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Kapitel 3

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          Es war nicht so, dass die Sofas oder der Boden verschwunden wären. Stattdessen schien sich für einen kurzen Moment alles zu bewegen, außer mir selbst. Mein komplettes Sichtfeld machte einen Schritt zur Seite und ich stieß mir den Kopf. Mein Orientierungssinn legte ein Nickerchen ein.
Wertvolle Sekunden, die der gesamte übrig gebliebene Raum dazu nutzte, um in heillose Panik zu verfallen.

Während ich noch damit beschäftigt war, mir die Schläfe zu halten und das Schärfesetting meiner Sehorgane neu zu kalibrieren, packte mich jemand am Arm und zog mich auf die Beine. Wann war ich auf dem Boden gelandet?
„Wir müssen von hier fort!" Es war, als rufe irgendwer vom Ende eines langen Tunnels, anstatt direkt in mein Ohr. Der Grund war noch immer instabil und obwohl ich glaubte Nathans blaue Augen im braunen Farbenstrudel auszumachen, war ich mir nicht ganz sicher, wer da genau mit mir sprach.

Als drehe jemand schrittweise die Boxen auf, wurde der Lärm um mich herum nach und nach lauter und klarer.
„Die Polizei! Sie hat uns gefunden!"

Natürlich kam das schrille Kreischen zuerst zurück. Eine Frau rannte mit gerafften Röcken an uns vorbei zu einer Hintertür, während Jeter nach vorne stürzte, um einen Blick auf die Eindringlinge zu erhaschen.

„Casper ist mit ihnen unten! Dieser verfluchte Bastard hat uns verkauft!", brüllte er in den Raum, obwohl ihm vermutlich schon lange niemand mehr außer mir zuhörte. Und ich wusste nicht, wer Casper war.

Nathan allerdings schon und er beschloss, dass er keine Bestätigung für Jeters Worte brauchte, sondern einfach so die Flucht ergriff. Seine Hand um meinen Arm, zog er mich mit, über die verschobenen und teilweise umgestürzten Sofas hinweg.
Zu meinem Glück folgte Jules auch ohne Anweisung.

Während hinter uns Rufe und das Knarren der Leiter laut wurden, durchquerten wir einen schmalen Gang, der in zwei weiteren aufgerissenen Türen und einem Fenster endete. Und wie jeder intelligente Flüchtling auch, steuerte Nathan auf Letzteres zu.

Ganz sicher nicht. Ich stemmte die Fersen in den Boden und schüttelte meinen Kopf. Wäre ich ein großer Freund von Fenstersprüngen, würde ich mich heute nicht hier befinden, sondern mit Anthony die letzte Staffel irgendeiner weitaus ungefährlicheren Serie anschauen. Historikerinnen sprangen nicht aus Fenstern, Historikerinnen-...

„Schnell, dahinter ist eine Feuerleiter!", rief Nathan Jules zu, der nicht den ersten Pistolenschuss hören musste, um ihm zu Hilfe zu kommen. Ich gefror, als hielte mir jemand die Waffe an den Kopf und für den Bruchteil eines Atemzugs hoffte ich inständig, dass meine Ohren sich noch nicht von der letzten Explosion erholt hatten. Pistolen! Gewehre! Niemand in dieser gottverdammten Welt konnte Schusswunden richtig behandeln! Wir würden-...

Es fiel ein zweiter Schuss. Ich überholte Jules beinahe bei seinem Versuch, aus dem Fenster zu steigen. Das war verrückt! Es hatte seine Gründe, warum Schusswaffen in ihrer Zeit für alle verboten worden waren! Hatte keiner dieser Wahnsinnigen von den Nebenwirkungen gelesen?

Prasselnder Regen peitschte mir entgegen, als ich mich trotz Kleid und Unterröcken ins Freie kämpfte. Das Gerüst unter meinen Schuhen schwankte beträchtlich. Nathan stieg hinter mir durch den Fensterrahmen und bugsierte mich ohne Zögern auf den schmalen Gerüstweg zu einer benachbarten Halle hinüber. Es war eine rostige Brücke, die von einem Haus quer über die Straße zum Nächsten führte und überhaupt nicht so aussah, als wäre sie in dem letzten Jahrzehnt auch nur ein einziges Mal gewartet worden.

Jules war bereits auf halbem Weg rüber, die Hände um die dünnen Gitter geklammert. Seine wilden Locken klebten ihm im Nacken und unter ihnen spiegelten die Pflastersteine die Lichter der Stadt.
Mit einem Ruck drehte ich mich zu Nathan um. „Wir müssen einen anderen Weg finden!"
Vielleicht reichte es auch, wenn ich mich einfach hier draußen versteckte, bis die Polizisten wieder verschwanden. Diese Brücke sah aus wie ein sicherer Gang in den Tod. Nur ein Ausrutscher...

In Nathans Wimpern verfingen sich einzelne Regentropfen, als er näher an mich herantrat.
„Ich habe nicht vor, den Rest meines heutigen Abends in einer Zelle zu verbringen!" Er sprach lauter, um die Kampfgeräusche aus dem Inneren zu übertönen.
Schritte wurden hörbar und in einer flinken Bewegung zog er mich mit sich neben das Fenster und außer Sichtweite. Eine Hand auf meinen Mund gepresst, unterdrückte er das hohe Quietschen, das mich sonst verraten hätte. Er wollte keinen Trip ins Gefängnis? Wie sah's mit einem Bestattungsinstitut aus? Leider konnte ich ihm das nicht sagen. Hand und so.

Er roch nach Maschinenöl und geschliffenem Metall. Und für einen kurzen Herzschlag schaffte ich es, mich aus meiner Angst zu befreien, denn eine andere Sorge formte sich zu einer konkreten Frage in meinem Kopf. Hektisch schob ich seine Finger fort. „Wo ist Lil'Cub?"

Nathan linste über seine Schulter in das Fenster, ob die Luft rein war, dann drängte er mich neuerlich auf die Brücke zu. „Jeter wird ihn in Sicherheit bringen. Genauso wie ich es für dich und deinen Bruder tun werde."

Ich war zu beschäftigt damit, mich gegen ihn zu wehren, um ihn auf seinen Fehler hinzuweisen. Bruder mein Fuß! Nur weil wir beide blond waren.
In einem letzten Akt des Widerstands wandte ich mich um und stemmte meine Hände gegen Nathans Brust, „Aber manchmal ist es gnädiger jemanden einfach seinem Schicksal zu überla-..."

„Mach die Augen zu, ich leite dich", schnitt mir der Erfinder das Wort ab und drehte mich an den Handgelenken wieder um. Nein. Nein. Nein. Ich konnte es gar nicht genug sagen.

Der Abgrund rutschte noch ein paar Meter in die Tiefe. Ein einziger falscher Schritt, eine lose Schraube oder ein bisschen zu viel Gewicht... Ich würde der Agent mit der kürzesten Amtszeit sein. Und ich würde niemals herausfinden, was meine Mutter so sehr an diesem Ort fasziniert hatte.
Leider hatte Nathan recht. Zwischen erschossen werden und in den Tod stürzen, hatten wir keine Wahl.

Jules erreichte die Sicherheit der anderen Seite und drehte sich zu uns um. Ohne ein weiteres Wort der Aufforderung griff Nathan nach meinen Schultern und schob mich langsam Schritt für Schritt nach vorne.
Als das Metall unter unserem Gewicht zu Knarzen und Schaukeln begann, kniff ich die Augen zu. „Wenn ich sterbe, darfst du dir sicher sein, dass ich deinen Hintern bis in dein eigenes Grab heimsuchen werde."

Ich spürte das Rumpeln seines Lachens in meinem Rücken. Er gab mir keine weitere Antwort, als er mich vorsichtig voran schob.

Einen Fuß vor den anderen. Er legte meine Hände auf das Geländer links und rechts, dessen rostige Oberfläche sich wie Schmirgelpapier über meine Haut zog. Der Regen hinterließ kalte Spuren auf meinem Gesicht, doch ich wagte es nicht, ihn wegzublinzeln. Ich sollte überhaupt nicht hier sein.

Jeder Tritt brachte das Gebilde stärker zum Schwanken und die giftigen Gase der Stadt ließen meinen Kopf auch ohne Sicht schwindeln. Doch Nathan ließ mich keine Sekunde straucheln. Seine Hände hielten mich an Ort und Stelle fest, nicht wie ein Anker, sondern eher wie eine Fußfessel am Grunde eines Sees.

Ein lautes Knarzen ließ mich mitten im Schritt innehalten. Das Geländer schwankte und für einen kurzen Moment sah ich den tödlichen Absturz. Ich musste dafür noch nicht einmal meine Lider öffnen.
Nathans Hände zogen sich zurück und nahmen meine Sicherheit mit sich. Ruckartig riss ich die Augen auf und fand mich direkt gegenüber von Jules, der mir sein breitestes Grinsen zeigte. Idiot.
„Nicht schlecht für jemanden, der sonst nicht hinter seinen Büchern hervorkommt", krähte er mir ins Ohr, kaum da Nathan das Gitter zur Feuertreppe gehoben hatte und mit gleitenden Händen die Leiter herunter schlitterte.

In einem Anfall von erleichtertem Wagemut streckte ich dem Mechaniker die Zunge raus. „Ich bin auch schon mal Fahrrad gefahren!", erklärte ich stolz und beeilte mich Nathan zu folgen.
Stolpernd kam ich neben ihm auf die Füße. Für einen kurzen Moment überlegte ich umzudrehen und diesen Ausrutscher einfach hinter mir zu lassen. Würde ich alleine den Weg zur Zeitkapsel finden? Oder zum Haus des Bürgermeisters?
Doch ein einziger Blick zu Jules und seiner begeisterten Reverenz gegenüber Nathaniel hielten mich an Ort und Stelle. Ich konnte wohl schlecht übergeschnappte Teenager sich selbst überlassen, oder?

Auf leisen Sohlen schlich mein ganz persönlicher Unglücksbringer weiter zu der Straße, an die auch das Lagerhaus grenzte. Zwischen mehreren schwarzen Autos, die eher wie motorisierte Kutschen aussahen, hatten sich wuselnde Polizisten mit ihren Pistolen und Schlagstöcken versammelt. Die Meisten unter ihnen hatten ihre Waffen auf den Hallenhaupteingang gerichtet, um Flüchtige abzufangen, die niemals kamen.

Mich beschlich das Gefühl, dass dies nicht der erste Versuch der Regierung war, Zugriff auf die Widerständler zu bekommen, ganz besonders da sie keinen Erfolg verzeichnen konnten.

„Was jetzt?" Jules Stimme ließ mich ungewollt zusammenzucken. Sie hörte sich in der angespannten Stille schrecklich laut und tragend an, auch wenn er geflüstert hatte. Er hatte definitiv zu viel Spaß.

„Zum Haus des Bürgermeisters geht es dort entlang", nickte Nathan auf die andere Seite der Straße. Wenn wir leise waren und sich keiner der Wachmänner umdrehte, stand unserer eigenen Flucht nichts mehr im Weg. Außer, dass wir Nathan danach natürlich immer noch loswerden mussten.

Mein Herz flatterte nervös und ich machte eine mentale Notiz bei meiner Rückkehr zur Erde einen Kardiologen aufzusuchen. Nur für den Fall. So viel Aufregung konnte einfach nicht gut sein. Mein Körper war nur noch die Anstrengungen des TV- Anschreiens gewöhnt.

Nathan und Jules wechselten einen Blick über ein Stück Dialog, das ich nicht mitbekommen hatte und setzten sich in Bewegung. Nathan total lässig mit den Händen in den Hosentaschen, Jules in geduckter Haltung als wäre er ein James Bond Bösewicht. So schlichen sie beide quer über die Straße.

Ich tat einen beruhigenden Atemzug, der seine Wirkung auf ganzer Linie verfehlte und hechtete ihnen hinterher. Das Letzte was ich wollte, war, alleine in dieser Stadt zurückgelassen werden.

Meine Schuhe platschten durch eine Pfütze und durchweichten meine Socken, doch ich hielt meine Konzentration stur auf dem Stück Sicherheit, das Jules und Nathan bereits erreicht hatten: der Schatten der nächsten Hausreihe.

Durch meine plötzliche Bewegung aufgeschreckt, drehte sich ein näherstehender Polizist um. Er stand am weitesten von den anderen entfernt, nichts anderes als einen Gummiknüppel zwischen den Finger drehend.

Sein Blick fror mich mitten auf der Straße ein. Aus aufgerissenen Augen starrte ich ihn an und versuchte mich spontan weniger auffällig zu machen. Doch der Ruß auf meiner Kleidung, die nassen Haare, die ich nie wieder kämmen konnte und mein angerissener Rocksaum, machte aus mir eher das Musterbeispiel eines Tunichtguts. Und der Gesetzeshüter teilte meine Einschätzung.

„Hey, Miss! Kommen Sie bitte einmal her?" Er löste sich von seiner kleinen Gruppe, die kaum Notiz von ihrem Kollegen nahmen. Als ich mich nicht rührte, wurde er schneller.

Auf der anderen Straßenseite machte Nathan hektische Armbewegungen, dass ich losrennen sollte.

Und dieses eine Mal wollte ich auf ihn hören. Ich hatte genug von Polizisten und Regen. Ich wollte auf meine Couch. Ich wollte die Kuscheldecke über den Kopf ziehen, Tee trinken und den Tropfen an den Fensterscheiben zuhören. Aber da kam ich nicht hin, wenn ich jetzt nicht reagierte.
In meinen quietschenden Schuhen startete ich zu dem unangenehmsten Sprint meines ganzen Lebens.

... und wurde drei Schritte später von seinem Gummiknüppel am Kopf getroffen.

Blendender Schmerz verwischte meine Sicht wie ein modernes Kunstwerk, in dem die Farben zusammenliefen, als wären sie Wachs. Dann verlor ich das Bewusstsein. Einfach so. Mein letzter Gedanke galt Anthony. Er wusste überhaupt nicht, was für ein Glück er hatte, dass er eine Zimmerpflanze war. Von denen verlangte niemand, dass sie das Haus verließen und die Welt retteten. 

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"Voted und ich lade euch nach diesem Albtraum zum gemeinsamen Netflix and Tea ein!" - Queenie

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