Die Hausfrau

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng


Sie war wach, aber wollte ihre Augen noch nicht öffnen. Nein, dazu war sie nicht bereit. Sie konnte sich aber vorstellen, dass es mittlerweile schon dunkel draußen war. Es waren vermutlich Stunden vergangen, in denen sie ihren Anfall hatte und nun auf der Couch lag. Wie lange sie geschlafen hatte wusste sie auch nicht. 

Ein Seufzer rutschte ihr heraus, tief und voller Leid. Selbstmitleid, sowie Schmerzen. Jedesmal wenn eine solche Attacke kam verkrampften sich sämtliche ihrer Muskeln für unbestimmte, längere Zeit. Es gab keine Möglichkeit, dies zu verhindern. Sie hatte sich schon mehrmals dabei Nerven eingeklemmt. Das hatte dem ganzen Prozess auch nicht weiter geholfen, sondern ihn eher noch mehr verschlimmert.  

Es war der Moment gekommen, wo sie ihre Augen nicht mehr geschlossen halten konnte, und sie öffnete sie langsam. Sie waren trocken, obwohl sie das eigentlich gar nicht hätten sein sollen, und sie hatte Schwierigkeiten sich aus Einzelheiten zu konzentrieren. Alles verschwamm vor ihr, zeigte sich in Doppelbilder. Sie versuchte sie zusammenzuführen, ihre Schläfen spannten sich an und sie fühlte Falten auf ihre Stirn treten. Erschöpft schloss sie die Augen wieder und hielt sich eine Hand an die Stirn. Sie war eiskalt, kühlte ihren Kopf. Selbst die Augen zu öffnen und Dinge zu sehen bedeutete für sie eine übermäßige Anstrengung. 

Sie fuhr mit der Hand über ihr Gesicht, und stellte fest, dass es geschwollen war. Und zwar sehr. Vermutlich kam das vom Weinen. Ein genervter Laut entfuhr ihr, denn sie wusste genau dass ihr Mann sich unnötig viele Sorgen machen würde wenn er sie so sah. 

"Philomela, sag mir bitte ganz ehrlich, wie schlimm es diesmal war!", pflegte er besorgt zu sagen. Sie saß dann meistens komplett ramponiert und zugequollen da, schaute weg und versuchte ihn davon zu überzeugen, das alles nur halb so wild war und seine Sorgen komplett unnötig. Sie war nicht besonders glaubwürdig. Meistens wurde sie außerdem beim Lügen rot, und einer aufgedunsenen Tomate glaubt selbst der größte Narr nicht. 

Sie öffnete erneut ihre Augen, und konnte diesmal etwas sehen. Langsam begann sie, sich aufzusetzen. Jede Bewegung schmerzte, ihre Bauchmuskeln schienen komplett überstrapaziert zu sein. Sie saß fast, doch war sie versucht sich erneut fallen zu lassen, da die letzten Zentimeter wie eine unüberwindbares Hindernis erschienen. Aber sie schaffte es. 

Schwer atmend saß sie da, die Arme an der Lehne, die Finger tief in das Leder gekrallt. Sie wusste, da sie es schon so weit geschafft hatte würde der Rest vergleichsweise einfach werden. Vergleichsweise. 

Sie hievte sich so auf die Couch, das sie normal saß. Ihre Beine baumelten über die Sitzfläche Richtung Boden, ihr Oberkörper nicht mehr ganz so verkrampft wie zuvor. Sie presste die angehaltene Luft zwischen den Zähnen hervor, bis sie endlich Entspannung eintreten fühlte. Sie lehnte sich an, versuchte bewusst weitere Spannung aus ihrem Körper weichen zu lassen. Langsam gelang es ihr bis zu dem Punkt, an dem sie wusste, dass sie das Schlimmste völlig hinter sich hatte. Jetzt hieß es warten, bis ihr Kreislauf sich weiter stabilisierte und die Reste des unangenehmen Gefühls nach dem Anfall vergingen. 

Sie fühlte Wut und Verzweiflung in sich aufsteigen. Ihr voriges Gefühl der Leere und Gefühllosigkeit wich dem unverzeihlichen Brennen, was sich in ihrer Brust und ihrem Bauch breit machte. Sie hasste es so sehr. Ihr Gesicht verzerrte sich leicht, wurde zu einer wütenden Maske. Ihre Stirn warf endlose Falten, ihre Zähne zeigten sich. Ein knurren entwich ihr. 

Sie sog hörbar Luft ein, um dann einen wütenden Laut von sich zu geben. Sie merkten, wie es ihr gut tat, und holte noch einmal tief Luft, um aus vollem Hals zu schreien. Ihr Ausbruch entwickelte sich von einem leisen, gequälten Laut hin zu einem wütenden, kraftvollen Gebrüll. Es ebbte langsam ab, und sie hustete. Schloss die Augen. 

"Musik", sagte sie leise. 

"Hallo, Philomela. Was möchtest du hören?", fragte eine weibliche, sanfte Stimme. Der metallische Klang war kaum vorhanden. Sie klang äußerst menschlich. 

Ein seufzen, dann antwortete die Hausfrau: "Etwas ruhiges. Mit Gitarren." 

(https://www.youtube.com/watch?v=EmL8XbC6Zmo)

Die Musik begann, und sie konzentrierte sich nur noch auf die Noten und Klänge, die sie so gut kannte, und so sehr liebte. Sie kannte den Text, kannte die Bedeutung, und die Relevanz, die es gerade für sie hatte. Ihr Herz schlug schneller, Blut strömte mit einem normalen Druck durch sie hindurch. Sie begann, sich wieder lebendig zu fühlen. Jegliche Schwäche begann, aus ihr zu weichen, ebenso die Wut. Sie fühlte die Töne und Klänge, den Rhythmus, und mehr nicht. Es war alles, was sie gerade brauchte. Ihr Herzschlag schien sich dem ruhigen Tempo anzupassen. Das Schlagzeug war kaum hörbar, aber genug für sie. Die Stimme führte sie wie immer weit weg in ihre Träume. 

Sie sah wogende Bäume im Wind, die sich langsam wiegten und rauschten. Die Blätter waren von einem glatten, tiefen grün, die Stämme braun. Sie versuchte ihre innere Landschaft zu erweitern, vervollständigen. Sie sah einen Horizont, weit entfernt, mit einer aufgehenden Sonne. Die Farben waren vorerst trüb, bis sie sich auf sie konzentrierte und genauer wahr nahm. Es war nicht das bloße Rosa, sondern sie sah Anflüge von rot und lila, ein wenig silbernes Schimmern und tiefes gelb. Sie sah Vögel fliegen und Schmetterlinge. Sie begann, das Bild vor ihrem inneren Auge zu rotieren, eine Spirale zu bilden. Es drehte sich tief in den Hintergrund hinein. 

Sie öffnete die Augen wieder. Das würde sie heute noch versuchen auf die große Leinwand zu bringen. Ab und an sah sie nach Anfällen nur Farben, die sie dann einfach auf die Leinwand brachte, manchmal seltsame Wesen, und ab und an friedfertige Landschaften. Sie mochte es jedoch nicht, einfach nur friedvolles zu erschaffen. Es brauchte immer gewisse surreale Elemente, damit sie zufrieden war. Etwas außergewöhnliches. Naturalistische Darstellungen lagen ihr nicht im geringsten. Sie fühlte sich dann zu normal, zu langweilig. 

Ihr Mann hätte gern einmal naturgetreue Darstellungen, da er ihr Können bei fotorealistischen Zeichnungen einmal gesehen hatte. Er verstand nicht, warum viele ihrer Werke etwas so grausames an sich hatten, wenn sie doch in einer wunderschönen Welt lebten. 

Sie schnaubte. Sie fand ihre eigene Welt öfter mal nur begrenzt schön. Sehr stark begrenzt häufig, leider. Es war nicht so, als würde sie liebt nicht existieren. Aber weniger Anfälle wären eine nette Abwechslung. 

Langsam stand sie auf, um hoch in ihr Atelier zu sehen. Die Musik folgte ihr, und hielt das Bild vor ihrem Inneren Auge aufrecht während sie sich vorstellte, es mit zarten Pinselstrichen zu verwirklichen.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro