065 - neue Verbündete - Sa. 10.3. - Fr. 16.3.1571

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Als Maria mir am nächsten Morgen mein Frühstück bringt, bin ich schon eine Weile wieder an der Arbeit. Sie setzt sich einen kleinen Augenblick zu mir, und ich nutze die Gelegenheit, sie nach dem Fremden zu fragen. Sofort wird ihr Gesicht wach.
„Er ist gestern hier angekommen. Niemand, auch der Brudenhusen nicht, hat mit ihm gerechnet. Das ist ganz seltsam. Es geht das Gerücht, dass er ein Freund des Lehnsherrn sein soll und hier auf ihn warten will, weil er in einem Brief eingeladen wurde. Ein Diener hat sowas aufgeschnappt. Das ist ein ganz Vornehmer. Er hat einen echten Kammerdiener, einen eigenen Stallburschen und drei bewaffnete Begleiter dabei. Und der Brudenhusen kocht vor Wut, weil er ihn wohl gerne loswerden will, der Mann aber der Meinung ist, dass er hier auf seinen Freund warten will."

Bei der Erwähnung des unbekannten Lehnsherrn zucke ich zusammen. Wenn es denn tatsächlich Hannes ist, dann hat er ganz bestimmt weder einen Brief an einen Freund geschrieben, um ihn einzuladen, noch hat er sich einfach so für dieses Treffen hier entschieden.
Wer ist der Mann? Was weiß er? Was nicht? Und warum lügt er das Blaue vom Himmel herunter?
Eine vage Hoffnung keimt in mir auf.
„Frau Hannover? Könntet Ihr mir einen Gefallen tun? Ich habe den Verdacht, dass dieser Fremde uns nützlich sein könnte. Könntet Ihr und Euer Mann versuchen, diesen Mann und seine Begleiter zu beobachten? Wenn er tatsächlich mit unserem Lehnsherr verabredet ist, dann wird der Brudenhusen ganz gewaltige Schwierigkeiten bekommen, weil ihm das in die Hochzeit platzt. Und das bedeutet, dass diesem Fremden vielleicht Gefahr droht, damit genau das nicht passiert."

Ich habe mir redlich Mühe gegeben, die Sache logisch und dringlich und doch nicht zu dramatisch darzustellen, aber dennoch schaut mich Maria Hannover nun sehr misstrauisch an.
„Das will ich wohl tun, Anna. Aber warum sollte ihm Gefahr drohen?"
Mist, Mist, Mist! Wie erkläre ich das jetzt???
„Schaut, Frau Hannover, wir haben auf den Dörfern schon so viel Willkür mit dem Verwalter und dem Hauser erlebt, so viel Ungerechtigkeit und Gewalt. Wir trauen ihm einfach alles zu. Und ..."
Mit einer weit ausholenden Geste über die edle Kleidung, an der ich grade arbeite ...
„... dieser Mann hat wirklich etwas zu verbergen. Er kann nicht wollen, dass sein Lehnsherr oder dessen Freund das aufdeckt und ihn zur Rechenschaft zieht."
Bedächtig nickt Maria Hannover.
„Ist gut, ich rede mit meinem Mann. Wir werden die Männer beobachten."

Sie verlässt mich, und ich arbeite weiter. Ab und zu werfe ich einen Blick aus meinem Fenster. Ein kräftiger, fremder Mann kommt von den Stallungen und geht, sich wachsam immer wieder umblickend, an meiner Seitentür ins Schloss. Nach einer Weile kommt er wieder heraus und verschwindet im Stall. Ich habe den Verdacht, dass ich hier grade einen der Bediensteten des vornehmen Fremden vor mir habe.

In den folgenden Tagen verändert sich die Stimmung im Schloss und auf dem Hof merklich. Der Hauser und der Brudenhusen sind sich auf einmal nicht mehr grün, das merken alle Bediensteten, denn sie kriegen von beiden immer mal wieder ein schlecht gelauntes Donnerwetter ab. Der Fremde und seine Begleiter benehmen sich normal, sind aber gleichzeitig immerzu überall und sehr wachsam. Maria und Jochen Hannover berichten mir, dass der Brudenhusen immer wieder versucht, den Gast fortzuschicken, dass der Gast sich aber höflich lächelnd dumm stellt und einfach immer wieder sagt, er wolle hier auf seinen Freund warten. Dieser Mann heißt Karl von Pagenstecher und kommt direkt aus Salzderhelden, aus der Hauptstadt unseres Herzogtums. Und er scheint nicht so schnell wieder verschwinden zu wollen.

Es macht mich völlig verrückt, dass der Mann auf jemand warten will, der ihm angeblich einen Brief geschrieben hat. Aber wenn unser Verdacht richtig ist, wenn Hannes dieser Lehnsherr ist, dann kann er keinen Brief geschrieben haben, weil er sich ja an sein früheres Leben und damit an Herkunftsort und irgendwelche Freunde gar nicht erinnern kann. Der Brief hätte innerhalb der letzten paar Wochen geschrieben worden sein müssen. Das kann aber gar nicht sein!

Mitten in der Nacht wache ich auf und fasse einen verrückten Entschluss. Hier muss Bewegung in die Sache, und darum bin ich bereit, für Hannes ein Risiko einzugehen. Ich bitte am Morgen Jochen Hannover, mir ein Stück Papier und einen Kohlestift zu besorgen. Fraglos reicht er mir gegen Mittag beides zur Tür herein.

Nun muss ich sorgfältig überlegen, was ich schreibe. Schließlich gebe ich mir einen Ruck.
Ich weiß, wo der Mann ist, der Euch keinen Brief geschrieben hat. Kommt heute Nacht an diese Treppe.
Nun muss nur noch einer der Burschen hier vorbeikommen. Ich muss eine ganze Weile warten. Aber am Nachmittag kehren der von Pagenstecher und zwei seiner Wachmänner von einem Ausflug zur Falknerei des Schlosses zurück. Und nachdem die Pferde im Stall versorgt sind, kommt einer dieser Wachmänner hier auf das Schloss zu, um durch diesen Seiteneingang zu seinem Herrn hinaufzugehen. Als er grade seinen Fuß auf die unterste Stufe der Treppe setzt, öffne ich einfach das Fenster und halte ihm mit flehendem Blick den kleinen, zusammengefalteten Zettel hin. Er schaut erstaunt zu mir auf, zögert einen Moment, will etwas fragen. Doch dann nimmt er einfach den Zettel und geht ins Haus.

Den Rest des Tages verbringe ich in schier unerträglicher Spannung. Denn entweder habe ich mich jetzt dem Brudenhusen ausgeliefert. Oder dem Hauser. Oder einem Fremden, der mich verraten wird. Aber vielleicht bestätigt sich auch mein Verdacht, meine Hoffnung - dass dieser Mann auf der Suche nach dem verschollenen Hannes ist und es gut mit ihm meint.

Ich werde auf eine harte Probe gestellt. Erst lange, nachdem sich Haus und Hof zum Schlafen zurückgezogen haben, öffnet sich die Tür. Ich stehe neben meinem Fenster im Schatten und starre in die Dunkelheit. Erst kommen zwei der Wachmänner heraus. Ich erkenne sie an ihren Umhängen und Gugeln. Sie vergewissern sich um die Ecke und unter der Treppe, dass ihnen hier niemand auflauert. Dann kommt der Fremde Adelige selbst heraus, bleibt auf halber Höhe der Treppe stehen und schaut direkt in mein Fenster. Ich hole einmal tief Luft und öffne es. Stumm und misstrauisch schauen wir uns in die Augen. Schließlich gibt er sich einen Ruck und beginnt zu flüstern.
„Woher, Mädchen, weißt du, ob ich einen Brief bekommen habe oder nicht?"
Er ist vorsichtig. Ich antworte ganz leise.
„Ich ... kenne einen Mann, der auf dem Weg hierher war. Er ist überfallen und fast getötet worden. Durch vielerlei Hinweise glaube ich, dass er Euer Freund sein könnte. Aber er hat ganz bestimmt in den letzten Wochen keinen Brief geschrieben."
Jetzt ist es raus. Und nun werde ich erfahren, ob ich uns alle ins Unglück gestürzt habe.

Der Fremde schnappt nach Luft.
„Wo ist er? Er wird so schmerzlich vermisst! Sein Bruder ... Er muss dringend heimkommen!"
Ich taste mich weiter vor.
„Wie heißt sein Bruder?"
Ein misstrauischer Blick trifft mich.
„Er ... nennt ihn Ludo."
Erlöst und befreit schlage ich die Hände vors Gesicht und atme auf. Und nun fällt mir auch auf, dass dieser Freud Karl heißt.
„Die Träume ... Hannes, Ludo und Karl. Gott sei Dank, endlich ist Hilfe da!"
Fragend schaut er mich an.
„Kommt herein, hoher Herr, dann können wir besser reden. Kurz flüstert er einen Befehl in die Dunkelheit. Dann schwingt er sich auf das Fenstersims und steigt in meine Kammer. Wir lehnen das Fenster an, und ich erzähle ihm das Nötigste von den letzten Monaten.

„Ich wohne im letzten Dorf dieses Lehens vor der Grenze zum Eichsfeld. Hannes ist in einer Sturmnacht Mitte November schwer verwundet in meine Kate gestolpert. Wir haben eine Weile gebraucht, um ihn wieder ins Leben zurückzuholen. Und dann hatte er vollständig sein Gedächtnis verloren. Lange sah es sogar so aus, dass er gar nicht wissen wollte, wer er ist. Er hatte richtig Angst davor. Er hat nun eine ganze Weile als Knecht in unserem Dorf gelebt, ist Teil unserer Gemeinschaft und gesund geworden. Durch vielerlei Hinweise und Ereignisse sind wir zu dem Schluss gekommen, dass er hierher wollte und der junge Lehnsherr sein könnte, der hier noch nie aufgetaucht ist. Und dass sein eigener Verwalter ihn hat ermorden wollen, weil er mit seinen betrügerischen Machenschaften hier nicht auffliegen will. Zur Zeit ist er auf der Suche nach Menschen, die ihm das erklären und ihm vielleicht sagen können, wer er ist."

„Woher, Mädchen, weiß ich, dass das hier keine Falle von dem Aasgeier ist? Dass du die Wahrheit sagst?"
„Ich kann mir auch nicht sicher sein, dass Ihr wirklich ein Freund von Hannes seid und ich ihn nicht ins Verderben schicke, wenn ich Euch sage, wo er ist."
Er nickt.
„Du hast Recht. ... Er war unterwegs auf einem braunen Pferd, das niemand außer ihm auf seinen Rücken lässt."
Abwartend sieht er mich an.
„Stimmt. Und Hurtig geht es genauso gut wie Hannes."
Karl von Pagenstecher lächelt.
„Das ist gut. Verrätst du mir, wo ich ihn finde? Es wird Zeit, dass er wieder weiß, wer er ist. Wegen dieser unseligen Hochzeit hier haben wir nicht mehr viel Zeit."
Ich gehorche meinem Gefühl.
„Hannes ist im Moment entweder in Duderstadt im Eichsfeld. Oder auf dem Weg zu seinen Verwandten, weil er auf seiner Reise einen Hinweis bekommen hat, wer er ist. Oder er ist so verrückt, dass er wieder in Lütgenhusen ist, weil er gehört hat, dass ich hier gefangen bin, und deshalb wider alle Order sofort nach Hause geeilt ist."

„Order. Nach Hause."
Seine Stimme klingt erstaunt.
„Ja, nach Hause. Ich ... das wird Euch verwirren. Aber Hannes kennt seit seinem Gedächtnisverlust nur ein Zuhause, und das ist mein Dorf, das ist meine Kate. Das sind meine Kinder, die er über alles liebt, das ist das Dorf voller Menschen, die ihn aufgenommen, gesund gepflegt und beschützt haben, obwohl sie damit alles riskieren. Oh, und das ist Klaas, an dem ihr erstmal vorbei müsst, wenn Ihr zu Hannes wollt. Und der ist in seiner Treue nicht zu unterschätzen."
Ich habe einen Kloß im Hals, als ich die Kinder erwähne. Aber wegen Klaas muss ich lächeln.

Karl von Pagenstecher richtet sich entschlossen auf.
„Dann will ich morgen einen Ausflug machen und selbst sehen, ob Hannes dort ist. Gibt es etwas, ein Stichwort, was mich als Freund ausweisen kann? Sonst werde ich sicher kein Vertrauen im Dorf gewinnen. Richtig?"
Er lächelt nun auch.
„Ja, da habt Ihr Recht, hoher Herr. Jeder dort würde für ihn durchs Feuer gehen."
Ich denke einen Moment nach, welches Stichwort sich dafür eignen könnte. Und da fällt mir der Ring ein, den ich schon seit Wochen in meinem Beutel trage.

Ich hole ihn hervor und gebe ihn dem Fremden.
„Das hat er bei mir auf dem Dachboden verloren."
Hastig greift er nach dem Ring und bittet um Licht. Ich zünde meine Lampe an. Er hält den Ring ins Licht und schnappt nach Luft.
„Das Siegel! Weiß Hannes, dass er den verloren hat? Und WAS er da verloren hat?"
Ich schüttele den Kopf.
„Es war ziemlich bald, nachdem er aufgewacht war. Er war tief verwirrt und verunsichert. Er hat seinen Beutel durchgesehen in der Hoffnung, dass irgendetwas darin sein Gedächtnis weckt. Aber diesen Ring hat er sofort achtlos beiseite gelegt und dann vergessen. ... Das ... ist ein Siegelring?"
Karl von Pagenstecher zeigt mir ein Wappen, das in den blauen Stein geschnitten ist.

„Ich weiß jetzt, dass der Mann bei euch im Dorf sicher der ist, den ich suche. Aber das Siegel schien ihm nichts zu bedeuten, also hilft mir das nicht weiter."
Er gibt mir den Ring zurück. Ich stecke ihn wieder in meinen Beutel und freue mich über sein Vertrauen.
„Dann bleibt Euch wohl nichts weiter, als dafür zu sorgen, dass Ihr an Klaas Rand geratet. Falls Hannes da sein sollte, steht dort im Stall Hurtig. Und Klaas grüßt Ihr von Anna Adam. Namen helfen auch weiter, Klaas weiß um Hannes Träume. Versucht Euer Glück!"
Karl von Pagenstecher vergewissert sich, dass draußen alles in Ordnung ist, und schwingt sich wieder aus meinem Fenster. Ich schließe es und gehe zum ersten Mal seit Wochen völlig beruhigt ins Bett.

Danke, Gott! Endlich ist Hilfe da ...

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5.3.2020

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