11. Kapitel

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Ungläubig starre ich die Frau an, die neben uns aufgetaucht ist.

In dem dämmrigen Licht kann ich nur ihre Schemen erkennen, aber sie wirkt auf mich nicht älter, als ich es bin. Um den Kopf trägt sie ein Tuch gewickelt, was aber nicht verhindert, dass ihr einzelne Haarsträhnen in das Gesicht fallen.

Sie steht aufrecht neben uns und hat einen Stapel Stoffe und Decken über den Unterarm gelegt. Mit der freien Hand greift sie neben sich. Kurz darauf erhellt eine alte Lampe unsere Gesichter und wirft gespenstisch aussehende Schatten an die Wände. Ich habe richtig geschätzt, sie ist nicht älter als ich. Und auf den ersten Blick kann ich keine schwarzen Flecken auf ihrer Haut erkennen. Ihre Augen wirken noch voller Lebensfreude und nicht trüb wie die der anderen Menschen.

Meine Gedanken überschlagen sich. Ist sie eine Zeitreisende wie ich? Anders kann ich mir nicht erklären, woher sie das Antibiotika Gentamycin kennt.

Vor Aufregung beschleunigt sich mein Herzschlag. Es fühlt sich so an, als wäre die Lösung für mein Problem zum Greifen nahe. Als hätte ich endlich die Erklärung direkt vor mir stehen, was mit mir geschehen ist und warum ich hier bin. Endlich könnte ich erfahren, wie ich wieder zurück nach Hause kann.
Weg von dem ganzen Leid, den Krankheiten und diesem einfachen Leben.

Ich spüre einen Stich in meinem Herzen. Und auch weg von Adam.

Dieser Gedanke schmerzt mehr, als ich zugeben möchte. Irgendwie hänge ich an ihm, obwohl ich ihn erst einige Stunden kenne. Würde ich trotzdem mein Leben, wie ich es kenne, eintauschen, um für ihn hier zu bleiben?

Innerlich schüttle ich mich. Dieser Gedanke kommt mir sehr abwegig und auch dumm vor. Immerhin kenne ich ihn noch nicht richtig und habe mir im 21. Jahrhundert ein Leben aufgebaut.

Ein sehr erbärmliches, aber ich bin dennoch irgendwie stolz darauf und hänge daran. Wenn sich mir die Möglichkeit bieten würde, dorthin zurückzukehren, wäre es eine vernünftige Entscheidung, es auch zu tun. Egal wie sehr mein Herz an Adam hängt.

„Anna? Du kennst Gentamycin?" Adam wiederholt das Wort langsam und seine kratzig wirkende Stimme reißt mich aus dem Strudel an Gedanken, in dem ich zu ertrinken drohe.

Die Frau, welche scheinbar Anna heißt und die Adam kennt, nickt und ich sehe Adam ratlos an, bis er mir einen Seitenblick zuwirft. „Anna ist die Schneiderin im Dorf", erklärt er mir unaufgefordert und ich nicke dankbar, da ich nun endlich weiß, mit wem ich es zu tun habe.

Gleichzeitig merke ich, wie die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass Anna selbst aus der Zukunft stammt. Denn ansonsten würde Adam sie nicht bereits so gut als die Schneiderin des Dorfes erkennen. Oder aber, sie ist schon etwas länger hier, hat sich in dieser Zeit bereits etabliert und gehört für die Einwohner des Dorfes zu ihrer Gemeinschaft, als wäre sie irgendwann einfach dazugestoßen. Ungeachtet dessen, wo sie ursprünglich herkommt und aus welcher Zeit.

„Woher kennst du es?" Meine Stimme klingt einige Oktaven zu hoch, so nervös bin ich. Ich weiß, dass ihre Antwort mir entweder helfen kann oder all meine Hoffnung zerschlagen wird.

Ich klammere mich an die Möglichkeit, dass sie vielleicht doch selbst aus der Zukunft kommt, wie ein Ertrinkender an eine Holzplatte auf dem offenen Meer. Meine Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt und ich klebe an ihren Lippen, auf denen sich durch die Lampe leicht flackernde Schatten bilden.

„Es war mal jemand hier im Dorf, der davon erzählt hat. Das Wort war so seltsam, dass ich es mir gemerkt habe."

Ihre Antwort fühlt sich an, als würde sie mir eine Bratpfanne ins Gesicht schlagen. Leicht taumle ich zurück, weil meine größte Hoffnung zerschlagen vor mir liegt. Sie wird mir nicht helfen können. Sie wird mir keine Erklärung liefern können, wieso ich hier stehe und wie ich wieder nach Hause zurückkehren kann.

Ich stoße leicht gegen Adams Schulter. Dieser leichte Körperkontakt führt dazu, dass ich aufrecht stehen bleibe und nicht unter der Enttäuschung zusammenbreche, die sich in mir ausbreitet.

Es wäre auch zu einfach gewesen, von Anna die Erklärung für all das zu bekommen. Sonst bin ich doch nicht so naiv gewesen. Warum musste ich es ausgerechnet jetzt sein?

Es ist schon ein sehr großer Zufall, dass wir sie überhaupt hier getroffen haben. So wie es aussieht, scheint sie Decken an die Kranken zu verteilen. Wahrscheinlich sind es Stoffreste aus ihrer Schneiderei.

Adams Gehirn scheint etwas besser zu funktionieren als meins, da er sofort weiterdenkt und der jungen Frau eine entscheidende Frage stellt, auf die ich selbst nicht gekommen wäre.

„Wer ist es gewesen?"

Mit großen Augen blicke ich zu Adam hoch und kann erneut nicht glauben, was er da gerade tut. Er hilft mir, ohne dass ich ihn darum bitten muss. Ich habe so einen großartigen Menschen wie ihn echt nicht an meiner Seite verdient.

Während ich darüber nachdenke, wie ich zurück nach Hause und ihn damit möglichst schnell verlassen kann, handelt er einfach selbstlos für mich und hilft mir mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen.

Natürlich könnte er das auch tun, um mich möglichst schnell wieder loszuwerden. Aber so fühlt es sich nicht an. Er hilft mir, weil er es wirklich möchte. Er spürt, dass ich diese Hilfe brauche, aber zu stolz bin, um danach zu fragen.

Anna streicht sich mit der freien Hand eine Haarsträhne aus der Stirn und reibt sich dann nachdenklich die Nasenspitze. „Er hieß...Robert meine ich. Er war ein Wissenschaftler, ich habe ihn kennengelernt, als ich ihm Kleidung geschneidert hatte. Da hat er mir ein wenig von seiner Arbeit erzählt."

Adam nickt langsam, als würde er sich an diesen Menschen erinnern, bis zu diesem Moment aber gar nicht richtig wahrgenommen haben, dass er jemals existiert hat. Scheinbar hat es dieser Robert also besser hinbekommen, unerkannt zu bleiben als ich und hat sich einfach in die Gesellschaft eingegliedert. Ohne direkt jedem zu erzählen, woher er wirklich stammt.

„Seine Arbeit... dieser Zaun da draußen...ist er von ihm?" Ich bin froh, dass ich mittlerweile meine Fassung wiedergewonnen habe und auch mein Gehirn wieder funktioniert. Die Frau nickt und grinst leicht.

„Ja, den wollte er unbedingt haben. Es hat lange gedauert, bis er jemanden gefunden hat, der ihn genauso herstellen konnte, wie er es sich vorgestellt hatte", lacht sie leicht. „Aber irgendwann wurde er fündig und seitdem hängt er dort. Kurz danach ist er wieder abgereist."

Bäm. Erneut spüre ich die Bratpfanne in meinem Gesicht.

Adam greift unaufgefordert nach meinem Unterarm und stützt mich, damit ich nicht noch weiter nach hinten taumle.

„Wohin ist er gereist?"

Bestimmt zurück in seine Zeit, beantworte ich innerlich seine Frage, da mir das am logischsten erscheint. Wo sollte er auch sonst hin? Er wird bestimmt nicht das Bedürfnis gehabt haben, weiter im Spätmittelalter zu leben, täglich das Leid der infizierten Menschen zu sehen und dabei immer die Angst im Nacken sitzen haben, dass die Menschen, die ihm hier etwas bedeuten, ebenfalls krank werden und man ihnen nicht helfen kann.

„Weiter runter an die Spree. Ich weiß aber nicht, wohin genau." Entschuldigend sieht sie uns an, da sie uns keine genaueren Informationen geben kann. Ich könnte ihr vor Dankbarkeit trotzdem um den Hals fallen, da ich dank ihr nun endlich ein Ziel habe.

Ich habe eine Anlaufstelle, ich weiß, bei wem ich Antworten finden könnte oder wer mir helfen kann, zurück nach Hause zu kommen. Ich muss diesen Robert finden.

Denn ich glaube fest daran, dass er ebenfalls durch die Zeit gereist ist. Anders hätte er nicht von Gentamycin gewusst oder Stacheldrahtzäune gekannt. Er muss aus meiner Zeit stammen, auch wenn er es den Bewohnern des Dorfes gegenüber geheim gehalten haben muss. Denn ansonsten hätte Adam bereits etwas dazu gesagt, wenn er schon einmal von jemandem gehört hätte, der ebenfalls wie ich aus der Zukunft kommt.

Ich steigere mich so sehr in die neuen Möglichkeiten rein, die sich mir nun bieten, dass ich gar nicht mitbekomme, wie sich Adam bei Anna bedankt und mich dann mit sich nach draußen zieht.

Ohne es zu realisieren, steige ich über die schlafenden Menschen und laufe neben ihm den Weg zum Stacheldrahtzaun zurück.

„Ist es weit bis hinunter an die Spree?" Ich höre mich wie ein kleines, aufgeregtes Kind an, als ich ihm diese Frage stelle und ernte natürlich ein belustigtes Grunzen von Adam.

Ganz gentlemanlike biegt er mir den Stacheldraht auseinander, damit ich einfacher hindurchklettern kann, ohne mit meinen Haaren und dem Kleid an jeder einzelnen Dorne hängen zu bleiben. Er folgt mir hindurch und wischt sich seine Hände danach an der Hose ab.

Nur noch der sanfte Schein des Mondes erhellt den Weg vor uns und ich bleibe verunsichert stehen. Mir fehlen eindeutig Straßenlaternen oder Bewegungsmelder von Außenlampen, die in meiner Zeit zuverlässig jeden Weg erleuchtet haben. Hier haben die Menschen keinen Strom und nur sehr wenige haben drinnen ein Feuer brennen, was durch die Fenster bis nach draußen auf die Straße scheint.

„Du kannst es ja gar nicht erwarten, von mir wegzukommen."

Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen und presse meine Lippen zusammen. Das ist genau das Problem, was ich habe. Ich möchte nach Hause, alles in mir sehnt sich danach, wieder in meiner Wohnung zu sein und in meinem eigenen Bett zu liegen. Eine Toilette direkt in der Wohnung zu haben und dafür nicht immer nach draußen in eine kleine Holzhütte gehen zu müssen. All diese Vorteile liegen schwer in meinem Magen, während ich Adam mustere.

Durch das Licht des Mondes liegt sein halbes Gesicht im Dunkeln. Trotzdem habe ich das Gefühl, ihn vollständig sehen zu können und seine Augen zu spüren, die auf meinem eigenen Gesicht liegen.

Ich senke den Blick und nestle mit den Fingern am Stoff meines Kleides herum. So nette und hilfsbereite Menschen wie Adam und seine Schwester habe ich bei mir zuhause noch nie getroffen. Ich bin ihnen so unendlich dankbar, wie sie sich selbst nicht vorstellen können. Aber trotz allem spüre ich tief in mir, dass ich nicht hierhergehöre. Ich würde ihnen nur Probleme bereiten und mich ohne sie einfach nur fremd und fehl am Platz fühlen.

„Nein...also ich meine..." Stotternd sehe ich zu ihm hoch und verstumme, als er mit dem Kopf schüttelt.

„Schon gut. Ich kann verstehen, dass du Antworten haben willst." Adam setzt sich in Bewegung, hält den Blick starr vor sich auf den Weg gerichtet. Ich folge ihm und fühle mich richtig unwohl. Als würde ich ihn zurückstoßen, obwohl ich das eigentlich gar nicht möchte.

Ich bin innerlich zerrissen und kann keinen klaren Gedanken fassen. All die Informationen heute waren zu viel für mich, ich bin bis jetzt noch nicht dazu gekommen, richtig zu verarbeiten, was geschehen ist. Ich weiß nicht, was ich selbst will. Aber ich weiß, dass ich Antworten brauche.

Und mindestens dafür muss ich zu diesem Robert.

„Bis zur Spree sind es nur ein paar Stunden." Mit einiger Verzögerung antwortet Adam auf meine Frage und kickt mit dem Fuß einen Stein weg, der vor ihm auf dem Weg lag. Er hüpft ein paar Mal auf, bis ihn die Dunkelheit verschluckt. Es scheint Adam nicht zu gefallen, dass ich unbedingt dorthin möchte. Ich weiß nicht wieso, traue mich aber nicht, ihn das zu fragen.

Ist das Gebiet unten am Fluss gefährlich? Oder der Weg dahin? Möchte er nicht, dass ich dorthin gehe und vielleicht für immer verschwinde? Bevor ich mich dazu überwinden kann, ihm doch eine dieser Fragen zu stellen, schneidet er mir das Wort ab.

„Wir können, wenn du willst, morgen dorthin."

Mein erstauntes Keuchen, weil das viel eher ist, als ich es jemals für möglich gehalten hätte, geht in einem Stimmgewirr unter, was hinter der nächsten Kurve erschallt. Es sind einige laute Männer, die scheinbar angetrunken sind und sich grölend etwas zurufen.

Sofort beschleunigt sich mein Herzschlag und ich greife nach Adams Arm, um mich sicherer zu fühlen. Unter meinen Fingern kann ich spüren, wie sich seine Muskeln anspannen und seine Schritte verlangsamen.

Bevor wir reagieren und umdrehen können, stehen wir einem Haufen Männern gegenüber. Einige schwanken, halten sich an der Hauswand fest, andere stützen sich gegenseitig. Wir befinden uns in einer kleinen, recht engen Gasse, in der wir nicht zur Seite hin ausweichen können.

In mir schreit alles danach, umzukehren und so viel Abstand wie möglich zwischen sie und uns zu bringen. Adam ist inzwischen stehen geblieben und mustert die Männer, die sich bedrohlich vor uns aufbauen. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung hat er mich hinter sich geschoben und positioniert sich mit breiten Schultern vor den Fremden.

„Ah, der Wirtssohn. So spät noch unterwegs?" Die lallende Aussprache des vorne stehenden Mannes lässt darauf schließen, dass er an diesem Abend in einer anderen Bar zu tief ins Glas geschaut hat. Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich überlege, ob ich nicht einfach allein den Rückzug antreten und diese Gasse so schnell es geht verlassen soll.

Aber ich kann Adam nicht hier zurücklassen. Dann würde er allein diesen fünf anderen Männern gegenüberstehen, die zwar betrunken sind, aber in der Anzahl überlegen.

„Was wollt ihr?" Ich kann die Anspannung aus seiner Stimme heraushören und fühle mich sofort noch unwohler.

Als Antwort bekommt er ein kaltes Lachen, dann tritt der vorderste Mann bedrohlich auf ihn zu. „Wir haben gesehen, dass du jemanden bei dir hast... So ein Weib würde uns jetzt gut gefallen...", überlegt er laut und seine Freunde stimmen ihm johlend zu.

Adams Hand ballt sich zu einer Faust. „Sie gehört zu mir." Seine Aussage duldet keinen Widerspruch, das spüre ich.

Es ist ein verdammt unpassender Moment, aber durch diesen Satz schmelze ich innerlich dahin.

Leider bin ich dadurch auch kurzzeitig abgelenkt, dass ich nur noch erschrocken aufschreien kann, als ich sehe, wie zwei der Männer auf Adam einschlagen. Der eine trifft ihn an der Schläfe, sodass Adam zurücktaumelt. Er schafft es, sein Gleichgewicht wiederzufinden, bekommt aber direkt den nächsten Schlag von dem anderen mitten ins Gesicht.

Ich höre ein gefährlich lautes Knacken, dann bricht er vor mir auf dem Boden zusammen und bliebt regungslos liegen.

Nein nein nein.

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