KAPITEL 1 - TRISTAN (4)

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DAS SCHLOSS VON ISMATHIEL, TALLION-TURM  

   „Ist sie das wirklich?", fragte seine Tante schließlich, ihre Stimme voller Unglauben, den Blick auf das schlafende Mädchen in seinen Armen gerichtet.
   „Was bei allen Mächten hast du mit ihr gemacht?", donnerte Incendius, als sich Lilliana nicht rührte.
Tristan zuckte nicht mit der Wimper, auch wenn Incendius' erste Reaktion auf die Rückkehr seiner Tochter heftiger ausgefallen war, als sein Neffe es erwartet hatte.
   „Sie schläft bloß, Onkel, kein Grund, um sich aufzuregen", entgegnete Tristan gelassen und wandte sich von seiner Familie ab, um Lilliana in ihr neues Bett zu legen. Er wollte nicht, dass sie fror, wo sie doch nur ein langes T-Shirt trug trug und es in ihrem Schlafzimmer nicht gerade warm war.
   „Lass mich", bat seine Tante und trat neben ihn, um ihre lange vermisste Tochter zuzudecken, wie es eine Mutter tun sollte. Solaias Hände zitterten dabei, schließlich war es das erste Mal für sie. Erst als Lilliana bis zum Kinn von weichen Decken in dunklem Grün zugedeckt war, ließ die Elfenkönigin von ihr ab.
   „Wie groß sie ist", flüsterte sie noch immer ungläubig mit einem Blick auf Tristan. Er spürte die Unsicherheit seiner Tante, teilte sie mit ihr. Es war eine Sache, zu wissen, wie man sich fühlte, wenn man das erste Mal hier auf Ismathiel erwachte und die Wahrheit hörte. Eine ganz andere aber war es, jemandem dabei zuzusehen, wie er auf diese Welt reagierte. In wenigen Stunden würde es so weit sein. Der Schlafzauber würde langsam abklingen und seine Cousine zum ersten Mal seit so vielen Jahren ihre Heimat wiedersehen.
   „Du hast verdammt lange gebraucht, Junge. Gab es Komplikationen?", fragte Incendius und trat neben Solaia, um auf seine schlafende Tochter hinabzublicken. Tristan erkannte, dass hinter all den anklagenden Worten, ein besorgter Vater steckte, und zwang sich, ruhig zu bleiben.
   „Nein, die gab es nicht, aber bis ich Ryac und sie gefunden hatte, hat es etwas gedauert", entgegnete Tristan. Bei seinem Onkel war es ihm schon immer leicht gefallen, zu lügen. Incendius brauchte nicht zu wissen, dass sein Neffe ganze drei Tage damit verschwendet hatte, Lilliana zu beobachten. Er war neugierig gewesen, hatte sehen wollen, wie sie ihrem Leben nachging, auch wenn alles auf einer einzigen, großen Lüge basierte. Er wollte wissen, wie sie sich ihren Mitwesen gegenüber verhielt, wie sie war, wie sie lachte und lebte. War es denn so falsch? Er selbst hatte nie ein normales Leben auf der Erde gehabt, aber es tröstete ihn, dass es wenigstens ihr besser ergangen war.
   „Ist das wahr, General?" Incendius wandt sich Ryac zu, der seit ihrer Rückkehr keinen Ton mehr gesagt hatte. Er schien viel zu sehr damit beschäftigt gewesen zu sein, die Wunder Ismathiels in sich aufzunehmen, wo er doch lange Zeit ohne sie hatte leben müssen.
Tristan warf Ryac einen warnenden Blick zu, doch spürte er bereits, dass die Loyalität des Generals bei ihm lag und nicht bei Incendius.
   „Sehr wohl, eure Majestät. Der Zauber hat sie gut geschützt, aber nicht mehr für lange", erklärte Ryac und sah von seinem Platz hinüber zu Lillianas Bett.
   „Erzählt uns von ihr, General. Hatte sie eine schöne Kindheit?", bat Solaia und strich Lilliana vorsichtig über das Gesicht.
   „Solaia, lass den Mann. Er wird sicher Besseres zu tun haben, nun da er wieder in der Heimat ist." Incendius legte seiner Frau einen Arm um die Schulter und schüttelte den Kopf.
   „Nein, eigentlich nicht, Eure Majestät. Ich erzähle gerne von ihr, wenn die Königin es möchte", entgegnete Ryac und entlockte Tristan ein belustigtes Schnauben. Nur wenige Bürger Ismathiels hatten den Mut, ihrem König zu widersprechen. Es waren die rotglühenden Augen und die häufigen Wutausbrüche, die sie das Fürchten gelehrt hatten, doch Ryac hatte den König die letzten siebzehn Jahre nicht mehr erlebt und schien seine Angst verloren zu haben, falls er überhaupt jemals vor irgendetwas Angst gehabt hatte.
Tristan kannte die Vorgeschichte des Generals, wusste, dass er von den wilden Dracheninseln stammte und dort mehrere Jahrhunderte lang in den Kampfarenen Blut und Schweiß gelassen hatte. Irgendwann hatten Ruhm und Ehre, die ihm seine Stärke eingebracht hatte, nicht mehr ausgereicht. Und so war er nach Ismathiel gekommen, um mit den Kriegern vor Ort Saltera, ihrem größten politischen Gegner, zu trotzen.
   „Das bedeutet mir sehr viel, General Daracris. Ich danke Euch." Solaia wandte sich von Lillianas Bett ab und schenkte deren Beschützer eines ihrer seltenen strahlenden Lächeln. Häufig hatte Tristan es während seiner Zeit auf Ismathiel noch nicht gesehen, aber irgendetwas daran, hatte immer sein Herz berührt. Ob es an der Freundlichkeit in ihren goldenen Augen lag oder der Herzlichkeit, die sie dabei ausstrahlte, vermochte er nicht zu sagen. Vermutlich beides.
   „Lasst uns in das Vorzimmer gehen, damit sie weiterschlafen kann. Wir wollen sie doch nicht erschrecken, wenn sie aufwacht und alle um sie herumstehen und sie angaffen", schlug Oranio, Tristans Vater vor, und deutete auf die Tür zum Nebenzimmer. Tristan nickte ihm dankbar zu.
   „Eine gute Idee, mein Lieber. Lassen wir das arme Mädchen schlafen. Sie hat schon genug gelitten ihr ganzes Leben lang", pflichtete ihm Violetta, Tristans Mutter, bei und hakte sich bei ihm unter.
   „Ich glaube nicht, dass sie gelitten hat, Mutter", entgegnete Tristan und folgte ihr. „Im Gegensatz zu mir, war ihre Hülle nahezu intakt."
   „Ach Kindchen, wer hat denn etwas von dem Zustand der Hülle gesagt? Ich meinte natürlich ihr Aussehen! Sieh sie doch an. Sie sieht uns kaum ähnlich", entgegnete Violetta tadelnd und fuhr sich durch die lila Locken, die eigentlich so blond waren wie die ihrer Schwester Solaia. Sie musste sie sie mal wieder kurz nach seinem Aufbruch zur Erde gefärbt haben. Spätestens am nächsten Tag würden es die modebewussten Frauen Ismathiels ihr gleichtun, wenn es nicht längst geschehen war.
   „Ich glaube wohl kaum, dass sie das stört. Vor allem nicht, wenn sie erwacht und die Wahrheit über sich und uns erfährt." Tristan bemühte sich zwar den Ärger aus seiner Stimme herauszuhalten, doch hatte ihn Violettas Art, die wirklich wichtigen Dinge zu übersehen und sich stattdessen auf Äußerlichkeiten zu fokussieren, schon immer genervt. Violetta hielt inne und drehte sich zu ihm um, eine pinke Braue erhoben.
   „Meinst du denn nicht, dass sie sich freuen wird?", fragte sie.
   „So wie ich mich gefreut habe?", konterte er, woraufhin für den Bruchteil einer Sekunde Traurigkeit über Violettas weiß gepudertes Gesicht huschte. Statt etwas zu erwidern, drehte sie sich wieder um und ließ sich auf eines der Sofas nieder. Das Kleid, das sie trug, bestand aus solch ausladenden Röcken, dass sich Tristans Vater mit einem Sessel daneben begnügen musste. Tristan zog es allerdings vor, zu stehen. Im Moment durchströmte ihn eine solche Energie, ausgelöst durch die Aufregung, die Lillianas Rückkehr in ihm wachgerufen hatte, dass er es nicht ertragen hätte, still zu sitzen.
Seine Tante war die letzte seiner Familie, die sich setzte, noch immer Tränen in den Augen und mit zitternden Händen.
   „Sie ist zurück", flüsterte sie wieder und wieder, als könnte sie es noch immer nicht glauben. Incendius, der neben ihr platzgenommen hatte, legte ihr behutsam einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. Eine Welle der Liebe schwappte über Tristan hinweg, der jedes Mal aufs Neue überrascht war, wenn sein Onkel seine Zuneigung so offen zeigte. Sonst kannte Tristan ihn nur als den wütenden, verletzten König, der alles daransetzte, dass es seinem Volk gut ging. Der sich so oft die Schuld an Tante Solaias Schmerz gab und auch an den Depressionen seiner Schwägerin Violetta, die sie für Tage, manchmal sogar Wochen ans Bett fesselten. Beide Frauen hatten den frühen Verlust ihrer Erstgeborenen nur schwer verwunden. Er hatte Spuren auf ihrer Seele hinterlassen, tiefe Kratzer und Risse, die Dunkelheit mit sich brachten und das heitere Gemüt der beiden Schwestern häufig überschatteten.

   „Der Schlafzauber wird eine ganze Weile anhalten, fürchte ich. Ich wusste nicht, wie viel sie verträgt, und wollte nicht riskieren, dass sie mitten im Tunnel aufwacht", sagte Tristan, als nun alle um den kleinen Kaffeetisch herum versammelt saßen. „Es tut mir leid, dass du noch so lange warten musst, bis du sie endlich kennenlernen kannst, Tante." Er legte Solaia eine Hand auf die Schulter und ließ winzige unsichtbare Fäden seiner Magie über seine Finger gleiten, um sie zu beruhigen. Eine viel zu aufgeregte Mutter war das Letzte, was Lilliana brauchen konnte, sobald sie erwachte.
   „Erzählt uns etwas über sie, während wir warten. Sonst werden wir noch verrückt", bat Incendius Ryac. Tristan merkte, dass sich sein Onkel sehr zusammenreißen musste. An der Art und Weise, wie seine Hand zuckte und er mit den Füßen wippte, sah man ihm deutlich an, wie sehr ihn das Warten anstrengte. Incendius war noch nie ein geduldiger Elf gewesen und konnte wirklich ungemütlich werde, wenn er nicht das bekam, was er wollte. Und in diesem Moment wollte er nichts sehnlicher, als endlich in die Augen seiner Tochter sehen zu können, sie in den Arm zu nehmen und sich für all die Jahre der Unwissenheit zu entschuldigen. Dieser Wunsch war so dringlich, so intensiv, dass Tristan ihn fast als seinen eigenen wahrnahm.
   „Sie ist eine wirklich gute Schülerin und hat einen Dickkopf, der sie so manches Mal in Schwierigkeiten gebracht hat", begann Ryac und ein Lächeln erhellte seine sonst recht grimmigen Züge. Er war ein Mann des Kampfes, der Fäuste und nicht der Worte, aber wenn er über Lilliana sprach, schlich sich eine Freundlichkeit in seinen Blick, die völlig untypisch für ihn war. Tristan kannte schließlich Ryacs Ruf in Ismathiel. Niemand wusste genau, wo sich der General in all den letzten Jahren herumgetrieben hatte, aber Gerüchte gab es zu Hauf.
   „Ihr scheint sehr eng mit ihr gewesen zu sein, General." Solaia betrachtete Ryac schon die ganze Zeit und sprach genau das aus, was Tristan bereits gespürt hatte. Wenn er es nicht falsch deutete, hatte der General etwas wie väterliche Gefühle für seinen Schützling entwickelt. Etwas, das Incendius überhaupt nicht zu gefallen schien. Tristan warf seinem Onkel einen bedeutungsvollen Blick zu, doch hatte dieser bloß Augen für den Mann, der seine Tochter so lange Zeit begleitet und vor jeglicher Gefahr beschützt hatte.
   „Das stimmt. Schon seit sie ein kleines Mädchen war, habe ich sie ausgebildet", gab Ryac zu und das Lächeln wurde breiter. Bilder und Erinnerungsfetzen von der kleinen Lilliana strömten zu Tristan hinüber und dieses Mal zog er seine Schutzmauern nicht in die Höhe. Es war etwas ganz Besonderes über die Gedanken eines anderen zu sehen, wie sie aufgewachsen war, noch dazu aus der Sicht von jemandem, der ihr wirklich sehr nahe gestanden hatte.
   „Ausgebildet?", fragte Incendius verwundert, fast schon verärgert, schien sich aber gerade noch zurückhalten zu können. Tristan stieß sich vom Sofa ab, auf dem seine Tante saß und kam näher zu seinem Onkel, nur für alle Fälle. Es würde nicht einfach werden, ihn zu bändigen, aber Tristan konnte es schaffen.
   „In der Tat, Eure Hoheit. Ich dachte, es könnte nicht schaden, wenn sie ihre Zeit auf der Erde sinnvoll nutzt und bereits etwas über das Kämpfen lernt", erklärte Ryac, das Lächeln war verschwunden. Er schien zu merken, dass er hier einen wunden Punkt getroffen hatte.
   "Seid ihr den des Wahnsinns, General? Was, wenn sie Fragen gestellt hätte? Was hättet ihr getan, wenn sie sich ernstlich verletzt hätte?" Und fort war die Beherrschung seines Onkels. Er verstand wirklich keinen Spaß, wenn es um das Wohlergehen seiner Tochter ging. Tristan sammelte seine Magie und entsandte sie in sanften Wellen in Richtung seines Onkels. Er konzentrierte sich darauf, sie so positiv und beruhigend wie möglich zu gestalten, um das Feuer, das durch Incendius' Adern tobte, zu bändigen.
   „Wag es ja nicht, Junge!", rief Incendius, als er die unsichtbare Wolke auf sich zukommen spürte, doch war es längst zu spät, um die Magie zu sich zurückzurufen.
   „Lass ihn ausreden, Incendius. Am Ende bist du ihm sogar dankbar, dass er es getan hat", entgegnete Tristan ruhig und trennte den Zauber endgültig von sich, sodass Incendius im Bruchteil einer Sekunde in einer Wolke aus allerlei positiver Magie und Gefühlen eingeschlossen wurde und für die nächste halbe Stunde schweigen würde. Diese ewigen Diskussionen hatte Tristan definitiv nicht vermisst.
   „War das wirklich nötig, Tristan? Das wird er dir sicher die nächsten Tage noch vorhalten", warnte Oranio seinen Sohn und schüttelte den Kopf. Beim Anblick seines sprachlosen Zwillingsbruders musste der Elfenkönig trotzdem lächeln. Incendius dankte es ihm mit einem finsteren Blick, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte und sich wieder Ryac zuwandte, was dieser als Aufforderung zum Weiterspechen auffasste.
   „Sie war sehr schwach als kleines Kind und wurde ständig gehänselt. Sie konnte sich nicht wehren, zumindest nicht körperlich, aber sie war wirklich gut im Austeilen", fuhr dieser schließlich fort, wobei er Tristan für einen Moment dankbar zunickte.
   „Sie scheint ja sehr nach dir zu kommen, Bruder", merkte Oranio an, was ihm einen weiteren zornigen Blick von Incendius einbrachte und Solaia wieder dieses aufrichtige Lachen entlockte
   „In der Tat. Irgendwann hat sie es nicht mehr ausgehalten und ihre Zieheltern um Hilfe gebeten. Sie haben sie zu mir gebracht, meine Tarnung als Kampfsportlehrer hat sich also ausgezahlt."
   „Und du fandest das damals übertrieben, weißt du noch?", fragte Solaia Incendius und schien es sichtlich zu genießen, dass er ihr nicht antworten konnte. Tristan tat wirklich alles, um sich ein Lachen zu verkneifen, aber es war verdammt schwer. Einzig die Tatsache, dass Incendius' Zorn wesentlich größer sein würde, sobald der Zauber nachgelassen hatte, hinderte den Prinzen daran. Und er würde sich ganz sicher nur gegen seinen Neffen richten, schließlich hatte ihn dieser in diese Lage gebracht.
   „Seitdem unterrichte ich sie, zunächst nur in Selbstverteidigung, aber mittlerweile beherrscht sie so einige Kampftechniken, selbst das Schwert weiß sie zu führen", setzte Ryac seinen Bericht fort und überraschte damit sogar Tristan. Incendius sah aus, als würde er jeden Moment aufspringen wollen, so wütend funkelten seine Augen.
   „Schwertkampf? Das gebührt sich nicht für eine Prinzessin", warf Violetta ein und schürzte unzufrieden die Lippen. Tristan kannte die Gedanken seiner Mutter, wusste, dass sie sich bereits darauf gefreut hatte, noch ein weiteres Opfer für ihre modischen Extravaganzen gefunden zu haben. Ein schwertkämpfender Dickkopf schien dafür recht unpassend.
   „Wenn das, was mir über ihre Zukunft erzählt wurde, tatsächlich stimmt, braucht sie jedes bisschen Vorbereitung, das sie bekommen kann. Ich habe bloß meinen Teil dazu beigetragen", gab Ryac zurück und verschränkte verärgert die Arme vor der Brust.
   „Schwester, warum hast du ihn als ihren Beschützer ausgewählt? Gerade ihn mit seinen rüpelhaften Manieren! Oh, dieses Mädchen wird sicher ein großes Stück Arbeit erfordern, damit sie nicht nur auf dem Papier und durch das Blut, das durch ihre Adern fließt, eine echte Prinzessin wird." Violetta fächerte sich Luft zu, als hätte sie jetzt schon alle Hände voll zu tun. Tristan wollte gerade einlenken, vor allem weil er spürte, wie Ryac neben ihm immer wütender wurde, doch kam ihm seine Tante zuvor.
   „Ich hatte meine Gründe, Schwester", entgegnete sie ernst und wandte sich wieder Ryac zu. „Ich danke Euch, dass Ihr die Zeit weise genutzt habt, General. Verzeiht meiner Schwester die harschen Worte, aber die Rückkehr ihrer Nichte schlägt sich offenbar auf ihre Nerven."
Nun konnte sich Tristan ein Lachen nicht verkneifen. Auch Solaia stimmte mit ein und fast wirkte es, als würde auch Incendius lachen wollen, wäre er nicht noch immer zum Schweigen verdonnert.
   „Harsche Worte? Also wirklich, Solaia! Wie kannst du es wagen!", rief die ältere der beiden und schüttelte beleidigt den Kopf.
Tristan war drauf und dran auch seine Mutter mit einem Beruhigungszauber zu belegen, doch schien bei Violetta ein Blick seines Vaters zu genügen, um sie zum Schweigen zu bringen. Fürs erste zumindest.
   „Beruhige dich, Schwester, sonst weckst du sie noch auf. Ich bin noch nicht bereit dazu, ihr gegenüberzutreten", entgegnete Solaia, die Stimme plötzlich flehend, unsicher. Violetta nickte ihr lediglich zu, weil sie ganz genau verstand, in welcher Lage sich ihr jüngerer Zwilling befand. Auch Violetta war nicht bereit gewesen, ihr verlorenes Kind wiederzusehen, noch weniger als Solaia, schließlich hatte diese sich in den letzten drei Tagen auf Lillianas Ankunft vorbereiten können. Tristan dagegen war plötzlich und ohne Vorwarnung nach Ismathiel zurückgebracht worden. Und auf einmal war er vor ihr gestanden, seiner Mutter, die er für eine weitere Wahnvorstellung gehalten hatte, bis man ihm die Hülle entfernt und er die Wahrheit mit eigenen Augen hatte sehen können.
   „Sagt mir nur noch eines, General", bat Solaia, die großen goldenen Augen wieder auf Ryac gerichtet. „Hatte sie ein schönes Leben dort? Waren ihre Ziehltern gut zu ihr?"
Obwohl er seinen Geist vor den Gedanken und Gefühlen der anderen Anwesenden geschützt hielt, spürte Tristan, wie wichtig seiner Tante diese Frage war. Er wusste, dass sie es sich nie würde verzeihen können, sollte Ryacs Antwort negativ ausfallen.
Als dieser wieder lächelte und nickte, entspannte sich seine Tante vollkommen. Wieder trat dieses seltene Strahlen in ihre Augen und ließ sie noch goldener funkeln als die Krone, die sie trug.
   „Das hatte sie, Eure Majestät. Ihre Zieheltern haben sie umsorgt, als wäre sie ihr eigenes Kind, haben ihr praktisch jeden Wunsch von den Lippen abgelesen und sich mit Hingabe um sie gekümmert."
Tränen traten in Solaias Augen. Incendius machte Anstalten, zu ihr zu gehen, kam jedoch dank des Zaubers nicht von seinem Sessel hoch und funkelte Tristan nur noch wütender an.
   „Schon gut, meine Liebe, schon gut", flüsterte Violetta, während sie mit rauschendem Gewand den Kaffeetisch umrundete und sich zu Füßen Solaias niederließ.
   „Ich wünschte, ihn wäre bei ihr gewesen", schluchzte die jüngere Königin. Ihr Schmerz und ihre Sehnsucht donnerten gegen Tristans Schutzbarrieren, rüttelten daran wie Riesen, die die Mauer einer Festung einreißen wollten. Es gelang ihm nur unter großen Anstrengungen, seine Barrieren aufrecht zu erhalten und die fremden Gefühle, die durch das Zimmer tobten, auszusperren.
   „Ich weiß, Liebes, aber jetzt ist sie ja hier, früher als gedacht", entgegnete Violetta und wirkte zum ersten Mal wie die große Schwester, die sie nie gewesen war. Stark und voller Mitgefühl für Solaia. Tristan warf seinem Vater einen verwunderten Blick zu, doch zuckte Oranio bloß mit den Schultern.
Innerhalb des Sturms, den Solaias Gedanken verursachten, war es schwierig die seiner Mutte herauszuhören, doch hin und wieder drang ein Fetzen zu ihm hinüber, den Tristan durch seine Barrieren ließ. Scheinbar wollte sich Violetta bei ihrer Schwester revanchieren dafür, dass Solaia sie die letzten siebzehn Jahre über aufrecht gehalten hatte. Nun lag es an Violetta, seine Tante auf die Rolle als Mutter vorzubereiten, auch wenn sie selbst darin nicht die beste war.
   „Ich will diese freudige Familienzusammenführung ja nur ungern unterbrechen, aber wir haben ein klitzekleines Problemchen", unterbrach eine altbekannte Stimme Solaias Schluchzen. Tristan drehte sich augenblicklich nach dem Sprecher um, dessen schmächtige, gekrümmte Gestalt noch halb von Magie eingehüllt war.
   „Lucideon? Was führt dich hierher?", fragte Tristan verwirrt. Der Rest seiner Familie schien noch zu perplex über den plötzlichen Auftritt des alten Magiers zu sein, um etwas zu sagen.
   „Das Prinzesschen da drin natürlich, Junge!", entgegnete der Zauberer und deutete mit seinen knochigen Fingern auf die angelehnte Tür zu Lillianas Schlafzimmer.
   „Woher bei allen Mächten weißt du von ihrer Rückkehr?", fragte Tristan, dem das Herz plötzlich schneller schlug. So war das nicht geplant gewesen. Eigentlich hätte niemand von Lillianas Ankunft erfahren sollen, zumindest niemand außerhalb dieser vier Wände.
   „Von der lieben Vivianne Seriastellarion und deren Zukunftsvisionen", entgegnete der Alte und ließ sich ungefragt auf einen Sessel sinken.  


Hey ihr Lieben!
So, das war der letzte Teil von Kapitel 1. Jetzt kennt ihr schon ein paar Mitglieder aus Lillis und Tristans Familie. Die Tallions sind alle ein wenig eigenartig, aber da werdet ihr euch schon dran gewöhnen :)

Beim nächsten Mal gibt es dann ein paar Teile aus Lillis Perspektive und ich bin schon ganz gespannt, was ihr von ihr haltet. Wie immer freue ich mich natürlich über eure Votes und Kommentare :)

Danke an alle, die mich bisher unterstützt haben!
❤ Kate

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