Einfach weg

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Ich sitze auf meinem Bett, die Stirn auf meinen Knien abgestützt. Ich hasse mich selbst für meine gestrige Reaktion. Erst hatte ich meine Vater nur angestarrt, dann beschlossen, ihn nicht enttäuschen zu wollen, ihn angelächelt und gesagt „Klingt doch super! Wann sollst du anfangen?" 

Doch das ist nicht das schlimmste, am schlimmsten ist, dass ich den Umzug selbst gar nicht so schlimm finde, und dass ich weiß, dass das so nicht sein soll. Eigentlich sollte ein Teenager doch jetzt seine beste Freundin anrufen und ihr unter Tränen erzählen, dass sie nach Boston umziehen wird, was immerhin fast auf der anderen Seite des Planeten Erde liegt, und dass es alles einfach nur scheiße ist.

Ich sollte jetzt durch die Nachbarschaft gehen und mit jeder Ecke eine Erinnerung verbinden. Mich an meinen ersten Freund erinnern, mit dem ich unter einem Baum auf einer Bank, welche aus rotbraunem Fichtenholz gemacht war, meinen ersten Kuss hatte. 

Ich sollte einem kleinen Kaffee, mit altmodischer Einrichtung und den besten Zimtschnecken der Stadt einen letzten Besuch abstatten und melancholisch an die Tage zurück denken, an denen ich mit meiner Clique dort saß und den neuesten Gossip austauschte. 

Ich sollte  in die Schulbibliothek gehen, und Erinnerungen an heimliche Flirts mit dem süßen Nerd aus der Parallelklasse wecken und todunglücklich sein, weil ich ihn nie wirklich für mich gewinnen konnte.

Eine Träne findet ihren Weg in Richtung meiner Mundwinkel. Ich weine nicht wegen dem Umzug. Ich weine, weil es in meiner Nachbarschaft keine Bank gibt, auf der ich meinen ersten Kuss hatte. Ich weine, weil ich noch gar keinen Kuss hatte. Weil es niemanden gibt, von dem ich mich verabschieden will und ich weine, weil ich mich egoistisch dafür finde, dass ich wegen so etwas weine, weil es Menschen gibt, die viel schlimmere Probleme haben.

Ich weine noch mehr, weil mein Handy klingelt, und ich sehe, dass die Nachricht von Jasmin ist, von dem einzigen Mädchen in dieser Stadt, das etwas mit mir zu tun haben will, und mir bewusst wird, dass ich eigentlich Freunde habe, aber dass ich mich selbst abgrenze und ich der einzige Grund dafür bin, dass ich keinen Kuss auf einer Bank aus Fichtenholz hatte.

Energisch stehe ich auf und laufe zu meinem Lautsprecher, sobald ich die Play Taste drücke fühle ich mich ein bisschen besser. Der Soundtrack von „Just Hannah's Life" gibt mir die Illusion, dass alles normal wäre. Während ich leise die bekannten Melodien mit summe bewege ich mich Richtung Badezimmer. Ein Umzug ist schließlich kein Grund nicht in die Schule zu gehen - zumindest keiner, den meine Lehrerin akzeptieren würde. 

In der Pause frage ich Jasmin, ob sie nach der Schule mit zu mir kommen will. Sie war noch nie bei mir, und ich hoffe, dass wir noch Tomatensauce zu Hause haben, weil ich ihr keine trockenen Nudeln anbieten will. 

Während ich die Haustür aufschließe, überlege ich, ob Jasmin gerne vor dem Fernseher isst, und ob ich Folge 1 von „Just Hannah's Life" anmachen soll, damit sie sich nicht unwillkommen fühlt. In der Küche frage ich sie, ob sie Dinkelnudeln mag und sie lächelt begeistert. „Meine Mutter will die nie kaufen. Ich lieeebe die, am besten sind sie ohne Sauce!" überrascht schaue ich sie an und lache. „Omg, ich ess die auch immer ohne Sauce! Kennst du „Just Hannah's Life"? Das guck ich dabei immer." „Ich hab davon gehört... Aber kam nie dazu es zu gucken." Wir haben beschlossen, die Serie von vorne anzufangen und Jasmin wirkt begeistert. Beim gemeinsamen gucken verstehe ich wieder, was mich damals an der Serie so begeistert hat und auch die Nudeln schmecken anders als sonst. 

Wir sitzen auf meinem Bett und ich beschließe, dass ich ihr von dem Umzug erzählen muss. Ich erkläre ihr, dass mein Vater befördert wird, und dass ich mit umziehen werde. Während ich mit ihr rede fällt mir auf, dass ich sie vermissen werde. Dass ich mein Zimmer und mein Bad vermissen werde. Dass ich weiterhin den Sonnenaufgang im Bus beobachten will und dass sogar der Unterricht in Ordnung ist. Nun werden meine Augen wirklich feucht, weil ich umziehe, weil mir auffällt, dass ich die ganze Zeit eine Freundin hatte, dass es aber nun zu spät ist, die Freundschaft auszubauen, weil wir uns wahrscheinlich nie wieder sehen werden. 

Abends liege ich im Bett. Jasmin hat versprochen, dass wir die letzte gemeinsame Zeit nutzen werden und ich habe das Gefühl, etwas wichtiges zu verlieren, sobald ich die Stadt verlasse. 


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