Kapitel 6

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Obwohl ich es Alyn gegenüber niemals zugegeben hätte, war ich froh, als wir die Burg hinter uns ließen. Oh, es war ein prächtiges Anwesen und ich wäre gerne durch die zahlreichen Gänge gestromert, um alles zu erkunden, trieb mich immerhin eine oft unersättliche Entdeckungswut voran. Doch die Angst, jemand könne die Burg beobachten, war ein unangenehmer Begleiter und erst als auch der höchste Turm längst hinterm Horizont verschwunden war, konnte ich wieder befreit atmen.

Der Himmel war strahlend blau und die einzige Spur, die das Unwetter von gestern zurückgelassen hatte, waren die feuchten Wiesen.

Wladi erklärte munter, was dieses und jenes in seiner Sprache hieß. Auch Rosena und Lapislazuli horchten angestrengt und konzentriert. Erstaunlicherweise zeigte sich Rosena ausgesprochen talentiert. Als Alyn ihr dies ohne einen Hauch von Neid sagte, errötete die junge Frau und geriet ins Stottern, während sie verlegen abwinkte.

Auch ich konnte mir die verschiedenen Ausdrücke sehr schnell merken, allerdings hatte ich Dinge schon immer leicht gelernt. Außerdem war die Notwendigkeit, diese Sprache zu beherrschen, ein treibender Faktor. Zumindest hatte mir das Davide immer wieder stirnrunzelnd erklärt, wenn wir gemeinsam im unterirdischen Archiv saßen und er mir eine Lektion auf Jamarisch erteilte. Bei unserem letzten Aufenthalt in Par'Nevere hatte ich mit schlechtem Gewissen festgestellt, dass ich mein Jamarisch schändlich vernachlässigt hatte. Sollte ich das hier überleben, würde ich als Erstes Davide aufsuchen und ihn um Entschuldigung bitten.

Alyn fluchte lautstark. „Wie kann eine Sprache nur eine derart komplizierte Aussprache haben? Ich breche mir ja die Zunge."

Rosena bemühte sich ein stolzes Lächeln zu verbergen, denn ihr kamen die oft verschlungenen Wörter leicht über die Lippen. „Du musst es doch nur zuerst langsam aussprechen, dann geht es. Kla-ka-ra-la-ha."

Alyn schnaube. „Wie kann man nur ein derart langes Wort für Himmel haben? Ich kapituliere." Trotz ihrer Worte sah ich, wie sie die restliche Zeit unauffällig die Lippen bewegte und leise acerianische Ausdrücke vor sich hinmurmelte.

Gegen Mittag passierten wir ein kleines Dorf. Wir blieben jedoch auf der Straße und ließen den Weg, der zu der Ansammlung an Häusern und Gehöften führte, hinter uns. Den restlichen Tag ritten wir durch unberührte Natur. Der Zustand der Straße wurde immer schlechter, bis wir auf die Wiesen ringsum auswichen, da die Gefahr eines Sturzes zu groß geworden war.

„Wohin führt diese Straße?", wollte Rosena wissen. „Es scheint, als geht sie einfach ins Leere."

Alyn zuckte mit den Schultern. „Das alles gehört zwar noch zum Gebiet meines Vaters, aber niemand weiß, wann hier zuletzt jemand gesiedelt hat. Die Straße war jedoch schon immer da. Da sie zu keinen bekannten Städten führt, macht sich auch niemand die Mühe sie instand zu halten. Das letzte Dorf, das wir passiert haben, ist die östlichste Siedlung, von der ich weiß."

„Aber warum baut ihr eine Straße, zerstört dadurch die Natur und nutzt sie dann nicht? Das ist ein Frevel!", rief Lapislazuli aus.

Alyn und Rosena wirkten verlegen.

„Die Straße führt nach Erza. Vor langer Zeit war sie eine der Hauptverkehrsadern von ganz Seyl. Sie hatte also durchaus ihren Nutzen", erklärte ich zur Überraschung aller.

Alyn schüttelte den Kopf. „Woher weißt du all diese Dinge? Das ist doch unmöglich. Niemand sonst hat je davon gehört."

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung, allerdings bin ich Kartograph. Vermutlich habe ich diese Straße irgendwann einmal eingezeichnet und mich dann über ihr Dasein gewundert. Wahrscheinlich habe ich es daraufhin im Archiv nachgeschlagen."

„Und daran kannst du dich nicht mehr erinnern?" Unglaube sprach aus Alyns Stimme.

Ich hob eine Augenbraue. „Merkst du dir etwa, woher du sämtliches Wissen erlangt hast?"

„Nein", musste sie zugeben.

„Aber warum ist noch nie jemand ihrem Verlauf gefolgt?"

„Das Zeitalter der Entdecker ist schon längst vorüber. Die meisten Menschen bleiben an dem Ort, in dem sie geboren werden. Ein paar wenige zieht es in die Städte, aber der Großteil interessiert sich kaum für die Welt. Sie beschäftigt das Wetter, sowie die Preise für Vieh und Rohstoffe. Händler mögen vielleicht viel umherreisen, aber sie haben feste Handelspartner und Routen. Sie können es sich nicht leisten auf Gutdünken irgendwelchen unbekannten Wegen zu folgen. Auch Diplomaten zu senden, macht wenig Sinn. Niemand weiß, ob Erza noch existiert. Seyls Beziehungen zu den anderen bekannten Ländern sind schon verworren genug."

Alyn übersetzte Sphen und Wladi, danach herrschte brütendes Schweigen.

„Es ist seltsam", meinte Rosena irgendwann. „Wenn ich mir vorstelle, dass vor hunderten Jahren hier einmal reger Betrieb herrschte. Dass die Straße von Menschen benutzt wurde, die seit Ewigkeiten tot sind, und das seither niemand mehr diesem Weg gefolgt ist."

Wieder verfielen alle in nachdenkliches Schweigen.

Es war schon seltsam, dachte ich mir schließlich selbst. Niemand wusste, wie es mit Erza stand und niemanden schien es zu interessieren. Dabei war es doch ausgesprochen faszinierend, dass ein Land, einst der engste Bündnispartner von Seyl, plötzlich den Kontakt abbrach. Es mussten doch Dokumente existieren, die diesen Sinneswandel erklärten. Nun, vielleicht konnten mir auch die Bewohner Erzas erklären, was dereinst vorgefallen war - sofern wir dort noch eine Zivilisation vorfinden würden.

Diesen Abend ernährten wir uns von Dörrfleisch, das uns Valen zugesteckt hatte. „Vielleicht sollten wir einige Beeren suchen", schlug Alyn nachdenklich vor, während sie das eintönige Mahl betrachtete.

„Zu dieser Jahreszeit gibt es keine Beeren", erklärte ich seufzend.

In der Nacht wurde es klirrend kalt. Eng wickelte ich mich in meine Decke und rutschte näher ans Feuer, um das sich auch die anderen bereits gescharrt hatten. Dieses Mal hatten wir keine Wachen eingeteilt. Das mochte leichtsinnig sein, aber in dieser von den Göttern verlassenen Gegend trieben sich wohl kaum irgendwelche Banditen herum. Trotzdem konnte ich nicht schlafen. Unruhig wälzte ich mich hin und her, von dunklen Gedanken getrieben.

„Was ist los?", ertönte irgendwann eine verschlafene Stimme. Alyn richtete sich gähnend auf und starrte mich an. „Hattest du wieder einen Albtraum?", fragte sie besorgt.

Ich schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut."

Trotzdem stand sie auf, die Decke um ihre Schultern gewickelt und setzte sich neben mich. Ihr Körper drückte sich gegen meinen, als sie sich an mich lehnte und ihren Kopf auf meiner Schulter ablegte.

„Was meinst du, erwartet uns in Erza?", fragte sie leise.

„Ich weiß es nicht. Aber hoffentlich Antworten."

Alyn lachte. In der Stille klang es geradezu gespenstisch laut. „Ich habe viele Fragen."

„Ich auch", seufzte ich. „Ich auch."

Statt einer Antwort sackte Alyn etwas nach vorne und ich konnte sie regelmäßig atmen hören. Offenbar war sie eingeschlafen. Langsam legte ich mich ebenfalls wieder hin, sodass mein Arm, mit dem ich Alyn vorm Umkippen bewahrt hatte, zu ihrem Kopfkissen wurde.

Nach einer Weile dämmerte ich schließlich ebenfalls weg.

Die nächsten drei Tage ritten wir weiter durch diese Einsamkeit. An einer Stelle standen wir vor einem breiten Bach. Die Brücke, die einst hinüberführte, war schon lange verschwunden. „Wie kommen wir bloß auf die andere Seite?", fragte Rosena ratlos.

Lapislazuli hob ihre Hände, und breitete ihre Arme zu ihrer Linken und Rechten aus, als würde sie etwas wegschieben. Das Wasser, das eben noch munter durch das Bachbett geflossen war, wurde von einer unsichtbaren Kraft auseinandergesogen und staute sich zu beiden Seiten. In der Mitte war kein Tröpfchen mehr zu sehen, nur die Algen, die überall wuchsen, bewiesen, dass dort vor wenigen Momenten noch Wasser geflossen war.

„Gehen wir", meinte Lapislazuli und wir trieben die Pferde voran, die zögerlich an den Wasserwänden vorbeischritten.

Am Morgen des vierten Tages zügelte ich Farah, die sich an die Spitze gesetzt hatte. „Was ist los?", wollte Alyn wissen, als alle zu mir aufgeschlossen hatten. „Die Grenze", erklärte ich.

„Das soll die Grenze sein?", fragte Alyn.

Wir starrten auf die Landschaft vor uns, die sich nicht in geringster Weise von der hinter uns unterschied. „Woher willst du das wissen?", fragte Lapislazuli.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es einfach. Vertraut mir."

„Und was machen wir jetzt?", fragte nun Rosena.

Innerlich stöhnte ich auf. „Woher soll ich das wissen?" Ich bemühte mich die Gereiztheit in meiner Stimme zu verstecken. Farah tänzelte unruhig. Sie spürte meine Anspannung nur zu deutlich. Ich tätschelte ihr den Hals, dann blickte ich auf. „Wir werden weiter dem Verlauf der Straße folgen", beschloss ich. „Irgendwann werden wir schon auf ein Dorf oder eine Stadt stoßen."

Was danach kam, wusste ich jedoch nicht. Ich konnte nur hoffen, dass wir aus Zufall auf den nächsten Edelstein stoßen würden, so wie es auch bei allen anderen geschehen war. Zufall oder göttliche Fügung begann ich mich unwillkürlich zu fragen. Aber wenn jeder unserer Schritte gelenkt wurde, traf ich dann noch meine eigenen Entscheidungen? Diese düsteren Gedanken wirkten sich auf meine Stimmung aus. Die anderen, gerade noch euphorisch wegen des Erreichens der Grenze, bemerkten meinen Missmut.

„Du wirkst nicht glücklich", stellte Lapislazuli das Offensichtliche fest. Ich zuckte mit den Schultern. „Wir sind noch lange nicht am Ziel. Lasst uns weiterreiten."

Die drei Frauen wechselten vielsagende Blicke, aber keine widersprach.

Schließlich trieb ich Farah an und wir überquerten die Grenze. Im selben Moment überkam mich ein klammes Gefühl. Ich schüttelte mich in der Hoffnung, es abstreifen zu können, aber es blieb.

Nicht weit entfernt stießen wir auf eine verfallene Ruine. Offenbar ein alter Grenzposten. Das Dach des fast quadratischen Gebäudes war eingestürzt und eine der vier Mauern stand nur noch halb. Neugier sorgte dafür, dass ich abstieg und durch die breite Öffnung starrte, in der einst eine Tür gehangen hatte. Aber die Zeit und Nässe hatten ihr den Garaus gemacht. Drinnen war die Decke zum ersten Stock teilweise durchgebrochen, sodass Tageslicht von oben kleine Flecken auf den Boden warf. In einer Ecke, vor Witterung geschützt, standen ein paar Stühle um einen Tisch, dem bereits ein Bein abgebrochen war. In einer anderen Ecke sah ich ein umgestürztes Regal. Die Bücher und Dokumente, die einst darin aufbewahrt worden waren, waren schon lange verrottet.

Ich zog den Kopf zurück. Hier gab es nichts mehr von Bedeutung.

Wir ritten weiter durch das verlassene Land, folgten der zerstörten Straße, in der Hoffnung bald auf Menschen zu stoßen. Stattdessen entdeckten wir weitere aufgegebene Gebäude am Straßenrand. Viele schienen ehemalige Gastwirtschaften gewesen zu sein. Doch wo kein Handel blühte, lohnte sich das Geschäft nicht und die Inhaber hatten ihr Heim entweder verlassen, oder waren irgendwann verarmt gestorben.

Als es zu dämmern begann, entdeckten wir nicht fern eine weitere Ruine. Sie besaß sogar ein teilweise noch intaktes Dach und wir entschieden, die Nacht dort zu verbringen, da es vor ein paar Stunden zu nieseln begonnen hatte und jeder, abgesehen von Lapislazuli, sich allmählich klamm zu fühlen begann. Wir führten die Pferde ebenfalls ins Innere.

Danach versammelten wir uns vor dem Kamin, in dem Sphen ein kleines Feuer entzündet hatte. Es qualmte stark, aber es wärmte. Niemand war in der Stimmung für Gespräche und so brütete jeder düster vor sich hin. Wieder kamen mir Zweifel, ob ich meine Reisegefährten nicht auf eine Art Himmelfahrtskommando geschickt hatte. Doch jetzt war es zu spät zum Umkehren.

Einer nach dem anderen fiel in einen tiefen Schlaf und am Ende waren nur noch ich und Sphen wach. Er beobachtete mich mit unbewegter Miene, während ich im Schein des Feuers mithilfe eines meiner Messer ein Stück Holz schnitzte. Nur die Finger seiner rechten Hand klopften nahezu unhörbar in einem bestimmten Rhythmus auf seinen Oberschenkel.

„Meinst du, wir werden es schaffen?"
Ich zuckte mit den Schultern, ohne meine Arbeit zu unterbrechen. „Was denkst du?", fragte ich schließlich.

Er zögerte. „Ich weiß es nicht. Bei Beladah, als du mir von deiner Mission berichtet hast, habe ich nicht daran geglaubt."

Ich sah auf. „Warum bist du dann mitgekommen?"

„Vielleicht wollte ich etwas von der Welt sehen. Vielleicht wollte ich auch ein Teil von etwas Größerem sein. Vielleicht warst du auch nur einfach sehr überzeugend." Er grinste schwach und seine Zähne schimmerten weiß im dunklen Gesicht. Dann wurde er wieder ernst. „Du hättest bei den Assassinen bleiben können. Vielleicht wärst du irgendwann sogar zum Großmeister ernannt worden."

„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Töten hat mich noch nie glücklich gemacht. Allmählich frage ich mich, warum ich nicht aufgehört habe, als ich dem Orden entflohen bin."

Sphen schnaubte. „Weil wir beide Narren waren. Wir waren beide voller Wut und wir haben beide Rache an denen genommen, die am Tod unserer Eltern schuld sind. Und beide Male handelte es sich um ein System. Aber was du mir mit deiner Flucht gelernt hast, ist, dass es nicht reicht, einfach einzelne Glieder zu töten. Man muss das ganze System stürzen. Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen, denn zuerst wollte ich einfach den Großmeister eliminieren. Bis Karim mir deine wahre Geschichte berichtete." Er seufzte.

Schweigend hatte ich seinen Worten gelauscht. Der Junge war ungewöhnlich gesprächig, aber er hatte recht.

Nur woher wusste Karim, was mich damals dazu bewegt hatte, den damaligen Großmeister zu töten? Wir waren nicht gerade gut miteinander ausgekommen. Fragen über Fragen.

Mit wirren Gedanken schlief ich ein, aber erholt war ich am nächsten Morgen nicht. Meine Träume waren genauso durcheinander und verstörend gewesen.

Dafür war Alyn wieder einmal beängstigend guter Laune. Während der Rest von uns gedrückter Stimmung war, plapperte sie darauf los und erzählte dies und jenes. Nichts war von Belang, aber ihren Anekdoten zu lauschen, beruhigte mich und schließlich schlich sich doch ein leichtes Lächeln in mein Gesicht.

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