14. Kapitel - Darius

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Es war vermutlich idiotisch, dass ich seit Jahren jeher immer wieder zu ihrem Grabe zurückkehrte. Immer und immer wieder – ich konnte nicht mit der Vergangenheit, mit der Ungerechtigkeit, abschließen. Die Ungerechtigkeit des zu früh beendeten Lebens und der unerwiderten Gefühle waren mein größtes Dilemma. Es holte mich immerzu ein. Immerzu.

Langsam senkte ich das rote Licht und den kleinen Blumenstrauß, als ich es wagte meinen Blick auf die Inschrift des Grabsteins zu richten. Inzwischen waren es zwei Namen, das Paar lag gemeinsam hier begraben, während ihre Tochter zurückblieb. Alleine, verlassen und traurig.

Doch nicht nur sie fühlte dies, sondern auch ich – so egoistisch es auch klang. Gefühle waren etwas egoistisches, denn sie gehörten im Grunde einer Person allein. Man konnte sie durch Worte oder Taten in die Welt tragen. Liebe und Freundschaft, aber auch sie konnten für immer verborgen bleiben, wenn man dies beabsichtigte.

Ich hasste mich für meine Verschlossenheit und meinen Egoismus. Aber ich konnte Niemanden mit meinen Gefühlen belasten, sie würden Leben zerstören und mich für immer von Jenen trennen, die mir die Welt bedeuteten. Es war eine Zwickmühle – und meiner Meinung nach hatte ich das geringste Übel gewählt. Es war ohnehin mein Übel. So litt nur ich im Stillen und sonst Niemand.

Mit meinem Finger fuhr ich über das Feuerzeug und entzündete mit dessen Flamme die Kerze zu meinen Füßen. Kurz darauf erleuchtete das kleine Licht einen Teil des Grabes. Es war sonst stockdunkel.

Mir war meine Anwesenheit hier so unangenehm zur heutigen Zeit und erschien mir in Anbetracht der momentanen Situation derartig unangebracht, dass ich mich lieber in den Schatten der Nacht hüllte und mich von ihr verschlingen ließ. Wenigstens würde ich um diese Tageszeit hier definitiv Niemanden antreffen. Dieser Gedanke war tröstlich für mich.

Vielleicht hätte ich mit Cora rechnen können, allerdings hatte sie sich die letzten Wochen im Haus verschanzt und ließ kaum mit sich sprechen. Ich kam nicht an sie heran, es gab keine Chance, wie es aussah.

Dennoch hatte ich vergangene Woche Jonas angetroffen und er hatte mir versichert, dass er nach ihr sehen würde. Er hatte mir die Tür geöffnet, als Cora wohl unter der Dusche war. Wie vertraut waren die Beiden miteinander? Und seit wann? Zumindest war er für sie da, wie es aussah.

„Ganz schön spät, um auf dem Friedhof herumzulaufen", flüsterte ich, als ich den Rückweg zu meinem Wagen antrat, „das hätte Carlos wohl zu mir gesagt." Es wäre auch keineswegs unerwartet gewesen, denn es war tatsächlich etwas unangebracht, Mitten in der Nacht auf dem Friedhof herumzuirren. Wahrscheinlich hatte es sogar etwas Zwielichtiges an sich. Zum Glück sah mich Niemand, das war vielleicht meine einzige Gewissheit im Moment.

Ich ließ mich auf das Polster meines neuen Geländewagens fallen und bemerkte erst dann, wie erschöpft ich eigentlich war. Müde rieb ich mir die Augen und wagte einen kurzen Blick auf die digitale Anzeige vor mir. Es war kurz vor Elf. Wie viele andere Menschen ihren Samstagabend wohl mit viel wertvolleren Dingen zubrachten?

Mein Smartphone vibrierte zum tausendsten Male in der Innentasche meines Mantels, sodass ich ihm nun endlich seufzend nachgab und mich dem Anrufer stellte.

„Hallo", meldete ich mich leise, auch wenn ich nicht wusste, um wen es sich handelte und wie er reagieren würde. Die meisten Menschen mochten es nicht, wenn man sie stundenlang ignorierte – besonders keine Anrufe.

„Darius", erleichtert erklang vorerst nur mein Name am anderen Ende der Leitung. „Ist alles in Ordnung? Ich hatte seit einer Weile versucht, dich zu erreichen." Ja, das hatte er wohl. Aber ich hatte lieber zwei Stunden mutterseelenallein auf einem Friedhof zugebracht, anstatt mich bei meinen Freunden zu melden oder sie zumindest anzuhören.

„Es tut mir Leid, ich war etwas Draußen unterwegs und hatte mein Handy im Auto liegen gelassen." Eine einfache Lüge, aber sie erfüllte ihren Zweck und ich konnte meine komischen Angewohnheiten ihm gegenüber verschleiern. Es wäre besser, für alle Beteiligten und für mich selbst. Das Rudel würde vermutlich überreagieren und mich für labil halten, wenn sich herumsprechen würde, dass ich des Nachts mehrmals auf einem Friedhof gesichtet worden war. Am Ende würde es mich meinen Rang kosten – und wenn ich meine Position verlieren würde, dann im Anschluss womöglich alles, an dem mir etwas lag.

„Nein, du musst dich nicht entschuldigen. Alannah und ich wollten dich heute zum Abendessen einladen, aber in Anbetracht der Uhrzeit", er hielt inne und schien kurz zu überlegen, „möchtest du stattdessen so vorbeikommen? Die Kinder sind am Schlafen oder anderweitig unterwegs, da musst du dir keine Gedanken machen." Er wusste, ich würde ablehnen, wenn es ihnen zu viele Umstände mit ihrer Familiensituation bereiten würde.

„Ich komme gerne vorbei. Wir wollten das ja schon seit einer Weile Mal auf die Reihe bekommen." Die Geburt der Zwillinge war ein kleines Wunder in unserem Rudel gewesen, denn bisher hatte es kein Zwillingspaar unter Werwölfen innerhalb unserer Reihen gegeben. Gut, es hatte eines gegeben und ein Zwilling lebte noch, doch der Andere...

„Großartig, ich sage Alannah Bescheid. Bis gleich." Ryo schien glücklich und ich nahm an, dass er dies vollkommen ernst meinte. Er war zwar zu Jedem in unserem Rudel höflich, doch diese Nettigkeit würde ich bei ihm nicht mit Freude verwechseln. Wir kannten uns schon zu lange dafür.

„Er hat auch Jemanden verloren", hauchte ich bitter vor mich hin. „Er verlor seine eigene Tochter – Nein, sie verloren ihre Tochter und Schwester. Gerade Lloyd, er verlor seine Zwillingsschwester. Sie alle kennen das Gefühl des Verlustes besser als jeder Andere. Und Cora erst", dachte ich laut.

In mir zog sich etwas zusammen, dass ich beim bloßen Nachdenken momentan nicht benennen konnte. Es war ein belastendes Gefühl, als würde mein Herz von Sekunde zu Sekunde schwerer und schwerer werden, mich zu Boden zwingen.

„Ich muss mich zusammenreißen", mahnte ich mich zu Selbstdisziplin. Meine Gedanken waren unangebracht, genauso wie meine Anwesenheit auf dem Friedhof. Es gab Grenzen und ich sollte mich zumindest soweit beherrschen können, sie nicht grundlos in einem emotionalen Augenblick zu übertreten. Als Beta konnte ich es mir nicht erlauben einen solchen Moment der Schwäche zuzulassen.

Auf dem Weg zu den Kawaharas ließ ich mich leise von dem Autoradio begleiten, bevor ich noch in eine Art Trance verfiel und womöglich in einen Unfall verwickelt werden würde. In meinem Zustand würde ich es mir zutrauen.

Allerdings kam ich nach ein paar Minuten sicher bei meinem Zielort an und konnte fühlen, wie etliche Kilos meiner Last von meinen Schultern fielen, als mir mit lächelnden Gesichtern die Tür geöffnet wurde. Ryo und Alannah waren nicht nur herzlich, sie waren für mich auch ein Teil der Familie.

Nicht nur deshalb würde ich wirklich Alles für sie und ihre Kinder tun. Sie lagen mir alle am Herzen, denn ich konnte ganz Ich sein in ihrer Gegenwart. Es war so, als wäre ich nach Hause gekommen, wenn ich über ihre Türschwelle glitt. Ganz so, als gehörte ich dazu.

„Komm rein, Darius."

Das würde ich. Und ich würde liebend gerne immer und immer wieder herkommen. So lange ich lebte. Sie waren meine Rettung – und ich wollte auch ihre sein. Zumindest ein wenig und soweit es mir törichtem Narr möglich war, wollte ich nicht nur von ihnen Nehmen, sondern auch etwas Geben.

„Danke für die Einladung, ihr Zwei." Alannah sprach nicht, sondern schenkte mir ihr herzliches Lächeln und strich mir über die Schulter.

„Komm, ich nehme dir den Mantel ab", bot sie an und ehe ich mich versah, hatte sie diesen in den Händen und hing in auf einen Bügel an der Garderobe. Diese Frau war unfassbar, ließ mich nichts selbst erledigen in diesen vier Wänden.

„Möchtest du ein Bier?" Weil ich heute einen wirklich miesen Tag hatte, nahm ich das Angebot an. Alannah und Ryo dachten sich nicht allzu viel dabei, aber für gewöhnlich wussten auch sie, dass ich nicht ohne Feierlichkeiten trank.

„Worauf stoßen wir an?" Wir saßen drinnen im Wohnzimmer in der Nähe des Ofens, der zu dieser Jahreszeit nicht befeuert wurde. Draußen herrschten inzwischen frühlingshafte Temperaturen und die Kälte des Winters lag längst in der Vergangenheit.

Ich fühlte mich fehl am Platz mit meinen Gedanken. Den Alkohol zu trinken und meine Freunde um mich zu haben, würde dieses Gefühl nicht verblassen lassen. Es würde nur unerträglicher werden. Ich musste es in mir verschließen. Endgültig.

„Auf das Ende des Tages?", schlug Ryo grinsend vor, während er Alannah mit seinem Blick verfolgte, bevor sich diese neben ihn ins Sitzpolster fallen ließ.

„Klingt gut." Wir stießen an und tranken schweigend. Zumindest für den Moment. „Die Versammlung gestern war ganz schön turbulent, oder?"

„Weshalb?" Mein langjähriger Freund schien nicht meiner Meinung zu sein. Er wollte augenscheinlich wissen, warum ich so darüber dachte.

„Du hast sicher auch mitbekommen, wie Isaac und Jonas am Ende der Sitzung fast aufeinander losgegangen sind, oder nicht? Der Gamma und sein Sohn waren sich noch nie wohl gesonnen, aber es scheint, als wäre Cora aktuell ein gewaltiger Streitpunkt."

Nicht nur hatte Isaac erneut das Wort gegen sie erhoben, sondern sie wieder bloß gestellt. Das hatte Jonas gar nicht gepasst. Mir allerdings auch kein bisschen. Eleonore hätte das nicht für sie gewollt. Und aus diesem Grund kam diese Angelegenheit so nah an mich heran, wie lange schon nichts mehr.

„Ist mir auch aufgefallen. Steht der Sohn des Gamma auf sie?" Ich vermutete es, dies teilte ich ihnen mit.

„Junge Liebe", seufzte Alannah. „Es verändert Menschen – und ich glaube, sie tut den Beiden sehr gut."

Lächelnd dachte ich an den jungen Ryo und dieser Gedanke erheiterte mich. Er war damals auch eine unruhige Seele gewesen, hatte immer nach Ärger gesucht und ihn gefunden. Carlos könnte wohl ein Lied davon singen. So oft, wie er ihn damals aus der Scheiße reiten musste, konnte man nicht an zwei Händen abzählen.

Als Alannah ins Rudel eintrat, war er danach ein ganz anderer Mensch. Sie hatte ihn verändert. Zwar war er immer noch überaus zielstrebig, aber er war gefasster und hatte sich im Griff. Spätestens nachdem Lydia auf die Welt kam, war seine Unkontrollierbarkeit und all der Ärger Geschichte. Das hatte nicht nur Carlos sehr gefreut, sondern auch mich.

„Isaac ist wieder zu weit gegangen", stellte Ryo unverfroren klar. „Es gibt Regeln und es gibt Grenzen." Er zog die Stirn in Falten und war sichtlich verärgert.

„Regeln und Grenzen?", hinterfragte seine Gefährtin schmunzelnd und zog provokativ die Augenbrauen in die Höhe. „Das klingt mal wieder ganz nach dir."

„Unausgeschriebene Regeln", korrigierte er sich. „Man weis einfach, wie man sich in einer Gesellschaft zu benehmen hat." Ja, dachte ich, alle außer Isaac wussten dies.

Die Dame in der Runde schweig und ich ahnte, weshalb sie dies tat. Ihre Gedankengänge wären nicht angebracht. Und ich hatte das Gefühl, dass wir das Gleiche dachten.

Wieso war Isaac der Gamma, wenn er keinerlei Anstand und Respekt an den Tag legte?

Ganz einfach war die Antwort nicht, aber er war hoch angesehen bei einigen unserer Anhänger. Außerdem war er einer der stärksten Kämpfer in unseren Reihen und hatte mit seiner Kraft bereits Kämpfe für uns entschieden. Wir waren siegreich gewesen – und es war nicht auszuschließen, dass es dem Rudel ohne seine Kampfstärke anders ergangen wäre. Wir brauchten ihn und seine Kraft, denn sie könnte ausschlaggebend für zukünftige Schlachten sein.

„Wenn der Kerl nicht so unfassbar stark und draufgängerisch wäre, hätte er seine Position längst nicht mehr. Aber er ist gut, das ist das Ding. Und so lange dies der Fall ist, wird sich da nichts ändern lassen, so ist das nun mal." Harte, aber wahre Worte. Ryo hatte leider recht mit seinen Schlussfolgerungen und dies wussten wir alle.

„Lasst uns nicht den ganzen Abend über den Gamma sprechen", bat ich und warf den Kopf nach hinten in die Lehne des Sessels. Ich hatte für diese Woche genug über solche rudelinternen Themen gesprochen und es hing mit langsam aber sicher zum Hals raus.

„Worüber möchtest du stattdessen sprechen?" Ich wollte mich tatsächlich nur gemächlich besaufen und einen verkaterten Wochenstart an den Tag legen. Ein super Start in den Montagmorgen.

„Ist diese Woche was Schönes passiert? Irgendwas?" Bei mir leider nicht. Gut, wir hatten unsere Listen gefüllt bekommen und ich musste nicht alleine mit Isaac in den nächsten Wochen Wache schieben, aber dabei konnte man doch nicht von einer schönen Nachricht sprechen, oder?

„Mal sehen", dachte Alannah laut, „Lloyd hat eine Eins in Geschichte geschrieben. Ariana hat mich diese Woche noch nicht angemeckert trotz Pubertät und Akio geht es in letzter Zeit wieder sehr viel besser. Das ist etwas, oder?"

Wobei mir durchaus bewusst war, dass der Teil mit Ariana als ein Witz gedacht war, erfreute mich die letzte Nachricht umso mehr. Wenn es ihrem Sohn wieder besser ging, dann war ich mehr als nur erleichtert.

„Das zählt definitiv", gab ich mich geschlagen. „Lloyd hat Biologie und Englisch als Leistungskurse gewählt, oder?" Dies tat ich nicht nur, um vom Thema abzulenken, denn ich kam nicht allzu oft dazu, solch banale Dinge in Erfahrung zu bringen.

„Ja, genau", stimmte sie mir zu. „Die Fächer wären nicht gerade meine erste Wahl gewesen, aber Lloyd ist auch ein deutlich besserer Schüler als ich damals."

„Vielleicht übertrifft er uns alle noch, wer weis?", spaßte ich und bemerkte, wie ich einen Seitenblick von Ryo zugeworfen bekam. Ich hatte gehofft, dass er die versteckte Nachricht in meinen Worten mitschwingen hörte. Lloyd hatte Potenzial.

Und ich glaubte, dass genau dies ihm noch zum Verhängnis werden würde.


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Tut mir Leid, ich habe das Updaten gestern völlig vergessen! Deshalb hole ich es heute Morgen schnell nach und werde mir mal eine Erinnerung stellen, damit ich es nächsten Donnerstag nicht wieder vergesse ^^

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