KAPITEL 8 - LILLIANA (4)

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DAS SCHLOSS VON ISMATHIEL, TALLION-TURM


Lilli wollte protestieren, doch wusste sie, dass sie am kürzeren Hebel saß. Tristan hatte ihr klar gemacht, dass er auf ihre Wutausbrüche, magisch oder nicht, nicht reagieren würde. Und ehrlich gesagt, machte ihr diese Macht noch immer zu große Angst, um sie weiterhin einsetzen zu wollen. Diese Magie hatte etwas in ihr verändert, ließ sie vor sich selbst erschrecken durch die Bereitschaft, die sie vorhin gezeigt hatte, ihren Willen, wenn nötig, mit Gewalt durchzusetzen.

   „Irgendwann habe ich dann aber doch begriffen, weshalb man mich weggeschickt hatte. Es hat immer wieder Besucher hier gegeben, die ein zu großes Interesse an meinen Fähigkeiten gezeigt haben", fuhr Tristan schließlich mit seiner Erklärung fort. „Unsere Kräfte sind so viel stärker als alles andere in den bekannten Welten. Lilliana. Viele würden nicht davor zurückschrecken, ganz Ismathiel in Schutt und Asche zu legen, um sie sich einzuverleiben. Und genau das wird vielleicht noch geschehen." Tristan hob den Blick und sah sie beschwörend an. „Je eher du in der Lage bist, dich selbst zu verteidigen, desto sicherer ist es nicht nur für dich, sondern für unser gesamtes Reich."

Unser gesamtes Reich. Das hörte sich völlig absurd an und doch war Lilli hier. Ihr ganzes Leben lang hatte sie von Ismathiel geträumt, hatte sich vorgestellt, wie es wäre, tatsächlich durch diesen imposanten Bau zu laufen, und jetzt war es Wirklichkeit.
   „Glaubst du mir?", fragte Tristan mit einer solchen Dringlichkeit im Blick, als hinge sein Leben von Lillis Antwort ab. Sie schluckte und biss sich auf die Lippe.
Glaubte sie ihm?
Alles, was er gesagt hatte, war darauf ausgerichtet gewesen, sie von den Beweggründen ihrer angeblichen Eltern zu überzeugen. Lilli kannte diese Leute nicht, wusste nicht, was sie tun würden, um sie für sich zu gewinnen. Sie wusste allerdings, dass sie ihren Augen trauen konnte, und die hatten die Traurigkeit in Tristans Blick gesehen, als er von seiner Zeit auf der Erde erzählt hatte. Also musste zumindest ein Quäntchen Wahrheit in seinen Worten stecken. Das würde allerdings auch bedeuten, dass sie beide in schrecklicher Gefahr schwebten, wenn tatsächlich so viele Menschen hinter ihren Fähigkeiten her waren.
Lillis Herz schien heute nicht zur Ruhe zu kommen. Der Gedanke plötzlich Beute für namenlose Bewohner verschiedenster Welten zu sein, denn davon gab es laut Tristan offenbar einige, jagte ihr Angst ein. Und nicht nur das, auch diese Macht, die sie plötzlich zur Gejagten machte, führte nicht dazu, dass Lilli sich beruhigen konnte. Sie erinnerte sich noch ganz genau an jeden einzelnen Moment, in dem ihre Magie außer Kontrolle geraten war. Es hatte sich auf eine grausame Art und Weise gut angefühlt. Dennoch fürchtete Lilli nun, jemandem ungewollt Schaden zufügen zu müssen, weil sie diese Macht noch immer nicht unter Kontrolle hatte. Würde sie die Magie jemals meistern können, wenn sie doch eigentlich nur zurück auf die Erde wollte?

   „Lilliana?", fragte Tristan besorgt und richtete sich auf, als wolle er zu ihr kommen. Abwehrend hob sie eine Hand und hielt ihn zurück. „Ich will dich zu nichts zwingen, aber irgendwann wirst du mir glauben müssen", sagte er ruhig und schenkte ihr wieder dieses Lächeln, das Lilli aus ganz anderen Gründen Herzrasen bescherte.
   „Klar, weil du mich auch überhaupt gar nicht gezwungen hast, hier zu sein", entgegnete sie und schnaubte wütend. „Wegen dir bin ich doch erst hier gelandet. Gegen meinen Willen. Gezwungenermaßen."

Für einen Moment entglitt Tristan das Lächeln und wich tiefster Sorge. Er schien durch sie hindurchzublicken, direkt in ihr Innerstes, als könnte er die wirbelnde Magie sehen, die Lilli kaum noch in sich halten konnte.
   „Zu deiner eigenen Sicherheit und die der Menschen in deinem irdischen Umfeld", beharrte Tristan fest, schien allerdings noch lange nicht mit den Nerven am Ende zu sein. Nicht so wie Incendius, der Lilli bereits nach wenigen Minuten aufgegeben hatte. Ihr eigener Vater wohlgemerkt. Das sagte viel über den rotäuigigen König aus, vor dem Lilli sich insgeheim immer gefürchtet hatte, selbst als sie kaum mehr als die Bilder aus der Ahnengalerie der Tallions von ihm kannte.
   „Mein irdisches Umfeld ...", murmelte Lilli und dachte an ihre Eltern, die sie entweder tatsächlich nicht vermissten, wie ihr die Bilder aus der Fensterscheibe glauben machen wollten, oder mittlerweile ganz krank vor Sorge waren.
   Glaub nicht immer alles, was du siehst, schalt sie sich und dachte an die unzähligen Übungsstunden mit ihrem Kampfleher zurück. Wie oft hatte er sie in die Irre geführt, sie getäuscht und ihr immer wieder gesagt, dass man manchmal besser seinen Instinkten traute als den Augen?
   „Die Welt ist voller Illusionen und Lügen", hatte er gesagt, als wüsste er von ihrer Herkunft. „Besser du lernst das so schnell wie möglich."

Lillis Blick fiel wieder auf Tristan, der ein Teil dieser Lüge war, die ihr ganzes Leben zu umspannen schien. So sehr sie es auch wollte, ihr Instinkt verbot es ihr, ihm böse zu sein. Lilli versuchte dagegen anzukämpfen, Tristan mit derselben Inbrunst zu hassen wie Incendius, doch konnte sie es einfach nicht.

Tristan fuhr mit der Hand durch die Luft, als würde er nach etwas greifen. Lilli spürte die Magie, die von seinen Fingerspitzen ausging und duckte sich instinktiv, weil sie von einem verspäteten Gegenangriff ausging. Vielleicht hatte er ihre Ausbrüche doch nicht so gelassen hingenommen und wollte sich, nun da sie für einen Moment abgelenkt war, revanchieren.

„Keine Angst, ich tue dir nichts", versicherte er ihr, als ein kleiner rechteckiger Gegenstand in seiner Hand erschien. „Das habe ich deinem Vater versprechen müssen." Tristan lachte, doch klang es gequält. Die Erinnerung an dieses Versprechen schien ihm nicht sehr zuzusagen.
   „Nenn' ihn nicht so", fauchte Lilli augenblicklich und funkelte ihn wütend an.
   „Es tut mir leid, aber so sind nun mal die Umstände, Prinzessin", entgegnete Tristan kein bisschen entschuldigend und schlug das kleine Ding in seiner Hand auf. Es war ein Notizbuch mit dicht beschriebenen Seiten, wie Lilli von ihrem Platz aus sehen konnte. Zeile an Zeile voller schwarzer Tinte reihten sich untereinander, bis aller Platz auf der Seite ausgenutzt war.

   „Das ist ein Teil der Prophezeiung über uns", erklärte Tristan und hob das dünne Notizbuch hoch. Der Einband, stellte Lilli erstaunt fest, bestand offenbar aus dicker Baumrinde, anstatt aus Stoff oder Leder. Gerne hätte sie es näher betrachtet, herausgefunden, ob diese Rinde tatsächlich echt war, doch wollte sie Tristan noch immer nicht zu nahe kommen.
   „Lucideon hat sie vor sehr langer Zeit entdeckt. Sie tauchen überall auf, in allen Zeitepochen, Kulturen und Welten. Mal am Rand eines Buches, mal als Grabinschrift, mal als Teil eines Lieds. Er hat sich der Analyse dieser Prophezeiungen verschrieben, noch bevor er wusste, dass unsere Familie maßgeblich darin involviert sein würde", fuhr er fort und blätterte durch die dünnen Seiten, während sein Finger über den schmalen Buchrücken strichen.

   „Sie werden kommen, geboren von Zwillingen, doch Geschwister sind es nicht", las er vor und lächelte. „Dieser Satz hat ihm immer besonders viel Kopfzerbrechen bereitet, bis meine und deine Eltern geheiratet haben." Tristan klappte das Büchlein zu und blickte Lilli an. Sie konnte gut nachvollziehen, dass dieser Satz schwer zu entschlüsseln war. Wenn alle Teile der Prophezeiungen so kryptisch waren, wie konnte Lucideon dann wissen, dass sie sich tatsächlich auf Lilli und Tristan bezog?
   „Unsere Väter und Mütter sind nämlich jeweils Zwillinge. Incendius und Oranio, mein Vater. Solaia und Violetta, meine Mutter", erklärte er des Rätsels Lösung. Mit diesen Informationen war es doch gar nicht mehr so schwer, zumindest diesen Fetzen der Prophezeiung zu verstehen. Trotzdem war das für Lilli noch immer kein Zeichen, dass gerade sie darin vorkommen sollte. Sicher gab es in all den Welten, von deren Existenz sie heute erst erfahren hatte, noch weitere Zwillingspärchen, die keine Geschwister waren und Kinder bekamen.

   „Sie werden kommen, als eines und doch als zwei", las Tristan mit theatralischer Stimme und schien wohl einen Seher imitieren zu wollen. „Lucideon glaubt, dass damit unser Geburtstag gemeint ist. Wir haben auf die Sekunde genau zum ersten Mal geatmet."
Verschwommene Bilder strömte durch Lillis Kopf. Erinnerungen, von denen sie bisher nichts gewusst hatte. Große dunkelblaue Augen die zu einem rundlichen Babygesicht gehörten. Sofort wusste sie, dass es Tristan war. Weitere Augenpaar beugten sich über sie, golden und feuerrot, orange wie die Abendsonne und violett wie das Morgengrauen. Ihre und Tristans Eltern.

   „Sie werden kommen auf die Insel der Feenwinde als Sohn und Tochter der Erhabenen", fuhr Tristan fort.
Lilli betrachtete ihn und das kleine Buch, das angeblich ihr Schicksal enthalten sollte. Ohne Tristans Erklärungen verstand sie kein Wort, auch wenn ihr der Begriff Insel der Feenwinde bekannt vorkam. Tristan klärte ihn für sie auf und schüttelte den Kopf. Es war der Beiname Ismathiels dank der Winde, die die Feengesänge über die ganze Insel verteilten. Selbst in Lillis Gemächern weit im Inneren der Stadt konnte man sie vernehmen, wenn man vollkommen still war und sich einzig und allein darauf konzentrierte.
   „An diese umständlichen Formulierungen werde ich mich nie gewöhnen. Sohn und Tochter der Erhabenen ...", sagte er und seufzte tief. „Immer diese Seher und ihre Eigenartigkeiten!"

   „Sie werden kommen und dunkle Mächte werden nach ihren Kräften gieren." Tristans Stimme veränderte sich schlagartig, wurde bitterernst und verlor die gespielte Theatralik. „Sie werden kommen und ihren Häschern in der Zahl unterlegen sein. Sie werden kommen und während ihrer Kindheit die Insel der Feenwinde zerstört sehen." Die Worte des letzten Satzes betonte Tristan übermäßig stark. Sie schienen der Grund gewesen zu sein, weshalb man ihn und Lilli auf die Erde geschickt hatte.
   „Ihr wolltet sie abwenden ...", murmelte Lilli und erinnerte sich an eine Serie, die sie vor ewigen Zeiten gesehen hatte. Darin war ein Zauberer vorgekommen, der ebenfalls alte Prophezeiungen studiert hatte.
   „Ganz genau", sagte Tristan und nickte langsam. „Ismathiel braucht deine Kräfte, Lilliana, und deswegen musst du lernen, sie zu kontrollieren. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mich in Zukunft nicht mehr durch die Luft schleudern würdest, als wäre ich ein Ball."

Lilli erkannte die Hoffnung in seinem Blick, als glaubte er, dass er sie damit überzeugen konnte.
   „Das ändert nichts", sagte sie mit fester Stimme und sah, wie der Funke in seinen dunklen Augen erlosch. Das Lächeln gefror ihm auf den Lippen und wirkte plötzlich wie eine Maske, die schlecht saß.


NÄCHSTES UPDATE FOLGT AM 03. JANUAR 2018

Hallo ihr Lieben!

Na, habt ihr alles erledigt, was ihr 2017 schaffen wolltet? Ich bin ja nicht so zufrieden mit diesem Jahr, aber 2018 wird alles besser :)

Wie gewünscht habe ich den Update-Plan für diese Geschichte etwas geändert. Es wird jetzt 3 Updates pro Woche kommen (angefangen am Mittwoch). Jeweils montags, mittwochs und samstags gibt es dann neue Kapitelteile, damit ihr nicht immer so ewig warten müsst.

Ich wünsche euch und eurer Familie einen guten Start ins neue Jahr und bedanke mich (mal wieder) für eure Unterstützung in den letzten Monaten! 😘

Kate

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