinken möchtest?"

„Du kannst mich ruhig duzen. Ich bin Josh", murmelte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Bruchteil.

„Dann du mich auch. Ich bin Fibbie."

„Mir ist egal, was du mir ins Glas füllst, Fibbie. Hauptsache, es ist stark. Wirklich stark."

Fibbie begann, verschiedene Zutaten in einen Shaker zu füllen. Als sie fertig war und mir das Glas reichte, konnte ich nicht warten und schüttete den Inhalt in einem Zug hinunter. Der Alkohol brannte wie Feuer, aber er schien auch meine innere Hölle für einen Moment zu kühlen.

„Der ist wirklich gut", sagte ich, überrascht, wie die Wirkung zumindest für eine kurze Zeit die Kanten der Dunkelheit abmildern konnte.

Fibbie lächelte mich an.

„Dann habe ich wohl meinen Job gut gemacht. Möchtest du noch einen? Geht aufs Haus."

Warum nicht? Es konnte kaum noch schlimmer werden.

„Gerne." Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass Fibbie in meinen Augen nicht eine bildhübsche Frau war. Und das dachte ich nicht, weil sie große Brüste, langes blondes Haar oder einen schönen Hintern besaß. Stark geschminkt war sie auch nicht wirklich. Solche Frauen hatten mich einfach, seitdem ich mit Selina zusammengekommen war, vom Typ her überhaupt nicht mehr angesprochen. Der Grund, warum sie so anziehend auf mich wirkte, hatte viel eher damit zu tun, dass sie vom optischen her meiner Freundin sehr ähnlich sah und das in diesem Augenblick sehr schwer für mich. Ihr kastanienbraunes Haar erinnerte mich daran, wie ich Selina einzelne Strähnen hinters Ohr strich, wenn diese ihr ins Gesicht fielen. Die Form ihres Gesichtes rief in meinen Händen den Wunsch hervor, es mit dem Kinn anzuheben, so wie ich es oft bei Selina getan hatte, damit sie mich richtig ansah oder um sie zu küssen. Ihre großen braunen Augen ließen mich daran denken, wie Selina mich mit ihren Rehaugen jedes Mal strahlend ansah, wenn ich für uns etwas leckeres gekocht hatte. Ihre vollen Lippen bauten in mir das Verlangen auf, sie auf meinen eigenen spüren zu wollen, weil ich mir ein viel zu scharfes Bild von Selinas Mund in den Kopf schoss. Fibbies zierliche Figur machte mich heiß, weil mir all die Nächte in den Sinn kamen, in denen ich mit Selina geschlafen hatte.

„Ich habe bald Feierabend. Wenn du magst, könnten wir nachher zu mir gehen. Du siehst aus, als könntest du eine andere Art der Aufmunterung gebrauchen."

Die Verlockung in ihren Worten war unverkennbar, und ich wusste genau, was damit sie meinte. Früher hätte ich solche Avancen sofort zurückgewiesen.

Mir war klar, dass ich mich morgen dafür hassen würde. Ich wusste, dass Selina durch diese Entscheidung unendlich verletzt werden würde und ich meinen eigenen Respekt zu mir selbst vollständig verlieren würde. Aber die Worte, die ich früher zu Selina gesagt hatte – „Du könntest dich niemals in jemanden wie mich verlieben" – gingen mir gerade nicht aus dem Kopf.

Sie brauchte jemanden wie mich nicht, der keine Ahnung davon hatte, wie es sich anfühlte, eine funktionierende Familie zu haben. Jetzt war wohl der Zeitpunkt gekommen einzusehen, dass Selina viel zu gut für mich war und mich eigentlich gar nicht in ihrem Leben brauchte. Ich musste es mir endlich eingestehen. Es war egal, wie sehr ich auch mit ihr zusammenbleiben wollte oder wie sehr ich sie auch liebte. Jemanden so großartigen wie sie hatte ich nicht verdient. Sie war besser ohne mich dran. Und wenn sie sich schon nicht von mir trennen wollte, dann musste ich ihr einen Grund geben. Jemand wie ich würde wohl niemals dauerhaftes Glück finden können.

„Ich bin offen für jede Art der Aufmunterung, Fibbie."

Ich versuchte gar nicht erst, zu analysieren, was ich im Begriff war, zu tun. Ich wollte verdrängen, dass mein Dad so schlecht darin war, ein guter Vater zu sein. Dass ich meiner Freundin nicht mal richtig zugehört hatte, als sie probiert hatte, mich zu trösten und mich aus meinem Tief herauszuholen. Ich wollte einfach nur noch verdrängen und da war früher der einzige Ausweg gewesen, dass ich mit jemandem geschlafen hatte. Ich musste mich gegenüber Fibbie nicht erklären, wie bei Selina vorhin und sie behandelte mich genauso wie ich es gerade wollte. Ich war es nicht wert, geliebt zu werden und eben nur ein Typ für eine Nacht. 


Kommentar von der Autorin:

Ich möchte hier gar nicht rechtfertigen, für was sich Josh entschieden hat, weil er offensichtliche Probleme verdrängen wollte. Aber er hat es nun mal und er wird die Konsequenz dafür im nächsten Kapitel tragen müssen. Ich kenne Fremdgehen aus meiner eigenen Familie und daher ist es mein Weg, das zu verarbeiten.

Manchmal trifft man eben Entscheidungen, die man hinterher bereut. Ich habe bereits im Vorwort geschrieben, dass ich persönlich so etwas nicht verzeihen könnte. Aber ich bin schließlich nicht Selina und wir werden nun sehen, wie es weitergeht. Ich möchte, dass meine Charaktere ihre Fehler machen und hoffentlich aus ihnen lernen.

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