36 - Brutalität

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Auf Eliahs Couch unter der Kuscheldecke fühlte ich mich zum ersten Mal wieder richtig sicher. Die Decke beschützte mich vor allem außenstehenden und hüllte mich nebenbei in eine angenehme Wärme.
Ich konnte Eliah in der Küche hören, wie er gerade etwas zu essen zubereitete, denn anscheinend schob er mein schlechtes Wohlbefinden auf Hunger. Wobei ich überhaupt keinen Hunger hatte. Mir war nach wie vor zum kotzen zu mute.

Ich wollte mit Eliah reden. Darüber, was ich gerade sehen musste. Über die Verfassung seines Rudels. Über den Umgangston, der hier herrschte. Über diese armen Kinder.
Aber ich hatte Angst. Ich wusste nicht, wie Eliah reagieren würde und obwohl ich wusste, dass er mir niemals etwas antun würde, fürchtete ich mich vor diesem Gespräch. Auch, wenn es unumgänglich war.

Unweigerlich begann ich Lukas als Alpha mit Eliah zu vergleichen. Während Lukas mit ruhiger, liebevoller Hand über sein Rudel herrschte und jeder zu ihm aufsah, weil er jedem das Gefühl gab wertvoll und ein wichtiger Teil eines großen Ganzen zu sein, hatte hier jeder Angst. Keiner, zumindest nicht die breite Masse, fühlte sich wertvoll und es schien als konnte man sich hier nur mit Brutalität einen Namen machen und Ansehen erhalten. Jeder, der dazu nicht in der Lage war, wie die älteren Menschen auf dem Platz oder die Kinder, musste extrem unter Angst leiden.

Plötzlich bemerkte ich, dass ich nur Wölfe gesehen hatte, die entweder etwa so alt wie Eliah waren, beispielsweise Jim, Emilia und Bernard oder jünger oder schon sehr alt waren. Wie der Doktor oder die Menschen auf dem Platz.

Ich hatte niemanden gesehen, der etwa das Alter meiner Eltern gehabt hatte - Mitte Ende Vierzig, Anfang Fünfzig. Waren sie alle auf Patrouille? In den Häusern? Wie konnte es sein, dass ich nicht einen einzigen in diesem Alter gesehen hatte?
Wo waren sie? Und vor allem, wo kamen dann die etwa zwanzig Kleinkinder her? Wohl kaum von den Jugendlichen.

Der Gedanke an Eliahs stolzen Blick als er die Jugendlichen auf der Wiese 'trainieren' hatte sehen, löste bei mir eine Gänsehaut aus. Eliah unterstützte diese Brutalität und insgeheim wusste ich auch, dass er überhaupt erst der Initiator davon war. Ein Rudel handelte so wie sein Alpha.
Fazit, Eliah musste mit brutaler Hand sein Rudel führen.

Ich biss mir fest auf die Lippe.
Eliah war so ein lieber Mann. So zuvorkommend und zärtlich. Dato hatte ich noch nicht erlebt, dass Eliah gewalttätig oder handgreiflich geworden war. Ich hatte es nie miterlebt. Ich war zwar dabei, aber meistens war ich ohnmächtig.
Ich erfuhr immer erst im Nachhinein davon und um ehrlich zu sein war ich darüber froh.
Ich wollte den gewalttätigen, angriffslustigen, brutalen Eliah nicht kennenlernen. Allein, wie sein Rudel auf ihn reagierte, zeigte, dass mit diesem Eliah nicht zu spaßen war.

Ich konnte kaum glauben, dass mein Eliah, mein Gefährte, zu so etwas in der Lage war. Er erschien mir wie Lukas. Wie ein liebevoller, gerechter Alpha. Doch allein das Ausmaß von Henriks Strafe, welche völlig überzogen war, zeigte, dass Eliah offenbar alles andere als gerecht handelte.
Mag sein, dass es stark mit hineingespielt hatte, dass Henrik auf mich, Eliahs Gefährten, losgegangen war, was ich bis zu einem gewissen Grad sogar noch verstehen konnte, aber momentan zweifelte ich daran, dass Eliah in einer anderen Situation milder reagiert hätte.

Unweigerlich kam mir Bernard in den Sinn. Seine Narben. Plötzlich schien es gar nicht mehr so abwegig, dass es Eliah gewesen war.

Schockiert setzte ich mich auf.

Ob Eliah Henrik wissentlich Narben zugefügt hatte? Als Bestrafung? Ob er Henrik genauso gekennzeichnet hatte wie Bernard?
Henrik wollte mir nicht sagen, was ihm alles angetan wurde. Offensichtliche Narben hatte ich keine entdeckt, aber nachdem er angezogen war, konnte es genauso gut sein, dass er dennoch welche bekommen hatte.
Ich atmete tief ein. Das konnte nicht sein. Ich hoffte, dass Eliah ihm keine Narben zugefügt hatte. Das durfte er nicht. Nicht wegen so etwas.

»Das Essen ist gleich fertig. Willst du hier oder in der Küche essen?« Mit einem sanften Lächeln streckte Eliah seinen Kopf durch den Wanddurchbruch.
»Hey, alles gut? Du siehst so blass aus.« Sein Lächeln wich einem besorgten Blick und mit einer fließenden Bewegung hatte er den Raum durchquert und sich neben mich gesetzt. Zärtlich legte er seine Hand auf meine Schulter und je länger er mich musterte und je länger ich nichts sagte, desto beunruhigter wurde sein Blick.

»Finn, rede mit mir. Was ist los? Was geht in deinem schönen Kopf vor?«
Das Kompliment brachte mich leicht zum schmunzeln. Ich wollte mich an ihn kuscheln, ihm nah sein, aber erst wollte ich dieses Gespräch hinter mich bringen.

Nervös zog ich die Decke wie ein Schutzschild um meinen Körper und vergrub meine Finger in dem weichen Stoff.

»Ich bin besorgt, Eliah.«, murmelte ich leise, während ich meine Hände mit meinem Blick fixierte und mich selber für meine unsichere Stimme verfluchte.
»Wieso?«, fragte er offensichtlich verwirrt nach und rutschte etwas näher zu mir.
»Dein Rudel... Hier sind alle so... so verängstigt.« Ich versuchte meine Worte freundlich zu wählen um ihn nicht von mir zu stoßen oder ihn zu verärgern.

Probeweise linste ich durch meine Wimpern zu ihm hinauf, doch er trug weiterhin diesen besorgten Blick. »Die Kinder in der Kinderstube, Alicia, sie hatten alle solche Angst. Ich verstehe bloß nicht warum, wovor?«, fragte ich leise. »Und die Leute auf dem Platz. Sie haben uns nicht angesehen. Wovor haben diese Leute so Angst?«, fragte ich beinahe verzweifelt nach und sah meinen Gefährten an.

Eliah zog nur eine Augenbraue nach oben und legte den Kopf leicht schief. Es wirkte als wollte er versuchen meine Gedanken zu lesen und seine nächsten Worte abwägen.

»Sie haben vor gar nichts Angst.«, sagte er schlussendlich und platzierte seine Hand auf meinem Knie. »Sie haben Respekt.«

Respekt?
Ich wusste, wie Respekt aussah. Und das was hier abging hatte nichts mit Respekt zu tun. Vielleicht bei Jim und Bernard und Emilia. So wie sie mit Eliah umgingen konnte man sagen, dass sie Respekt vor ihm hatten, aber alle anderen? Das kleine Mädchen mit der Puppe? Das war kein Respekt, das war Angst. Pure Angst.

Ich wusste nicht was ich erwidern sollte. Gab es darauf überhaupt eine richtige Antwort?

»Und das Training? Das war doch ein Training, oder?«, fragte ich zögerlich. »Das auf der Wiese? Oh ja. Das sind die Halbstarken. Sie sind alle noch recht jung, aber zeigen großes Potential.« Der Stolz war ihm eindeutig ins Gesicht geschrieben und abermals jagte eine Gänsehaut über meinen Körper. »Das war ziemlich brutal.«, kritisierte ich zurückhaltend. 'Ziemlich brutal' traf es nicht einmal ansatzweise.

»Naja, brutal würde ich es nicht nennen.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich finde es ehrlich gesagt nicht ok.«, murmelte ich leise aus Angst vor seiner Reaktion. Ich wusste, das Alphas es nicht mochten, wenn man ihre Rudelführung kritisierte, aber in diesem Fall konnte ich einfach nicht nichts sagen. Zwar würde ich gerne so viel mehr sagen, aber für den Anfang musste ich mich auf Samtpfoten bewegen um Eliah nicht wütend zu machen.
Dieser zog skeptisch eine Augenbraue nach oben. »Meine Rudelführung hat dich eigentlich nicht zu interessieren, Finn.« Sein forscher Tonfall ließ mich kaum merklich zusammenzucken. Seine blauen Augen musterten mich einen Moment, ehe er abermals näher zu mir rutschte und seine Hand auf meinem Knie platzierte. »Aber ich will es dir erklären: Fremde Gegner gehen auch nicht zimperlich mit einem um. Warum sollte man das dann der Jugend im Training vorgaukeln? Natürlich könnte man sie beim Training hutschen und nicht das volle Potential ausschöpfen, aber so würde sie nichts lernen. So sind sie auf alles vorbereitet.«

Sprachlos klappte mir der Mund auf. Auf alles vorbereiten? Das musste ein schlechter Scherz sein.
Klar, ich sollte mich wohl nicht einmischen, aber das war einfach unglaublich. Wie konnte er das gut heißen?

Eliah würde mit dieser Taktik seine eigenen Leute auslaugen. Was würde passieren, wenn jemand angreift und alle von ihrem ach so sinnvollen Training verwundet waren und deswegen das Revier nicht verteidigen konnten? Eliah schnitt sich damit ins eigene Fleisch.

Mal ganz davon abgesehen wie herzlos man sein musste um gegen seine eigenen Rudelmitglieder so kämpfen zu können. Ich persönlich könnte es mir nicht vorstellen. Ich könnte mit niemandem im Training so weit kämpfen bis man ernsthaft verletzt war und sogar stark blutete. Kein Wolf, den ich kannte, könnte auch nur einem seiner Rudelmitglieder so etwas antun. Selbst, wenn man jemanden nicht mochte, war man immer noch ein Teil eines Rudels und das eigene Rudel verletzte man nicht.

Diese Jugendlichen musste von Klein auf an diese Brutalität - ja, anders konnte ich das nicht beschreiben - herangezogen worden sein.

»Wie lange bist du schon Alpha? Also wann hast du das Rudel übernommen?« Zugegebenermaßen wusste ich weitestgehend nichts über Eliahs Vergangenheit. Außer seine vorherigen Sexualpartner, obwohl das ehrlichgesagt eine Information war, auf die ich im Nachhinein hätte verzichten können.

»Seit neunzehn Jahren.«, antwortete er neutral und ließ seinen Daumen beruhigend über mein Knie kreisen. Ich wollte mich nicht beruhigen. Dafür war ich viel zu aufgewühlt. Doch Eliahs Geste schaffte es sogar mein Inneres etwas zur Ruhe kommen zu lassen, obwohl ich mich kaum auf seinen Daumen konzentrieren konnte.

Warte? Seit neunzehn Jahren? Dann war Eliah damals gerade mal siebzehn Jahre alt gewesen.

»Ist dein Vater so früh gestorben? Er wird wohl kaum so früh abgedankt haben.«, fragte ich irritiert nach. Es war Gang und Gäbe, dass eines der Kinder des Alphas selber ein Alpha war und somit, sobald der Alpha abdankte oder eben verstarb, seinen Platz einnahm. So war es bei Lukas und seinem Vater und so wird es auch bei Lukas und seinem Kind sein.
Sollte ein Alpha jedoch keine Kinder haben oder keines davon war ein Alpha, dann ernennt der Alpha einen neuen.

Ich hatte einmal gelesen, dass, wenn ein Wolf eines niedrigeren Ranges einen Alpha tötete, was de facto unmöglich war, dann dieser Wolf der neue Alpha wurde, sofern der verstorbene Alpha keinen Alpha-Nachkommen hatte. Das so etwas schon jemals vorgekommen war, bezweifelte ich jedoch stark. Davon gehört hatte ich noch nie, einfach, weil es für einen rangniedrigeren Wolf so gut wie unmöglich war einen Alpha im Zweikampf zu besiegen.

»Wie mein Vater?«, fragte Eliah offensichtlich überrascht über meine Frage nach. »Na, der vorherige Alpha.« Eliah blinzelte mehrmals, ehe er nickte. »Ach so, ja. Mein Vater ist recht früh verstorben. Das alles ist schon so lange her. Ich erinnere mich, ehrlich gesagt, kaum mehr daran.« Er lächelte mich wage an, doch irgendetwas sagte mir, dass Eliah nicht die ganze Wahrheit sagte. Aber warum sollte er mich anlügen? Was würde es ihm bringen wegen seinem Vater zu lügen?

»Es muss schwer gewesen sein so früh allein ein Rudel zu leiten.«, lächelte ich mitfühlend und rutschte nun doch näher an ihn. »Ja, es hatte seine Höhe und Tiefen.«, antwortete er wage und zog mich in eine feste Umarmung. 

»Eliah?« »Ja, Finn?« Zögerlich sah ich seine schönen eisblauen Augen an. »Warum sind deine Augen blau?«

Verwirrt zog mein Gefährte die Augenbrauen zusammen. »Keine Ahnung.«, antwortete er dann nur. »Ich meine, du bist ein Alpha. Solltest du dann nicht rote Augen haben?« Fragend sah ich ihn an.
Seine Augen glitzerten so schön wie ein klarer Gebirgsbach und für Nichts auf der Welt würde ich diese klaren Kristalle gegen solche blutrote Augen tauschen wie Lukas und sein Vater sie hatten, interessieren tat es mich dennoch. »Keine Ahnung.« Er zuckte mit den Schultern. »Sie waren schon immer blau.«

Sein Blick, der fest auf mir lag, ließ mich zufrieden lächeln. Hier bei Eliah ging es mir gut. Bei ihm war ich in Sicherheit.
Ich lehnte mich gegen ihn und atmete seinen herrlichen Duft ein.

»Ich möchte, dass dein Rudel mich mag.«, nuschelte ich gegen seine Halsbeuge und presste mein Gesicht fest an seine Haut. »Sie werden dich mögen. Keine Sorge.«
Die Art und Weise wie er das aussprach beunruhigte mich abermals, doch seine Hand, die sanft durch meine Haare strich, ließ meine wilden Gedankengänge zu erliegen kommen.

»Du hast mir kaum jemanden vorgestellt.«, bemängelte ich leise, weil mich das tatsächlich störte, und kuschelte mich näher an ihn. Gott, er roch so gut.

Ich hatte eigentlich nur drei neue Personen kennengelernt. Alicia, die für die Welpen zuständig war, den komischen Doktor und Bernard, der Kämpfer mit den Alpha-Narben.

»Das waren die Wichtigsten.«, antwortete Eliah nur.

»Kann ich morgen zu Alicia und den Welpen gehen? Ich würde gerne mit ihnen etwas Zeit verbringen. Ich möchte nicht, dass sie Angst vor mir haben.«

Urplötzlich festigte Eliah seinen Griff um mich. »Was willst du bei den Welpen?« »Die Zeit dort verbringen. Du wirst wahrscheinlich Arbeit haben, die auf dich wartet und bevor ich den ganzen Tag gelangweilt zuhause sitze, kann ich mich doch etwas unters Rudel mischen.«

»Nein.« Eliahs Brustkorb vibrierte gefährlich als seine Alphastimme aus ihm sprach. »Du bleibst zuhause.« Unweigerlich zuckte ich etwas zusammen.
Ich wollte widersprechen, aber da dieses Thema ihn anscheinend so sehr störte, dass selbst sein Wolf aus ihm sprach, schüchterte mich etwas ein.
Vielleicht würde ich ihn morgen noch einmal fragen.

Eigentlich war das Gespräch für mich noch nicht beendet. Es fühlte sich so an als wäre nur die Hälfte besprochen worden, doch Eliahs Nähe, sein Geruch, seine Hand, die durch meine Haare kraulte, lenkte mich so ab, dass ich beinahe weg döste.

»Hey, nicht einschlafen.«, lachte Eliah leise und schob mich etwas von sich weg. »Lass uns essen und dann gehen wir ins Bett, ok?« »Es ist doch gerade Mal Nachmittag.«, murmelte ich urplötzlich wirklich richtig müde und verdrückte mir ein Gähnen. »Ist doch egal.« Frech grinste Eliah, ehe er mich locker hochhob und als wäre ich ein Kind mit mir auf der Hüfte in die Küche spazierte.

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