Kapitel 18 - beunruhigende Nachrichten

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Am nächsten Morgen bekam Jan keine Eule. Wirklich damit gerechnet hatte er nicht, denn seine Eltern schrieben ihm meistens nur einmal in der Woche. Normalerweise reichte ihm das auch. Nur heute hätte er wirklich gern gesehen, wie Blitz in die Halle geflogen kam. Er hatte seine Schleiereule am vergangenen Nachmittag im Eulenturm besucht und war mit ihr zum Wasserfall gegangen, um ihr dort beim Fliegen zuzuschauen. Zu seiner großen Überraschung hatte sich Blitz elegant wie immer durch die Lüfte bewegt und wenn auf Jans Hose nicht der Kakaofleck von Filios umgefallener Tasse gewesen wäre, hätte er sich eingeredet, dass das Ereignis am Morgen nie passiert wäre.

Mit großem Interesse betrachtete er die anderen Eulen, die nun in den Innenhof flogen. Sie kamen wie gewohnt von allen Seiten auf die Tische der Schüler geflogen und brachten ihnen Zeitungen, Pakete und Briefe. Jans Blick fiel auch auf den Flughund von Herrn Goldenberg, der wie eine bunte Blume aus der Menge herausstach. Aus irgendeinem Grund wollte der Lehrer für Deutsch und Flugunterricht sich lieber von dem fledermausartigen Geschöpf seine Post bringen lassen und es kursierten viele Gerüchte, warum dies so war. Filio beispielsweise war der festen Überzeugung, dass er unter einer Federallergie litt, auch wenn Anna ihm versichert hatte, dass es dagegen einen sehr wirksamen Heiltrank gebe. Herr Goldenberg selbst behauptete, er habe sich als Kind einen Flughund in einem englischen Laden gekauft und sei mit dem so zufrieden gewesen, dass er nie auf die „Variante mit Schnabel und Federn" umsteigen wollte.

Eine plötzliche Bewegung am anderen Ende des Innenhofs riss Jans aus seinen Gedanken. Dort flog ein brauner Kauz in auffälligen Spiralen auf den Tisch der Kestens zu. Als er noch ungefähr einen Meter über der Tischplatte war, verlor er sein Gleichgewicht und fiel zu Boden. Mehr konnte Jan nicht sehen, denn die Köpfe der am Tisch sitzenden Kestens versperrten ihm die Sicht.

Daher sah er wieder in die Luft, wo er nach kurzer Zeit schon wieder einen Vogel entdeckte, der schlimmere Schlangenlinien flog als ein betrunkener Quidditchspieler.
»Irgendetwas stimmt hier nicht«, murmelte er leise zu sich selbst.
Doch so lange er auch in den Himmel sah, er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was mit den Eulen nur los war.

Auf dem Weg zur Stunde Zaubertränke kamen sie am Gang mit dem Kiosk vorbei, wo die Inhaberin Nora gerade die Ausgabe der täglichen Eule an die Wände hängte, während ihr bester Freund dabei war, vor dem Unterricht noch ein paar Quidditchanzüge ins Schaufenster zu hängen. Get ready für die Quidditchwochen! stand auf einem großen Plakat. Eine Welle der Aufregung überkam Jan, als er daran erinnert wurde, dass das große Sportereignis schon in wenigen Wochen stattfinden würde.

Natürlich war er mehr als gespannt, wie die Spiele verlaufen würde, aber fragte sich weiterhin, ob er wirklich der Richtige für das Team war. Erst gestern hatte er gehört, wie einige der Kestens sich stolz darüber ausgetauscht hatten, wie viel sie in den Ferien geflogen waren. Er selbst hatte seinen neuen Besen nicht wirklich viel nutzen können, da seine Eltern ihm nicht erlaubt hatten, im Garten zu fliegen.

»Wenn Frau Gärtner das sieht, steht eine Stunde später das Ordnungsamt oder die Polizei vor unserer Tür«, hallte die Stimme seiner Mutter in Jans Ohren wider. Und wenn er ehrlich war, hatte sie recht gehabt. Frau Gärtner war eine schrullige, alte Dame, die die Hälfte des Tages damit verbrachte, aus dem Fenster zu schauen und alles, was sie sah, ihren Freundinnen aus dem Seniorenkreis per Telefon mitteilen musste. Daher war Jan nur an zwei Tagen auf einer großen Lichtung im Wald neben seinem Dorf geflogen. Allerdings hatte er feststellen müssen, dass er das Fliegen einfach nicht fehlerfrei hinbekommen wollte. Mal hatte sein Besen ruckartig gewackelt, ein anderes Mal war er ein Stück zu schnell geflogen und beim Lenken fast heruntergefallen. Der Gedanken, dass er bald für den Jahrgang seines Hauses bei den Quidditchwochen antreten sollte, beunruhigte ihn.

»Schaut mal, da!«, riss Filios Stimme ihn aus den Gedanken. Der Junge mit der Igelfrisur deutete auf das Titelblatt der Zeitung, das ein vollkommen zerstörtes Holzhaus zeigte. Die Wände waren zerbrochen und zwischen ihren Überresten lag ein Haufen Trümmern. Askaban-Ausbrecher beunruhigt Deutschland stand in schwarzen Lettern darunter.
»Wenn wir das lesen, sind wir bestimmt gut informiert und können in Frau Reltings Unterricht punkten.«

Ohne auf eine Reaktion der anderen zu warten ging er zu dem Artikel und begann laut zu lesen. »Schockierende Bilder kursieren durch die Medien der Muggel. Ein Haus im norddeutschen Rostock ist einfach in sich zusammengefallen, eine Bewohnerin ist bei dem Unfall schwer verletzt worden.«
Jan war sich sicher, dass Filio den ganzen Artikel noch vorgelesen hätte, wenn Lina ihn nicht unterbrochen hätte.
»Wir können auch selbst lesen«, meinte sie scherzhaft, woraufhin Filio mit einer beleidigten Grimasse verstummte. Und so standen die jungen Haistras eine Weile vor dem Titelblatt der Zeitung und lasen, manche mehr, andere weniger interessiert.

Spätestens als Jan an der Stelle ankam, wo geschrieben war, dass die Nachbarin ein Bild eines Verdächtigen gemacht hatte, den die Abteilung für magische Strafverfolgung zweifelsfrei als den vor kurzem aus Askaban geflohenen Thorfinn Rowle erkannt hatte, konnte er seine Augen nicht mehr von dem Artikel abwenden.
Einer der Ausbrecher war in Deutschland. Jan war während Frau Reltings Geschichte davon ausgegangen, dass die Verbrecher nach England zurückgekehrt waren, wo sie wohl bereits vor ihrer Inhaftierung einige Gräueltaten verübt hatten. Dass mindestens einer von ihnen sich nur wenige Hundert Kilometer von seiner Schule entfernt befand, beunruhigte ihn sehr.

Mit klopfendem Herzen las er weiter, dass die polnische Hexe, die Opfer des Anschlags gewesen war, derzeit nicht in der Lage sei, Zeugenberichte von sich zu geben und es auch keine sonstigen Hinweise auf das Motiv des Täters gibt. Auch wo Rowle sich momentan aufhielt, konnte der Text nicht sagen. Er endete mit einigen Aussagen von Alexander Pettigrew, dem britischen Ministeriumsbeauftragten für Askaban.
Ich bin zutiefst betroffen über das Geschehene und bin in Gedanken bei der Verletzten und Ihren Angehörigen, zitierte die Zeitung den Mann, sollte sich die Situation weiter verschärfen, bin ich bereit meinen Posten aufzugeben und in Deutschland dabei zu helfen, die Geflohenen wieder zu finden.

»Merkwürdige Geschichte«, meinte Levi, als alle fertig mit Lesen waren. »Warum ist dieser Rowle denn nach Deutschland gegangen? Er müsste sein Netz aus Kontakten doch in Großbritannien haben.«
»Das ergibt für mich auch keinen Sinn«, gab Filio zu, während sie sich wieder in Bewegung setzten. »Vielleicht wollte er ja in Deutschland untertauchen.«
»Das ist ihm aber gut gelungen«, spottete Lina. »Wenn ich irgendwo untertauchen wollte, würde ich dort auch erstmal ein Haus am helllichten Tage in die Luft jagen.«

Eine kurze Zeit herrschte Stille. Dann ergriff Anna mit ihrer leisen, ruhigen Stimme das Wort.
»Ich glaube, ihr macht euch mehr Gedanken über Rowle, als er es selbst tut«, warf sie ein. »Er wurde direkt nach dem zweiten Zaubererkrieg inAskaban inhaftiert. In dieser Zeit wurden Dementoren dort als Wachen eingesetzt– Tag und Nacht. In dem Buch, das Filio und ich für seine Strafarbeit gelesenhaben, stand, dass Shacklebolt den Einsatz von Dementoren erst fünf Jahrespäter verboten hat. So lange unter Dementoren leben zu müssen, raubt einem denVerstand. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er und die anderen Ausbrecher es ohne fremde Hilfe geschafft haben, aus dem Gefängnis zu entkommen. Sie müssen einen Verbündeten haben, der sie befreit hat und der Rowle den Auftrag gegeben hat, dieses Haus zu zerstören.«

Daraufhin trat eine noch unheimlichere Stille ein als vorher. Annas Worte hatten die anderen mehr beunruhigt, als sie sich eingestehen wollten. Doch während die meisten der jungen Haistras darüber grübelten, was der mysteriöse Verbündete Rowle und den anderen als nächstes auftragen würde, kam Jan ein ganz anderer Gedanke.
»Was, wenn es Jorski ist?«, platzte es aus ihm heraus. »Ich finde, er hat sich schon das ganze Jahr über merkwürdig verhalten. Was, wenn er in Wirklichkeit nur nach Winterfels gekommen ist, um näher an den Angriffszielen seiner Askaban-Ausbrecher zu sein. In dem Artikel stand, eine polnische Hexe war in dem zerstörten Haus. Vielleicht war sie eine ehemalige Feindin von Jorski, mit der er noch eine Rechnung offen hatte. Vielleicht...«

Jan verstummte, als Levi ihm in den Arm boxte.
»Nicht so laut«, mahnte der Junge und deutete auf Frau Relting, die in nicht allzu großer Entfernung vor ihnen lief.
Jan sah ihn dankbar an. Ihm war überhaupt nicht aufgefallen, wie laut er geworden war. Doch bevor er in Flüsterlautstärke fortfahren konnte, meldete sich Lina zu Wort.

»Ich wusste gar nicht, dass du seit neuestem Mitglied der Akademischen Astromagier bist«, meinte sie skeptisch.
»Mitglied der was?«
»Kennst du nicht die Akademischen Astromagier?Das ist so eine Sekte mit sehr komischen Verschwörungstheorien. Sie sind der Meinung, dass das Zaubern bei Vollmond die magischen Fähigkeiten beeinträchtigt. Und dass Liechtenstein nicht existiert, sondern nur eine Erfindung der Schweizer ist. In jeder zweiten Theorie kommen entweder die Walpurgisritter oder der Geist von Cassandra Trelawney vor. Dafür haben sie aber nie Beweise und wirklich nachvollziehbar sind ihre Argumentationen auch nicht. Also so wie deine eben.«

»Das stimmt doch gar...«, wollte Jan protestieren, doch Lina zog ungläubig die Augenbrauen hoch.
»Ein Lehrer von uns schreibt einen Brief an jemanden, den wir nicht kennen und kommt aus dem gleichen Land wie das Opfer eines Anschlags. Deswegen ist er dafür verantwortlich, dass fünf Todesser aus Askaban entkommen sind?«
»So wie du das darstellst, hört sich das jetzt blöd an.«
»So wie du es eben dargestellt auch«, erwiderte Lina schnippisch.
Jan verdrehte die Augen. Es hatte keinen Sinn mit Lina zu diskutieren. Irgendwie schaffte sie es in jedem Gespräch, ihn blöd aussehen zu lassen. Aber vermutlich hatte sie diesmal sogar Recht gehabt. Seine Überlegung war wirklich nicht sonderlich logisch gewesen. Aber er wurde das Gefühl einfach nicht los, dass da eine Verbindung zwischen Herrn Jorski und den jüngsten Ereignissen bestand.

Jan war ziemlich dankbar, dass sie mittlerweile am Fachraum für Zaubertränke angekommen waren, denn so müsste er seine Position nicht weiter verteidigen, sondern konnte sich einfach auf seinen Platz setzen, der zum Glück ein ganzes Stück von Lina entfernt war.
Bis auf Herrn Jorski war der Klassenraum noch fast leer. Außer zwei Mädchen fehlten noch alle Kestens. Der Lehrer allerdings schien nicht einmal zu bemerken, dass die Haistras gerade den Raum betraten. Er war über sein Lehrerpult gebeugt und studierte konzentriert ein Blatt Papier.

Schließlich rollte er es zusammen, verschwand in einem Nebenzimmer und kam erst einige Zeit später wieder, ohne das Papier. Währenddessen traten auch die anderen Kestens in das Klassenzimmer und setzten sich unter lautem Gerede auf ihre Plätze.
Herr Jorski warf noch einmal einen prüfenden Blick in den Nebenraum, dann setzte er sein gewohntes Lächeln auf und grüßte die Schüler mit dem für ihn typischen Akzent.

»Heute wir wollen einen Lackiertrank zubereiten«, verkündete er. »Wir alle nehmen heute die Farbe Grün, weil damit geht es am leichtesten.«

Danach zeigte er ihnen die wichtigsten Schritte anhand vorgefertigter Präparate vorne an seinem Schreibtisch. Das machte er meistens so, wenn sie eine Praxisstunde hatten. Jedes Mal aufs Neue war Jan davon fasziniert, wie sehr Herr Jorski seine Kunst beherrschte. Und auch wenn man seine Erklärungen zu den Arbeitsschritten nicht immer verstand, war es beeindruckend zu sehen, wie Herr Jorski in kurzer Zeit herausragende Tränke brauen konnte. Nur heute wirkte er etwas neben der Spur. Er ließ seinen Kessel beinahe überkochen und das Grün, mit dem er am Ende seinen Kugelschreiber lackierte, wirkte blass und farblos.

»Findest du meine Theorie immer noch so abwegig?«, fragte Jan mit Blick zu Herrn Jorski, während er und Levi gegen Beginn der zweiten Stunde die Blätter der Zitronenmelisse mithilfe eines Mörsers zerkleinerten.

»Ja finde ich«, bestätigte Levi lachend und warf bereits eine erste Schale voller pürierter Blätter in den Kessel. »Der Vergleich mit den Akademischen Astromagiern war natürlich schon gemein, aber grundsätzlich stimme ich Lina zu.«

Jan kippte nachdenklich auch seinen Blätter-Brei in den Kessel und sah dabei zu, wie die Flüssigkeit sofort einen stärkeren Grünton annahm.

»Aber sein Verhalten ist schon auffällig, oder?«

»Das will ich ja gar nicht abstreiten«, meinte Levi. »Aber das ist auch das einzige, was wir mit Sicherheit sagen können. Alles andere sind wilde Spekulationen. Und ich glaube, es tut uns nicht gut, allzu viel Zeit damit zu verschwenden. Ich habe das Gefühl, das belastet uns und lenkt uns von den schönen Dingen des Lebens ab. Zum Beispiel der Geruch der Zitronenmelisse. Probier mal, wie der Trank jetzt duftet.«

Bei diesen Worten hielt er eine Hand über ihren Kessel und wedelte sich damit den Geruch ihres Gebräus zu. Dabei sah er ziemlich ulkig aus. Jan, nicht ganz so erpicht darauf, den Clown zu spielen, hielt einfach seinen Kopf über den Kessel. Auch ihm stieg der süßliche Duft der Zitronenmelisse in die Nase. In diesem Moment sah er allerdings, wie es in dem Kessel bedrohlich zu brodeln begann. Sofort zog Jan seinen Kopf wieder zurück. Dass die Ärmel seines Kittels, sowie seine Handschuhe mit der grünen Flüssigkeit befleckt wurden, konnte er allerdings nicht mehr verhindern. Eilig drehte Levi die Temperatur des Kessels herunter, während Jan auf das brodelnde Gebräu starrte und sich seine Laborbrille zurechtrückte. Dabei verschmierte er ein wenig des grünen Tranks auch noch in seinen Haaren, woraufhin er angewidert den Kopf schüttelte.

»Du solltest dich mehr aufs Trankbrauen konzentrieren«, scherzte Levi. »Du siehst ja aus wie ein Walisischer Grünling.«

Jan lachte matt. Levi hatte recht. Mit seinen wilden Spekulationen schadete er vor allem sich selbst. Aber er wurde das Gefühl nicht los, dass mit Herrn Jorski etwas nicht stimmte. Und, dass es etwas mit den aktuellen Ereignissen zu tun hatte. 

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