28. Das Bildnis der Victoria Schubert

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"Self-Portraits are a way of revealing something about oneself."


Höchst erschrocken starrte Victoria unweigerlich auf das Gemälde herab, dessen gemalte Oberfläche eins zu eins ihr eigenes Gesicht für scheinbar alle Ewigkeiten wiedergab. Jeder einzelne Pinselstrich schien zwar auf anmutige aber auch zutiefst verstörende Art und Weise sowohl ihre leibliche als auch seelische Essenz festzuhalten.

Ihr Spielbild trug unleugbaren Willens ein wunderschönes Kleid am Leibe, dessen altrosige Farbe die eigene blasse Haut und das dunkle Haar bestens zur Geltung brachten wusste. Ein durch und durch merkwürdig anmutendes Lächeln spielte um leicht geöffnete Lippen, so als wüsste die zweite Verkörperung ihres Selbst über alle im Dunklen schlummernden Geheimnisse ausführlich Bescheid.

Unzählige Gedankenlawinen brachen über Victorias aufgewühlten Verstand herein, überrollten bislang alles Gedachte und Geglaubte, bis am Ende nur nur noch Schutt und Asche existierte. Am gesamten Körper wie lebendiges Espenlaub zitternd, so rang sich die Schwarzhaarige nach einer guten Weile zu der aufgezwungenen Handlung ab, ihren erstarrten Blick endlich wieder von diesem buchstäblich haarsträubenden Abbild abzuwenden.

Und dann drängte sich, wie aus heiterem Himmel, ihrer hilfesuchenden Logik unwillkürlich ein längst vergessenes Gespräch auf.

Hat nicht Lorenz von Lahnstein beim Abschied gemurmelt, dass er nicht glauben könne, dass ich wie sie aussehe? Nun, jetzt verstehe ich seine Frage. Denn die Beantwortung dieses Anliegens liegt nun auch schwer auf meinem Herzen.

"Wie kann das bloß möglich sein?", wollte die junge Frau flüsternden Tonfalls von ihrem geistlichen Begleiter wissen, der die gesamt Zeit über nicht das leiseste Wort von sich gegeben zu haben schien. Augenblicklich hüllte eine dunkle Wolke des Unmuts ihr Selbst von Kopf bis Fuß ein, selbst ihr Gesichtsausdruck wirkte, als habe sie gerade auf eine äußerst saure Zitrone gebissen.

"Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich mir diese verblüffende Ähnlichkeit bis aufs Erste auch nicht erklären konnte. Zu Lebzeiten habe ich damals Rosmarie Schubert als meine Verlobte auserkoren. Dieses Portrait wollte ich ihr einst als Zeichen meiner Zuneigung übergeben, doch leider fand dieser Zeitpunkt niemals statt ....", plauderte Fabian aus dem Nähkästchen, während sein trüber Blick scheinbar für einen endlos andauernden Moment in die längst zerfallende Vergangenheit abtauchte.

"Auch wenn es höllisch schmerzt, freut es mich, dass sie nach Ende ihres Weggangs scheinbar doch noch ihr Glück gefunden hat..."

Schließlich schüttelte sich das Gespenst, als er erwachte er gerade aus einem Traum, ehe er ihrer eigenen Sicht mit einer todernst aufgesetzten Miene begegnete.

"Und erst gestern Nacht hat sich mir des Rätsels Lösung wahrhaftig offenbart. Solch eine fleischliche Verbindung kann kein Zufall sein, diese Art von Gleichartigkeit lässt sich nur über den Verlauf einer uralten Blutlinie erklären. Oblgeich die Vermutung natürlich Spielraum auch für andere Erklärungen zulässt."

Victoria, die ein paar Sekunden benötigte, um das Gesprochene halbwegs zu verarbeiten, stutzte bereits bei dem ertönten Klang ihr konform gehenden Nachnamen. "Rosmarie Schubert ... so in etwa wie Victoria Schubert? Quasi eine längst vergessene Vorfahrin von mir? Immer wenn ich denke, schon alles auf dieser Welt gesehen zu haben, macht mir das Leben einen Strich durch die Rechnung. Aber bei einer Tatsache stimme ich dir vollkommen zu. Auch ich glaube nicht an Zufälle!"

Trotz aller rationaler Versuche, sich eine vernünftige Version der Geschehnisse zurechtzulegen, stieg in ihrer Kehle bitter schmeckender Gallensaft empor und es gelang der jungen Frau nur mit Mühe und Not, ihre letzte eigenommene Mahlzeit nicht an Ort und Stelle auszuspeien.

Das wäre ja noch der Supergau aller Supergaus. Einen Geist vollkotzen, der in mir möglicherweise seine verstorbene Verflossene sieht. Glückwunsch, du hast ab jetzt deinen persönlichen Tiefpunkt erreicht. Ab jetzt steht dem Wahnsinn nichts mehr im Wege.

"Apropos, was meinst du eigentlich genau mit Spielraum für andere Erklärungen?"

"Möglicherweise handelt es sich nicht nur um eine rein äußerliche Übereinstimmung, sondern schlägt vielleicht in ihrer Gesamtheit viel tiefer liegende Wurzeln. So in etwa als würdest du eine Reininkarnation meiner ehemaligen Geliebten darstellen, nur ohne jedes Erinnerungsvermögen an ihr früheres Leben", erklärte Fabian mit einer geduldig erklingenden Engelszuge, obgleich seine Worte nur mehr aufgestiegene Panik in Victoria schürten.

Urplötzlich, wie vom Hafer gestochen, sprang die Schwarzhaarige rasch in die Höhe auf und schritt sogleich immer wieder im ruhenden Dachstuhl auf und ab. Gleich einer eingesperrten Raubkatze, die mit einem viel zu kleinen Käfig dringend Vorlieb nehmen musste.

"Du scheinst wohl ein besonders lustiger Scherzkeks zu sein, was? Doppelgänger, Erscheinungen ... da kann ich doch gleich auch an den Weihnachtsmann glauben. Nein, deine Worte sind nichts als Schall und Rauch", fluchte Victoria fortwährend auf, dabei ihren spukenden Begleiter stetig böse Blicke schenkend.

"Willst du mich mit diesen Worten überzeugen oder eher dich selbst?", amüsierte sich der Geist mit hochgezogenen Augenbrauen, der sich scheinbar zu keiner Zeit von ihrer Tirade auf den Schlips getreten fühlte.

"Und wie sollte es auch nicht sein? Du siehst ja mit eigenen Augen, dass Gespenster unter den Lebenden verweilen. Warum also nicht auch anderen übernatürlichen Aspekten angebrachten Glauben schenken? Aber ich seh schon, du bist genauso dickköpfig wie Rosmarie es einst vor langer Weile gewesen war. Mit jeder Sekunde die verstreicht und ich mehr über dich lerne, desto mehr häufen sich auch die charakterlichen Gemeinsamkeiten..."

"Nehmen wir einmal die Tatsache an, dass ich deine Version der Dinge tatsächlich akzeptiere. Was ich nur, am Rande bemerkt, unter äußerstem Vorbehalt tue", warnte Victoria, während sich zur gleichen Zeit all ihre verworrenen Gedanken überschlugen und dabei unzählige Salti vollführten.

"Dann musst du mir auf jeden Fall reinen Wein einschenken. Wie hast du denn Rosmarie überhaupt kennengelernt, wie endet eure gemeinsame Geschichte? Und überhaupt, was ist am 31.10.1721 wirklich passiert?", sprudelten nun all ihre quälenden Anliegen aus ihrem rastlosen Mundwerk hervor, tief gehende Falten zeichneten sich nun auf der normalerweise makellosen Stirn ab. Beide Hände hielt die junge Frau in demonstrativer Manier auf die Hüften gepresst. Eine Geste, die ihrem Gegenüber versichern sollte, dass auch ihr menschliches Selbst durchaus mit einem guten Kampfwillen aufzuwarten wusste.

Gerade als Fabian sichtbar zu einer hoffentlich erklärenden Erwiderung ansetzte, huschte unweigerlich ein dusterer Schatten über sein verkniffenes Antlitz hinweg. Für einen Moment schien es Victoria, als würde er in die Stille hinein lauschen und ihr keinerlei Aufmerksamkeit mehr schenken. Klanglose Worte flossen über seine stillen Lippen und bange fragte sich die Menschenfrau, mit wem genau er im Hier und Jetzt kommunizierte.

Wenige Minuten später löste sich der Geist aus seiner eigenommenen Starre. Seufzend, so als trüge er sprichwörtlich die Last der Schultern auf seinen Schultern, schenkte er ihr daraufhin einen markerschütternden Blick. "Entschuldige, dass ich schon so früh mein Versprechen zu brechen habe, doch ich muss so schnell wie möglich weg. Meine Schwester ruft bereits nach mir und ich will keinesfalls, dass sie dich mit ihrer Gesellschaft belästigt!"

"Deine Schwester?", hauchte Victoria, ihre weit aufgerissenen Augen hielten nun die Größe eines Golfballs inne.

"Leider. Selbst im Tode ist die Gute ein waschechter Wirbelsturm, der mit allerlei starker Willenskraft gesegnet ist. Für einen Außenstehenden ist ihr aufbrausendes Verhalten zumeist nicht leicht anzunehmen. Und da ich dich gerade mit dieser unheimlichen Feststellung konfrontiert habe, will ich dir heute nicht mehr zu schulternde Bürden aufhalsen. Doch verschoben ist nicht gleich aufgehoben, sei dir dessen gewiss!"

"Aber ich hab doch noch so viele Fragen...", klagte Victoria, obgleich sie natürlich seine aufrichtig erscheinende Sorge durchaus ehrbare Achtung entgegenbrachte. Doch auch ihre zunehmende Neugier ließ sich nicht mehr so leicht in Zaum erhalten, denn langsam aber sicher rückte Halloween und somit der Stichtag der Wahrheit immer näher.

"Und dies kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Daher möchte ich dir das Angebot unterbreiten, am nächsten Abend unsere Unterhaltung weiterzuführen. Gerne auch in Anwesenheit deiner beiden Freundinnen, dich gleichfalls gerne kennenlernen würde. Und bei Gelegenheit werde ich dir Klara vorstellen. Also, vertraust du mir?", bot ihr der wortführende Geist sogleich folgende Lösung an, die Victoria natürlich direkt beim Schopf ergriff.

"Also schön, der Spielball liegt eh in deinem Platzfeld. Ich werde dich durchaus beim Wort nehmen, sei dir diese Tatsache sehr bewusst! Falls du es brichst, dann werde ich dein schlimmster Alptraum sein", warnte die Schwarzhaarige, obgleich das feine Lächeln auf ihren Lippen den voraus gegangenen Silben durchaus Lügen strafte.

"Jetzt hast du aber mein Interesse geweckt. Welche Maßnahmen würdest du denn ergreifen, wenn ich nicht zu meinem geschworenen Eid stehe?", wollte der grinsende Geist sogleich in Erfahrung bringen, stetig rückte er dabei in ihre unmittelbare Nähe vor.

Victoria, hör gefälligst mit dem närrischen Unsinn auf, ein Auge auf einen untote Geist zu werfen. Tabu, Tab und nochmals Tabu!

Tief ein- und ausatmend, bediente sich die Bettentflohene eines nun sachlich gehaltenen Tonfalls, der hoffentlich keine Spur ihrer inneren Aufwühlung preis geben würde. "Nun ja, Salz und Eisen gibt es hier zur Abwehr auf jeden Fall zur Genüge. Allerdings hoffe ich, dass es soweit nicht kommen muss. Sag mir, Fabian von Lahnstein, trachtest du nach meiner Seele oder sollen wir die ersten zarten Bänder der Freundschaft weiter wachsen lassen?"

Fabian blickte nun derart pikiert drein, als hätte sie ihm gerade eine schwerwiegende Beleidigung entgegen geschleudert.

"Schon vor längerer Zeit habe ich dir versichert, dass ich dir um keinen Preis der Welt etwaigen Schaden zufügen will. Die Einhaltung meiner Ehre ist mir sehr wichtig, nie würde ich diese aus eigenem Willen brechen. Zweifelst du an meiner Aufrichtigkeit?", sprach der untote Adlige mit einer kühlen Grabesstimme auf. Unweigerlich rieselten Schauder des Gruselns über Victorias Rücken hinab, fraßen sich wie die Made im Speck durch Mark und Bein.

"Nein, überhaupt nicht!", eilte sich die Urlaubern schnell zum Weitersprechen an. Gerne hätte sie ihm eine tröstende Hand auf die Schulter auferlegt, doch dies schien im Hier und Jetzt wohl kaum möglich. "Ich vertraue dir und hoffe, dass du mir die gleiche Aufrichtigkeit entgegenbringst. Das ist alles!"

Binnen eines gehauchten Atemzugs näherte er sich ihr so weit an, dass nur noch wenige Zentimeter zwischen silbrig glänzendem Dunst und einem Körper aus Fleisch und Blut lagen. Fabian reckte sogleich seine Hand und strich Victoria in Form eines frostigen Windhauchs über ihre ausgekühlte Wange hinweg, so als hätte er sich die intime Geste trotz bester Anstrengung nicht verkneifen können. Erstaunlicherweise zuckte die junge Frau nicht einmal vor verspürter Überraschung zusammen, es war ihr in jenem Moment, als fühlte sich ihre Seele absolut vollständig an. Als hätte sie einen fehlenden Teil ihres eigenen Daseins endlich nach langer Sucher gefunden.

"Ich würde dir niemals wehtun .. zumindest nicht aus freien Stücken. Also dann, treffen wir uns morgen wieder zur gleichen Uhrzeit hier an Ort und Stelle?"

"Ist gebongt!"

"Wunderbar. Nun ist es aber an der Zeit, dich heil in Richtung deines Zimmers zu geleiten. Wollen wir?", murmelte Fabian, in seiner duster ertönenden Stimme schwang nun ein unleugbar warmer Tonfall mit.

"In Ordnung", lächelte Victoria, sich im Insgeheimen bereits auf den nächsten Abend freuend.


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