Kapitel 12: Ausreißer und Weggefährten

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Lilja erwies sich, im Gegensatz zu Ando, als deutlich besserer Gesprächspartner. War Ando doch eher grundsätzlich schweigsam, schien Lilja damit kein Problem zu haben und hatte inzwischen Vertrauen zu Jarrik gefasst und so führten sie eine recht ungezwungene Unterhaltung auf ihrem Weg gen Süden. Sie unterhielten sich, bei einer kurzen Pause am Wegesrand, gerade über Liljas Schuppenrüstung, die bei ihrem überhasteten Aufbruch im Haus des Vogts liegengeblieben war. In ebenjenem Moment als Lilja erzählen wollte, wie schwierig es ist, das Holz der Bluteibe zu bearbeiten, verstummte sie und lauschte.

Auch Jarrik, der zuerst etwas verwundert war aufgrund des aprupten Gesprächsendes, horchte auf und auch er vernahm jetzt die auf dem Kies des Weges knirschenden Schritte eines schnellen Laufs, die näherkamen. Er wollte schon alarmiert aufstehen, als Lilja im die Hand auf den Arm legte und nur lächelnd schüttelte. "Keine Sorge" zwinkerte sie "diese Schritten bringen keine Gefahr mit sich". Jarrik runzelte etwas misstrauisch die Stirn. Er hatte zwar Vertrauen zu Lilja, aber er verstand nicht woher sie diese Gewissheit nahm.

Lilja, die den Weg hinter Jarriks Rücken im Blick hatte, grinste breiter und breiter je näher die Schritte kamen. Auch Jarrik drehte sich jetzt um, da die Schritte ruhiger wurden und dafür ein Keuchen hörbar war. Auch er grinste jetzt breit und öffnete den Korken seines Wasserschlauchs, den Mara dankbar entgegenahm und gierig trank. Hustend setzte die den Schlauch wieder ab, während Lilja lachend sagte: "Regel Nummer eins beim Ausreißen: nach einem Dauerlauf niemals schnell trinken oder essen." und auch Jarrik lachte. Als sich der Husten halbwegs gelegt hatte und durch das angestrengte Schnaufen ersetzt wurde, stimmte auch Mara zaghaft mit ein.

"Wusstest du davon?" fragte Jarrik zu Lilja gewandt, die scheinbar überhaupt nicht überrascht war Mara zu sehen. Lilja schüttelte den Kopf: "Nein, aber ich hab es mir schon gedacht, Mara hat oft davon gesprochen mehr von der Welt sehen zu wollen und die Gelegenheit war schließlich günstig. Oder Mara?". Diese nickte nur, noch immer leicht außer Atem. "Aber deine Eltern wissen davon?" fragte Jarrik skeptisch, dem es seltsam vorkam, dass Mara ihnen hinterhergelaufen war statt gleich mitzukommen und noch dazu in so seltsamer Kleidung. Alles was sie trug war ihr viel zu groß, weshalb an allen möglichen Stellen kurze Lederriemen nachhalfen alles an Position zu halten. Vor allem die Stiefel schienen mehrere Nummern zu groß zu sein, weshalb ihre Schritte so laut waren.

"Nein... sie hätten mich ja... doch nicht gehen lassen..." antwortete Mara und flehte "bitte... schickt mich nicht... gleich wieder zurück...". Jarrik hatte eigentlich keine Lust sich den Zorn eines Mannes wie Farwin zuzuziehen und dachte schon ernsthaft darüber nach sie direkt zurückzuschicken. Doch da machte ihm Lilja einen Strich durch die Rechnung. "Ich dachte mir sowas schon und hab mit deinen Eltern gestern Abend darüber geredet, hier diesen Brief soll ich dir geben, falls du uns hinterherläufst..." sagte Lilja und überreichte Mara einen zweimal gefalteten Zettel. Diese war sichtlich erstaunt darüber, nahm ihn aber entgegen und setzte sich, um den Brief zu lesen.

Ihr Blick huschte über die wenigen Zeilen und als die Bewegung ihrer Augen endete und sie anscheinend fertig war mit dem Lesen, liefen Tränen stumm über ihre Wangen. Mit getrübten Blick las sie die Zeilen nochmal, drückte sie dann an ihre Brust und faltete den Zettel sorgsam wieder zusammen und steckte ihn ein. Dann wischte sie die Tränen ab und lächelte selig in die Runde. Lilja lächelte nur und Jarrik blickte sie fragend an. "Ich darf mitkommen!" platzte es mit sichtbarer Freude aus Mara heraus. Lilja warf einen Seitenblick auf Jarrik: "Farwin muss dir sehr vertrauen Jarrik, ich habe es gestern zum ersten Mal erlebt, das er so milde und ruhig war, als es darum ging, Mara könnte uns hinterherlaufen.".

"Was? Wieso mir? Was hab ich damit zu tun?" war Jarrik mehr als erstaunt. "Weil ich als Hainhüterin im Wald bei Sonnenfelder bleiben werde und ihr beide allein nach Fingaard weiterreist. Und glaub mir: das hätte Farwin niemals zugelassen, wenn er dir nicht vertrauen würde, Jarrik.". Auch Mara nickte: "So in der Art stand es auch im Brief, ich werde mich bemühen dir nicht zur Last zu fallen.". Jarrik fühlte sich etwas überrumpelt. Na da hatten sie ihm ja was eingebrockt, aber es gab sicherlich weniger angenehme Begleitungen als eine in der Heilkunst bewanderte Hexe. Bis Fingaard waren es ja nur wenige Tage und er war es gewöhnt an mehr als sich selbst zu denken, von daher war er recht sorglos was seine Verantwortung anging. Außerdem war Mara schließlich erwachsen und alt genug um Entscheidungen zu treffen.

"Auf Kameradschaft und eine gute Reise!" sagte er daher einfach nur und hielt ihr die Hand hin. Es schien einen Momen zu dauern bis Mara begriff, doch dann legte sie freudig ihre zierliche Hand in Jarriks schwielige Pranke und besiegelte somit ihre Abmachung.  Der stand auf und zog sie dabei einfach mit hoch auf die Füße. "Dann mal los, genug getrödelt" grinste er ihr entgegen "und keine Sorge, wir gehen nur, du kannst also erstmal ruhig durchatmen.". "Danke!" sagte Mara nur schlicht und nachdem auch Lilja sich erhoben hatte und die Wasserschläuche verstaut waren, ging es weiter den Weg nach Sonnenfelder.

Mara nutzte die Gelegenheit um Lilja auszufragen. Über Fingaard, über Maijun im Allgemeinen, über die Wälder und natürlich über das Gespräch mit Maras Eltern am Vorabend. Jarrik hielt sich hierbei zurück und hörte hauptsächlich zu und so kamen sie zwar erst knapp nach Sonnenuntergang in Sonnenfelder an, aber dafür war es eine sehr kurzweilige Reise geworden.

Der Vogt war sichtlich erfreut Lilja wiederzusehen und war noch glücklicher Mara zu erblicken. Noch immer waren einige der Dorfbewohner verletzt und einen richtigen Heiler gab es im Dorf nicht. Der Einzige, der davon ein wenig Ahnung hatte, war der Priester gewesen und der lag bereits, zum Schutz vor einer Seuche, mit den anderen Toten verscharrt auf dem Gräberfeld des Dorfes. So gab es also ein großes Willkommen für Mara die davon sichtlich verlegen wurde aber ihr bestes tat, um den Verwundeten zu helfen. Die meisten Verletzungen waren zum Glück oberflächlich, so reichte es aus, dass Mara noch am selben Abend, aus den im Dorf vorhandenen Kräutern, Salben und Umschläge verarbreichte.

Am darauf folgenden Tag ließen es sich die Einwohner von Sonnenfelder nicht nehmen, die Rettung des Dorfes, Liljas Rückkehr und Maras Hilfe mit einem kleinen Fest zu begehen. Jarrik war zwar auch ein Teil der Rettung gewesen, doch letztlich blieben sowohl der Vogt als auch die Dorfbewohner sehr zurückhaltend, was ihn anging. Doch das störte Jarrik nicht so sehr, ihm war das sowieso zuviel Trubel, als das er solche Feste wirklich genießen könnte. Er bevorzugte da doch eher die ruhigen Runden am Lagerfeuer.

Finn und seine Schwester, zu denen Jarrik bei seinem ersten Aufenthalt in Sonnenfelder ein wenig Kontakt hatte, hatten das Dorf zwei Tage zuvor verlassen. Beim Angriff hatten sie beide Elternteile verloren und das abgebrannte Gebäude war ihr Zuhause gewesen und so wollten sie ihr Glück in Fingaard versuchen. Jarrik hoffte sie in Fingaard wiederzusehen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nicht besonders groß war. Fingaard war mit über 7.000 Einwohnern eine der größten Städte des Kontinents, dagegen war Sundheim mit seinen etwa 800 Einwohnern oder gar Sonnenfelder mit nichtmal 60 Einwohnern doch recht überschaubar. Die Wahrscheinlichkeit den beiden dort also zufällig zu begegnen schätzte Jarrik somit als nicht besonders hoch ein.

Wie schon den Abend zuvor, zog sich Jarrik dann an den Dorfrand unter eine Linde zurück und bereitete sich sein Nachtlager aus der robusten Decke und dem rauen Umhang, den er von Farwin bekommen hatte. Er hatte zwar nichts gegen ein weiches Bett, welches er auch wie Mara und Lilja im Haus des Vogts bekommen hätte, aber die Nächte waren sternenklar und so ruhig, das Jarrik es genoß unter dem Himmelszelt zu schlafen. Das sorgte auch dafür, das er zeitig erwachte und nicht diese Schwere und Müdigkeit der Glieder hatte, die beim Schlafen in warmen und weichen Betten so oft vorkam.

So kam es, das er am nächsten Morgen bereits früh am Wassertrog mit freiem Oberkörper vor dem Brunnen stand und sich wusch. Gerade als er sein Wams wieder anziehen wollte spürte er eine Hand im Rücken und hörte Liljas Worte: "Ich habe so etwas noch nie gesehen... beim nächsten Mal will ich die Geschichte dazu hören...". Dabei strich sie andächtig über Jarriks vernarbten Rücken. Die Schnittwunde vom Kampf im Dorf war durch Maras Heilmagie restlos verschwunden, nicht mal eine Narbe war zurückgeblieben, aber die alten Narben auf Jarriks Rücken in dem Bereich waren geblieben. Das war insofern seltsam, da Heilmagie für gewöhnlich selbst alte Wunden und Narben verschwinden ließ.

"Werden wir uns denn wiedersehen?" brummte Jarrik und zog sich nun sein Wams an, während er sich zu Lilja umdrehte. Lilja zuckte mit den Schultern: "Ich weiß es nicht, aber ich hab da so ein Gefühl. Schwer zu beschreiben, aber mein Gefühl täuscht mich selten.". Jarrik grinste schief: "Wir werden sehen... aber ich hätte nichts dagegen. Du gehst?". Lilja nickte: "Ja, es ist Zeit, mein Wald braucht mich.". "Ich verstehe. Danke und bis bald, Lilja.". Jarrik und Lilja reichten sich die Hände und verabschiedeten sich und schon wenige Augenblicke später wurde Lilja vom Wald verschluckt.

Jarrik betrat das Haus des Vogts, welcher mit Mara am Tisch saß. Als er Jarrik sah, sprang er auf und begrüßte ihn, führte ihn an den Tisch und brach das Brot mit Jarrik und Mara. Mara, die nun deutlich besser gekleidet war, da sie von einer der Frauen zum Dank für die Heilung ihres Mannes ein paar besser sitzende Reisekleider bekommen hatte, war noch sichtlich müde und gähnte. Der Vogt kratzte sich, spürbar verlegen am Kopf bevor er anfing zu Jarrik zu sprechen: "Wir waren undankbar. Dafür möchte ich um Verzeihung bitten. Auch wenn Ando den Kampf beendete, so wären ohne Lilja und dich viele mehr gestorben, doch du warst ein Fremder und wir haben dich gemieden und dir nicht gedankt. Das möchte ich jetzt nachholen, im Namen des ganzen Dorfes.". Er zog dabei einen in ein Tuch gewickeltes, längliches Objekt unter dem Tisch hervor und reichte es Jarrik. "Es ist leider nichts besonderes, aber wir denken, bei dir ist es in guten Händen und ich bin inzwischen zu alt um es noch zu benutzen.".

Verwundert nahm Jarrik das Geschenk entgegen und wickelte es aus dem Tuch. Darunter kam ein Schwert in einer, wohl früher roten und inzwischen eher gräulichen und speckigen Lederscheide, zum Vorschein. Das Heft und der Knauf waren aus Holz und offensichtlich aus der gleichen Bluteibe wie Liljas Rüstung, denn es schimmerte rot. Jarrik zog ein Stück des Schwertes aus der Scheide, welches die Klinge nur widerwillig und leise knirschend freigab. Der Vogt sagte entschuldigend und sichtlich verlegen: "Es lag jetzt ein paar Jahre in einer Truhe... ein wenig Pflege ist wohl nötig...". Jarrik nickte zustimmend, doch die zugegenermaßen schartige Klinge wies, trotz der mangelnden Pflege, nur oberflächlichen Rost auf, was für die Güte des Stahls sprach. Er erhob sich und zog die Klinge komplett, aus der Scheide rieselten einzelne Rostpartikel und Schmutz. Mit seiner etwa 80 cm langen Klinge war das  Spatha kürzer und leichter als die von Jarrik bevorzugten Bastardschwerter, aber es lag ungewöhnlich gut ausbalanciert in seiner Faust und war sicherlich um Welten besser als die grob geschmiedeten Waffen der Orcs.

Dankbar nahm Jarrik dieses Geschenk an und erbat sich noch einen ölgetränkten Lappen und einen Wetzstein, den der Vogt herbeischaffte während Jarrik und Mara ihr Frühstück zu sich nahmen. Anschließend verabschiedeten sie sich vom Vogt und den wenigen Dorfbewohnern, die noch nicht auf den Feldern waren oder ihren Arbeiten nachgingen. Weder Jarrik noch Mara kannten den Weg, aber die breite Straße wies ihnen den Weg.

Der erste Tag ihrer Reise verlief angenehm ruhig. Jarrik musste sein Marschtempo etwas zurücknehmen, auch wenn sie es nicht kundgab und sich tapfer hielt, strengte Mara die Reise doch sehr an. Er rechnete damit, dass sie dadurch etwa einen halben Tag später ankommen würden, also in etwa drei bis vier Tagen, was er aber für in Ordnung befand, schließlich wurde er ja nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt erwartet. In der größten Mittagshitze suchten sie Schutz unter den Bäumen und Jarrik säuberte und schärfte die Klinge, während Mara sich erbot die Schwertscheide zu reinigen.

Anschließend wanderten sie weiter, bis es kurz vor Einbruch der Dunkelheit Zeit war, das Nachtlager aufzuschlagen. Mara, die kalte Nächte im Freien nicht gewohnt war, hätte gerne ein Feuer angezündet, aber Jarrik sprach sich dagegen aus. Sie hatten weder genug trockenes Feuerholz, noch einen Grund ein Feuer zu machen, da sie genug Trockenfleisch und Brot hatten für mehrere Tage. So verbrachte Mara die zweite Nacht im Freien, doch diesmal nicht in Gefangenschaft der Orcs, sondern unter dem ruhigen Sternenzelt. Nach anfänglicher Unruhe begann sie die Wirkung der funkelnden Sterne einzulullen und so schlief sie schließlich doch ein.

Wie gut es war, dass sie kein Feuer angezündet hatten, zeigte sich am nächsten Morgen, kurz nachdem sie losgezogen waren.

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