Kapitel 38

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Dieser Teil Acerums unterschied sich landschaftlich nicht von Seyl. Während die Berge hinter uns zurückblieben, begleiteten uns schmale Bäche, grüne Wiesen und dichte Wälder auf unserem Weg. Immer wieder trafen wir auf kleinere Ortschaften, die idyllisch eingebettet zwischen sanften Hügeln lagen. Die Bewohner dieser Weiler begegneten uns freundlich und zuvorkommend. Auch wenn hier nur wenige Männer zugegen waren, deutete sonst nichts darauf hin, dass sich dieses Land mit Seyl im Krieg befand. Niemand litt Hunger oder befand sich auf der Flucht vor einem feindlichen Heer.

Dank Rosena fielen unsere seltsame Kleidung und unser starker Akzent nicht auf. Wladi verstand sich darauf, unsere mangelnden Sprachkenntnisse geschickt zu überspielen. Ich tat mein Übriges, indem ich den wortkargen Mann spielte, was mir nicht schwerfiel, selbst mit dem Aussehen einer Frau.

Da sich keiner von uns in Acerum auskannte, mussten wir im ersten Dorf nach dem Weg in die Hauptstadt fragen. Niemanden schien das zu verwundern. Ein Mann erklärte uns, dass öfters Reisende vorbeikämen, die ihre Heimatdörfer verließen, um in der Stadt ihr Glück zu suchen.

Wladi war noch zu jung gewesen, als man ihn verschleppt hatte, als dass er sich an seine Heimat erinnern konnte. Das Einzige, was er mit Gewissheit wusste, war, dass er aus einer großen Stadt stammte. Andererseits hatten Kinder kein Auge für Relationen. Und zudem hatte ich den Eindruck, dass er einen großen Teil seiner Erinnerungen irgendwie unterdrückte. Denn eigentlich sollte da irgendetwas sein.

Trotzdem erschien mir Bel'Bash Arid als günstiger Ausgangspunkt. Die Sklavenhändler würden ihre Waren dort suchen, wo zahlreiche Straßenkinder zu finden waren und je größer die Stadt, desto mehr gab es von armen Waisen oder Ausreißern. Auch wenn Wladi steif und fest behauptete, er habe nicht auf der Straße gelebt, änderte das nichts an Bel'Bash als Ausgangspunkt für unsere Suche.

„Wie viele Menschen leben dort?", fragte Rosena eines Tages unvermittelt und starrte mich dabei an, als rechne sie fest mit einer Antwort.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich war noch nie in Acerum und weiß recht wenig darüber. Allerdings habe ich vor einiger Zeit einmal eine Karte in der Hand gehabt. Soweit ich mich erinnern kann, ist Bel'Bash in etwa doppelt so groß wie Krylanid und reicht damit an Agba heran."

„Wie sollen wir je meine Eltern finden?", fragte Wladi betrübt. „Ich kann mich nicht einmal mehr an sie erinnern richtig. Ich war klein. Das war ein Fehler. Wir haben in Seyl bleiben müssen. Ich verstehe nicht, warum ihr mir hilft. Ich bin euer Feind."

„Sag doch so etwas nicht", bat Rosena. „Du hast es verdient, deine Familie wieder zu finden. Egal woher sie kommen."

„Zudem kann das einfache Volk doch meist nichts dafür, wenn sich die Mächtigen um irgendwelche Grenzen streiten oder einfach noch mehr Macht ansammeln wollen", ergänzte ich düster.

Wladi schien nicht ganz überzeugt und als Rosena weiter auf ihn einredete, klinkte ich mich aus dem Gespräch aus. Stattdessen legte ich den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel.

Mächtige Wolken wurden von unsichtbaren Winden vorwärtsgetrieben. Man sagte, die Götter wären dort oben und würden uns beobachten. Ich glaubte jedoch vielmehr, dass sie mitten unter uns waren, überall und zugleich nirgendwo. Wie das funktionierte, wusste ich nicht, aber deshalb wurden sie wohl Götter genannt.

Ich trieb Farah in einen flotten Trab, bis sie in einen sanften Galopp überging.

Als wir auf eine gepflasterte Straße stießen, zügelte ich meine Stute und wartete bis Isa aufschloss. „In welche Richtung müssen wir?", fragte Rosena.

„Nach Nordwesten."

Wir folgten dem Verlauf der Straße und trafen auf vereinzelte Karren, die uns entgegenkamen. Meist wurden sie von alten Männer oder jungen Knaben gelenkt. Ab und an sah ich auch Frauen auf dem Bock. Die Leute musterten uns abschätzig und nickten uns anschließend zu. Wir taten es ihnen nach.

„Weißt du, was mir zu denken gibt?", meinte Rosena schließlich. Sie warf einen Blick nach hinten, wo wir gerade eben einen Wagen mit zwei vorgespannten Ochsen überholt hatten. „Keiner von ihnen sieht aus wie jemand, der ein anderes Volk abschlachtet. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, sie kommen aus Seyl. So wie wir."

Darauf hatte ich nichts zu erwidern und so schwiegen wir.

Als uns das nächste Mal eine alte Frau in einem klapprigen Wagen entgegen kam, der seine besseren Zeiten schon lange hinter sich hatte, hielt ich an, um sie anzusprechen. Sie zog an den langen Leinen und die beiden mageren Ochsen blieben stehen, während ihre Schwänze hin und her peitschten, um lästige Fliegen zu vertreiben.

„Führt diese Straße nach Arid?", fragte ich.

Die Frau zögerte, dann schätzte sie uns offenbar als harmlos ein und nickte. „Wenn ihr die Weggabelung nach rechts nehmt, gelangt ihr nach Arid. Wenn ihr links abbiegt, kommt ihr nach Murista."

Wir bedankten uns höflich und ritten weiter. „Warum sagen die Acerianer Arid und wir nennen die Stadt Bel'Bash?", fragte Rosena.

Wladi, der wie immer hinter ihr auf Isa saß, senkte verlegen den Blick, weil er keine Antwort parat hatte. An seiner Stelle erklärte ich den Grund. „Vor Jahrhunderten konnten die Skara alle Länder nördlich ihrer Heimat erobern, mitunter Seyl und die Vereinigten Königreiche. Sie gelangten bis nach Acerum, das zu dieser Zeit nicht mehr als einzelne Ansiedlungen von Bauernhöfen ausmachte. Sie ließen sich in einem Dorf namens Arid nieder und benannten es in Bel'Bash um, was so viel bedeutet wie ‚Beladahs Segen'. Jahrzehnte später, als Acerum stark genug war, die Eindringlinge zu vertreiben, war das einstige Dorf bereits zu einer prächtigen und florierenden Stadt herangewachsen und der Name hatte sich eingebürgert. Da man aber alles, was mit den Skara zu tun hatte, am liebsten aus dem Gedächtnis streichen wollte, hängte man das Arid an den alten Namen und obwohl sie offiziell nun Bel'Bash Arid heißt, wird sie im Volksmund nur noch Arid genannt. In Seyl hingegen sprechen wir weiterhin von Bel'Bash."

„Woher weißt du das?"

„Du vergisst, dass ich lange Jahre in Skaramesch gelebt und getötet habe. Die Assassinen haben dafür gesorgt, dass ich mich bestens in ihrer langen und glorreichen Geschichte auskenne. Die Eroberung der ganzen Welt wurde ausführlich unterrichtet. Mehr habe ich bei ihnen allerdings auch nicht gelernt. Ich war ein Sklave, der es zum Kämpfer gebracht hatte. Geistige Fähigkeiten waren hierfür nicht relevant. Allerdings stellte ich da eine Ausnahme dar." Leichte Verbitterung schlich sich in meine Stimme. Ich war immer ein wissbegieriger Junge gewesen und dass dieses Wissen mir vorenthalten wurde, war für mich immer ein Wermutstropfen gewesen.

„Ich fühle mich schrecklich ungebildet", murmelte Rosena.

„Es ist nicht von Belang", tröstete ich sie.

Sie erwiderte nichts und ich konnte sehen, wie sie mit verbissener Miene nach vorne starrte. Ich wusste nicht, was ich sagen konnte, um ihre gute Laune wiederherzustellen, also schwieg ich.

Wladi warf mir einen flüchtigen Blick zu, dann beugte er sich nach vorne und flüsterte Rosena etwas zu. Sie runzelte die Stirn, musterte mich, bis sie bemerkte, dass ich sie gesehen hatte.

Was auch immer Wladi ihr gesagt hatte, es schien ihre Stimmung etwas gebessert zu haben, denn sie schaute nicht mehr ganz so unglücklich drein. Dafür war ich dem Jungen dankbar.

Die Straße war gut in Schuss, besser als die in Seyl. Es gab kaum Schlaglöcher, keine bröckeligen Steine und auch sonst nur geringe Unebenheiten.

Die Oberen hatten mein Heimatland heruntergewirtschaftet.

Schon als ich aus Skaramesch nach Seyl zurückgekommen war, war mir der desolate Zustand des einst so mächtigen Landes aufgefallen. Aber wenn man eine Weile dort lebte, konnte man leicht vergessen, wie viel besser es in anderen Teilen der Welt stand.

Auf einmal gab es einen lauten Knall und ein Feuerball fiel links von uns vom Himmel, Farah machte einen Satz und verfiel in einen panischen Galopp. Ich hatte Mühe, sie wieder zu zügeln, ihr Körper bebte, während sie heftig atmete. Schließlich blieb ich wieder stehen und sah Rosena, die sich auf einer panisch rennenden Isa festklammerte. Wladi saß etwas weiter auf dem feuchten Wiesenboden und hielt sich den Arm. Ich sprang von Farah ab, während sie noch hin und her tänzelte, sowie ihren Kopf wie wild kreisen ließ. Mit den Zügeln in einer Hand, rannte ich zu Wladi.

Je weiter ich mich von dem brennenden Stück Wiese entfernte, desto ruhiger wurde Farah. Vor dem Jungen blieb ich stehen. „Ist alles in Ordnung?", fragte ich besorgt.

„Ich- ich weiß nicht", stotterte Wladi, immer noch geschockt.

Ich half ihm auf die Beine. „Kannst du alles bewegen?"

Zögerlich bewegte er seine Glieder und nickte. Dann schaute er auf. „Du..."

Ich unterbrach ihn. „Warte hier, ich muss Rosena helfen." Mit einem Zug schwang ich mich auf Farahs Rücken und trieb sie hinter Isa her.

Rosena schrie. Sie hing schief im Sattel und schien sich nur noch mit größter Mühe auf dem Rücken Isas halten zu können. Die Zügel hatte sie verloren, wie wild hüpften diese zwischen Strähnen der hellen Mähne auf und ab. Kraftvoll stob Farah hinter der Stute her und kam ihr näher. Isa war vollkommen kopflos. Sie war dem Feuerball deutlich näher gewesen als mein Reittier.

Als Isa Farah auf sich zukommen sah, machte sie einen Satz und schoss weiter. Doch sie hatte die Rechnung ohne den Skara gemacht. Nun stellte sich heraus, warum diese als die Könige unter den Pferden galten. Farah schien den Boden unter den Hufen zu verlieren, so schnell zog er unter uns vorbei. Es dauerte nicht lange und ich war gleichauf mit Rosena. Bemüht, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, beugte ich mich mit vor Anstrengung zusammengebissenen Zähnen zur Seite. Meine Hand versuchte die flatternden Zügel zu ergreifen, aber sie entglitten mir immer wieder.

„Seeeeenn!", kreischte Rosena.

Ich griff ein letztes Mal zu und umklammerte das Leder. Es kostete mich einige Mühe, Farah mit einer Hand zu parieren, aber als die Stute langsamer wurde, fiel auch Isa zuerst in einen langsamen Galopp und schließlich in einen gemäßigten Trab. Als beide Pferde standen, richtete Rosena sich auf Isas Rücken mühsam auf. Ihre Augen waren weit aufgerissen und ihre Wangen bleich. Sie zitterte, als sie die Zügel ergriff.

„Wir müssen zurück zu Wladi", sagte ich leise.

Sie nickte nur, während sie krampfhaft das Leder in ihren Händen umklammerte.

Wir wendeten und ritten im Schritt zu Wladi, der uns, immer noch seinen Arm umklammernd, erwartete.

Er war jedoch nicht der Einzige. Hinter ihm standen drei Männer. Sie trugen die weinrote Uniform Acerums und erwarteten uns mit grimmiger Miene.

Ich runzelte die Stirn und Rosena entfuhr ein Laut des Entsetzens. „Oh nein."

„Was ist?", fragte ich sie leise.

„Die Illusion. Ich muss die Kontrolle darüber verloren haben." Sie barg ihr Gesicht in einer Hand. „Du bist wieder ein Mann."

Das war gar nicht gut. Um Rosenas Schuldgefühle nicht zu verstärken, schwieg ich.

„Bitte, sag doch was. Bist du sehr böse auf mich?"

„Keine Sorge, Ro", beruhigte ich sie. „Du kannst nichts dafür. Es ist dumm für uns gelaufen, aber daran kann keiner von uns mehr etwas ändern."

Vor Wladi blieben wir stehen. „Sie haben die Feuerstelle untersucht", erklärte der Junge etwas zerknirscht, als wäre es seine Schuld, dass die Soldaten aufgetaucht waren.

Die Männer musterten uns. Mit ihren sauberen Uniformen wirkten sie nicht, als hätten sie jemals ein Schlachtfeld betreten. Alle drei waren in etwa in meinem Alter, aber sie strahlten Befehlsgewohnheit aus. Trotzdem konnte ich sie nicht für voll nehmen. Nicht mit dem arroganten Gesichtsausdruck und der geschniegelten Uniform. Sogar die Knöpfe waren poliert und der Kragen ordentlich gefaltet. Sie alle trugen kurzgeschnittenes Haar und musterten uns herablassend.

„Wer seid Ihr?", fragte einer von ihnen. Seine Haut war bleich und der Kontrast zu seinen roten Haaren dadurch umso größer.

Ich warf einen Blick auf Rosena und Wladi. „Wir sind Reisende."

„Warum kämpfst du nicht für unser Vaterland?"

„Ich wusste nicht, dass ich für Acerum kämpfen muss."

„Das kann ich nicht glauben. Alle Männer sind eingezogen worden."

„Wir wohnen ganz im Süden. Kommen vom Kardgebirge. Dorthin verliert sich kaum jemand." Ich zögerte, als ich nach den richtigen Worten suchte.

„Ihr scheint sehr wohlhabend für jemanden, der ein ... lebt." Ich verstand nicht jedes Wort.

„Wir sind Edelstein-Sucher."

Wladi musste grinsen, als er die doppelte Bedeutung hinter meinen Worten ausmachte.

Der größte der Männer nickte. „Davon hat es einst viele gegeben. Meine Mutter hat mir einmal von ihnen erzählt. Ich habe gedacht, sie haben inzwischen ihr Glück in den Städten gesucht."

„Offenbar nicht", meinte der Rothaarige.

„Unter ... des Andras, musst du mit uns kommen. Alle Männer Acerums sind verpflichtet, unser Land zu ..."

Ausdruckslos starrte ich sie an. Die Männer schienen meinem Blick nicht standhalten zu können. Rosena neben mir sog scharf die Luft ein, als sie die Bedeutung der Worte erfasste. „Senn...", meinte sie und ich hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, bevor sie noch einen Fehler beging.

„Ich wusste nicht, dass ich für Acerum kämpfen muss", wiederholte ich.

„Das hast du bereits gesagt." Der Rothaarige wirkte verärgert. „Bist du irgendwie ..."

Weil ich das Wort nicht verstand, konnte ich ihn nur wortlos anschweigen.

„Nehmen wir ihn mit? Soll der Mitzar entscheiden, was wir mit ihm machen sollen." Der Riese schien mir der Vernünftigste der drei zu sein.

„Er hat ein Verbrechen begangen", warf der Rothaarige ein.

Der Dritte im Bunde, der bisher geschwiegen hatte, meldete sich nun ebenfalls zu Wort. Er war zierlich gebaut und besaß eine ziemlich helle Stimme, was ein möglicher Grund für sein Schweigen darstellen konnte. „Aber wenn ihn keiner einberufen hat, hat er eigentlich nichts ..."

Ohne die Antwort des Rothaarigen abzuwarten, trat der Riese vor. „Würdest du uns begleiten?"

Ich nickte. „Ich will kurz mit meinen Geschwistern reden. Bitte."

Der Riese nickte und zog den Rothaarigen mit sich. Außer Hörweite blieben sie stehen und musterten uns skeptisch. Nicht einen Moment ließen sie uns aus den Augen.

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