Zweiundzwanzigster Eintrag

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Als ich am nächsten Morgen aufstand, war schon alles für den Plan vorbereitet. Ich wusste, Markus musste früher zur Schule und in solchen Fällen ließ er mich immer ein wenig länger schlafen, was dann für mich hieß, dass ich Bus fahren musste. Und Kathrin hatte Frühschicht, was bedeutete, dass sie bereits auf der Arbeit war. Mein Rucksack war gepackt; das hatte ich heute Nacht gemacht.

Ich zog mir einen schwarzen Hoody an und verstaute die Maske in der großen Bauchtasche des Hoodys. In meiner Hosentasche der Cargohose befand sich ein großes Messer, dass ich aus der Küche entwendet hatte. Ohne etwas zu frühstücken verließ ich das Haus und streichelte Rico nocheinmal, ehe ich die Straße entlang lief zum Bus. An der Haltestelle steckte ich mir die Musik auf die Ohren und ließ eine Metalcore Playlist laufen.

Den ganzen Schulweg begleitete mich ein unwohles Gefühl im Bauch. Das, was ich vor hatte, war so falsch, und doch hatte ich das Verlangen es zu tun. Ich fragte mich, ob ich es wirklich konnte, oder ob ich davor weglaufen würde, weil ich zu schwach war. Oder würde ich stark genug sein es nicht zu tun? Durch meine durcheinander wirbelnden Gedanken bekam ich fast nicht mit, als der Bus an der Schule hielt und mit jedem Schritt, den ich auf das Gebäude zu machte, würde das Gefühl in meinem Bauch schlimmer. Fast wie in Starre blieb ich auf dem Pausenhof stehen und ich merkte, dass sich überall auf meinem Körper Schweiß bildete und meine Hände begannen zu zittern. Ich konnte es nicht...

Du kannst es! Sie müssen bezahlen!

Um nicht wie der letzte Idiot auf dem Pausenhof rumzustehen ging ich hinter die Turnhalle, setzte meinen Rucksack auf dem Boden ab und lehnte mich an die Wand. Die Maske in meinem Hoody wurde immer schwerer, genau wie das Messer in meiner Hosentasche. Es zerriss mich. Es war falsch, doch die Stimme sagte das Gegenteil. Immer und immer wieder, sodass ich anfing Kopfschmerzen zu bekommen. Es war so richtig und doch so falsch. Und fast begann es für mich keinen Unterschied mehr zu machen. Wenn ich länger zögerte, würde ich es vielleicht schaffen wieder klar zu denken.

Ich atmete ein paar mal tief ein und aus und sah mich um. Ich stand genau an der Stelle, wo ich gestern festgehalten wurde. Als ich mich erinnerte, wie Manuel Tara ins Gesicht geschlagen hatte überkam mich die selbe Wut wie am Vortag. Nicht nur ich war jetzt ihr Opfer, sondern alle die Zeit mit mir verbrachten. Alle die jetzt meine Freunde waren. Als ob es ihnen nicht gereicht hätte ein Opfer zu haben. Die Jahre, die ich von ihnen schikaniert würde kochten in mir hoch. Als sie mich im Jungsklo in die Toilette gedrückt hatten, in regelmäßigen Abständen immer meine Materialien zerbrochen hatten, mich im Sportunterricht immer umgenietet hatten...

Das alles hatte jetzt ein Ende. Jetzt musste der Preis für all das gezahlt werden!

Mit Tränen in den Augen setzte ich die Maske auf und ließ meinem Schmerz freien Lauf...

~~~

Ich wachte auf, als ich hart auf dem Schulflur aufkam und mir die Maske vom Gesicht rutschte und neben mir auf dem Boden landete. Die Gänge waren erfüllt von dem lauten Geheule des Amok Alarms und der schrille Ton tat mir in meinen Ohren weh.
»Darius?! Du warst das?!«
Wie erstarrt standen Vic und Ju in Kampfhaltung wenige Schritte von mir entfernt. Flo stand ein paar Schritte hinter ihnen beschützend vor Tara, die sich ängstlich an ihn geklammert hatte. Weiter hinten im Flur sah ich ein paar verletzte Schüler, die sich vor Schmerzen krümmten, ein Mädchen lag sichtbar bewusstlos auf dem Boden und es breitete sich eine Blutlache vor ihr aus.

Neben mir lag das blutbesudelte Messer, und ich wusste in diesem Moment genau: Ich war es gewesen. Ich war für all das Leid verantwortlich.

Ohne ein Wort zu sagen kroch ich ängstlich zurück, stand mit zittrigen Beinen so schnell ich konnte auf und rannte den Flur entlang nach draußen. Doch die Panik die in mir auf kam ließ mich nicht anhalten und nicht zurück sehen. Ich rannte hinter die Turnhalle, schnappte mir den Rucksack und lief ohne anzuhalten weiter. Ich wusste, zum Untertauchen hatte ich nicht viel Zeit. Ich nahm Hals über Kopf die verschiedensten Abkürzungen und sprang nahe meiner alten Wohnung in einen Bus, dessen Linie an einem Bahnhof am Stadtrand hielt. An diesem Bahnhof stieg ich aus und sprang in einen Zug, um in eine Ortschaft außerhalb zu kommen. Erst im Zug fing ich an mich zu beruhigen und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen.

Ich hatte keine Erinnerung daran, was oder wie es passiert ist, doch ich wusste genau: Ich habe Schüler verletzt, wenn nicht sogar getötet.

Es war richtig so!

Es war falsch! Das hätte ich niemals tun dürfen! Es war nie die Lösung!

In mich gekehrt verbrachte ich die ganze Fahrt über in diesem Gedankenkarussell und merkte kaum, dass die Bahn an der Endhaltestelle ankam, einer kleineren Vorstadt. Doch ich wusste genau wo ich hin musste. Es war schon viele Jahre her, seitdem ich diese Strecke genommen hatte, doch der Weg hatte sich damals in meinen Kopf gebrannt. Als ich nach draußen zur Bushaltestelle ging, um mir ein Ticket zu ziehen, prasselten schon die ersten Regentropfen auf den Asphalt. Bald kam auch der Bus und damit wären wir wieder dort, wo ich angefangen hatte. Im Bus, der durch die Vorstadt fuhr und gegen dessen Scheiben die Regentropfen klatschten. Keiner im Bus ahnte etwas von dem geistig kranken Mörder, der bei ihnen saß, die ganze Fahrt über nicht. Im Radio des Busfahrers hörte ich einmal einen kleinen Bericht über das Attentat.

13 Schüler wurden leicht verletzt, 7 schwer, eine Schülerin starb infolge einer Stichverletzung im Bauch wenige Minuten, nachdem sie ins Krankenhaus gebracht wurde. Viele Schüler litten unter Schock. Der Unterricht fiel heute aus. Und ich wurde polizeilich gesucht.
Nach dieser Meldung stritten sich die Stimmen in meinem Kopf wieder, doch ich versuchte ihnen keine Beachtung zu schenken. Die Bushaltestelle an der ich ausstieg gehörte zu einem kleinen Hof, der wenige hundert Meter abseits der Straße lag. Doch statt dorthin zu gehen, überquerte ich die Straße und die Gleise und rannte im strömenden Regen in den Wald.

Vor vielen Jahren hatte ich mit meinen Eltern einmal einen Ausflug in diesen Wald unternommen. Dort gab es eine Höhle, weit abseits der Wanderwege, wo ich mich verstecken wollte. Damals hatte ich sie gefunden, als ich unbemerkt weggelaufen bin, als sie gestritten hatten. Doch als ich ihre besorgten Rufe gehört hatte, bin ich zu ihnen zurück gekommen. Doch diesmal würde ich nicht wieder zurück kommen.

Ich kann meine Tat nicht rückgängig machen und die Schuldgefühle erdrücken mich nun schon seit vielen Tagen. Schon gut eine Woche sitze ich nur mit dem nötigsten Proviant in dieser kalten, feuchten Höhle, habe nur eine Taschenlampe als spärliche Beleuchtung und schlafe in Laub, Dreck und auf nassen ungemütlichen Steinen. Mir geht es körperlich absolut gar nicht gut. Mit jedem Tag nehme ich ab, da ich kaum esse. Ich stinke fürchterlich und bin seit zwei Tagen erkältet. Nachts weine ich mich in den Schlaf und habe nur schlimme Alpträume von dem, was ich getan hatte, und was dieses Monster in mir aus mir gemacht hatte. Dieses Monster trägt den Namen Hass. Den Hass auf meine Wehrlosigkeit habe ich zu Hass auf diejenigen gemacht, die mir das Leben zur Hölle gemacht haben. So doof es auch klingt, aber ich habe viel nachgedacht, auch über bestimmte Zitate aus Filmen, Büchern und über Musiktexte. Meine Situation mit Meister Yodas Aussage »Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass und Hass führt zu unsäglichem Leid« zu vergleichen ist zwar sehr dumm, dennoch stimmt es leider.
Ich habe mich dem Hass hingegeben und das hat zu viel Leid geführt.

Ich kann mit dieser Schuld nicht leben. Dies allen Menschen anzutun, die je gut zu mir waren, bricht zwar mein schon zerbrochenes Herz noch mehr, doch ich werde mich nicht stellen und zurück kommen. Mir liegt an diesem Leben voller Schuld nichts mehr und ich bin vollkommen bereit es wegzuwerfen. Ich werde Suizid begehen.

In den Träumen habe ich gesehen, was passiert ist, obwohl ich keine Erinnerung daran habe, was und wie ich es getan habe. Das Mädchen mit der Stichwunde im Bauch war Sina gewesen. Bevor ich wie ein Irrer durch den Schulflur gerannt bin habe ich in der Ferne gesehen, wie sie sich von Manuel verabschiedet um zu ihrem Unterricht zu gehen. Manuel ist mit seinen Jungs nach oben gegangen und war nicht im Flur, als ich das Messer gezogen hatte. Ich bin durch die Schülergruppen hindurch gerannt und habe wahllos das Messer nach allen Seiten ausgestreckt. Das Geschrei hat sie alle gewarnt, doch Sina hat nur vor Angst wie angewurzelt da gestanden und es war ein leichtes mit dem Messer auf sie einzustechen.
Doch mein Blutdurst war noch längst nicht gestillt gewesen. Ich rannte auf das nächste Mädchen zu: Tara.

Sie war ebenfalls wie erstarrt, sie schrie laut auf, machte zittrig ein paar Schritte zurück, doch bevor ich sie verletzen könnte kamen Vic, Flo und Ju aus dem Klassenzimmer gesprungen, in das Tara gerade hinein wollte. Flo war der erste, der mich wegstieß, woraufhin ich erstmal zur Seite taumelte. Noch während ich geschockt war verpasste Ju mir ein paar Schläge auf meine ungeschützte Brust und mit einem kräftigen Schubs verlor ich das Messer, taumelte zu Vic, der mich gekonnt auf den Boden warf.
An dieser Stelle wachte ich immer schweißgebadet auf und realisierte immer wieder aufs Neue, dass das, was ich getan hatte, nicht nur ein schlimmer Alptraum war.

Ich kenne mich mit Psychologie nicht aus, doch wenn ich vermuten müsste, ist das ein Hang zur multiplen Persönlichkeit. Mir sind ein paar Fälle bekannt, die ich mal in Dokus gesehen hatte, wo die Betroffenen sich nicht an ihre Taten erinnern konnten, wenn ihr zweites Ich sie übernommen hatte. Warum ich von meiner Tat träume weiß ich nicht, doch ich schätzte mal, es hat etwas mit dem Unterbewusstsein zu tun.

Auch wenn ich weiß, wenn ich nachweislich psychische Probleme habe, wird das vor Gericht entsprechend entschieden, dass ich eine Behandlung bekomme, doch ich will nicht mehr leben. Nicht mit dem Wissen, dass ich ein Leben, wenn nicht sogar mehrere, ausgelöscht habe.

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Das Buch nähert sich immer mehr dem Ende. Bald wird der nächste und letzte Eintrag folgen, anschließend noch ein Epilog.
Für das nächste Kapitel gilt eine große Triggerwarnung!
Schon von Anfang an stand fest, dass Darius Suizid begehen wird (bitte jetzt nicht heulen wegen Spoiler und so, schließlich hat er dieses Kapitel mehr als nur einmal erwähnt was er vor hat) und das wird auch so kommen.
Rückmeldung zu dem Kapitel wäre ganz lieb von euch ^^

Song oben: Hand of Blood - Bullet for my Valentine

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