2 - Irgendwo im Nirgendwo

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Mir ist kalt. Eiskalt.

Der Wind peitscht über meinen Körper und lässt mich erzittern. Ich spüre, wie sich eine Gänsehaut aus Nadelstichen auf meinen Extremitäten ausbreitet und ein kühler Schauder über mein Rückgrat tanzt.

Meine Kleidung klebt an mir. Als wäre sie eine zweite Hautschicht. Sie fühlt sich klamm und nass an. Genauso wie der Rest meines Körpers.

Obwohl ich schwach und ausgelaugt bin, öffne ich vorsichtig meine Augen und versuche, mich aufzusetzen.

Ich blinzele einmal. Dann nochmal. Und nochmal.

Doch alles, was ich sehe, sind weiße Punkte, denn viel zu helle Sonnenstrahlen blenden mich. „Scheiße!", keuche ich, während ich mir schützend die Hände vors Gesicht halte.

Warum zum Teufel ist mir so kalt, obwohl die Sonne scheint?

Ich verharre für ein paar Sekunden in meiner Position und konzentriere mich auf die Gerüche und Geräusche, die wie Nebelschwaden durch die Luft wabern und mich in eine Wolke der Sinneswahrnehmungen einlullen.

Ich höre das Rauschen des Meeres und wie die Wellen am Ufer brechen. Über meinem Kopf ziehen kreischende Möwen ihre Kreise und aus der Ferne dringt ein dumpfes Trommeln zu meinen Ohren hindurch.

Um mich herum riecht es nach Salzwasser, Kiefernnadeln und einer Prise Vanille.

Meine Finger tasten nun vorsichtig über den Untergrund, auf dem ich sitze. Feine Sandkörner bohren sich unter meine Nägel und verraten mir, dass ich mich an einem Strand befinde.

Ich hole tief Luft, bevor ich einen zweiten Versuch wage und langsam meine Augenlider öffne. Zwar sind die Sonnenstrahlen noch immer sehr hell, aber wenigstens schaffe ich es dieses Mal, meine Umgebung genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wie bereits vermutet befinde ich mich an einem Strand. Nur wenige Meter entfernt von mir erstreckt sich der Ozean als blauer Teppich aus Glitzerpartikeln. Weiße Schaumkronen funkeln auf den Wellen und spülen bunte Muscheln ans Ufer.

Ich drehe meinen Kopf nach links. Und dann nach rechts. Doch ganz egal, wohin mein Blick auch schweift, ich kann keine anderen Menschen erkennen.

Bin ich etwa allein hier?

Ich bemühe mich, die Müdigkeit, die wie ein Feuer in meinen Knochen lodert, zu ignorieren, und erhebe mich schwerfällig aus dem Sand. Kaum stehe ich auf beiden Füßen, zerrt eine kräftige Windböe an meinem Körper, die mich erneut erschaudern lässt.

Verdammt, warum ist es so kalt?

Intuitiv lasse ich meine Augen an meinem zitternden Körper hinabwandern. Ich trage ein gelbes Sommerkleid, das mit einem feinen Blumenmuster aus Spitze überzogen ist. Blöderweise ist das Kleid komplett durchnässt und haftet wie eine Klette an meiner Haut. Auch ein paar Algen haben den Weg zu meinen Armen und Beinen gefunden und es sich dort gemütlich gemacht.

„Igitt!" Ich schüttele mich einmal und entferne dann den Seetang von meinem Körper. Am liebsten würde ich das nasse Kleid zu den grünen Schlieren in den Sand werfen, aber da ich nirgends ein Handtuch oder Wechselkleidung sehe, muss ich dieses Vorhaben notgedrungen wieder verwerfen.

Ich stoße ein zittriges Seufzen aus, ehe ich mich langsam durch den lauwarmen Sand kämpfe. Die hellen Sonnenstrahlen begleiten mich zwar auf Schritt und Tritt, schaffen es aber leider nicht, mich zu wärmen.

Mit jeder Sekunde, die verstreicht, wird das Rauschen der Wellen leiser. Ich entferne mich immer weiter vom Meer, bis ich nach wenigen Minuten eine Steintreppe erreicht habe, die vom Strand zu einer Art Allee führt, die von tanzenden Palmen eingefasst wird. Auf dem Boden ist ein roter Teppich ausgerollt, der mir den Weg zu einem riesigen Stahltor weist.

Wo bin ich hier bloß gelandet? Was ist das für ein Ort?

Ich versuche in meinen Erinnerungen zu kramen, doch es ist vergeblich. Überall treffe ich nur auf beängstigende Leere, die meinen ganzen Kopf ausfüllt. Es scheint, als wären all meine Erinnerungen gelöscht worden. Als hätten sie nie existiert.

Bei dieser Erkenntnis macht sich eine eisige Gänsehaut auf meinem Körper breit. Mein Herz schlägt schneller und ich habe das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können.

Was ist mit mir passiert? Und was hat es mit diesem Ort auf sich?

Schwarze Punkte schieben sich in mein Sichtfeld, doch ich blinzele sie tapfer weg und erklimme Sprosse für Sprosse die Treppe. Die raue Steinoberfläche fühlt sich merkwürdig unter meinen nackten Fußsohlen an. Irgendwie so fremd, aber dennoch vertraut.

„Ganz ruhig." Meine Stimme bebt genauso sehr wie mein Körper.

Es kostet mich all meine Kraft, die Treppenstufen zu bezwingen und nach einer gefühlten Ewigkeit auf dem roten Teppich zu stehen. Der Stoff ist weich und angenehm. Außerdem riecht er ein bisschen nach Zimt und Schokolade.

Rechts und links von mir erstrecken sich nun mehrere Palmen, die sanft im Wind tanzen. Auch wenn es komisch klingt, beruhigt es mich, den rhythmischen Bewegungen zuzuschauen. Zumindest für ein paar Minuten.

Sobald sich mein rasender Herzschlag wieder reguliert hat, setze ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen und folge dem roten Teppich. Mit jedem Schritt, den ich mache, verstärkt sich die Gänsehaut auf meinem Körper. Außerdem habe ich das Gefühl, dass es kälter und dunkler wird.

„Hab' keine Angst", rede ich mir selbst Mut zu. „Alles wird gut." Dass sich meine Stimme total fremd anhört, versuche ich zu ignorieren. Eine andere Wahl bleibt mir auch nicht.

Ungefähr zwei Minuten lang stolpere ich noch über den Teppich, bis ich das riesige Stahltor erreicht habe. Es erhebt sich majestätisch aus dem Boden und ragt bis in die Wolkenspitzen hinauf. Filigrane Schnörkel und Ornamente zieren die Oberfläche und münden allesamt in einer goldveredelten Klinke.

Oh Gott. Soll ich wirklich dieses Tor öffnen? Obwohl ich keine Ahnung habe, was sich dahinter befindet?

Ich drehe mich noch einmal um und lasse meinen Blick über den roten Teppich bis hin zum Strand wandern. Nach wie vor ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen.

„Hallo?!", brülle ich in die Stille hinein.

Doch es folgt keine Antwort.

Wie es scheint, ist dieses Stahltor meine einzige Hoffnung.

Tiefe Atemzüge flattern aus meinem Mund und steigen wie winzige Schmetterlinge zum Himmelszelt empor. Mein Herz schlägt so schnell wie ein Maschinengewehr und pumpt Stromstöße der Angst durch meinen Körper.

Vielleicht ist das gerade der größte Fehler, den ich jemals begangen habe, doch ich lege meine Hand auf die goldene Klinke und drücke sie langsam hinunter. Nicht wissend, dass mich eine Welt erwarten wird, die ich mir nicht mal in meinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können.

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