04: Es war einmal im Mai - 1

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Anmerkung zu diesem Kapitel:

In diesem Kapitel werden Krieg, Tod und Gewalt thematisiert (es ist ja auch ein Kriegsschauplatz), aber nicht explizit be- bzw. ausgeschrieben. Wer das nicht lesen will, sollte dieses Kapitel überspringen und beim nächsten ("Zwischenspiel") weiterlesen - so viel plotrelevante Handlung verpasst ihr nicht. ^^'


Für die Kategorie "Lesen bildet", möchte ich außerdem festhalten, dass das im folgende beschriebene Ereignis historisch begründet ist und als "Magdeburger Hochzeit" traurige Geschichte schrieb. Die Stadtbevölkerung wurde damals von schätzungsweise 20 000 Einwohner auf etwa 2 000 Einwohner reduziert - und als diese dann hinterher überwiegend abgewandert sind, blieben Magdeburg noch etwa 200 Einwohner. Das hat die Bedeutung der vormaligen Handelsmetropole vernichtet. Der erste Satz, den ich Lillian hier schreiben lasse, ist ein sinngemäßes Zitat eines Zeitzeugen.


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Deutschland, Magdeburg - 21. Mai 1631

Da ist nichts als Morden, Brennen, Plündern, Peinigen und Prügeln gewesen bis die Elbe rot von Blut und Knäuel verkohlter Körper auf ihr dahintrieben und die Straßen übersät mit Leichen waren.'

Mit bedacht las Lillian den letzten Satz ihres Tagesberichts. Es klang zu poetisch. Doch anders konnte sie die Realität der vergangenen Stunden nicht in Worte fassen. Kurz schloss die Vampirin die Augen und wünschte sich weit, weit weg. Aber das war unmöglich. Und so zwang sie sich, den Kopf zu heben.

Aus ihrer versteckten Ecke heraus hatte sie einen idealen Blick auf eine von vielen Straßen, die bis gestern früh noch eine normale Pflasterstraße gewesen war. Eine Straße mit normalen Häusern, in der normale Menschen darauf hofften, dass die seit zwei Monaten andauernde Belagerung Magdeburgs bald vorbei sein möge. Immerhin hatten die Geistlichen versprochen, dass Gott sie schützen würde. Und Gustav Adolf hatte versprochen, da zu sein und die Stadt zu verteidigen.

Weder der eine noch der andere hatte sein Wort gehalten. Die kaiserlichen Soldaten konnten gestern früh zum letzten Angriff stürmen ohne, dass es irgendwelche nennenswerten Hindernisse gab. Und kurz nach dem Fall der Stadt zur gnadenlosen Plünderung übergehen.

Nun rührte sich nichts mehr in diesen Straßen - außer die Ratten, die sich seit Sonnenuntergang wieder an den Toten gütlich taten. So viele Tote. Die Schreie der Opfer hallten noch immer in ihren Ohren, zogen endlose Kreise in ihren Gedanken. Mit einem ersticktem Laut wandte Lillian sich ab und streute mit fahrigen Händen Löschsand über die frische Tinte, ehe sie begann, sämtliche Schreibutensilien hastig wieder einzupacken. Siebzehn Tage war sie schon hier.

Noch vier und sie durfte gehen. Endlich.

Alles in ihr sehnte sich danach, dieses Massaker hinter sich lassen zu können und nie wieder an all die Schrecknisse zurückdenken zu müssen. Doch Auftrag war Auftrag. Und an die Konsequenzen einer Nichterfüllung wollte Lillian nicht denken.

Also huschte sie weiter durch die Dunkelheit der Nacht, über die Leichen hinweg, vorbei an dem dämmrigen Licht der noch immer schwelenden Ruinen - und beobachtete. Deshalb hatte der Orden sie geschickt. Exakt drei Wochen sollte sie in Magdeburg bleiben, beobachten und jeden zweiten Tag einen Bericht verfassen, der bei ihrer Rückkehr in den Archiven des Ordens verschwinden würde.

Nur den Sinn dieses Auftrags konnte die Vampirin nicht erfassen. Es hatte keine Begründung oder Hinweise gegeben, worauf sie zu achten hatte - nur beobachten. Als hätten diese Bürokraten gewusst, was hier geschehen würde. Der Gedanke entsetzte Lillian fast so sehr wie die Leichen um sie herum. Unbewusst drückte sie sich näher in die flackernden Schatten der schwelenden Ruinen, wandte den Kopf ab und gab sich Mühe, nicht allzu genau auf die klaffenden Wunden zu schauen, die jeden einzelnen Toten verunstalteten. Nicht allzu tief den Übelkeit erregenden Geruch von verbrannten Fleisch und geronnenen Blut einzuatmen, der sich über die Straßen verteilte. Denn neben Ekel regte sich noch ein anderes, vertrautes Gefühl in ihr.

Hunger. So lange schon.

Ungewollt entglitt ihr ein Knurren, als sie spürte, wie sie einen Moment lang ihre Selbstkontrolle verlor und das Monster in ihr sehnsuchtsvoll auf eine dieser vielen roten Pfützen starrte. Nur ein bisschen davon und sie wäre im Paradies. Vielleicht würde sie dann auch ein wenig Aura ...

Scharf zog die Vampirin die Luft ein und konnte nicht anders als genießerisch die Augen schließen. So nah. Es müsste niemand erfahren.

Mit Mühe ballte Lillian die Hände zu Fäusten und hielt die Luft an, drängte das Monster Stück für Stück in seinen Käfig zurück. So wollte sie nicht sein. So durfte sie nicht sein.

Du bist zu menschlich...', hallte die Stimme ihres früheren Meisters spöttisch in ihren Ohren. Die Vampirin verzog angewidert das Gesicht, als ihre Gedanken zu dem Hexer glitten, der sie ihrer Familie entrissen hatte. Ein Hexer der Phönixgetreuen - die Erbfeinde des Ordens, die für alles standen, was der Orden ablehnte. Alles, was sie zu bekämpfen geschworen hatte.

Nach ihren Erlebnissen mit diesem Monstrum von Hexer war Lillian das nicht schwergefallen. Schließlich war sie nur eine von vielen gewesen, die von einem Phönixgetreuen getötet wurde, um ihr einen nekromantischen Talisman ins Herz einzusetzen. Nur damit er sie zu „seiner Vampirin" machen konnte. Seinem Mädchen für alles. Seiner Sklavin.

Abhängig davon, dass er sie mit lebendiger Aura versorgte, die das nekrotische Artefakt in ihrem Herzen zu Magie umwandelte. Magie, die sie brauchte, damit ihr toter Körper weiter „lebte". Ein Leben, das sie so nie gewollt hatte. Energisch schob sie diese Erinnerungen beiseite und glitt tiefer in die Schatten eines zerstörten Gässchens. Gerade noch rechtzeitig.

„Hast du sie quieken gehört?", witzelte eine männliche Stimme, hinter der nächsten Straßenecke. Sie troff vor Selbstgefälligkeit.

Einen Moment herrschte Stille, ehe ein süffisantes Lachen erklang. „Wie ein angestochenes Schweinchen", lallte eine zweiter Stimme, ehe sie wieder haltlos zu kichern begann. „Aber das waren sie ja auch, was? Angestochene Schweine!"

Die zwei Männer lachten, während Lillian sich tiefer in die Schatten drängte.

„Aber auch ein paar sehr reiche Schweine!" Von irgendwoher ertönte ein demonstratives Klappern - wahrscheinlich ein Sack voll Beutegut. „Jetzt kann mein Weib endlich nicht mehr über meinen Sold keifen."

„Auf die reichen Schweine!", lallte die andere Stimme ausgelassen.

Lillian presste die Lippen zusammen und ihr Blick glitt zu drei verstümmelten Leichen, die sie von ihrem Versteck aus sehen konnte. Eine davon ein Kind, kaum fünf Jahre alt, das mit schmerzverzerrtem Gesicht blicklos in den Himmel starrte.

Spontane Wut zog durch den Geist der Vampirin. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Soldaten kaum bezahlt wurden und sich eher durch Plünderungen von Höfen und Dörfern finanzierten als vom Sold ihres Herrn. Aber dieses wahllose Morden einer ganzen Stadt war jenseits all dessen, was sich Lillian je hätte vorstellen können. Mittlerweile war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob es auch nur eine Handvoll Überlebende gab.

Wieder echoten die Schreie jener, die entweder den Soldaten oder den Bränden zum Opfer gefallen war, durch ihren Kopf. Sie vermischten sich mit dem Gestank von Tod und aufkeimender Krankheit, der wie Nebel fast greifbar über den Straßen hing. Wieder brandete ein dunkler Zorn in der Vampirin auf, genauso sinnlos, wie das Chaos um sie herum.

Du bist zu menschlich...', wisperte die verhasste Stimme in ihrem Kopf erneut, als die beiden kaiserlichen Soldaten direkt vor ihrem Versteck standen. Ein unwilliges Knurren entfuhr der Vampirin.

Die zwei Männer zuckten zusammen und einer schwenkte seine der Fackeln in die Richtung, aus der er das Geräusch vermutete. „Wer da?"

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